Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-300716/2/BMa/CR

Linz, 23.09.2006

 

 

 

 

                                             E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der T P, vertreten durch G L T & Partner, Rechtsanwälte in, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 17. Jänner 2005, Pol-462/05, wegen Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                  Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

 

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz  1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002

 

zu II.: § 66 VStG

 

                                                                          

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 17. Jänner 2006, Pol-462/05, wurde die Berufungswerberin wie folgt ermahnt:

 "Sie haben es als Hundebesitzerin zu vertreten, dass Sie der Aufsichtspflicht über Ihren Hund (Rehpinscher), am 15.10.2005 nicht nachkommen sind, sodass dieser von S P (geb. am 13.11.1993) am 15.10.2005 gegen 17.45 Uhr in 4400 Steyr auf den öffentlichen Spielplatz in 4400 Steyr, Sebekstraße (nächst dem Haus Nr. 56), mitgenommen wurde, obwohl die Mitnahme von Hunden in öffentliche Kinder- und Jugendspielplätze verboten ist.

Die Mitnahme oa. Hundes auf oa. Kinderspielplatz stellt eine Übertretung der Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr betreffend den Leinenzwang für verschiedene Stadtgebiete dar.

Sie haben somit einem anderen vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert. Dies stellt eine Übertretung des Verwaltungsstrafgesetzes dar.

Sie haben folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 7 VStG i.V.m. §§ 1 und 4 der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr betreffend den Leinenzwang für verschiedene Stadtgebiete und § 10 Abs.2 lit. b)

Polizeistrafgesetz, LGBl. 36/1979 i.d.g.F.

Es wird jedoch von der Verhängung einer Strafe abgesehen und Ihnen eine Ermahnung erteilt."

 

Begründend wurde ausgeführt, die vorgeworfene Verwaltungsübertretung sei aufgrund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr vom 2. November 2005 als erwiesen anzusehen. Von der Verhängung einer Geldstrafe sei jedoch wegen der Erstmaligkeit der Übertretung, der angespannten finanziellen Lage der Berufungswerberin sowie deren völliger verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit abgesehen worden.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der der Berufungswerberin am 20. Jänner 2006 zu Handen ihres Vertreters zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende – rechtzeitig eingebrachte (Datum des Poststempels: 30. Jänner 2006) – Berufung.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, es sei zwar richtig, dass die Berufungswerberin den Rehpinscher ihrer Tochter überlassen habe, daraus könne aber nicht auf eine Begehung einer Verwaltungsstraftat geschlossen werden. Die Berufungswerberin habe ihre Tochter vor Übergabe des Hundes ausdrücklich auf die bestehende Leinenpflicht hingewiesen und auch dafür Sorge getragen, dass der Hund bei Verlassen des Hauses angeleint gewesen sei. Des Weiteren habe die Berufungswerberin ihrer Tochter auch ausdrücklich verboten, mit dem Hund den nahe gelegenen Spielplatz aufzusuchen. Grundsätzlich hab sich die Tochter der Berufungswerberin bisher immer an die Anweisungen gehalten und den Hund im Freien an der Leine geführt. Der Spielplatz sei mit dem Hund nicht aufgesucht worden. Für die Berufungswerberin hätten sich am 15. Oktober 2005 keine Anzeichen ergeben, dass ihre Tochter ihre Weisungen missachten würde. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes könne auch Minderjährigen ein Hund anvertraut werden, sofern der Minderjährige den Hund beherrschen könne. In diesem Fall könne wohl kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Elfjährige körperlich in der Lage sei, einen Rehpinscher zu beherrschen. Durch die Übergabe des Hundes an die Tochter habe die Berufungswerberin daher keine Rechtsvorschriften verletzt, sondern im Gegenteil für eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Beaufsichtigung des Hundes gesorgt.

Der Berufungswerberin könne auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass ihre Tochter entgegen dem ausdrücklichen Verbot den Kinderspielplatz aufgesucht habe. Dies sei für die Berufungswerberin weder vorhersehbar noch nahe liegend gewesen. In der Übergabe des Hundes an die Tochter könne keine verbotswidrige Handlung erblickt werden, fehle doch schon das für die Strafbarkeit notwendige Tatbestandselement des Verschuldens.

Entgegen der Darstellung der Behörde habe die Berufungswerberin keineswegs danach getrachtet, durch die Überlassung des Hundes ihrer Tochter die Begehung einer Verwaltungsstraftat zu ermöglichen.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war keine mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 51e Abs. 2 Z 1 VStG).

Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (§ 51c VStG).

