Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161425/15/Sch/Hu

Linz, 12.10.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau E H vom 16.6.2006, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 30.5.2006, VerkR96-521-2006, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 6.10.2006 in Verbindung mit einem Lokalaugeschein, zu Recht erkannt:

 

 

I.          Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.         Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 30.5.2006, VerkR96-521-2006, wurde über Frau E H, O, gemäß § 20 Abs.1 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960  eine Geldstrafe in der Höhe von 120 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil sie am 21.1.2006 um 08.23 Uhr in der Gemeinde Puchenau auf der Rohrbacher Straße B127 bei Strkm. 5,000 in Fahrtrichtung Linz, linker Fahrstreifen, als Lenkerin des Personenk­raftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen RO-935AT (A) die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen, insbesondere  den Straßen- und Verkehrsverhältnissen angepasst habe, indem sie trotz Verkehrsunfallaufnahme durch Polizei und Feuerwehr als auch Straßenglätte eine Geschwindigkeit von ca. 80 bis 100 km/h eingehalten habe.

 

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 12 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Eingangs ist in formeller Hinsicht im Hinblick auf die Frage einer allfälligen (prima facie gegebenen) Verspätung der Berufung zu bemerken, dass die von der Berufungsbehörde diesbezüglich durchgeführten Ermittlungen ergeben haben, dass davon nicht ausgegangen werden kann. Die Berufungswerberin hat eine entsprechende relevante Ortsabwesenheit eingewendet und auch Beweismittel, nämlich eine Zeugin, hiefür angeboten. Die Berufungsbehörde hat von weiteren Ermittlungen Abstand genommen, da von vornherein erwartet wurde, dass die Angaben der Berufungswerberin von der Zeugin bestätigt würden.

 

Zur Sache selbst:

Anlässlich der eingangs angeführten und mit einem Lokalaugenschein verbundenen Berufungsverhandlung ist der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen worden. Dieser gab im Hinblick auf die von der Berufungswerberin eingehaltene Fahrgeschwindigkeit an, dass er deren Fahrzeug von seinem Standort aus – er war zur Absicherung eines Verkehrsunfalles eingesetzt – etwa 80 bis 90 m vor seinem Standort im ankommenden Verkehr wahrgenommen habe. Er habe die Fahrgeschwindigkeit auf etwa 100 km/h geschätzt, in der Anzeige sei er aber dann von seiner Meinung nach jedenfalls anzunehmenden 80 km/h ausgegangen. Diese Fahrgeschwindigkeit hielt er deshalb für wesentlich überhöht, da zum einen zum Vorfallszeitpunkt Glatteis geherrscht habe und zum anderen sich die Berufungswerberin einer Unfallstelle, die bereits mit Einsatzfahrzeugen samt Blaulicht abgesichert war, annäherte. Zum Zeitpunkt des Passierens seines Standortes habe die Berufungswerberin offenkundig aufgrund seiner Armzeichen schon die Fahrgeschwindigkeit verringert, ein Anhalten sei ihr erst relativ weit, etwa 80 m, nach seinem Standort möglich gewesen. Er habe deshalb die erwähnte Wegstrecke zum Fahrzeug der Berufungswerberin "nachlaufen" müssen. Deshalb sei ihm der Vorgang auch noch in so guter Erinnerung.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen Schätzungen von Fahrgeschwindigkeiten durch Organe der Straßenaufsicht. Es sind in diesem Zusammenhang allerdings einige Kriterien zu erfüllen. Vom Gerichtshof in der Regel als unproblematisch werden Geschwindigkeits­schätzungen angesehen, wenn der Fahrzeuglenker am schätzenden Organ vorbeifährt und eine ausreichende Sicht auf die Annäherung hin auch nach dem Passieren gegeben ist.

Unter ganz besonderen Konstellationen kann auch die Schätzung der Geschwindigkeit eines lediglich herannahenden Fahrzeuges ein taugliches Beweismittel sein. Dann muss die eingesehene Fahrstrecke mehrere hundert Meter lang sein. Eine Annäherungsstrecke von etwa 150 m bildet keine Grundlage für ein taugliches Beweismittel (VwGH 9.4.1987, 86/02/081).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass zum einen die Entfernung, aus der die Berufungswerberin vom Standort des Meldungslegers aus von diesem wahrgenommen wurde, also etwa 80 bis 90 m, diese Kriterien nicht ganz erfüllt. Auch ist zu bedenken, dass die Berufungswerberin nach der Beweislage während der Annäherung an den Meldungsleger und des Passierens seines Standortes ihre Fahrgeschwindigkeit schon verringert hat.

Es mangelt sohin hier an der Erfüllung der vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien für eine Geschwindigkeitsschätzung im ankommenden Verkehr.

 

Der Vollständigkeit halber soll aber noch Nachstehendes angefügt werden:

Der Meldungsleger hat bei der Berufungsverhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und schlüssige Angaben gemacht. Der Oö. Verwaltungssenat hat zudem keinen Grund zur Annahme, dass ein zur Absicherung einer Unfallstelle eingesetztes Polizeiorgan sich auf eine Anhaltung eines anderen Fahrzeuges und eine anschließende Amtshandlung einlassen würde, wenn es diesbezüglich nicht einen dringenden Handlungsbedarf gäbe. Der vom Meldungsleger geschilderte Eindruck von einer wesentlich überhöhten, weil im Hinblick auf die gegebenen Verhältnisse völlig unangepassten Fahrgeschwindigkeit der Berufungswerberin kann daher schlüssig nachvollzogen werden. Der Umstand, dass somit die vom Meldungsleger geschätzte Fahrgeschwindigkeit der Berufungswerberin lebensnah wohl zutreffend gewesen sein dürfte, ändert nichts daran, dass der Nachweis derselben nicht mit der für ein verurteilendes Erkenntnis notwendigen Sicherheit erbracht werden kann.

Angesichts dieser Sach- und Rechtslage war auf die Angaben der Berufungswerberin und des weiteren bei der Verhandlung einvernommenen Zeugen nicht einzugehen.

Der Berufung war sohin Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

 

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