Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161534/2/Fra/Sp

Linz, 25.09.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn LA vertreten durch die Herren Rechtsanwälte Dr. HV, Dr. GG gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 12. Juli 2006, VerkR96-2878-2005, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft  Perg hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung

  1. des § 18 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt, weil er am 3.9.2005 um 23.38 Uhr im Gemeindegebiet von Luftenberg an der Donau auf der B 3 bei km 227,600 mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen  zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten hat, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre,   
  2. des § 15 Abs.3 StVO 1960 eine Geldstrafe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt, weil er am 3.9.2005 um 23.38 Uhr im Gemeindegebiet von Luftenberg an der Donau auf der B 3 bei km 227,600 mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen den bevorstehenden Überholvorgang nicht nach § 11 StVO über den Wechsel des Fahrstreifens rechtzeitig angezeigt hat,
  3. des § 20 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt, weil er am 3.9.2005 um 23.38 Uhr im Gemeindegebiet von Luftenberg an der Donau auf der B 3 bei km 227,000 mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 20 km/h überschritten hat. Die in Betracht kommende Verkehrsfehlergrenze wurde bereits zu seinen Gunsten abgezogen,
  4. des § 99 Abs.1 KFG 1960 eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt, weil er am 3.9.2005 um 23.38 Uhr im Gemeindegebiet von Luftenberg an der Donau auf der B 3 bei km 227,600 mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen bei Dunkelheit nicht die vorgegebenen Scheinwerfer und Leuchten eingeschaltet hatte, um dadurch den anderen Straßenbenützern das Fahrzeug erkennbar zu machen, das richtige Abschätzen seiner Breite zu ermöglichen und die Straße, soweit erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Fahrgeschwindigkeit, ausreichend zu beleuchten,
  5. des § 102 Abs.1 KFG 1967 iVm § 4 Abs.2 leg.cit. eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil er am 3.9.2005 um 23.41 Uhr im Gemeindegebiet von Luftenberg an der Donau auf der B 3 bei km 222,230 mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen als Lenker, obwohl es ihm zumutbar war, sich vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt hat, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass Räder der nicht genehmigten Dimension 205/55R16 montiert waren,
  6. des § 33 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil er am 3.9.2005 um 23.41 Uhr im Gemeindegebiet von Luftenberg an der Donau auf der B 3 bei km 222,230 mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen als Zulassungsbesitzer des angeführten Kfz nicht dafür Sorge getragen hat, dass das genannte Kfz den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von ihm selbst gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass er es unterlassen hat, nachstehende Änderungen an dem einzelnen zum Verkehr zugelassen Fahrzeug einer genehmigten Type, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges beeinflussen könnte, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Folgende Änderungen wurden vorgenommen: Räder/Reifen in der Dimension 205/55R16,
  7. des § 42 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 110 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 3.9.2005 um 23.41 Uhr im Gemeindegebiet von Luftenberg an der Donau auf der B 3 bei km 222,230 mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen als Zulassungsbesitzer des angeführten Fahrzeuges nicht dafür Sorge zu getragen hat, dass die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes eingehalten werden. Er hat es unterlassen, Änderung(en), welche er im April 2001 durchgeführt hat und die behördliche Eintragungen im Zulassungsschein betreffen, innerhalb einer Woche einer Zulassungsstelle der Behörde, in deren örtlichen Wirkungsbereich das Fahrzeug zugelassen ist, anzuzeigen. Die Anzeige erfolgte zumindest nicht bis zum 3.9.2005: Beschreibung der Änderungen: Rad/Reifen Dimension 205/55R16.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG jeweils ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft  Perg - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Zum Faktum 1:

Dem Bw wird eine Übertretung nach § 18 Abs.1 StVO 1960 zur Last gelegt, wobei sich der Tatvorwurf in der Anführung der verba legalia erschöpft. Der Bw bringt diesbezüglich vor, es lägen die notwendigen Voraussetzungen für diesen Tatvorwurf nicht vor, zumal es keine Angaben zur Geschwindigkeit, zur Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges und dazu gibt, aus welcher Position diese Feststellungen getroffen wurden. Es sei nicht klargestellt, ob diese Feststellungen anlässlich der Nachfolgefahrt vorgenommen wurden. Gehe man von einer Nachfolgefahrt aus, sei der Vorwurf einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit widerlegt. Gehe man von einem späteren Zeitpunkt der Nachfolgefahrt aus, hätten die beiden Beamten keinerlei Möglichkeit gehabt, die notwendige Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug festzustellen und damit beweiskräftig auszusagen, dass kein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten wurde. Nachdem er das genannte Fahrzeug aber überholt habe,  könne nicht von einem Sicherheitsabstand die Rede sein, da ohne Aufholbewegung ja ein Überholen des vorausfahrenden Fahrzeuges nicht möglich sei.

 

Die Meldungsleger sagten vor der belangten Behörde zeugenschaftlich aus, dass der Bw mit seinem Pkw auf einen anderen Pkw dicht aufschloss, dass durch das Abblendlicht das Heck des Vordermannes  spiegelnd beleuchtet wurde. Es finden sich jedoch im gesamten Verfahren keine Feststellungen bezüglich des eingehaltenen Abstandes, weder ziffern- noch zeitmäßig. Was die dem Bw unter dem Punkt 3. vorgeworfene Geschwindigkeit anlangt, ist auch diese zu relativieren (näheres dazu weiter unten). Der Tatvorwurf mangelt daher an wesentlichen Feststellungselementen, deren Nachholung zum gegenwärtigen Zeitpunkt illusorisch ist.

