Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161491/8/Br/Ps

Linz, 17.08.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied  Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R J, geb., A, L, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. G, Dr. K, Mag. P u. Mag. L, M, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23. Juni 2006, Zl. VerkR96-7840-2006-Ni, nach der am 16. August 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.          Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird            behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG   eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II.         Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft  Linz-Land hat im Rahmen einer Niederschrift in deren Präambel bereits das Geständnis vermerkt "die Übertretung begangen zu haben", das o.a. Straferkenntnis erlassen und damit über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 180 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Es wurde ihm nachstehend sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 30.4.2006 um 12:10 Uhr in Leonding, auf dem Parkplatz des Auslieferungslagers der Firma Leiner/Kika, in der Edtstraße, als Zulassungsbesitzer des Pkw mit dem Kennzeichen, dieses seinem Sohn A J zum Lenken überlassen, obwohl dieser nicht im Besitz einer Lenkberechtigung war.

Dadurch habe er nach § 103 Abs.1 Z3a iVm § 134 Abs.1 KFG verstoßen.

 

1.1. Die Begründung des mündlich verkündeten Bescheides (Straferkenntnisses) beschränkt sich auf den in der Präambel angeführten Hinweis auf die Anzeige. Beigefügt ist ein erklärter und vom Berufungswerber unterzeichneter Rechtsmittelverzicht.

 

2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung.

Darin wendet der Berufungswerber ein, er habe wegen seiner nicht ausreichenden Deutschkenntnisse (und sein der Amtshandlung als Übersetzer beigezogener Sohn A) dem Sinn der Amtshandlung nicht folgen können. Der Amtshandlung sei kein Dolmetsch beigezogen gewesen. Es sei ihm jedenfalls nicht bewusst gewesen, dass er einen Rechtsmittelverzicht unterschrieben hätte und er habe auch die Rechtsmittelbelehrung iSd § 13a AVG nicht verstanden.

Inhaltlich wird vorgebracht, dass es sich bei dieser Verkehrsfläche um keine Verkehrsfläche im Sinne des § 1 StVO, die von jedermann unter gleichen Bedingungen benützt werden könne, handle. Dieser Parkplatz sei von der Straße durch einen Zaun und eine Hecke getrennt und man könne nur durch ein Einfahrtstor auf diesen Parkplatz gelangen.

Dort habe er wegen des beabsichtigten Erwerbes der Lenkberechtigung seinen Sohn A das Einparken üben lassen wollen und man sei davon ausgegangen, dass dies mangels einer öffentlichen Verkehrsfläche erlaubt sei.

Abschließend beantragt der Berufungswerber im Ergebnis nach Durchführung einer Berufungsverhandlung das Straferkenntnis zu beheben.

 

3. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.

Eine Berufungsverhandlung war hier angesichts des gesonderten Antrages insbesondere in Wahrung der iSd durch Art. 6 Abs.1 EMRK intendierten Rechte gemäß § 51e Abs.1 VStG durchzuführen.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Ferner wurde im Wege der Zentrale der Firma Kika als Grundeigentümer eine schriftliche Mitteilung über die Beschaffenheit des Parkplatzes eingeholt. Der einschreitende Polizeibeamte wurde zeugenschaftlich zu den Umständen der Amtshandlung befragt. Der nicht persönlich zur Verhandlung erschienene Berufungswerber war anwaltlich vertreten, wobei der zur Berufungsverhandlung erschienene Sohn des Berufungswerbers, gegen welchen gleichzeitig das Berufungsverfahren unter VwSen-161490 geführt wurde, unter Beiziehung eines Dolmetsch der russischen Sprache als Beschuldigter einvernommen bzw. im gegenständlichen Verfahren als Auskunftsperson gehört wurde. Ebenfalls nahm eine Vertreterin der Behörde erster Instanz an der Berufungsverhandlung teil.

 

3.2. Auf Grund des Ergebnisses der vom unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführten Beweisaufnahme ist eingangs davon auszugehen, dass der Berufungswerber offenkundig der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig ist. Das erstinstanzliche Verfahren wurde im Wege des ebenfalls nur sehr wenig der deutschen Sprache mächtigen Sohn A geführt. Den Inhalt seiner unterschriebenen Erklärungen vor der Behörde erster Instanz konnte daher in Wahrheit weder dessen Sohn noch er selbst erfasst haben. Der als Dolmetsch tätig gewordene Sohn spricht nämlich nur ein sehr gebrochenes Deutsch. Somit kann es als ausgeschlossen gelten, dass ihm der Inhalt und die über seinen Sohn von der Leiterin der Amtshandlung erklärten Folgen des zur Unterschrift vorgelegten und nachfolgend unterzeichneten Rechtsmittelverzichtes bewusst geworden sind.

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, dass der Berufungswerber und dessen Sohn A gegenüber dem Behördenorgan allenfalls den Eindruck erweckt haben mag mit dem Inhalt der Amtshandlung einverstanden gewesen zu sein.

Als wahrscheinlich kann gelten, dass die Kommunikation gegenüber dem vor Ort einschreitenden Polizeibeamten der besser deutsch sprechende zweite Sohn geführt hat. Diesbezüglich konnte sich jedoch der Meldungsleger nicht mehr erinnern, ob der bei der Berufungsverhandlung anwesende A J oder dessen Bruder als Dolmetscher bzw. Gesprächsführer agiert hat.

