Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251246/10/Lg/Hue/RSt

Linz, 12.10.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Langeder nach der am 18. Oktober 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des H D, B, 46 W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt W vom 11. Juli 2005, Zl. BZ-Pol-76016-2005, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG), zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlage

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 44a, 45 Abs. 1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 500 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil er es als Obmann und somit als im Sinne des § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener des Vereines S – Ö, Sitz in W, zu verantworten habe, dass durch diesen Verein die tschechische Staatsbürgerin M A am 14.3.2005 an einen Patienten in T vermittelt worden sei und dadurch diesem Patienten vorsätzlich erleichtert wurde, die Ausländerin als Pflegehilfe zu beschäftigen, obwohl die für eine legale Ausländerbeschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere nicht vorgelegen seien.

 

In der Begründung wird auf die Anzeige des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung Sanitäts- und Veterinärrecht, vom 5.4.2005 verwiesen. Bezug genommen wird ferner auf die Rechtfertigung des Beschuldigten vom 9.6.2005.

 

Die objektive Tatseite der Verwaltungsübertretung sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes als erwiesen anzusehen und werde grundsätzlich vom Beschuldigten auch nicht geleugnet. Da der Beschuldigte im Rahmen des Verfahrens BZ-SV-112-2003 (Einvernahme am 2.5.2003) bereits davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die Kontaktherstellung zwischen tschechischen oder slowakischen Krankenschwestern einerseits und zu pflegenden Personen bzw. deren Angehörigen andererseits durch den Verein gegen die Bestimmungen des AuslBG verstoße, habe er die Verwirklichung der spruchgegenständlichen Verwaltungsübertretung ernstlich für möglich gehalten und habe sich damit abgefunden (Vorsatz – dolus eventualis). Damit sei auch die subjektive Tatseite als gegeben zu erachten.

 

2. In der Berufung wird auf die Angaben in der Niederschrift vom 9.6.2005 verwiesen. Pflegebedürftige bzw. sterbende Personen würden aus öffentlichen Krankeneinrichtungen mangels Therapierbarkeit entlassen, ohne Rücksicht darauf, ob ein Pflegeplatz zur Verfügung stehe, Angehörige vorhanden seien bzw. diese Angehörigen sich eine entsprechende Pflege leisten können. Viele Menschen seien nicht in der Lage, ihre pflegebedürftigen oder sterbenden Angehörigen selbst zu pflegen, sei es aus beruflichen oder physischen Gründen oder mangels Fachkenntnissen. Diese Personen sowie viele öffentliche Krankeneinrichtungen und Amtsärzte würden dann an den Verein herantreten. Die Abdeckung eines solchen Betreuungsbedarfes in Österreich selbst sei mangels eines entsprechenden Angebotes unmöglich. Es sei ja bekannt, dass sogar öffentliche Einrichtungen wie Altenheime etc. Schwierigkeiten hätten, ausreichend Pflegepersonal zu bekommen. Der Verein sehe es daher als seine Aufgabe an, Angehörigen Hilfestellung bei der Bewältigung des „Pflegenotstandes“ zu geben. Außerdem stehe die Beschäftigung der ausländischen Krankenschwestern nicht in Widerspruch zum Zweck des AuslBG (Schutz österreichischer Arbeitskräfte vor ausländischer Konkurrenz), da kein entsprechendes österreichisches Pflegepersonal verfügbar sei. Weiters werde darauf hingewiesen, dass die Krankenschwestern den Patienten bzw. deren Angehörigen gegenüber nicht weisungsgebunden sind. Sie würden das Ausmaß von Pflege, Betreuung etc. alleine nach den Anweisungen des Hausarztes, entsprechend den Bedürfnissen des jeweiligen Patienten, ausrichten.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

In einem Schreiben des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung Sanitäts- und Veterinärrecht vom 5.4.2005 wird dem Magistrat W ein Aktenvorgang zuständigkeitshalber übermittelt. Dem Schreiben liegt ein Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 15 – Gesundheitswesen und Soziales Dezernat II – Sanitätsrecht und Sozialversicherungsrecht vom 31.3.2005 an das Amt der Oö. Landesregierung bei. Darin ist festgehalten, dass M A am 4. März 2005 beim Amt der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Nostrifikation nach § 32 GuKG eingebracht habe. Als Nachweis einer einschlägigen Berufstätigkeit sei eine Bestätigung von „S“, Ö, B, 46 W, vorgelegt worden. Aus dieser Bestätigung gehe hervor, dass Frau A derzeit in T als Krankenschwester beschäftigt sei. Es handle sich um eine unbefugte Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheit- und Krankenpflege nach § 105 GuKG.

 

Diesem Schreiben beigelegt ist eine Bestätigung des Vereins S vom 14.3.2005, wonach die Ausländerin unterstützendes Mitglied des gemeinnützigen österreichischen Vereines „S“ sei. Zur Zeit sei Frau A bei einem Patienten in T im Einsatz und verrichtet dort ihre Arbeit mit größter Sorgfalt, Umsicht und Gewissenhaftigkeit.

 

Am 9.6.2005 rechtfertigte sich der Bw dahingehend, dass der Verein S nur den Kontakt zwischen tschechischen oder slowakischen Krankenschwestern einerseits und zu pflegenden Personen bzw. deren Angehörigen andererseits herstelle. Alle Beteiligten seien jedoch unterstützende bzw. ordentliche Vereinsmitglieder, die einen Mitgliedsbeitrag entrichten würden. Mit der Beschäftigung selbst, der Entlohnung etc. habe der Verein nichts mehr zu tun, dies werde zwischen den Krankenschwestern und den zu pflegenden Personen bzw. deren Angehörigen geregelt. Viele Menschen seien nicht in der Lage, ihre pflegebedürftigen oder sterbenden Angehörigen selbst zu pflegen, sei es aus beruflichen oder physischen Gründen oder mangels Fachkenntnissen. Diese Personen sowie viele öffentliche Krankeneinrichtungen (zB AKH W, Psychiatrische Klinik W, Landeskrankenhaus B, LKH G) und Amtsärzte würden an den Verein herantreten. Die Abdeckung eines solchen Betreuungsbedarfs sei mangels eines entsprechenden leistbaren Angebots unmöglich. Pflegebedürftige bzw. sterbende Personen würden aus öffentlichen Krankeneinrichtungen mangels Therapierbarkeit entlassen werden, ohne Rücksicht darauf, ob ein Pflegeplatz zur Verfügung stehe, Angehörige vorhanden seien bzw. sich diese Angehörigen eine entsprechende Pflege leisten könnten.

 

Mit Schreiben vom 21. Juni 2005 beantragte das Zollamt W die Durchführung eines Strafverfahrens.

 

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Bw den dringenden gesellschaftlichen Bedarf nach der Tätigkeit des Vereins aus seiner Sicht dar. Problematisch sei insbesondere eine von den Betroffenen leistbare "rund um die Uhr Betreuung zu Hause". Der Verein springe dort ein, wo die öffentliche Hand überfordert sei. Überdies sei an die Situation zu denken, aus denen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht zeitgerecht ein Heimplatz zur Verfügung steht und für die Pflege in Betracht kommende Angehörige nicht vorhanden sind. 80 % der vom Verein Betreuten würden von Krankenhäusern "vermittelt".

 

Der Bw schilderte, auf welche Weise der Verein im Vorfeld (etwa Überprüfung der Ausbildung der "Schwestern") und auch während der Betreuung eines bestimmten "Patienten" (etwa in Form der Qualitätskontrolle) aktiv ist.

 

Der Verein finanziere sich durch Mitgliedsbeiträge. Mitglieder seien die "Schwestern und die Patienten". Die Bezahlung zwischen den "Schwestern und den Patienten" gehe den Verein nichts an. Der Verein kassiere nur Mitgliedsbeiträge. Der Mitgliedsbeitrag betrage für eine "Schwester" € 300,- im Jahr und für einen "Patienten" € 252,- einmalig und für ein halbes Jahr € 523,- zusätzlich. Derzeit würde der Verein ca. 420 "Patienten" mit einer doppelten Anzahl von "Schwestern" betreuen. Der Verein sei steuerpflichtig. Mit den Mitgliedsbeiträgen würden außerdem die Aufwendungen des Vereins (Betrieb von ausländischen Agenturen, Kontrolle des Funktionierens usw.) verwendet.

 

Zum Zweck der Verdeutlichung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wurde Frau Dr. S von der Sozialabteilung des Amtes des Landes Oö. befragt. Sie legte unter anderem dar, dass im Falle, dass die mobile Betreuung (50 Stunden/Monat bzw. 3 x täglich Besuche) nicht ausreicht, der Weg ins Heim – allein wegen der Personalkosten bei Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften – so gut wie unumgänglich sei.

 

Im den selben Bw betreffenden Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 11. Juli 2006, Zl. VwSen-251115 wurde auf Medienberichte bzw. Äußerungen von Politikern und maßgeblichen Funktionsträgern verwiesen, die die gegenständliche Problematik zum Inhalt hatten. Da die öffentliche Diskussion inzwischen geradezu explosionsartig angewachsen ist, sei von weiteren Zitaten abgesehen und möge der Hinweis genügen, dass "die Politik" Bereitschaft signalisiert hat, die Problematik, die überaus tragische Lebenssituationen berührt, einer Lösung zuzuführen.

 

5.Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Wird jemand der Beihilfe zu einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt, so ist im Spruch konkret – unter Angabe von Zeit, Ort und Inhalt der Beihilfehandlung – das als Beihilfe gewertete Verfahren zu umschreiben (vgl. z.B. VwGH 23. Februar 1995, Zl. 92/18/0277); es ist das konkrete Verhalten des Beschuldigten darzustellen, durch das der Tatbestand der Beihilfe zur Haupttat verwirklicht wird (vgl. z.B. VwGH 15. September 1992, Zl. 19/04/0033). Der Inhalt der Beihilfehandlung wurde im gegenständlichen Spruch bloß mit dem Wort "vermittelt" umschrieben. Dieser Begriff ist auslegungsbedürftig (so etwa wäre gegebenenfalls die inkriminierte "Vermittlung" von der "Vermittlung" von Bedürftigen an Vereine durch Ämter und öffentliche Anstaltsträger und dergleichen abzugrenzen) und nicht geeignet, um die während der vorgeworfenen Tatzeit (welche identisch mit der Beschäftigungsdauer der Ausländerinnen ist) durch den in Rede stehenden Verein gesetzten Beihilfehandlungen zu bezeichnen. Dem Wortsinn nach deutet "vermittelt" am ehesten auf Tätigkeiten zur Zusammenführung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum Zweck des Abschlusses von Arbeitsverträgen zwischen diesen hin (vgl. etwa § 2 Abs.1 AMFG; VwGH 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0131). Solche Tätigkeiten liegen aber vor dem Zeitraum der Beschäftigung; von diesem Verständnis geht offensichtlich auch das angefochtene Straferkenntnis aus, wenn in der Begründung die Tathandlung als "Kontaktherstellung" bezeichnet (und somit, mangels weiterer Ausführungen, definiert) wird. Wenn dem aber so ist, so fehlt dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses für die ins Auge gefasste Beihilfehandlung (in beiden Fällen) die Tatzeit und für die vorgeworfenen Tatzeiten die Umschreibung der Beihilfehandlungen.

 

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Langeder

 

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