Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110693/2/Kl/Pe

Linz, 21.09.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn G B, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft D S R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 3.10.2005, VerkGe96-8-2005, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG 1995) zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufgehoben.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 und § 68 Abs.1 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG sowie §§ 21 und 17 ZustellG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 3.10.2005, VerkGe96-8-2005, wurden über den Berufungswerber zwei Geldstrafen von je 363 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 17 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung nach 1) §§ 6 Abs.2, 23 Abs.1 Z2 und 23 Abs.4 GütbefG und 2) §§ 17 Abs.1, 23 Abs.1 Z7 und 23 Abs.4 GütbefG verhängt, weil im Zuge einer Kontrolle der Verkehrsabteilung – Außenstelle Krems auf der Bundesstraße B 33 bei Strkm. 21,000 im Gemeindegebiet von Traismauer am 4.2.2005 um 13.35 Uhr festgestellt werden konnte, dass die B GmbH mit dem Sitz in, durch den Lenker J L, mit dem Sattelzugfahrzeug der Marke MAN und dem amtlichen Kennzeichen und dem Sattelanhänger der Marke Schwarzmüller mit dem amtlichen Kennzeichen eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern über 50 km (24 Europaletten Siedesalz in Big Bags vom Hafen Krems, Niederösterreich, nach St. Johann, Oberösterreich) durchgeführt hat, wobei die B GmbH als Güterbeförderungsunternehmerin im Standort, nicht dafür gesorgt hat, dass während dieser Fahrt

1.       eine beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde und

2.       ein Frachtbrief

mitgeführt worden sind. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ ist der Berufungswerber für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass eine beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde mitgeführt wurde. Zur Mitführung eines Frachtbriefes wurde darauf hingewiesen, dass nicht erwiesen sei, ob nicht der Lieferschein die erforderlichen Angaben enthalte.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt steht fest, dass wegen der gegenständlichen Tatvorwürfe eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 25.2.2005, VerkGe96-8-2005, erlassen wurde. Es wurde eine eigenhändige Zustellung durch Hinterlegung nach einem zweiten Zustellversuch am 1.3.2005 vorgenommen. Die Sendung wurde nicht behoben.

 

Aus Anlass einer Zahlungsaufforderung vom 19.4.2005 stellte der Berufungswerber durch seinen Rechtsvertreter am 26.4.2005 den Antrag, die Zahlungsaufforderung aufzuheben und die Vollstreckung auszusetzen und begründete dies damit, dass ihm der Bescheid betreffend die Verhängung einer Verwaltungsstrafe nie zugestellt worden sei. Der Berufungswerber sei beruflich bedingt unterwegs und befindet sich von Montag bis Freitag nicht in. Er habe auch keine Verständigung betreffend die Abholung eines behördlichen Schriftstückes bei seiner Rückkehr am Wochenende vorgefunden. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, Kenntnis von einer Zustellung zu erlangen und sei daher eine Zustellung durch Hinterlegung nicht rechtswirksam erfolgt.

 

Nach neuerlicher Zustellung des Straferkenntnisses zu Handen des Rechtsvertreters am 29.4.2005 wurde rechtzeitig Einspruch am 3.5.2005 erhoben und in der Folge das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 21 Abs.2 ZustellG ist der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, wenn die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden kann. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstür anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen.

 

Gemäß § 17 Abs.1 ZustellG ist das Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

 

Gemäß § 17 Abs.2 ZustellG ist der Empfänger schriftlich von der Hinterlegung zu verständigen.

 

Gemäß § 17 Abs.3 erster Satz ZustellG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

 

Gemäß § 17 Abs.4 ZustellG ist die im Weg der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs.2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

 

5.2. Die Strafverfügung vom 25.2.2005 wurde mit RSa, dh eigenhändig, zugestellt. Laut Zustellschein wurde der erste Zustellversuch am 28.2.2005 und nach Ankündigung eines zweiten Zustellversuches, der zweite Zustellversuch am 1.3.2005 vorgenommen. Am 1.3.2005 wurde sodann das Schriftstück beim Zustellpostamt hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist wurde der 1.3.2005 angegeben. Damit gilt das Schriftstück mit diesem Tag gemäß § 17 Abs.1 und Abs.3 ZustellG als zugestellt.

 

Wenn der Berufungswerber mit seinem Schreiben vom 26.4.2005 bekannt gibt, dass er wochentags berufsbedingt abwesend ist, so hindert dies die Zustellung, nämlich die Annahme, dass er sich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich die berufliche Abwesenheit von der Wohnung während eines Tages und auch während der Wochentage (sogenannte Pendler: VwHG 6.12.1977, 2359f, 2435f/77, Slg. 5199F) als keine vorübergehende Abwesenheit gewertet und schließt diese also den „regelmäßigen Aufenthalt“ nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1904). Es ist daher eine Zustellung durch Hinterlegung grundsätzlich rechtmäßig. Allerdings war unter Zugrundelegung der Angaben des Berufungswerbers zu berücksichtigen, dass die Zustellung am 1.3.2005, also an einem Dienstag, angesichts des Umstandes, dass der Berufungswerber allenfalls spätestens bei seiner Rückkehr am Freitag, den 4.3.2005, Kenntnis erlangen konnte, gemäß der Regelung des § 17 Abs.3 Satz 4 ZustellG nicht wirksam wurde, weil der Berufungswerber nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Es kommt ihm dann die gesetzliche Vermutung zugute, dass die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam wird, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Dies ist bei einer Rückkehr am Freitag, den 4.3.2005, der Montag, 7.3.2005. Es beginnt daher der Fristenlauf erst am 7.3.2005. Der Berufungswerber hätte daher innerhalb der 14-tägigen Einspruchsfrist bis 21.3.2005 einen Einspruch erheben müssen. Auf die entsprechenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.2.2000, 2000/02/0027 und vom 9.7.1992, 91/16/0091, wird hingewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof geht dabei von einer regelmäßigen Benützung der Wohnung aus (VwGH vom 17.2.2006, 2005/18/0402).

 

Da in der genannten Frist ein Einspruch nicht erhoben wurde, wurde diese Strafverfügung rechtskräftig.

 

Gemäß § 68 Abs.1 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren zur Anwendung kommt, sind Anbringen von Beteiligten, die die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Dies bedeutet, dass in der selben Sache nicht noch einmal eine Entscheidung ergehen darf (ne bis in idem). Indem die belangte Behörde unter Missachtung des § 68 Abs.1 AVG über den Einspruch entschieden hat und in der Folge ein Straferkenntnis erlassen hat, hat sie gegen den Grundsatz der entschiedenen Sache verstoßen. Es war aus diesem Grunde das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben.

 

5.3. Wenn hingegen der Berufungswerber sich im Verfahren erster Instanz darauf stützt, dass er eine Verständigung über die Hinterlegung nie erhalten habe, so ist ihm die Bestimmung des § 17 Abs.4 ZustellG entgegenzuhalten, wonach die Beschädigung oder Entfernung der Verständigung über die Hinterlegung die Zustellung nicht ungültig macht. Dieser Umstand wäre vielmehr als Grund für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorzubringen (siehe Hauer/Leukauf, S. 1927, E84 und 86 mit Nachweisen). Ein Wiedereinsetzungsantrag ist aus dem Akt nicht ersichtlich.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Abwesenheit, Hinterlegung, Verlust der Verständigung, entschiedene Sache

 

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