Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521380/2/Br/Ps

Linz, 22.08.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R J, geb., H, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Juli 2006, Fe-248/2006, zu Recht:

 

Der Berufung wird Folge gegeben; die als Punkt 2. ausgesprochene Einschränkung wird ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 iVm § 67d Abs.1 u. § 64 Abs.2 AVG, BGBl. I Nr. 117/2002 iVm § 3 Abs.1, § 5 Abs.5, § 8 Abs.3 Z2 FSG idF BGBl. I Nr. 36/2006 iVm § 11 Abs.1 FSG-GV, BGBl. II Nr. 322/1997 idF BGBl. II Nr. 64/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid wurde dem Berufungswerber die ihm unter AZ: von der Behörde erster Instanz für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung, gestützt auf § 3 Abs.1 Z3, § 5 Abs.5 und § 24 Abs.1 Z3 iVm § 3 Abs.1 Z2 bis Z4 – ohne eines entsprechenden Hinweises aber wohl in Anlehnung an die amtsärztliche gutachterliche Empfehlung – unter Auflagen verlängert. Neben der unangefochten bleibenden Auflage zum Tragen einer Brille, sollte er erstmals am 3.5.2007 und folglich auf Dauer, einen Facharztbefund für innere Medizin + HbA1c einmal pro Jahr der Behörde erster Instanz im Original, vorlegen.

 

2. Gegen diese Auflage wendet sich der Berufungswerber unter Hinweis auf den Inhalt der fachärztlichen Stellungnahme, worin er die uneingeschränkte Eignung für die Gruppe 1 erblickt.

 

2.1. Mit diesem Hinweis ist der Berufungswerber im Recht.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier mit Blick auf § 67d Abs.1 und 4 AVG unterbleiben.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Daraus ergibt sich aus den Gutachten der entscheidungswesentliche Sachverhalt in schlüssiger Weise.

 

4. Die Sachverhaltslage:

Zuletzt war dem Berufungswerber, dem offenbar laut Aktenlage bereits seit 1999 die Lenkberechtigung wegen Diabetes nur befristet erteilt war, auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens die gesundheitliche Einung bescheinigt, wobei eine Befristung in der Dauer von fünf Jahren [bis zum 22.8.2008] ausgesprochen und die Auflage zur Beibringung einer fachärztlichen Kontrolluntersuchung wegen Diabetes mellitus nach 2 1/2 Jahren (und in fünf Jahren) auferlegt wurde. Dieser Untersuchung bzw. Vorlagepflicht kam der Berufungswerber offenbar wegen eines Krankenhausaufenthaltes nicht fristgerecht nach, sodass er diesbezüglich per Aufforderungsbescheid vom 8.3.2006 zur amtsärztlichen Untersuchung verhalten wurde. Im (Um-)Weg der amtsärztlichen Untersuchung wurde dann ein nachstehend zitiertes internistisches Gutachten des Dr. J K, Facharzt für Innere Medizin, L, H, vorgelegt:

 

"Anamnese:

Z.n. Harnblasenentfernung mit lleumneoblasenanlage 1106 wegen Blasencarzinom , anschließend 3 Zyklen adjuvante Chemotherapie ‑ abgeschlossen

Keine wesentliche Blasenfunktionsstörungen

 

Seit über 10 Jahren sei ein erhöhter Nüchternblutzuckerspiegel bekannt, bisher keine medikamentöse Therapie nötig, das Hba1c hat sich in den letzten 4 Jahren nicht geändert ( 3‑2002 : 6,4%, 1‑06 6,5%), die selbst gemessenen NBZ Siegel bewegen sich zwischen 115 und 138 mg%, (perioperativ 1/06 max 1malig156mg%).Der RR wird selbst gemessen, Werte um 125/75mmHg zumeist. Cardiopulmonal völlig beschwerdefrei, noch etwas allgemein geschwächt nach erst rezent beendeter Chemotherapie. Keine Synkopenanamnese, kein Vertigo, keine Psoriasiskäsionen mehr (am Ellbogen abgeheilt), Augenkontrolle vor 1 Jahr

 

Status:

Normaler AZ und EZ

RR: 145/70mmHg

Cor: rhythmisch, normofrequent, Herztöne rein, kein pathologisches Geräusch

Pulmo:             mäßig hypersonorer Klopfschall, Lungenbasen atemverschieblich, Vesikuläratmen

Abdomen:        im Thoraxninveau, weich, keine Abwehrspannung, normale Peristaltik, kein

                         Druckschmerz, keine Resistenz, NL frei , blande mediane UB Lap Narbe

Untere Extremitäten: keine Odeme, Sensibilität oB, PSR seitengleich lebhaft, ASR bds

mittellebhaft, normales Vibrations und Tastempfinden(Mikrofil‑Test)

 

Derzeitige Therapie: Vitamintabletten

 

Diagnosen:

 

Diabetes mellitus II ‑ völlig stabil ohne medikamentöse Therapie, ohne Hinweis auf diabetische Sekundärschäden

Z.n. Harnblaenentfemung mit Anlage einer Ileumneoblase 1106‑ 3 Zyklen Chemotherapie

 

Zusammenfassung:

 

Seit Jahren bekannte erhöhte Nüchternzuckerwerte, ohne medikamentöse Therapienotwendigkeit. Der HbA1c hat sich seit 4 Jahren praktisch nicht verändert. Es besteht keine Gefahr der plötzlichen Hypoglykämie. Es bestehen keine cardiopulmonalen Beschwerden, keine synkopalen Zustände in der Anamnese. Der Blutdruck ist hierorts grenzwertig, bei Selbstmessungen aber im Normbereich, sodass auch hier keine Therapieveranlassung besteht. Von Seiten der Chemotherapie hat sich Herr J wieder gut erholt.

 

Aus interner Sicht besteht kein Einwand gegen das Lenken eines KFZ der Gruppe 1. Auf Grund der seit Jahren stabilen Blutzuckerwerte kann meines Erachtens eine Befristung der Lenkberechtigung entfallen."

 

4.1. Unter Einbeziehung der obigen fachärztlichen Stellungnahme wurden seitens des Amtsarztes bei der Behörde erster Instanz nachfolgende fachlichen Ausführungen als "Amtsärztliches Gutachten" erstattet:

 

"Diabetes mellitus II ‑ dzt. ohne Bedarf einer medikamentösen Therapie

 

Die LB v. Hrn. J war zuletzt (s. FS‑GA v. 22.08.2003) auf 5 Jahre befristet bedingt erteilt; als Auflage galt die Beibringung eines internistischen Befundes + HbA1c alle 2 1/2 Jahre.

 

Bei der ho. Untersuchung am 10.04.2006 befand sich der Pat. in einem altersentspr. zufriedenstellenden körperlich‑geistigen Gesamtzustand bei st.p. OP Harnblasen‑CA am 16.01.2006 mit kontinenzerhaltendem lleumconduit (diese Tatsache sei lt. eigener Angaben auch Grund für das Versäumen der rechtzeitigen Befundvorlegung s.o.)

 

FA f. Innere Medizin v. 25.04.2006 (auszugsweise Wiedergabe):

Diagnosen:

Diabetes mellitus II ‑ völlig stabil ohne medikamentöse Therapie, ohne Hinweis auf diabetische Sekundärschäden.

Z.n. Harnblasenentfernung mit Anlage einer Ileumneoblase 1/06 ‑ 3 Zyklen Chemotherapie.

Zusammenfassung:

Seit Jahren bekannte erhöhte Nüchternzuckerwerte, ohne medikamentöse Therapienotwendigkeit. Der HbA1c hat sich seit 4 Jahren praktisch nicht verändert. Es besteht keine Gefahr der plötzlichen Hypoglykämie.

Es bestehen keine cardiopulmonalen Beschwerden, keine synkopalen Zustände in der Anamnese. Der Blutdruck ist hierorts grenzwertig, bei Selbstmessungen aber im Normbereich, sodaß auch hier keine Therapieveranlassung besteht. Von Seiten der Chemotherapie hat sich Herr J wieder gut erholt.

Aus interner Sicht besteht kein Einwand gegen das Lenken eines KFZ der Gruppe 1. Aufgrund der seit Jahren stabilen Blutzuckerwerte kann meines Erachtens eine Befristung der Lenkberechtigung entfallen.

 

In Anlehnung an die zuvor dargelegten fachspez. Ausführungen im Zusammenhang mit Herrn J zwar diagnostizierter, jedoch dzt. keinerlei medikamentöser Therapie bedürfender Zuckerkrankheit erscheint amtsärztl.seits in gegenständl. Fall vorerst eine bis auf weiteres bedingte Eignung unter Einhaltung der oben angef. Auflage (Kontrolluntersuchung beim FA f. Innere Medizin + HbA1c einmal pro Jahr) zwecks rechtzeitiger Erfassung einer ev. eignungseinschränkenden oder gar ausschließenden Krankheitsverschlechterung vertretbar."

 

4.2. Gemäß dem hier vorliegenden Beweisergebnis geht der Unabhängige Verwaltungssenat von einer uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B aus. Wenn der Amtsarzt dennoch eine Befristung unter dem Hinweis auf "eventuelle Verschlechterungen des gesundheitlichen Zustandes" des Berufungswerbers empfohlen hat, finden sich hierfür keine wirklich nachvollziehbaren und konkretisierbaren Anhaltspunkte. Vor dieser Ausgangslage steht schließlich jeder Mensch mit der Ungewissheit seines Gesundheitsverlaufs. Für diese Einschränkungsempfehlung, an die weder die Behörde erster Instanz gebunden gewesen wäre, noch sich die Berufungsbehörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigungskompetenz gebunden erachtet, findet sich mit Blick auf das fachärztliche Gutachten keine sachliche Grundlage für die ausgesprochenen Auflagen. Als gänzlich unerfindlich erweist sich, dass nach ursprünglich nur im Abstand von 2 1/2 Jahren vorzulegen gewesenen Befund eines Facharztes für innere Medizin, ein solcher nun wieder einmal pro Jahr beigebracht werden sollte.

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

     1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

     2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

.....

(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klassen zusammenhängt. ...

     ...

     (4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

 

            Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen:

            § 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften 1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt, 2. die nötige Körpergröße besitzt, 3. ausreichend frei von Behinderungen ist und 4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt. Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs.1 oder 2 FSG vorzulegen.

 

§ 11 FSG-GV Zuckerkrankheit:

Zuckerkranken darf eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden (Abs.1 leg.cit.).

Die ihrer Art nach als fortschreitende Erkrankung anzusehenden Krankheit, ist hier als derart zum Stillstand gekommen anzusehen, dass gemäß der fachärztlichen Stellungnahme und demnach dem medizinischen Wissensstand entsprechend keine weitere Verschlechterung zu befürchten ist. Sohin muss in Wahrung des Sachlichkeitsgebotes von einer Befristung Abstand genommen werden, weil eine vorhersehbare Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht (mehr) erkennbar ist. Es ist Sache des medizinischen Sachverständigen darzutun, ob bei der betreffenden Erkrankung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Stabilisierung im besagten Sinn in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen eine solche Stabilisierung angenommen werden kann. Bei Eintritt einer Stabilisierung im besagten Sinn liegt keine fortschreitende Erkrankung gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV (mehr) vor (vgl. auch h. Erk. v. 28. Juli 2004, VwSen-520302/31/Fra/Sta).

In einem solchen Fall ist weder bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren gleichzeitige Befristung (d.h. die Versagung einer Lenkberechtigung für die Zeit nach dem angenommenen Fristende hinaus), sowie die Auflage von Kontrolluntersuchungen und Nachuntersuchungen sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. VwGH 20.4.2004, 2003/11/0315).

Das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende amtsärztliche Gutachten beantwortet die hier entscheidende Frage einer Stabilisierung iSd § 3 Abs.5 FSG-GV der beim Berufungswerber festgestellten Diabetes wohl positiv, es wird aber – aus welchen Gründen auch immer – eine weitere jährliche fachärztliche Kontrolluntersuchung empfohlen (s. Dr. Baldi, Amtsärztin, Diabetes u. Führerschein in ÖDV 2/2003, S15 ff, sowie VwGH 20.3.2001, 2000/11/0264).

 

Für eine gleichsam immer währende Einschränkung ergibt es wie oben bereits dargelegt für die Lenkberechtigung der Gruppe 1 keine sachliche und rechtliche Grundlage (vgl. auch VwGH 23.5.2003, 2002/11/0066).

Mit Blick darauf genügt angesichts des Inhaltes der fachärztlichen Stellungnahme zur Begründung des vom ärztlichen Amtssachverständigen bloß empfohlenen (und nicht inhaltlich begründet) fortgesetzten Kontrolluntersuchung und Nachuntersuchung der bloß lapidare Hinweis "zwecks rechtzeitiger Erfassung einer eventuellen eignungseinschränkenden oder gar die Eignung ausschließenden Krankheitsverschlechterung" nicht.

Der Intention des Führerscheingesetzes kann nicht zugesonnen werden, dass gleichsam ein an sich in der Bevölkerung weit verbreitetes Phänomen der sogenannten Zuckerkrankheit im Ergebnis zu einer lebenslänglichen "begleitenden Verwaltung" jedes davon betroffenen Inhabers einer Lenkberechtigung B führen müsste. Dagegen sprechen alleine schon die öffentlichen Bekenntnisse zur wirkungsorientierten, bürgernahen und dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung tragenden Staatshandeln. Nicht zuletzt sollte auch die Eigenverantwortlichkeit nicht aus dem Blickpunkt verdrängt werden, welche im Falle eines plötzlich auftretenden gesundheitlichen Eignungsmangels einen durchschnittlich vernunftbegabten Menschen in aller Regel schon aus Eigeninteresse und im Sinne der Verkehrssicherheit von einer Lenkertätigkeit abhalten.

 

Diese Auflage war demnach als rechtswidrig zu beheben.

 

5.1. Unangefochten ist die Auflage zur Verwendung einer Brille, sodass es diesbezüglich keiner weiteren Feststellungen bedarf.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr.  B l e i e r

 

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