Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105369/11/BR

Linz, 18.05.1998

VwSen-105369/11/BR Linz, am 18. Mai 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung der Frau H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 26. Februar 1998, Zl.: VerkR96-3146-1997 Sö, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf 4.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage ermäßigt wird.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 400 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag. Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem Straferkenntnis vom 26. Februar 1998, Zl.: VerkR96-3146-1997 Sö, wegen der Übertretung nach § 52a Z10 lit.a StVO 1960 über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 6.000 S und für den Nichteinbringungsfall sechs Tage Ersatzfreiheitsstrafe und nachfolgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben am 17.02.1997 um 16.53 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der Pyhrnautobahn A9 im Gemeindegebiet von W Stkm. 10.600 in Richtung Kirchdorf/Krems gelenkt und die Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" mißachtet, da Sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 57 km/h überschritten." 1.1. Begründend führte die Erstbehörde folgendes aus:

"Die Ihnen im Spruch zur Last gelegte Verwaltungsübertretung wurde mittels eines stationär aufgestellten, geeichten Radargerätes festgestellt und ist dadurch und durch das Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen, der in seinem Gutachten vom 9.12.1997 abschließend anführt, daß bei dieser Messung mit einer für ein Strafverfahren ausreichender Sicherheit die 157 km/h als Grundlage herangezogen werden können und aus meßtechnischer Sicht keine Bedenken gegen diese Messung bestehen, sowie das durchgeführte Ermittlungsverfahren als erwiesen anzusehen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die verhängte Geldstrafe unter Bedachtnahme auf § 19 VSTG. festzusetzen. Erschwerend war das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zu werten, mildernd Ihre bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu werten. Gerade derart hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen, die im übrigen eine schwere Verwaltungsübertretung darstellen, sind immer wieder Ursache von Verkehrsunfällen, so daß diese Übertretungen mit entsprechender Strenge geahndet werden müssen. Ihren Anträgen zur Einvernahme eines gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem KFZ-Fach und Einholung einer Auskunft der technischen Universität Wien wurde nicht entsprochen, da sie keinen wesentlichen Bestandteil des Beweisverfahrens bilden.

Im übrigen erscheint die verhängte Geldstrafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie Ihren Einkommens-, Familien und Vermögensverhältnissen (Einkommen: 10.800, Vermögen: 1/2 Haus, Kredite, Sorgepflichten für 1 Kind) angemessen. Der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens ist gesetzlich begründet." 2. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht durch ihre ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung worin folgendes ausführt wird: "In außen bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebe ich gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 26.2.1998, G.: VerkR 96-3146-1997, zugestellt am 2.3.1998 innerhalb offener Frist Berufung.

Das vorliegende Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalte nach bekämpft, als Berufungsgründe werden die Rechtswidrigkeit des Verfahrens sowie die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend gemacht und im einzelnen ausgeführt wie folgt:

Das durchgeführte Strafverfahren ist infolge manifester Verletzungen von Verwaltungsverfahrensvorschriften als mangelhaft anzusehen. Es wurde im durchgeführten Verfahren die für jedes Verwaltungsstrafverfahren grundlegende Bestimmung des § 25 VStG sowie die Bestimmung des § 37 AVG mißachtet. Es ist allgemein bekannt, daß aufgrund der besonderen Gegebenheiten im Verwaltungsstrafverfahren, wo ja im Verfahren 1. Instanz die anklagende Behörde zugleich auch die straferkennende Behörde ist, besondere Kautelen zum Schutz des in einem Verwaltungsstrafverfahren Beschuldigten gelten.

In diesem Sinn wurde vom Gesetzgeber die Bestimmung des § 25 Abs. 2 VStG normiert, worin ausdrücklich festgehalten wird, daß sämtliche der Entlastung des Beschuldigten dienliche Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind, wie die belastenden. In engstem Zusammenhang damit steht auch die Bestimmung des § 37 AVG und ist insgesamt daher für ein Verwaltungsstrafverfahren die Erforschung der materiellen Wahrheit von unbedingter Notwendigkeit.

Aus diesem Grund ist auch den Beweisanträgen eines Beschuldigten ein erhöhtes Augenmerk zu schenken, gerade aber das ist im gegenständlichen Fall nicht erfolgt.

In meinen verfahrensgegenständlichen Schriftsätzen vom 16.2.1998 sowie 21.10.1997, habe ich ausdrücklich die Beiziehung eines kfz-techn. SV, die Einvernahme der Meldungsleger, die Auswertung des Lichtfilmes, die Einvernahme der Zeugen R zu den in den Schriftsätzen angeführten Beweisthemen beantragt. Die Behörde erster Instanz ist aber diesen Beweisanträgen nicht nachgekommen. Erschwerend ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Behörde erster Instanz im berufungsgegenständlichen Straferkenntnis nicht ausführt, warum sie die diesen Beweisanträgen nicht gefolgt ist. Neben den oben zitierten Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechtes leidet der berufungsgegenständliche Bescheid daher auch an einer mangelhaften Begründung, so daß auch die Bestimmung des § 60 AVG verletzt wurde.

Wie bereits dargelegt, bin ich zum Vorfallszeitpunkt am Vorfallsort nicht gefahren bzw. habe das Fahrzeug nicht gelenkt. Darüber hinaus ist die gemessene Geschwindigkeit von 157 km/h völlig unrichtig und ist es technischerseits auch gar nicht möglich im Bereich des Tatortes eine solche Geschwindigkeit einzuhalten.

Die Hinweistafeln im diesbezüglichen Straßenbereich sind nicht entsprechend der Straßenverkehrsordnung aufgestellt worden, es hat nur eine Hinweistafel am rechten Fahrbahnrand gegeben und war diese darüber hinaus auch über drei Meter vom Straßenrand entfernt aufgestellt.

Dies hätte die Einvernahme des Meldungslegers bzw. eines informierten Vertreters der Straßenmeisterei beweisen können. Aus diesem Grund hätte daher auch die Behörde erster Instanz ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen gehabt, das unterblieben ist.

Aber selbst wenn man vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist die verhängte Geldstrafe bei weitem überzogen, entspricht nicht den Familien- und Einkommensverhältnissen und berücksichtigt nicht den anzuziehenden Milderungsgrund meiner verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit. Aus diesem Grund ist auch die verhängte Geldstrafe bei weitem überhöht.

Aus all diesen Gründen ist daher das gegenständliche Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaftet und werden daher gestellt nachstehende Berufungsanträge:

Der UVS Oberösterreich wolle in Stattgebung dieser Berufung a) eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen b) nach Durchführung der von mir beantragten Beweise das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen, in eventu c) die ganze Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz rückverweisen.

Graz, am 16.3.1998 H" 3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als erforderlich, weil die zur Last gelegten Übertretungen von der Berufungswerberin durch ihr Berufungsvorbringen vorerst zumindest konkludent auch dem Grunde nach bestritten wurde (§ 51e Abs.1 VStG). Erst am Tag des Verhandlungstermines wurde seitens des Rechtsvertreters der Berufungswerberin die Zurückziehung der Berufung im Hinblick auf die Tatfrage angekündigt - vorerst telefonisch und schließlich mittels per FAX übermittelten Schreiben bestätigt - und die Berufung auf die Straffrage eingeschränkt. Die Berufungsverhandlung wurde daraufhin unter fernmündlicher Verständigung des Amtssachverständigen, des Meldungslegers und auch der Erstbehörde abberaumt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, Zl.: VerkR96-3146-1997 Sö. Daraus ergibt sich in Verbindung mit der Berufungseinschränkung und dem ergänzenden Vorbringen zu den Einkommensverhältnissen im Schriftsatz, mit dem die Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkt wurde, der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Strafzumessung folgendes erwogen:

5.1. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

5.1.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß Geschwindig-keitsüberschreitungen eine der häufigsten Ursachen schwerer Verkehrsunfälle sind, weshalb im Hinblick auf das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung hier insbesondere aus Gründen der Generalprävention mit empfindlichen Geldstrafen vorzugehen ist. In diesem Licht wäre daher unter der von der Erstbehörde offenbar auf Grund einer Schätzung getroffenen Einkommensannahme (monatlich 10.800 S und der Sorgepflicht für ein Kind, sowie den Besitz eines Hälfteanteiles an einem Haus) und fehlender Milderungsgründe, die Geldstrafe in der Höhe von 6.000 S durchaus gerechtfertigt gewesen. 5.1.2. Grundsätzlich sei zum Tatverhalten, welches an einem Montag und somit bei einem anzunehmenden regen Verkehrsaufkommen begangen wurde noch ausgeführt, daß mit einer derart eklatanten Geschwindigkeitsüberschreitung wohl eine gravierende Rechtsgutbeeinträchtigung infolge einer verkehrsspezifischen Gefahrenpotenzierung verbunden war. Es ist eine statistisch belegte Tatsache, daß Geschwindigkeitsüberschreitungen die häufigste Ursache für Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang ist. Diese gründet beispielsweise darin, daß bei der von der Berufungswerberin eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit der Anhalteweg mehr als verdoppelt gewesen wäre. Während dieser bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h bei einer starken Bremsung (= 6,5 m/sek/2, einer Sekunde Reaktionszeit und 0,2 Sekunden Bremsschwellzeit) der Anhalteweg 89,9 Meter beträgt, liegt dieser bei der von der Berufungswerberin gefahrenen Geschwindigkeit (157 km/h) unter diesen Bedingungen bei 194,26 Meter. Jene Stelle, wo das Fahrzeug unter Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unter den genannten Bedingungen zum Stillstand gelangt, wird bei der von der Berufungswerberin gefahrenen Geschwindigkeit noch mit 132,6 km/h durchfahren (Berechnung mittels "EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramm v. Prof. Dr. Gratzer, KFZ-Sachverständiger). Die nachteilige Auswirkung für die Verkehrssicherheit wird damit besonders verdeutlicht. Diesem Ergebnis liegt zugunsten der Berufungswerberin die Berücksichtigung einer 3%igen Verkehrsfehlergrenze zu Grunde. Immerhin darf jedermann darauf vertrauen, daß andere Verkehrsteilnehmer die Vorschriften des Straßenverkehrs einhalten (Vertrauensgrundsatz). Wenn andere Verkehrsteilnehmer demzufolge ihr Verhalten entsprechend einrichten ist es nur unschwer nachvollziehbar, daß es bei Geschwindigkeitsüberschreitungen leicht zu nicht mehr beherrschbaren (unfallvermeidenden) Konstellationen kommen kann. Dies sind dann eben jene Verkehrsunfälle die sich nicht zugetragen hätten, wären die Vorschriften eingehalten worden; die Unfallskausalität liegt bei derartigen Geschwindigkeitsüberschreitungen (auch) in einer derartigen Schutznormverletzung begründet.

5.1.3. Da die Berufungswerberin in ihrem Schriftsatz jedoch glaubhaft macht, daß ihr Einkommen doch niedriger ist als von der Erstbehörde angenommen und darüber hinaus auch noch von ihrer verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit auszugehen war (dieser Aspekt wurde seitens der Erstbehörde nicht berücksichtigt) konnte hier mit einer Geldstrafe in der Höhe von 4.000 S das Auslangen gefunden werden. Die Ersatzfreiheitsstrafe war wegen des unterdurchschnittlichen Einkommens im Verhältnis zur Geldstrafe im geringeren Ausmaß zu reduzieren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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