Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161593/7/Ki/Jo

Linz, 17.10.2006

 

 

 

                                                          E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des H S, L, A, vom 16.08.2006, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 07.08.2006, VerkR96-15878-2005, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 12.10.2006 durch Verkündung zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.    Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten­beiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm  §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

                                                     Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 07.08.2006, VerkR96-15878-2005, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 17.08.2005 um 14.39 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen auf der B 153 in Fahrtrichtung Bad Ischl gelenkt, wobei er im Gemeindegebiet von Steinbach a.A. bei km 5.281 die durch Vorschriftzeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 36 km/h überschritten und damit § 52 lit.a Z10a StVO 1960 verletzt hat. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und er überdies gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mündlich am 16.08.2006 Berufung, er strebt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses bzw. die Einstellung des Verfahrens an.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 12.10.2006. An dieser Berufungsverhandlung nahmen der Berufungswerber sowie zwei Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck teil. Als Zeugen wurden der Meldungsleger, BI. J G, sowie der Stellvertreter des Straßenmeisters der Straßenmeisterei Bad Ischl, A S, einvernommen.

 

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Polizeiinspektion Unterach am Attersee vom 17.08.2005 zu Grunde, die zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung wurde laut dieser Anzeige vom Meldungsleger mit einem Lasermessgerät festgestellt.

 

Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat die Straßenmeisterei Bad Ischl mit Schreiben vom 10.11.2005 mitgeteilt, dass zur Vorfallszeit auf der B 153 Oberflächenbehandlungen durchgeführt wurden. Im Gemeindegebiet von Steinbach a.A. sind diese Arbeiten von km 4,3 bis km 5,6 durchgeführt worden, weitere Abschnitte befanden sich im Gemeindegebiet von Bad Ischl.

 

Von der Straßenmeisterei Bad Ischl war vorgesehen, die Baustelle mit dem Gefahrenzeichen "Baustelle" während der Bauarbeiten und dem Gefahrenzeichen "andere Gefahren" mit der Zusatztafel "Rollsplitt" abzusichern.

 

Bei der Durchführung der Bauarbeiten hat sich jedoch gezeigt, dass die Verkehrsteilnehmer die Rollsplitttafel nicht beachteten. Da im Weißenbachtal sehr viele einspurige Fahrzeuglenker unterwegs sind, wurde vom 12.08.2005 bis 17.08.2005 eine Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 44b der StVO 1960 aufgestellt. Am 17.08.2005 wurde der Rollsplitt abgekehrt und die Geschwindigkeitsbeschränkung um 16.00 Uhr entfernt.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte der als Zeuge einvernommene stellvertretende Straßenmeister der Straßenmeisterei Bad Ischl diesen Sachverhalt. Es habe sich aufgrund technischer Belange nachträglich erwiesen, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung erforderlich sei, bei der Behörde wurde die Erlassung einer entsprechenden Verordnung nicht beantragt und es gebe auch keine entsprechende Verordnung für den von den Straßenmeisterei Bad Ischl betreuten Bereich im Zuständigkeitsgebiet der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck.

 

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 44b StVO 1960 dürfen im Falle der Unaufschiebbarkeit die Organe der Straßenaufsicht, des Straßenerhalters, der Feuerwehr, des Bundesheeres oder des Gebrechendienstes öffentlicher Versorgungs- oder Entsorgungsunternehmen (z.B. Gasgebrechendienste) nach Erfordernis eine besondere Verkehrsregelung durch Anweisungen an die Straßenbenützer oder durch Anbringung von Verkehrsampeln oder Signalscheiben veranlassen oder eine der im § 43 Abs.1 lit.b Z1 und 2 bezeichneten Maßnahmen durch Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen mit der Wirkung treffen, als ob die Veranlassung oder Maßnahme von der Behörde getroffen worden wäre. Dies gilt insbesondere,

 

a.)   wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist,

 

b.)   bei unvorhersehbar aufgetretenen Straßen- oder Baugebrechen u. dgl.,

 

c.)    bei unvorhersehbar eingetretenen Ereignissen, wie z.B. Brände, Unfälle, Ordnungsstörungen u. dgl., die besondere Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen oder eine besondere Verkehrsregelung (z.B. Einbahnverkehr, abwechselnder Gegenverkehr, Umleitung u. dgl.) erfordern.

 

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30.03.1978, 2259/76, ausgesprochen, dass Verkehrsverbote und Verkehrsbeschränkungen, die sich an einen nicht individuell bestimmten Personenkreis richten, generelle Normen sind, deren Erlassung – soweit nicht die Voraussetzungen des § 44b Abs.1 leg.cit. vorliegen – ausschließlich der Behörde als Verordnungsgeber obliegt. Dem Straßenerhalter und dessen Organen steht das Recht, Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen zu verfügen, gemäß § 44b Abs.1 StVO 1960 nur im Falle der Unaufschiebbarkeit zu. Unaufschiebbar im Sinne dieser Bestimmung ist eine Maßnahme, wenn sie ihren Grund in unvorhersehbar eingetretenen Ereignissen (wie Elementarereignis, unvorhersehbar aufgetretene Straßen- oder Baugebrechen, Brände, Unfälle u. dgl.) hat. Nur in diesen Fällen sollen ausnahmsweise auch von den Organen der Straßenaufsicht und des Straßenerhalters unter gewissen Voraussetzungen und bei Beachtung eines bestimmten Verfahrens Maßnahmen, die sonst gemäß § 43 Abs.1 lit.a StVO 1960 die Behörde zu treffen hat, ergriffen werden dürfen.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung wurde einvernehmlich klargestellt, dass es sich bei den verfahrensrelevanten Bauarbeiten auf der B 153 nicht um ein unvorhersehbar eingetretenes Ereignis handelt, welche die Straßenmeisterei Bad Ischl als Straßenerhalter ermächtigt hätte, Maßnahmen gemäß § 44b Abs.1 StVO 1960 zu treffen. Zuständig wäre in diesem Falle zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung ausschließlich die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gewesen. Demnach sind die von der Straßenmeisterei Bad Ischl getroffenen Maßnahmen im vorliegenden Falle gesetzlich nicht gedeckt gewesen und konnten auch keine Wirkung dahingehend entfalten, dass die Überschreitung der im Verkehrszeichen angegebenen Geschwindigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a bilden würde.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Nachdem, wie bereits dargelegt wurde, es sich im vorliegenden Falle um keine rechtskonforme Maßnahme des Straßenerhalters gehandelt hat, war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

                                                        Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

                                                                    Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

                                                                Mag. K i s c h

 

 

                                                                                                                                                      

 

Beschlagwortung:

§ 44b StVO 1960 – Besondere Verkehrsregelung durch Straßenerhalter nur in Ausnahmefällen zulässig.

 

 

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