Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400837/5/SR/CR/Ps

Linz, 18.08.2006

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des R K, geboren am, Staatsangehöriger der Russischen Föderation, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft M & S OEG, S, W-D-Straße, wegen Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Salzburg durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab dem 24. Juli 2006 für rechtswidrig erklärt wird.

II.                  Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 673,80 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabegebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, ist nach eigenen Angaben am 19. Dezember 2005 von Grozny aus mit dem Zug nach Moskau und von dort weiter nach Brest in Weißrussland gereist. Dort habe er am 17. Jänner 2006 einen weißen LKW bestiegen und sei zwischen Kartons auf der Ladefläche versteckt, mit Hilfe eines Schleppers und gegen Bezahlung eines Schlepperlohns von 200 Euro in einen ihm unbekannten Staat und von dort weiter zu Fuß illegal über die Grenze nach Österreich gereist. Über welche Staaten und Orte er in das EU-Gebiet gereist sei, könne er nicht angeben, da er sich während der Fahrt auf der Ladefläche eines Lkw in einem geschlossenen Metallaufbau befunden habe. Bei mehreren kleinen Häusern habe ihn der Lkw-Lenker aussteigen lassen, seinem Mitreisenden eine mit Kugelschreiber gezeichnete Handskizze ausgefolgt und eine genaue Beschreibung für die illegale Einreise (nach Österreich) gegeben.

 

Laut seinen Angaben ist der Bf am 19. Jänner 2006 unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Einen Reisepass besitze er nicht und er habe auch von keinem anderen Land ein Visum ausgestellt erhalten.  Abgesehen von einem später erwähnten Cousin dritten Grades, namens M A, der in Österreich als Asylwerber lebe, hielten sich keine Familienangehörige im EU-Raum auf.

 

Am 19. Jänner 2006 stellte der Bf im Zuge der Anhaltung bei Beamten der Grenzpolizeiinspektion Gmünd einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag). Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Gmünd fand am selben Tag statt. Zum Fluchtgrund befragt, gab der Bf an, sein Bruder sei im Krieg ab 6. August 1994 als Freiheitskämpfer tätig gewesen und 1995 gefallen. Seit diesem Zeitpunkt werde die ganze Familie verfolgt. Er selbst sei dreimal festgenommen und geschlagen worden, weshalb seine Sehkraft beeinträchtigt und seine Wirbelsäule deformiert sei.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmünd vom 20. Jänner 2006, AZ. GDS3-F-06, wurde gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung bzw. Abschiebung angeordnet (Hinweis auf "Dublinbezug" – Übertritt Tschechien/Österreich) und der Bf in das PAZ der BPD Salzburg überstellt.

 

1.3.1. Die Beschwerde vom 28. März 2006 wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich als unbegründet abgewiesen und die weitere Anhaltung in Schubhaft trotz befristeter Aufenthaltsberechtigung gemäß § 13 AsylG und Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG für zulässig erkannt erklärt. 

1.3.2. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2006 erhob der Bf, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M, neuerlich "Schubhaftbeschwerde" und beantragte u.a. die Anhaltung des Bf in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

 

Begründend führte der Bf im Wesentlichen an, dass die 20-Tage-Frist des § 28 Abs. 2 Satz 2 AsylG bereits abgelaufen sei, die geführten Konsultationen mit Tschechien ergeben hätten, dass die tschechische Republik für die Behandlung des Asylantrages nicht zuständig sei und eine Abschiebung des Bf nach Tschetschenien gegen das in Art. 3 EMRK verankerte Verbot unmenschlicher Behandlung verstoße. Der Bf habe keine Absicht, sich dem Verfahren zu entziehen, da seine Fingerabdrücke registriert seien. Obgleich seit der Einbringung des Asylantrages bereits über 130 Tage verstrichen seien und das Dublin-Zuständigkeitsverfahren vom Gesetzgeber als beschleunigtes Verfahren konzipiert worden sei, wäre die EAST-West außer Stande gewesen, eine Unzuständigkeitsentscheidung zu fällen und habe den Akt dem BAA, Außenstelle Linz, zur weiteren Behandlung übersandt. Eine Unzuständigkeitsentscheidung sei noch nicht gefällt worden und alle im Gesetz vorgesehen Fristen mittlerweile verstrichen. Der Bf sei bereits zum Verfahren zugelassen worden und man habe ihm eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgefolgt. Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass dennoch später noch eine zurückweisende Entscheidung ergehen werde, zumal auch die Frist des § 28 Abs. 2 AsylG bereits abgelaufen sei.

 

Der Bf sei als Tschetschene in seiner Heimat Verfolgungen ausgesetzt und daher schutzbedürftig.

