Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280886/2/Wim/Rd/Be

Linz, 06.10.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des Herrn W R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4.11.2005, Ge96-137-2004-Ew, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) zu Recht erkannt:

 

 I.         Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die hinsichtlich Faktum 1 und 2    verhängten Geldstrafen auf jeweils 450 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf    jeweils 43 Stunden herabgesetzt werden.

 

II.         Der  Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt       90 Euro (Fakten 1 und 2). Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines        Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

 

 Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 19 und 51c  Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretungen zu 1) gemäß § 28 Abs.1a Z4 AZG iVm Art.6 Abs.1 der Verordnung EWG Nr. 3820/85 und zu 2) gemäß § 28 Abs.1a Z2 AZG iVm Art.8 Abs.1 der Verordnung EWG Nr. 3820/85 für schuldig erkannt und über ihn Geldstrafen zu 1) und 2) von jeweils 500 Euro, falls diese uneinbringlich sind, Ersatz­freiheitsstrafen zu 1) und 2) von je 48 Stunden verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet, insgesamt 100 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gem. § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin R Transportlogistik GmbH mit Sitz in Pasching, Geschäftsanschrift, wie vom Arbeitsinspektorat Linz zur Anzeige gebracht wurde, bei der Beschäftigung des Lenkers A K mit dem Lenken des Sattelzugfahrzeuges (amtl. Kennzeichen:) und dem Sattelanhänger (amtl. Kennzeichen:) auf der Fahrtstrecke Calai – Geiselwind – Pasching – Limburg – Tilbury – Gent – Anhalteort (A8 Suben), folgende Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABI. der EG vom 31.12.1985, Nr. L 370/1, in der Fassung der Berichtigung ABI. der EG vom 30.7.1986, Nr. L 206/36 (im Folgenden als EG-VO 3820 bezeichnet) zu verantworten:

 

1.    Tatvorwurf – Lenkzeit

Der Arbeitnehmer A K, beschäftigt im Güterbeförderungsbetrieb R Transportlogistik GmbH, als Lenker eines Kraftfahrzeuges (Kennz.: CB; LL-) im internationalen Straßenverkehr (innergemeinschaftliche Fahrten), Fahrtstrecke: Calai – Geiselwind – Pasching – Limburg – Tilbury – Gent – Anhalteort (A8 Suben) tätig, das der Güterbeförderung dient, und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, wurde laut den vorliegenden Arbeitszeitaufzeichnungen mit folgenden Lenkzeiten (Gesamtlenkzeiten zwischen zwei täglichen Ruhezeiten) beschäftigt:

 

Von

bis

Lenkzeit

Datum

Uhrzeit

Datum

Uhrzeit

Std.

Min.

15.06.2004

08:15

17.06.2004

00:50

25

00

17.06.2004

10:00

19.06.2004

01:00

25

10

 

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 6 Abs.1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs dar, wonach die tägliche Lenkzeit zwei Tage pro Woche 10 Stunden, an den übrigen Tagen 9 Stunden nicht überschreiten darf.

 

Tatvorwurf – Ruhezeit

Dem Arbeitnehmer A K, beschäftigt im Güterbeförderungsbetrieb R Transportlogistik GmbH, als Lenker eines Kraftfahrzeuges (Kennz.: LL-; LL-) im internationalen Straßenverkehr (innergemeinschaftliche Fahrten), Fahrtstrecke: Calai – Geiselwind – Pasching – Limburg – Tilbury – Gent – Anhalteort (A8 Suben) tätig, das der Güterbeförderung dient, und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, wurde laut den vorliegenden Arbeitszeitaufzeichnungen die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit innerhalb des 24-Stunden-Zeitraumes ab Arbeitsbeginn nicht gewährt:

 

 

Arbeitsbeginn bzw.

Beginn des 24 Std. Zeitraumes

Arbeitsende bzw.

Ende des 24 Std. Zeitraumes

Ruhezeit

Datum

Uhrzeit

Datum

Uhrzeit

Std.

Min.

15.06.2004

08:15

16.06.2004

08:15

0

00

17.06.2004

10:00

18.06.2004

10:00

0

00

 

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 8 Abs.1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs dar, wonach innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden einzuhalten ist. Diese Ruhezeit darf bei entsprechenden Ausgleich verkürzt werden, und zwar auf nicht weniger als 9 Stunden.“

 

2.  Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher ausdrücklich das Strafausmaß bekämpft wurde. Als Begründung hiefür bringt der Bw vor, dass er sich seiner gesetzlichen Verpflichtung bewusst sei, andererseits nahezu alles unternehme, damit die Vorschriften eingehalten werden. Neben wiederkehrenden Schulungen und Informationen an das Fahrpersonal, sei mittlerweile Herr G zum Verantwortlichen gemäß § 9 bestellt worden, um damit ein ständig präsentes Kontrollorgan zu installieren.