 

Zum Faktum 2:

Dem Bw wird eine Übertretung des § 15 Abs.3 StVO 1960  zur Last gelegt, weil er mit seinem Pkw den bevorstehenden Überholvorgang nicht nach § 11 StVO 1960 über den Wechsel des Fahrstreifens rechtzeitig angezeigt zu haben.

 

Bei der Beurteilung der Frage der "Rechtzeitigkeit" des Anzeigens des bevorstehenden Wechsels des Fahrstreifens ist sowohl die gegebene Verkehrs­situation als auch die Art der anderen Straßenbenützer und deren Geschwindigkeit von Bedeutung. Dem Bw wurde nicht vorgeworfen, den bevorstehenden Überholvorgang überhaupt nicht angezeigt, sondern nicht rechtzeitig angezeigt zu haben. Weder in der Anzeige noch in der Strafverfügung vom 20.9.2005 wurde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht konkretisiert, was unter dem "nicht rechtzeitigen Anzeigen" des Fahrstreifenwechsels gemeint ist. Erst aus der Zeugenaussage des Meldungslegers BI S vom 11.5.2006 ist zu entnehmen, dass der Bw "sofort nach dem Vorbeifahren des Gegenverkehrs seinen Pkw ohne zu blinken auf die Gegenfahrbahn riss". Diese Aussage, die das wesentliche Tatbestands­element enthält, wurde jedoch erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist getätigt. Während der Verfolgungsverjährungsfrist wurde kein ausreichender Tatvorwurf erhoben, weshalb diese Verwaltungsübertretung verfolgungsverjährt ist.

 

Zum Faktum 3:

Hier wird dem Bw eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 20 km/h zur Last gelegt. Aus der Anzeige kann entnommen werden, dass diese Geschwindigkeit mittels Ablesen des Tachometers am Dienstfahrzeug festgestellt wurde. Es stellt zwar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug und Ablesen des Tachometers bei gleichbleibendem Abstand auch ein taugliches Beweismittel zur Feststellung einer eingehaltenen Geschwindigkeit dar, doch sind im Hinblick auf die Fehlerquellen Toleranzabzüge notwendig. Aus der Aussage des Herrn BI S geht hervor, dass die Beamten dem Bw nachfuhren und auch den von ihm überholten Pkw überholten, aufschlossen und ab ca. km 227,000 einige Kilometer in gleich bleibendem Abstand nachfuhren. Es kann daher nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass sich die Beamten bei km ca. 227,000 (das ist die Tatörtlichkeit)  nicht mehr im Aufholvorgang befanden. Es wurde auch nicht festgestellt, welcher Abstand das Dienstfahrzeug zum Beschuldigten­fahrzeug eingehalten hat. Im Hinblick auf die Fehlerquellen bei Feststellung von Geschwindigkeiten durch Nachfahren sind erhebliche Toleranzen zu berücksichtigen. Der Oö. Verwaltungssenat verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das zu dieser Problematik erstattete Gutachten des Herrn Dipl.-Ing. H (VwSen-106693 vom 15. Mai 2000). Im Hinblick darauf sowie auf den Umstand, dass nicht festgestellt wurde, dass sich an der Tatörtlichkeit das Dienstfahrzeug bereits eine längere Strecke in gleichbleibendem Abstand zum Beschuldigten­fahrzeug befand und auch der Abstand zu diesem an der Tatörtlichkeit nie definiert wurde, liegt kein für ein Strafverfahren erforderlicher Beweis für die dem Bw zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung vor.

 

Zum Faktum 4:

Dieser Tatvorwurf erschöpft sich in der Anführung der verba legalia und umschreibt nicht einen konkreten Sachverhalt. Aus der Anzeige ist dieser zwar insofern zu entnehmen, als angeführt ist,  dass der Bw keinen Gegenverkehr hatte und bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h bei Strkm. 227,600 nur Abblendlicht  verwendete.  Dieser Tatvorwurf befindet sich jedoch weder in der Strafverfügung vom 20.9.2005 noch im angefochtenen Straferkenntnis, abgesehen davon, dass als Tatörtlichkeit nicht 227,00 sondern 227,600 angeführt wird. Auch diesbezüglich ist eine den Erfordernissen des § 44a Z1 VStG entsprechende Konkretisierung des Tatverhaltens wegen Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist nicht zulässig.

 

Zu den Fakten 5 bis 7:

Hier werden dem Bw Übertretungen des KFG 1967 zur Last gelegt, weil er es einerseits als Lenker des Pkw´s sowie als Zulassungsbesitzer dieses Pkw´s zu verantworten hat, dass Räder einer nicht genehmigten Dimension an diesem Fahrzeug montiert waren bzw., dass Änderungen an Rädern bzw. Reifen in der Dimension vorgenommen wurden, ohne dies unverzüglich dem Landeshauptmann und einer Zulassungsstelle der Behörde, in deren örtlichen Wirkungsbereich das Fahrzeug zugelassen ist, anzuzeigen. Durch Verwendung des Plurals "Räder" bwz. im Spruchpunkt 7: "Rad/Reifen" kann es sich um ein, zwei, drei oder vier Räder handeln. Diese Umschreibung entspricht nicht den Erfordernissen des § 44a Z1 VStG, weil daraus nicht zu erkennen ist, welches Rad bzw. welche Räder bzw. Reifen gemeint sind und, sofern es sich nicht um sämtliche Räder handelt,  ein  gleichartiger Vorwurf denkbar wäre, sodass die (theoretische) Möglichkeit einer Doppelbestrafung gegeben ist. Eine den Kriterien des § 44a Z1 leg.cit. entsprechende Präzisierung des Tatvorwurfes außerhalb  der Verfolgungsverjährung ist nicht zulässig.

 

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

 

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