 

1.3.3.  Die zu diesem Zeitpunkt belangte Behörde, Bezirkshauptmann von Gmünd,  legte ausführlich die Verschleierungshandlungen des Bf dar, führte die Gründe für die Anhaltung in Schubhaft aus und teilte mit, dass der Bf im Hinblick auf die Identitätsklärung und die Mitteilung des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, am 2. Juni 2006 aus der Schubhaft entlassen worden sei.

 

1.4. Auf Grund der Identitätsklärung wurde dem Bf am 2. Juni 2006 vom BAA EAST-West eine bundesbetreute Unterkunft in der EAST-West zugewiesen.

 

1.5. Nach Übermittlung der Aufgriffsmeldung und niederschriftlichen Erstbefragung leitete das BAA EAST-West am 24. Jänner 2006 das Konsultationsverfahren mit Polen ein. Das "Dublinbüro Polen" lehnte mit Fax vom 15. Februar 2006 das österreichische Ersuchen ab.

 

Am 20. Februar 2006 wurde Tschechien ein "INFO-Request" übermittelt und im Antwortschreiben vom 28. März 2006 gab Tschechien via "DublinNet" bekannt, dass Visadaten vorhanden wären.

 

Auf Grund dieser Mitteilung wurde am 31. März 2006 das Konsultationsverfahren mit der tschechischen Republik eingeleitet. Mit Erklärung vom 27. April 2006 erklärte sich Tschechien gemäß Art. 9 Abs. 4 der Dublin-VO zur Führung des Asylverfahrens zuständig. 

 

Am 21. Juni 2006 wurde der Bf im Bundesasylamt, Außenstelle Linz, niederschriftlich befragt. Nachdem der Bf seine Fluchtgründe und den Reiseweg schildern konnte wurde er mit den Ermittlungsergebnissen – u.a. tschechisches Visum – konfrontiert. Nach kurzfristigem Leugnen gestand der Bf ein, dass er ein Visum für Tschechien – besorgt von seinem Onkel in Moskau – erhalten habe. Tschechien erscheine ihm unsicher und daher habe er von Anfang an nach Österreich gewollt. Für den Fall der Zurückschiebung nach Tschechien möchte er gleich nach Tschetschenien geschickt werden. Nach Abschluss der niederschriftlichen Befragung wurde dem Bf der weitere Ladungstermin für 23. Juni 2006 zur Rechtsberatung und weiteren Einvernahme mitgeteilt.

 

Da der Bf den Ladungstermin am 23. Juni 2006 nicht nachgekommen war, wurde er für 26. Juni 2006 neuerlich geladen. Bei der am 26. Juni 2006 durchgeführten Befragung gab der Bf an, dass er nicht wisse, ob sein Rechtsvertreter erscheine und er trotzdem die Einvernahme durchführen möchte. Nach entsprechender Rechtsbelehrung brachte der Bf vor, dass er am 21. Juni 2006 am Anfang gelogen habe. Zu Tschechien möchte er darauf hinweisen, dass die Fluchtgründe nicht so geprüft würden wie in Österreich.

 

1.6. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 27. Juni 2006, Zl. 06-00-929, wurde der Asylantrag des Bf gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und der Bf gleichzeitig gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 leg.cit. aus dem Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tschechien gemäß § 10 Abs. 4 leg.cit. für zulässig erklärt.

 

Der Berufung wurde eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

 

1.7. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 30. Juni 2006, Zl. Sich40-2134-2006, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG verhängt und dieser in der Folge in das PAZ Salzburg eingeliefert.  

 

Begründend wurde – nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges – ausgeführt, dass aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und des bisher vom Bf im Bundesgebiet gezeigten Verhaltens zu befürchten sei, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde. Die Anhaltung in Schubhaft sei daher zur Sicherung der Abschiebung unbedingt erforderlich. Der Bf halte sich unberechtigt im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, da er keinen Aufenthaltstitel für Österreich besitze und völlig mittellos sei.

 

Seit Einbringung des Asylantrages habe er versucht, durch unkooperatives Verhalten die Behörde zu täuschen und nichts zur Wahrheitsfindung beigetragen. So habe er die Feststellung seiner wahren Identität dadurch erschwert, dass er den Besitz eines Reisepasses verneint habe; erst 4,5 Monate nach Stellung des Asylantrages habe er eine Mitarbeiterin der Diakonie des Evangelischen Flüchtlingsdienstes beauftragt, der Bezirkshauptmannschaft Gmünd eine Kopie des Reisepasses zu übermitteln. Auch habe der Bf den nach Österreich gewählten Reiseweg absichtlich zu verschleiern versucht, obwohl der vom ihm benützte Reiseweg aufgrund einer vorgefundenen Handskizze und der weitere Reiseweg (Linz, Salzburg, München, Brüssel) durch persönliche Notizen auf der Handskizze dokumentiert worden sei.

 

Selbst bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, am 21. Juni 2006 habe er bestritten, in Tschechien gewesen zu sein und provokant gemeint: "Bitte beweisen sie mir das!". Erst als ihm die Zustimmungserklärung der tschechischen Behörden zur Kenntnis gebracht worden war und damit das Lügengebäude des Bf zusammengebrochen sei, habe er den von der Behörde ermittelten Sachverhalt zugegeben.

 

Aufgrund der gemachten Notizen auf der Handskizze könne davon ausgegangen werden, dass der Bf jenen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, in welchem er einen Antrag auf Schutz vor Verfolgung einbringen möchte, selbst bestimmen wollte. Dieser Art von Asyltourismus müsse jedoch mit allen zur Verfügung stehenden gesetzlichen Bestimmungen ein Riegel vorgeschoben werden; es könne nicht hingenommen werden, dass sich so genannte Asylsuchende durch falsche Angaben ein Aufenthaltsrecht innerhalb der Grenzen der Europäischen Union erschleichen und die Asyl- und Fremdenbehörden in diesen Ländern immer wieder damit beschäftigt werden, deren wahre Identität und Fluchtwege zu ermitteln. Der Bf hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, bereits in Tschechien einen Antrag auf internationalen Schutz einzubringen und dadurch bereits in diesem Staat Schutz vor Verfolgung zu finden.

 

Familiäre und soziale Bezugspunkte in Österreich könne der Bf nicht ins Treffen führen; demzufolge sei er im Bundesgebiet auch in keiner Art und Weise an eine Örtlichkeit gebunden und in seiner Lebensgestaltung flexibel.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf sich durch Abtauchen in die Illegalität dem Zugriff der Fremdenbehörde entziehen könnte, weshalb nach genauester Abwägung eine Ermessensentscheidung dahin gerechtfertigt sei, einen konkreten Sicherungsbedarf zu bejahen und folgerichtig die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen.

 

1.8. Mit E-Mail vom 14. Juli 2006 teilte das BAA EAST-West der belangten Behörde mit, dass gegen den durchsetzbaren Bescheid des Bundesasylamtes am 13. Juli 2006 Berufung erhoben worden sei.

 

In der Folge wurde der belangten Behörde mit E-Mail vom 20. Juli 2006 mitgeteilt, dass dem Bf eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 zukomme und das gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 eingeleitete Ausweisungsverfahren vom BAA am 14. März 2006 eingestellt worden sei.

 

Mit E-Mail vom 25. Juli 2006 informierte das Bundesasylamt die belangte Behörde von der Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Unabhängigen Bundesasylsenat.

 

1.9. Am 26. Juli 2006 brachte der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag auf Aufhebung der Schubhaft bei der belangten Behörde ein. U.a. wies er daraufhin, dass mittlerweile der Unabhängige Bundesasylsenat den Zurückweisungsbescheid des Bundesasylamtes behoben habe und das Asylverfahren zugelassen worden sei.

 

1.10. Mit Schriftsatz vom 11. August 2006 erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und stellte die Anträge, festzustellen, dass die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht zulässig sei und dass die Anhaltung des Bf in Schubhaft seit dem 20. Juli 2006 rechtswidrig und unzulässig gewesen wäre.

 

Begründend führte der Bf aus, dass er mit einer Unterbrechung vom 3. Juni bis zum 30. Juni 2006 in Schubhaft angehalten werde und sich die derzeitige Schubhaft auf einen Schubhaftbescheid der BH Vöcklabruck stütze. Die Schubhaft diene der Sicherung einer Abschiebung bzw Ausweisung des Bf in die Republik Tschechien.

 

Das Bundesasylamt, Außenstelle Linz habe mit Bescheid vom 27. Juni 2006, Zl. 0600929, Sachbearbeiterin Mag. J, den Asylantrag des Bf vom 19. Jänner 2006 gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Die Zuständigkeit Tschechiens gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung EG Nr. 343/2003 zur Prüfung des Asylantrages festgestellt und die Ausweisung des Bf nach Tschechien gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG angeordnet. Auf Grund der fristgerechten Berufung sei der bekämpfte Bescheid mittlerweile vom UBAS behoben worden. Aus dem Bescheidspruch ergebe sich eindeutig, dass eine Bescheidbehebung gemäß § 66 Abs. 4 AVG vorgenommen worden sei. In der Begründung weise der UBAS ausdrücklich auf § 41 Abs. 3 erster und zweiter Satz AsylG 2005 hin. Abstellend auf den Gesetzestext und die Erläuterungen in der Regierungsvorlage sei das Verfahren nunmehr zugelassen und ein Haftgrund bestehe nicht mehr. Nach weiteren Ausführungen zum AsylG 2005, einem gleich gelagerten Verfahren betreffend einen Mitreisenden, der aus der Schubhaft entlassen worden wäre, und Überlegungen zu einem allfälligen zukünftigen Ausweisungsverfahren beantragte der Rechtsvertreter den Zuspruch der verzeichneten Kosten.

 

2. Mit Schreiben vom 11. August 2006 hat die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt übermittelt und eine Gegenschrift erstattet. Der Fremdenakt und Auszüge des Asylaktes langten am 16. August 2006 beim Oö. Verwaltungssenat ein. Einleitend bezieht sich die belangte Behörde auf die ausführliche Bescheidbegründung. Ergänzend weist sie auf die "Lügen, das Schweigen und auf das mehrmalige vorsätzliche Erschleichen eines Aufenthaltsrechtes" hin und zeigt zutreffend den Sicherungsbedarf auf. Abschließend beantragt sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.2. Im Vorlageakt befindet sich ein AIS-Ausdruck vom 11. August 2006. Darin finden sich u.a. folgende – kaum verständliche – Eintragungen in der DAG: "* Nachtrag: Zulassung des Verfahrens mit 14.3.2006, .....  berna-west-20072006; * FrePol Info (Vorl. AB; Einst. Ausweisungsverf.) per E-Mail an BH VB am 200706 überm. lt. Ref.B; * behob.UBAS-Bescheid gem. § 66 langte am 24.07.06 per Fax beim BAL ein, weitergeleitet an REF 1  schen BAL, 24.07.06; * BH Vöcklabruck lt. Fremdenpol.Info über Bescheidbehebung am 25.07.06 p.E-Mail verständigt".  

 

Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 teilte das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, der belangten Behörde mit, "dass am 24. Juli 2006 beim Bundesasylamt der Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.07.2006, Zl. 303.347-C1/E1-XVIII/59/06 eingelangt sei. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2006, Zl. 06 00929-BAL sei folglich gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben worden. Der Originalakt befinde sich noch beim UBAS. Da es sich um einen Verfahrensmangel handle, der vom Bundesasylamt behoben werden könne, liege weiterhin ein Dublin relevanter Sachverhalt vor und es sei nicht mit einem Selbsteintritt Österreichs zu rechnen. Vielmehr sei neuerlich beabsichtigt, den Antrag auf internationalen Schutz des oa. Asylwerbers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen".     

 

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird derzeit im PAZ Salzburg für die belangte Behörde in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit dem 30. Juni 2006 ist zulässig.    

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

4.3. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf Asylwerber. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Wie unbestritten dem Sachverhalt entnommen werden kann, hatte das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, bereits vor der Anordnung der Schubhaft gegen den Bf eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung erlassen. 

 

Die belangte Behörde hat sich bei der Anordnung der Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt. Den Beschwerdeausführungen folgend wird die Anordnung der Schubhaft und die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis zum  20. Juli 2006 nicht als rechtswidrig erachtet.

 

4.4. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Gemäß Abs. 2 darf die Schubhaft so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

 

Gemäß § 80 Abs. 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

Wie unbestritten feststeht, hat die belangte Behörde die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG angeordnet und entsprechend dieser Bestimmung verhängt. Mit der Zustellung des Bescheides des UBAS vom 24. Juli 2006, mit der der Berufung stattgegeben und der angefochtene "Zurückweisungsbescheid" aufgehoben worden ist, lag keine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung mehr vor.

 

Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 ist in einem Verfahren über eine Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Berufung gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Auch der Blick in die Regierungsvorlage zu § 41 Abs. 3 AsylG 2005 lässt – wenn auch die Erläuterungen eine gewisse Unschärfe aufweisen (.... das Verfahren [ ist ] zuzulassen) – keinen Zweifel daran, dass im Falle einer "stattgebenden" Entscheidung durch den UBAS von einer "ex lege" Zulassung zum Asylverfahren auszugehen ist. Wie der Oö. Verwaltungssenat bereits mehrfach entschieden hat, führt die Zulassung zum Asylverfahren nicht generell dazu, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft zu deren Rechtwidrigkeit führt (siehe beispielsweise VwSen-400823/6/SR vom 7. Juli 2006 und VwSen-400824/5/WEI vom 11. Juli 2006). Bei der vorliegenden Fallkonstellation bedeutet dies jedoch im Hinblick auf § 80 Abs. 5 vorletzter und letzter Satz FPG, dass mit einer gegenständlichen Erledigung jedenfalls keine "zurück- oder abweisende" Entscheidung des UBAS erfolgt ist und die Schubhaft daher nicht weiter aufrecht erhalten werden darf.

 

 5. Im Ergebnis war daher der gegenständlichen Beschwerde Folge zu geben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft ab dem 24. Juli 2006 für rechtswidrig zu erklären.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 Z 2 FPG 2005 hat die belangte Behörde nach der gegenständlichen Entscheidung des Oö. Verwaltungssenats die Schubhaft formlos durch Freilassung aufzuheben.

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Gebühren: 13,00 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.  

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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