An der finanziellen Situation (monatl. Nettoeinkommen 2.500 Euro, Sorgepflicht für zwei minderjährige Kinder) habe sich seit 4.5.2005 nichts geändert und stelle die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe eine außergewöhnliche Belastung für den Bw und seine Familie dar.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Da sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und vom Bw die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt sowie keine 500 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, konnte von der Anberaumung einer solchen Abstand genommen werden (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Da der Bw in seiner Berufung ausdrücklich um Herabsetzung der verhängten Geldstrafen ersucht, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und ist es daher dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, hierauf einzugehen.

 

Gemäß § 28 Abs.1a AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die

....

2. die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs.1, 2, 6 oder 7 oder Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren; (Faktum 2)

....

4.  Lenker über die gemäß Art.6 Abs.1 Unterabsatz 1 oder Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85, zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen; (Faktum 1)   

....

sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1.815 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde, von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, die Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

4.2. Schutzzweck der Einhaltung der Bestimmungen des AZG hinsichtlich der Lenk- und Ruhezeiten ist neben dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer jener, dass der Einsatz von übermüdeten Lenkern hintan gehalten wird; stellen doch übermüdete Lenker ein immenses Gefahrenpotenzial in Bezug auf die Verkehrssicherheit (zB gehäufte Unfallgefahr durch Sekundenschlaf, schwere Unfälle in Tunnels, bei denen meist übermüdete Lenker beteiligt waren usw. ) dar und besteht somit ein besonderes öffentliches Interesse an der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen.

 

4.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte bei Ungehorsamsdelikten nach dem Arbeitszeitgesetz - zu diesen sind auch die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen zu zählen -, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war (vgl. VwGH vom 29.1.2004, Zl. 2003/11/0289). Er hat demnach initiativ alles was für seine Entlastung spricht darzulegen und unter Beweis zu stellen, um der Behörde eine Beurteilung zu ermöglichen, ob sein Vorbringen geeignet ist, im Sinne seiner Richtigkeit eine Schuldlosigkeit zu erweisen.

 

Was die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften anlangt, so hat der Arbeitgeber (das Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG) ein dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicher zu stellen, wozu es etwa gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, dass sie keinen Anreiz für die Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen von ihm im Einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden.

 

Die bloße Information von Lenkern über die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes reicht nicht für die Einrichtung eines derartigen wirksamen Kontroll- und Sanktionssystem aus. So wurde vom Bw nicht im Einzelnen dargelegt, wie bis zur konkreten Übertretung sein Kontrollsystem aufgebaut war  und funktioniert hat. Nur die Aussage, dass nahezu alles unternommen werde bzw nunmehr Herr Gratz zum verantwortlichen Beauftragten bestellt zu haben, ohne dabei dessen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich klar zu definieren, reicht für eine Schuldbefreiung bzw -entlastung allein nicht aus.

 

Im Sinn der zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat daher die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen grundsätzlich in gesetzmäßiger Weise Gebrauch gemacht und konnte eine Ermessensüberschreitung generell nicht festgestellt werden und wären daher die verhängten Geldstrafen vor allem angesichts der massiven Verstöße gegen das AZG nicht als überhöht anzusehen.

 

Unbeschadet dessen waren aber auch die persönlichen Verhältnisse des Bw zu berücksichtigen. Die belangte Behörde ging bei ihrer Strafbemessung im angefochtenen Straferkenntnis mangels Vorliegen konkreter Angaben von einer Schätzung der persönlichen Verhältnisse, und zwar von einem monatlichen Nettoeinkommen von 3.000 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten, aus. Im Zuge der Berufungserhebung wurden die persönlichen Verhältnisse vom  Bw dahingehend glaubwürdig revidiert, als sich das  monatliche Nettoeinkommen auf 2.500 Euro belaufe, ihn nicht unerhebliche Rückzahlungs­verpflichtungen treffen und der Bw sorgepflichtig für zwei minderjährige Kinder sei.

 

Zumal Verwaltungsstrafen nicht dazu führen sollen, dass Sorgepflichten beeinträchtigt werden könnten, erscheint es nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates vertretbar und geboten unter Berücksichtigung dieses Umstandes, die verhängten Geldstrafen in der Höhe von jeweils 500 Euro entsprechend herabzusetzen. Hingegen waren die vom Bw angeführten Rückzahlungsverpflichtungen nicht geeignet, eine weitere Herabsetzung der verhängten Geldstrafen zu bewirken.

 

Die nunmehr festgesetzten Geldstrafen erscheinen noch ausreichend, um den Bw künftighin wiederum zur Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu bewegen. Darüber hinaus wäre bei einer nochmaligen Tatbegehung aber mit  empfindlich höheren Strafen zu rechnen.

 

Auch wenn der Bw laut eigenen Angaben derzeit in finanziell eingeschränkten Verhältnissen lebt, muss ihm die Bezahlung der nunmehr verhängten Geldstrafen, allenfalls im Ratenwege, der von der Strafbehörde über begründeten Antrag bewilligt werden kann, zugemutet werden.

 

Von der Anwendung der §§ 20 bzw 21 Abs.1 VStG war abzusehen, zumal die hiefür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen sind.  

 

4.4. Die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen waren entsprechend herabzusetzen (§ 16 VStG).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 Zu II:

Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr.  Wimmer

 

 

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