A J legte jedoch im Rahmen der Berufungsverhandlung nachvollziehbar und glaubwürdig dar, dass er den Inhalt des seinem Vater vorgelegten und von diesem unterzeichneten Schriftstückes weder in Schrift noch in verbaler Erklärung zu begreifen vermochte. Diesbezüglich überzeugten die bei der Berufungsverhandlung evident gewordenen mangelhaften Sprachkenntnisse des Letztgenannten.

Letztlich ist die Rechtsansicht und Einschätzung des Berufungswerbers betreffend des für den öffentlichen Verkehr nicht zugänglichen Parkplatzes den Tatsachen entsprechend. Dieser ist nämlich durch einen Zaun eingefriedet und mit einem Schiebetor versehen. Dies wurde von der Firma Kika gegenüber dem unabhängigen Verwaltungssenat  schriftlich mitgeteilt und auch vom Meldungsleger im Rahmen seiner Zeugenaussage bestätigt. Selbst wenn das Tor laut Kenntnis des Meldungslegers überwiegend unverschlossen ist, wird dadurch eine nicht eingefriedete Verkehrsfläche für jedermann unter gleichen Bedingungen benützbar. Warum sollte der Berufungswerber demnach mit einer Bestrafung einverstanden gewesen sein?

Abschließend ist festzustellen, dass der Berufungswerber seinen Sohn A, welcher die Lenkberechtigung zu erwerben beabsichtigt, lediglich  das Einparken üben lassen wollte und er sich hierfür im guten Glauben auf die Rechtmäßigkeit dieser Übungen einen geeignet erscheinenden Parkplatz aussuchte, wo im Übrigen auch eine Fahrschule entsprechende Fahrübungen ausführt. Im Zuge einer Streifenfahrt beobachtete diesen Vorgang der Meldungsleger  von außen, wobei er nachfolgend den Berufungswerber am Fahrersitz angetroffen hat. Auch der zweite Sohn des Berufungswerbers befand sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb des Fahrzeuges auf diesem Parkplatz.

Selbst der Meldungsleger erklärte im Rahmen der Berufungsverhandlung, dass nur eine Person  über ausreichende Deutschkenntnisse verfügte, wobei dies der Bruder des Berufungswerbers gewesen sein dürfte. Da dem Meldungsleger das Tor als überwiegend unverschlossen bekannt ist, erachtete er diesen Parkplatz als öffentliche Verkehrsfläche. Der Verlauf der Amtshandlung wurde seitens des Meldungslegers als unfreundlich verlaufend dargestellt.

 

4. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 4 AVG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen eines Berufungsverzichtes jedoch besonders streng zu prüfen (VwGH 16.4.1980, Zl. 324/80, VwGH 10.2.1982, Zl. 01/3336/79, sowie VwGH 11.1.1989, Zl. 88/01/0188 und VwGH 16. Jänner 1991, Zl. 89/01/0399). Ein anlässlich der Unterzeichnung eines Berufungsverzichtes möglicher Willensmangel ist, wenn er tatsächlich bestanden haben könnte, zugunsten des Beschwerdeführers zu deuten (VwGH 27.4.1994, 93/01/1165 mit Hinweis auf VwGH 16.1.1991, 89/01/0399 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Insbesondere angesichts der Tatsache, dass hier auf Grund der objektiven Sachverhaltsgestaltung sich der Berufungswerber im Recht befindet, besteht allein schon deshalb kein Zweifel am Willensmangel, weil er vor dem Hintergrund seiner sich als zutreffend erweisenden Rechtsüberzeugung wohl kaum bereit gewesen wäre den mit immerhin im Ergebnis 480 Euro – für seinen Sohn ist er wohl ebenfalls leistungspflichtig – geahndeten Schuldspruch auf sich zu nehmen.

Letztlich muss es Ziel der Rechtsordnung sein der materiellen Rechtslage zum Durchbruch zu verhelfen.

 

4.1. Der § 1 Abs.1 StVO lautet:

Straßen mit öffentlichem Verkehr sind gemäß § 1 Abs.1 zweiter Satz StVO 1960 solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freistehen. Maßgeblich sind somit nicht die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund, sondern die tatsächliche Benützbarkeit der Verkehrsfläche (vgl. Swoboda, ZVR 1994, Heft 1, Seite 6, letzter Absatz und Gaisbauer, ebendort, mit Hinweis auf ZVR 1993/84).

Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die Straße ganz oder teilweise im Privateigentum steht, maßgeblich ist vielmehr, ob die Straße von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann (VwGH 11.7.2000, 98/03/0165, mit Hinweis auf VwGH 26.1.2001, 2001/02/0008, VwGH 23.3.1999, 98/02/0343, u.v.a.). 

Ein Firmenparkplatz der durch einen Zaun eingefriedet und nur durch ein Tor erreichbar ist, kann augenscheinlich nicht von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden. Wenn hier das Tor aus welchen Gründen auch immer unversperrt war, macht diese Verkehrsfläche nicht öffentlich.

Demnach ist das Verhalten des Berufungswerbers nicht als Übertretung des Führerscheingesetzes zu qualifizieren, weil dies gemäß § 1 Abs.1 FSG nicht auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr geschehen ist.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten. 

 

Dr.  B l e i e r

 

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