 

3.1. Aufgrund der Aktenlage geht der Oö. Verwaltungssenat von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Die zum Tatzeitpunkt elfjährige I P hat am 15. Oktober 2005 gegen 17.45 Uhr den Rehpinscher der Berufungswerberin auf den öffentlichen Spielplatz in 4400 Steyr, Sebekstraße, nächst dem Haus Nr. 56, mitgenommen.

Gegen 17.45 Uhr wurde die mj. B F am Spielplatz vom Hund der Berufungswerberin gebissen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Berufungswerberin ihrer Tochter durch das Anvertrauen des Rehpinschers, um diesen ins Freie zu führen, vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert hat.

 

3.2 Aus der Tatsache, dass B F auf dem fraglichen Spielplatz vom Hund der Berufungswerberin gebissen wurde, kann zweifelsfrei angenommen werden, dass I P mit dem Hund der Berufungswerberin auf dem Spielplatz war.

Es ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es die Berufungswerberin für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, dass ihre Tochter den Rehpinscher auf den Spielplatz mitnimmt. Im gesamten Akt befinden sich keine Aussagen, aus denen auf vorsätzliches Handeln durch T P bei Überlassen des Hundes an ihre Tochter geschlossen werden könnte.

 

3.3. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr, mit der die Mitnahme von Hunden auf bestimmten Plätzen sowie ein Leinenzwang für verschiedene Stadtgebiete von Steyr erlassen wird, lautet:

Die Mitnahme von Hunden in öffentliche Kinder- und Jugendspielplätze, Spiel- und Liegewiesen, Badebecken und Winterspielplätze ist verboten.

 

§ 4 dieser Verordnung lautet: Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung bilden eine Verwaltungsübertretung und werden gem. § 10 Abs. 2 lit. b) des Oö. Polizeistrafgesetzes durch den Bürgermeister mit Geldstrafen bis zu EUR 1.450,00 geahndet.

 

Nach § 10 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz sind Verstöße gegen die auf Grund des

§ 4 erlassenen Verordnungen und Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 5 und 6 von der Bezirkshauptmannschaft, in den Städten mit eigenem Statut vom Bürgermeister, bei Übertretungen nach

a) § 4 mit Geldstrafe bis 360 Euro,

b) § 5 mit Geldstrafe bis 1.450 Euro,

c) § 6 mit Geldstrafe bis 3.600 Euro,

zu bestrafen.

 

Gemäß § 7 VStG unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe derjenige, der vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

 

Wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, handelt vorsätzlich (§ 5 Abs. 1 VStG).

Je nach Intensität und Akzentuierung des Wollens sind drei Stärkegrade des Vorsatzes zu unterscheiden: Absichtlichkeit, Wissentlichkeit und bedingter Vorsatz. Bedingter Vorsatz bedeutet, dass der Täter den tatbildmäßigen Erfolg nicht bezweckt, den Eintritt auch nicht als gewiss voraussetzt, ihn aber für möglich hält und sich damit abfindet. Entscheidend ist, dass der Täter die das Tatbild verwirklichende Sachverhaltsgestaltung positiv bewertet hat, bloße Gleichgültigkeit genügt nicht. Der Täter muss sich also mit den Möglichkeiten, die aus seinem Verhalten entstehen können, emotional auseinander gesetzt und ihre Verwirklichung bejaht haben (VwGH 20. Juni 1990, 89/01/0068). Für die Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung, für die kein besonderer Vorsatz gefordert wird, genügt dolus eventualis (VwGH vom 25. September 1995, 95/10/0076).

 

3.3.1. Wie sich aus obigen Feststellungen ergibt, kann nicht davon ausgegangen werden, die Berufungswerberin habe ihrer 11-jährigen Tochter den Rehpinscher mit dem bedingten Vorsatz überlassen, diese werde den Hund auf den Spielplatz mit- nehmen.

Damit kann sie aber auch nicht wegen vorsätzlicher Begehung bestraft werden. Während der gesamten Verfolgungsverjährungsfrist ( §31 VStG) wurde der Berufungswerberin, wie im Bescheid vom 17. Jänner 2006, Vorsatz vorgeworfen.

 

Weil die Berufungswerberin die ihr vorgeworfene Tat nicht begangen hat, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist kein anderer adäquater Tatvorwurf durch die belangte Behörde erfolgt war und ein solcher vom Unabhängigen Verwaltungssenat wegen Zeitablaufes auch nicht mehr nachgeholt werden kann, war das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und der Bescheid der belangten Behörde aufzuheben.

Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Berufungswerberin hat sich dadurch erübrigt.

 

4. Bei diesem Ergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

                                                        Mag.  Bergmayr-Mann

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum