Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-222100/8/Kl/Pe

Linz, 19.09.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn A S, vertreten durch Rechtsanwalts-Partnerschaft S-K-S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 24.7.2006, Ge-576/06, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 13.9.2006 zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 24.7.2006, Ge‑576/06, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 300 Euro bzw. 100 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von 48 Stunden bzw. 12 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung von je § 367 Z25 GewO iVm A) Pkt. I.14. und B) Pkt. I.15. des Bescheides des Magistrates Steyr vom 27.2.2006 (Zl.: GeBA-40/04), verhängt, weil er als Gewerbeinhaber der Firma S A in, Folgendes verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten hat:

„A)

1.        die Türe der weiteren Betriebsstätte oa. Firma in (Imbissstube), zumindest am 8.5.2006 um 15.40 Uhr aufgespreizt und somit festgestellt war. Dies stellt eine Übertretung des Pkt. I.14. des Bescheides des Magistrates der Stadt Steyr vom 27.2.2006 (Zl.: GeBA-40/04) dar, in welchem als Auflage vorgeschrieben wurde: ‚Das Feststellen der Tür zu Lüftungszwecken ist nicht zulässig.’ Die Nichteinhaltung oa. Bescheidauflage oa. Bescheides stellt eine Übertretung der Gewerbeordnung dar.

2.        die Türe der weiteren Betriebsstätte oa. Firma in (Imbissstube), zumindest am 9.5.2006 um 16.40 Uhr aufgespreizt und somit festgestellt war. Dies stellt eine Übertretung des Pkt. I.14. des Bescheides des Magistrates der Stadt Steyr vom 27.2.2006 (Zl.: GeBA-40/04) dar, in welchem als Auflage vorgeschrieben wurde: ‚Das Feststellen der Tür zu Lüftungszwecken ist nicht zulässig.’ Die Nichteinhaltung oa. Bescheidauflage oa. Bescheides stellt eine Übertretung der Gewerbeordnung dar.

3.        die Türe der weiteren Betriebsstätte oa. Firma in (Imbissstube), zumindest am 10.5.2006 um 8.20 Uhr aufgespreizt und somit festgestellt war. Dies stellt eine Übertretung des Pkt. I.14. des Bescheides des Magistrates der Stadt Steyr vom 27.2.2006 (Zl.: GeBA-40/04) dar, in welchem als Auflage vorgeschrieben wurde: ‚Das Feststellen der Tür zu Lüftungszwecken ist nicht zulässig.’ Die Nichteinhaltung oa. Bescheidauflage oa. Bescheides stellt eine Übertretung der Gewerbeordnung dar.

4.        die Türe der weiteren Betriebsstätte oa. Firma in (Imbissstube), zumindest am 11.5.2006 um 8.30 Uhr aufgespreizt und somit festgestellt war. Dies stellt eine Übertretung des Pkt. I.14. des Bescheides des Magistrates der Stadt Steyr vom 27.2.2006 (Zl.: GeBA-40/04) dar, in welchem als Auflage vorgeschrieben wurde: ‚Das Feststellen der Tür zu Lüftungszwecken ist nicht zulässig.’ Die Nichteinhaltung oa. Bescheidauflage oa. Bescheides stellt eine Übertretung der Gewerbeordnung dar.

Gegenständliche Tatbestände, welche ein fortgesetztes Delikt bilden, stellen eine Übertretung der Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 dar.

 

B)

1.        die weitere Betriebsstätte oa. Firma in (Imbissstube) am 14.5.2006 um 20.15 Uhr durch die Verabreichung von Speisen und Getränken betrieben wurde. Dies stellt eine Übertretung des Pkt. I.15 des Bescheides des Magistrates der Stadt Steyr vom 27.2.2006 (Zl.: GeBA-40/04) dar, in welchem als Auflage vorgeschrieben wurde: ‚Der Betrieb der Imbissstube darf nur in der Zeit von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr erfolgen.’

Dies stellt eine Übertretung der Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 dar.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und der Bescheid seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass Zweck dieser Auflage, die Tür zu Lüftungszwecken nicht feststellen zu dürfen, sei, den Austritt von belästigenden Gerüchen aus dem Imbisslokal zu verhindern. Dies sei jedoch aufgrund der technischen Gegebenheiten im Lokal ohnedies auszuschließen. Es werde die Abhaltung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines technischen Sachverständigen beantragt. Auch sei der Auflagenpunkt I.14. nicht klar abgefasst, weil nicht hervorgeht, um welche Tür es sich handelt. Auch sei nicht ersichtlich, was unter „Feststellen der Tür zu Lüftungszwecken“ zu verstehen ist. Geruchsbelästigungen seien aufgrund der technischen Konstruktion der installierten Lüftungsanlage auszuschließen. Zu Punkt B) des angefochtenen Straferkenntnisses wurde ausgeführt, dass die fallweise Entgegennahme von Lieferungen außerhalb der Betriebszeiten keinen Betrieb der Imbissstube darstelle. Auch fehle es an einer entsprechenden Konkretisierung, worin das „Betreiben der Imbissstube“ gelegen sein soll. Auch wurde die Strafhöhe bekämpft und ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 1.000 Euro geltend gemacht. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

 

3. Der Magistrat Steyr hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.9.2006, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter erschienen sind. Ein Vertreter der belangten Behörde wurde geladen und ist nicht erschienen. Weiters wurde der geladene Zeuge Ing. E E geladen und einvernommen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 367 Z25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs.1 oder § 84d Abs.7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 367 Z25 GewO 1994 um ein fortgesetztes Delikt. Unter einem fortgesetzten Delikt versteht man eine Mehrheit von an sich selbständigen, nach einander gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand des selben Delikts erfüllt. Sie ist durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden und wird rechtlich als ein einziges Delikt gehandelt. Alle Teilakte der Handlungsreihe stellen somit rechtlich nur eine einzige Handlung dar. Die Einzelhandlungen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei die einzelnen Handlungen nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen werden dürfen. Auch müssen die Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, von einem sogenannten Gesamtvorsatz getragen sein.

 

Im Fall eines fortgesetzten Deliktes sind durch die Bescheiderlassung alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses durch die Behörde erster Instanz. Setzt der Täter nach diesem Zeitpunkt die verpönte Tätigkeit fort, so darf die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen (VwGH 18.3.1998, 96/09/0339, 15.3.2000, 99/09/0219). Ein Straferkenntnis ist erst zum Zeitpunkt der Zustellung als gefällt anzusehen, weshalb eine Bestrafung – im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes – ungeachtet der Anführung eines vorher endenden Tatzeitraumes im Spruch des Straferkenntnisses auch die bis dahin erfolgten Einzeltathandlungen erfasst (VwGH 10.4.1987, 86/04/0170).

 

Es stellt daher einen Verstoß gegen das Verbot der mehrfachen Bestrafung dar, wenn der Täter noch vor der Erlassung des Straferkenntnisses (Zustellung des Straferkenntnisses) wegen Einzeltathandlungen, die zwar außerhalb des vorgeworfenen Tatzeitraumes, aber noch vor dem Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses liegen, noch einmal mit einem gesonderten Straferkenntnis bestraft wird.

 

Gegen dieses Verbot wurde mit gegenständlichem Straferkenntnis verstoßen. Bereits mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 24.7.2006, Ge‑450/06, wurde der Berufungswerber wegen Nichteinhaltung der Bescheidauflagepunkte I.14. und I.15. des Bescheides des Magistrates der Stadt Steyr vom 27.2.2006 für den Tatzeitraum 30.3.2006 bis 23.4.2006 bestraft. Dieses Straferkenntnis wurde nicht vor sondern gleichzeitig mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis zugestellt. Es sind daher sämtliche Einzeltathandlungen ab dem 24.4.2006 bis zur Erlassung des Straferkenntnisses (Zustellung des Straferkenntnisses am 27.7.2006) mitumfasst und dürfen daher nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht noch einmal bestraft werden. Es verstößt daher das gegenständliche Straferkenntnis gegen das Doppelbestrafungsverbot. Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

fortgesetztes Delikt, Erfassungswirkung, Doppelbestrafung

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum