Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280864/4/Wim/Rd/Be

Linz, 06.10.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die auf das Strafausmaß beschränkte  Berufung  des A I vom 19.9.2005, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 8.9.2005,

Ge96-96-2005, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnen­schutz­gesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe mit 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 48 Stunden festgesetzt.

 

II.    Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz wird mit 50 Euro, das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafe, festgesetzt. Für das Berufungs­verfahren entfallen Kostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat den Beschuldigten KR Erwin Haider als handelsrechtlichen Geschäftsführer und damit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen für schuldig erkannt:

"Die Arbeitgeberin hat am 25.3.2005 in der Arbeitsstätte in 4463 Großraming, Hintstein 35, den Arbeitnehmer E P mit Arbeiten mit der Reifenmontiermaschine (Hofmann Monty 42) zum Montieren und Füllen eines Seitenringrades des Types 10,00-20 EM beschäftigt, ohne den in der Betriebsanleitung, (sh Seite 12 – Montage von Seitenringreifen) welche besagt, dass beim Füllen von Seitenringrädern der Montierarm derart vor den Seitenring zu positionieren ist, damit bei unbeabsichtigtem Abspringen des Seitenringes keine Schäden entstehen, zum Füllen eines Seitenringrades beschriebenen Zustand der Reifenmontiermaschine herzustellen."

 

Dies stelle eine Übertretung des § 35 Abs.1 Z2 und 4 ASchG dar, wonach Arbeiter dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden:

Z2:      Bei der Benutzung von Arbeitsmitteln sind die für sie geltenden          Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie           geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten.

Z4:      Die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen sind bestimmungsgemäß zu         verwenden.

Gegenständlich sei es durch die Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften bei den Arbeiten auf der Reifenmontiermaschine zu einem Arbeitsunfall gekommen, bei dem der Arbeitnehmer Egon Pils verletzt worden sei.

 

Wegen Verletzung des § 130 Abs.1 lit.16 iVm § 35 Abs.1 Z2 und 4 ASchG wurde ihm deswegen eine Geldstrafe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 37 1/2 Stunden) und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 25 Euro auferlegt.

 

Die belangte Behörde hat bei der Bemessung der Strafe als mildernd gewertet, dass sich der Beschuldigte bemüht habe, die Sicherheitsstandards immer auf den neuesten Stand der Technik zu halten, dass die Reifenmontiermaschine über ausreichende Schutzeinrichtungen verfügt habe und dass der verunfallte Arbeitnehmer über die Handhabung und die Sicherheitseinrichtungen der Arbeitsmittel unterrichtet worden sei. Auch sei von der belangten Behörde "begrüßt" worden, dass seit einiger Zeit monatlich Mitarbeitergespräche stattfinden, wo vor allem auch die Sicherheit am Arbeitsplatz auf dem Programm stehe. Dies habe die belangte Behörde bewogen, den vom Arbeitsinspektorat beantragten Strafbetrag um die Hälfte herabzusetzen, auch wenn das Arbeitsinspektorat einer solchen Herabsetzung nicht zugestimmt habe.

 

2. In der gegen die nach dessen Ansicht zu geringe Höhe der Strafe eingebrachten Berufung macht das Arbeitsinspektorat Linz geltend, dass es aufgrund der Nichteinhaltung arbeitnehmerschutzrelevanter Bestimmungen zu einem Arbeitsunfall des Egon Pils mit schweren Kopfverletzungen gekommen sei und deshalb mit Strafantrag vom 20.6.2005, Zl. 041-45/1-9/05, eine Strafhöhe von 500 Euro beantragt worden sei.

Die beantragte Strafhöhe bewege sich im unteren Bereich des möglichen Strafrahmens. Aufgrund der Schwere der Verletzung des Verunfallten, die im gegenständlichen Fall auf die Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutz­bestimmungen zurückzuführen sei, fehle es schon am Kriterium des geringfügigen Verschuldens, sodass auch von unbedeutenden Folgen wohl kaum die Rede sein könne und somit kein Strafmilderungsgrund vorliege.

Aus diesen Gründen könne der Herabsetzung des Strafausmaßes auf 250 Euro, welche mit Straferkenntnis der belangten Behörde verhängt wurde, nicht zugestimmt werden und daher die Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG im Ausmaß von 500 Euro beantragt.       

