Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300743/2/SR/BP/CR

Linz, 23.08.2006

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des H P S, Ngasse, S, vertreten durch Dr. J R, Rechtsanwalt in L, Wstraße, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters des Stadt Steyr vom 11. Juli 2006, Zl. Pol-129/06, wegen Übertretung des Oö. Hundehaltegesetzes zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.                  Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 66 VStG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 11. Juli 2006 wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 iVm § 15 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Oö. Hundehaltegesetz eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt, weil er als Hundehalter zu vertreten habe, dass er den in seiner Obhut befindlichen Hund (Schäfermischling namens "G") nicht derart beaufsichtigt habe, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, da dieser Hund am 28. März 2006 gegen 19.00 Uhr in 4400 Steyr, im Bereich der Neustiftgasse, auf Hrn. L R eingebissen habe und dieser dadurch gefährdet worden sei. Da ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren und zu führen sei, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, stelle der oa. Tatbestand eine Übertretung des Oö. Hundehaltegesetzes dar. Als Rechtsgrundlagen werden im Spruch § 3 Abs. 2 Z 1 iVm § 15 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Oö. Hundehaltegesetz genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen sei, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden. Der Bw sei zum Tatzeitpunkt Hundehalter im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 leg. cit. gewesen, da er im eigenen Namen darüber entscheiden konnte, wie der gegenständliche Hund zu verwahren oder zu beaufsichtigen sei. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit sei bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre und der Täter nicht glaubhaft machen könne, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung gehöre zum Tatbestand weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr, weshalb es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handle. Bei Ungehorsamsdelikten belaste der Gesetzgeber den Täter schon durch den objektiven Tatbestand und präsumiere die Schuld, solange der Beschuldigte nicht das Gegenteil glaubhaft mache. Infolge Außerachtlassens der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt habe der Beschuldigte verkannt, dass er durch sein Verhalten einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklicht habe und müsse als Grad des Verschuldens zumindest Fahrlässigkeit angenommen werden. Die Übertretung der Bestimmungen des Oö. Hundehaltegesetzes wären sohin aufgrund der Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr sowie aufgrund des ha. durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, dass dem Bw zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters am 12. Juli 2006 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende – rechtzeitig eingebrachte (Fax vom 26. Juli 2006) – Berufung. Darin wird im Wesentlichen der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und den Bw von dem Vorwurf der Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs. 2 Oö. Hundehaltegesetz freizusprechen, in eventu das Erkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsverfahren an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen und ihr die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen und jedenfalls das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wird ausgeführt, dass der Bw zum Tatzeitpunkt zwar Halter des gegenständlichen Hundes gewesen sei, dass der Hund jedoch nicht auf den 15-jährigen Schüler L R eingebissen habe. Der Hund habe den Buben zwar angesprungen und verbellt, diese Geschehen habe der Bw aber dadurch unverzüglich abwenden könne, dass er den Hund zurückrief und ihn am Halsband gehalten habe. Der Bub sei dadurch zwar erschreckt worden, aber nicht verletzt und auch nicht gefährdet. Hätte der Hund die Absicht gehabt zuzubeißen, hätte er dies auch getan.

 

Wie in diesem Zusammenhang festgestellt worden sei und der Bw auch in seiner Stellungnahme bereits ausgeführt habe, werde der Hund von der Gattin des Bw vorbildlich betreut und habe eine Hundeschule der Ortsgruppe 5 in 4400 Steyr besucht. Weiters hätte festgestellt werden müssen, dass der Hund seit Herbst 2005 beinahe regelmäßig für die Dauer von 2 Stunden pro Woche eine Abrichteschule besuche. Ferner habe der Hund noch niemals einen Menschen gebissen und könne ohne Übertreibung als "braver und folgsamer" Hund gewertet werden. Der Bw habe selbst viele Enkelkinder in seiner Verwandtschaft und es sei überhaupt noch nie zu einem Problem mit dem Hund gekommen, weder gegenüber Besuchern noch bei den unmittelbaren Nachbarn. Damit sei beweismäßig sichergestellt, dass es sich um einen friedfertigen Hund handle, der noch niemals Menschen gefahrvoll angegangen habe. Bei einem derart gutmütigen Charakter eines Hundes müsse keineswegs befürchtet werden, dass der Hund anlässlich der Begegnung mit einer anderen Person auf diese zustürmen und diese verbellen würde.

 

Das Verbellen sei offenbar auch nur darauf zurückzuführen gewesen, dass der Hund selbst durch das laufende Herannahen des Buben allenfalls erschreckt worden sei; der Bub sei in die gleiche Richtung gelaufen wie der Bw mit dem Hund unterwegs gewesen sei, sodass er offenbar in dem Läufer eine geeignete Person sah, mit der er spielen konnte. An diesem Tatbestand ändere selbst die Tatsache nichts, dass der vom Hund angesprungene Bub einen leichten Kratzer am Ellbogen allenfalls davongetragen haben mag. Dies deshalb, weil keineswegs sichergestellt sei, dass ein derartiger Kratzer durch den Hund selbst verursacht worden sei. Ebenso hätte dieser durch eine ungeschickte Abwehrbewegung entstehen können.

 

Die Schuld in der Form einer Fahrlässigkeit sei bei dem gegenständlichen Sachverhalt nicht ausreichend bescheinigt worden. Eine derartige Schuld könne ja nur dann angenommen werden, wenn ein bestimmtes Verhalten des Hundes in Form einer Aggression als wahrscheinlich voraussehbar gewesen wäre. Dies sei keinesfalls der Fall gewesen.

 

Dass ein Leinenzwang bei der gegenständlichen Ausführung auf der Neustiftgasse gegeben gewesen wäre, sei im Bescheid nicht unterstellt worden. Die Bestimmungen des AVG würden vorsehen, dass nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens das Ergebnis desselben dem Beschuldigten zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, dazu Stellung nehmen zu können. Eine derartige Benachrichtigung sei weder dem Bw noch seinem Anwalt zugestellt worden. Dadurch sei das Verfahren auch mangelhaft geblieben, was zu einer Aufhebung des Bescheides führen müsse.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Da bereits auf Grund der Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt zur Zahl Pol-129/06 des Magistrats der Stadt Steyr feststand, dass das mit der Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, hatte eine mündliche Verhandlung zu entfallen.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Am 28. März 2006 gegen 19.00 Uhr sprang der in der Obhut des Bw befindliche Hund, Schäfermischling namens "G", in 4400 Steyr im Bereich der Neustiftgasse den vorüberlaufenden 15-jährigen Schüler L R an, attackierte ihn am Ellbogen und verbellte ihn. Der gegenständliche Hund war nicht angeleint und trug auch keinen Maulkorb.

 

Am selben Tag wurde dieser Vorfall bei der Bundespolizeidirektion Steyr angezeigt.

 

Am 11. Mai 2006 wurde dem Bw eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt. Diese erfolgte mit Schreiben vom 15. Mai 2006; mit Schreiben vom 16. Mai 2006, nachweislich zugestellt am 18. Mai 2006, übermittelte die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Akt auf Wunsch des Bw dessen rechtsfreundlichen Vertreter.

 

Gegen das oben bezeichnete Straferkenntnis erhob der Bw durch rechtsfreundliche Vertretung in offener Frist Berufung.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 des Landesgesetzes über das Halten von Hunden, LGBl147/2002 (Oö. Hundehaltegesetz 2002), ist Hundehalter(in) die Person, die im eigenen Namen darüber zu entscheiden hat, wie der Hund zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist.

 

Im gegenständlichen Verfahren ist vollkommen unbestritten, dass der Bw zum Tatzeitpunkt als Halter des Hundes Schäfermischling namens "Gina" anzusehen war.

 

Gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz ist ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden.

 

3.2. Schon die grammatikalische Konstruktion im ersten Satz des § 3 Abs. 2 Oö. Hundehaltegesetz durch Hauptsatz und Konsekutiv- oder Folgesatz zeigt, dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nicht einfach um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG mit Beweislastumkehr, sondern um ein Erfolgsdelikt handelt, bei dem die mangelhafte Beaufsichtigung, Verwahrung oder Führung zu einer in der Außenwelt erkennbaren Gefährdung geführt haben muss.

 

 

3.3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 11 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat so in konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein Verwaltungsgerichtshof vom 25. März 1994, 93/02/0228; vom 19. Mai 1993, 92/09/0360; vom 28. Februar 1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Anspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 23. November 1993, 93/04/0169).

 

Im oa Spruch übernahm die belangte Behörde als Tatbeschreibung, die zum Eintritt des unter Strafe gestellten Erfolgs führte, die Tatbestandselemente des § 3 Abs. 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz, ohne diese näher zu konkretisieren. Insbesondere wurde das Fehlverhalten des Bw, sei es, dass er den Hund nicht angeleint oder mit Maulkorb geführt hatte, sei es, dass er ihn nicht vorzeitig zurückgehalten bzw. gerufen hatte, nicht vorgeworfen. Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. müssen Hunde an öffentlichen Orten im Ortsgebiet an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden. Gemäß Abs. 4 Z 1 leg. cit. kann der Gemeinderat durch Verordnung anordnen, auf welchen öffentlichen unbebauten Flächen innerhalb des Ortsgebiets die Leinen- oder Maulkorbpflicht (Abs. 1) nicht gilt. Eine derartige Ausnahme ist in der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr vom 20. September 1990, idF der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr vom 24. Jänner 2002 und 16. Mai 2002, mit der ein Verbot der Mitnahme von Hunden auf bestimmten Plätzen sowie ein Leinenzwang für verschiedene Stadtgebiete von Steyr erlassen wird, nicht vorgesehen, weshalb von einer allgemeinen Leinen- bzw. Maulkorbpflicht auszugehen ist.

 

Mangels entsprechender Konkretisierung ist der Spruch des belangten Straferkenntnisses mangelhaft.

 

Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa Verwaltungsgerichtshof vom 25. September 1992, 92/09/0178; vom 8. Februar 1995, 94/03/0072; vom 3. September 1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. ua Verwaltungsgerichtshof vom 24. März 1994, 92/18/0356; vom 23. Oktober 1995, 94/04/0080; vom 29. Oktober 1996, 96/07/0103; vom 19. März 1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 20. November 1997, 97/06/0170).

 

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Auf die im Berufungsvorbringen des Bw vorgebrachten Argumente musste somit nicht näher eingegangen werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Christian Stierschneider

 

 

 

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