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat den Beschuldigten in Wahrung des Parteiengehörs am Verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil der Sachverhalt geklärt erscheint, keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, war eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.3 Z2 und Z3 VStG nicht anzuberaumen. Im Übrigen wurde von keiner Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

 

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen, die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

5.2. Die Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes bzw der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil dadurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen. So werden durch nicht fachgerechte Benutzung bzw durch das Nichtanbringen von geeigneten Schutzeinrichtungen bei Arbeitsmitteln Arbeitnehmer gerade jenen Gefahren in hohem Maß ausgesetzt, denen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen entgegentreten wollen.

 

Im konkreten Fall ist es zu einem Arbeitsunfall gekommen, bei dem sich der Verunfallte eine schwere Kopfverletzung zugezogen hat. Dieser Umstand war als straferschwerend zu werten, zumal sohin von konkreten schweren Folgen der Tat auszugehen war. Zudem ist aus dem vorgelegten Akt auch weiters zu entnehmen, dass am 26.3.2004 letztmalig – auf den Tatzeitpunkt bezogen – eine Unterweisung bzw Information stattgefunden hat, an welcher der verunfallte Arbeitnehmer teilgenommen hat.

 

Der von der belangte Behörde vertretenen Meinung, wonach eine Teilschuld des Arbeitnehmers am Arbeitsunfall gegeben war,  da sich dieser nicht an die Unterweisungen gehalten hat,  ist entgegenzutreten, dass dieses Fehlverhalten des Arbeitnehmers einen eigenen Straftatbestand darstellt und dies keinesfalls als Strafmilderungsgrund für den Arbeitgeber zu werten ist (vgl. § 130 Abs.4 ASchG). Hat doch der Arbeitgeber ihm Rahmen eines effizienten Kontrollsystems darauf hinzuwirken, dass einerseits die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden und andererseits ausreichende Maßnahmen getroffen werden, die ein eigenmächtiges Handeln der Arbeitnehmer hintanhalten. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen – wie dies vom Beschuldigten eingewendet wurde - und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der erteilten Weisungen erfolgte. Dass der Beschuldigte dieser Kontrolle nachgekommen ist, geht weder aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt hervor noch wurden dementsprechende Beweismittel vorgelegt.

Auch kann das "Bemühen" des Beschuldigten, dass er Sicherheitsstandards immer auf den neuesten Stand der Technik halte sowie dass die Reifenmontiermaschine über ausreichende Schutzeinrichtungen verfügt, nicht als strafmildernd gewertet werden, zumal es sich dabei um gesetzliche Verpflichtungen handelt, deren Einhaltung als Selbstverständlichkeit anzusehen ist.

 

Wenn sich der Beschuldigte auch darauf beruft, dass der verunfallte Arbeitnehmer als gut geschulte Fachkraft anzusehen und schon seit über 15 Jahren im Betrieb angestellt ist und daher genug Erfahrungen in der Handhabung mit der Reifenmontiermaschine haben müsste,  ändert dies nichts daran, für ein lückenloses Kontroll- und Überwachungssystem zu sorgen, hat doch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, Zl. 99/02/0220, ausgesprochen, dass "gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen hat".

 

Wie der gegenständliche Fall nunmehr aufgezeigt hat, passieren Unfälle gerade aber auch dann, wenn von einer weit reichenden Routine der Arbeitnehmer ausgegangen wird. Durch die langjährige Ausübung von bestimmten Arbeiten können Arbeitnehmer risikobereiter werden und leichtfertig die vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen vernachlässigen. Gerade diesen Tendenzen soll eben mit ausreichenden Maßnahmen und Vorkehrungen entgegengewirkt werden.

 

Aufgrund der obigen Ausführungen hinsichtlich des Verschuldens und des Unrechtsgehalts der Tat ist die nunmehr verhängte Geldstrafe im Ausmaß von 500 Euro auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen gerechtfertigt und notwendig, um den Beschuldigten in Hinkunft zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen zu bewegen.

Im Übrigen lassen die persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten erwarten, dass er zur Bezahlung der Geldstrafe ohne Weiters in der Lage sein wird.

 

Der Berufung des Arbeitsinspektorats Linz kam daher Berechtigung zu und war der Oö. Verwaltungssenat gehalten, die nunmehr im Spruch angeführte Geldstrafe in der beantragten Höhe festzusetzen. In diesem Sinne war auch die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend anzupassen. 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Wimmer

 

 

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