Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550299/5/Kü/Rd/Sp

Linz, 18.10.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine
X. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über den Antrag der Bieter/Bewerbergemeinschaft L Architekt Mag. WA vertreten durch SC & P GmbH  vom 12.10.2006  auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren des S betreffend "Architektenwettbewerb BSH Gramastetten", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird insofern stattgegeben als dem S die Aussendung der Auslobungsunterlagen, die Abhaltung des Hearings am 9. November 2006 und für den Fall der bereits erfolgten Versendung von Auslobungsunterlagen die Entgegennahme von Wettbewerbs­arbeiten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 12. Dezember 2006, untersagt wird. Das Mehrbegehren auf Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens wird abgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz – Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 12.10.2006 wurde von der Bieter-/Bewerbergemeinschaft L (im Folgenden: Antragstellerin) der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Entscheidung über die Teilnehmerauswahl sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Auftraggeber (Auslober) die Fortführung des Vergabeverfahrens bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber für die Dauer von zwei Monaten nach Antragstellung, zu untersagen, gestellt. Darüber hinaus wurde die Zuerkennung der entrichteten  Pauschalgebühren beantragt.

 

Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass es sich beim gegenständlichen Vergabeverfahren um einen nicht offenen Wettbewerb mit vorheriger Bekanntmachung zur Erlangung eines Vorentwurfs für ein Alten- und Pflegeheim in Gramastetten handle. Die Wettbewerbsbekanntmachung sei im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 13.7.2006 unter der Zl. 2006/S 131-140402 erfolgt. Der Antrag richte sich gegen die am 28.9.2006 bekannt gegebene Entscheidung über die Teilnehmerauswahl, wonach die Antragstellerin nicht zur Vorlage einer Wettbewerbsarbeit eingeladen wurde. Die Entscheidung sei am 29.9.2006 bei der Antragstellerin eingelangt.

Der S sei ein auf Grundlage des Oö. SHG eingerichteter Gemeindeverband und eine Körperschaft öffentlichen Rechts, weshalb er als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des BVergG anzusehen sei.

 

Der Auftraggeber führe einen Architektenwettbewerb zur Erlangung eines Vorentwurfs für das BSH Gramastetten durch. Es handle sich um einen Realisierungswettbewerb im Oberschwellenbereich. Im Anschluss an den Wettbewerb solle ein Verhandlungsverfahren mit dem Gewinner des Wettbewerbs durchgeführt werden, mit dem Ziel, einen Dienstleistungsauftrag über die Generalplanung inklusive der Spezialplanungen sowie optional die Durchführung der örtlichen Bauaufsicht und Bauarbeitenkoordination zu vergeben.

 

Als Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer seien in der Bekanntmachung

-                     einschlägige Erfahrungen im Bereich der Planung und Realisierung von Alten- und Pflegeheimprojekten,

-                     Erfahrung mit öffentlichen Auftraggebern und öffentlichem Vergabewesen,

-                     personelle und technische Ausstattung

-                     Einsatzbereitschaft/Verfügbarkeit am Ort der Leistungserbringung

-                     architektonische Gestaltung sonstiger Projekte und Bauten, mit deren Realisierung in den Jahren 1997 bis 2005 begonnen wurde, sowie Wettbewerbsprojekte für die im selben Zeitraum ein Preis erzielt wurde,

angeführt worden.

 

Nähere Informationen zu den Auswahlkriterien habe die Teilnehmerinformation enthalten, und zwar seien die vorzulegenden Nachweise im Detail geregelt und die Auswahlkriterien näher erläutert worden. Auch sei ua. klargestellt worden, dass die Auswahlkriterien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung angeführt seien.

 

Zum erstgenannten Auswahlkriterium sei festgelegt worden, dass maximal 3 vom Bewerber geplante und tatsächlich realisierte Alten- und Pflegeheimreferenzprojekte vorzulegen seien. Laut Bewerberinformation hätten die Referenzen nach der Funktionalität, der architektonischen Gestaltung und dem Ausmaß der Über- bzw. Unterschreitung der Schätzkosten bewertet werden sollen.

Zum zweitgenannten Kriterium habe die Bewerberinformation festgelegt, dass Referenzen über durchgeführte Ausschreibungen der letzten 3 Jahre für die Ausführung von Bauwerken nach den Bestimmungen des BVergG für den OSW-Bereich vorzulegen seien, die durch Zuschlagserteilung beendet worden seien. Auch bei diesem Kriterium hätten laut Bewerberinformation nur 3 Referenzprojekte eingereicht werden sollen.

Beim dritten Kriterium hätten die im Teilnahmeantrag zu benennenden akademisch gebildeten Architekten bzw. Planer und die sonstigen Planer und Techniker berücksichtigt werden sollen.  Laut Bewerberinformation hätte sowohl die Anzahl als auch die Ausbildung berücksichtigt werden sollen, weiters die Anzahl der Mitarbeiter mit einschlägiger Erfahrung im Bereich der örtlichen Bauaufsicht.

Zum vierten Kriterium  hätte  angegeben werden sollen, von welchem Standort Mitarbeiter des Bewerbers im Fall der Beauftragung mit der örtlichen Bauaufsicht bzw. Baukoordination auf die Baustelle anreisen und die geschätzte Anreisezeit. Weiters sei klargestellt worden, dass eine kürzere geschätzte Anreisezeit höher bewertet werde als eine längere.

Beim fünften Kriterium hätten ebenfalls maximal 3 Referenzprojekte vorgelegt werden sollen.

 

Laut Bewerberinformation haben die Bewerber ihre Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nachweisen müssen. Es seien Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit festgelegt worden. Zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit habe nachgewiesen werden müssen, dass im Falle der Beauftragung mit der örtlichen Bauaufsicht an Werktagen im Zeitraum von 7 bis 18 Uhr ein mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragter Mitarbeiter innerhalb von 90 Minuten ab telefonischer Aufforderung auf der Baustelle anwesend sein könne. Laut EU-Bekanntmachung und Bewerberinformation hätten aus dem Kreis der geeigneten Bewerber 10 Teilnehmer ausgewählt werden sollen.

 

Die Antragstellerin habe einen Teilnahmeantrag gestellt und die geforderten Nachweise und ua. Referenzen vorgelegt. Die Antragstellerin verfüge über umfassende einschlägige Erfahrungen, insbesondere konnte die erfolgreiche Umsetzung von mehreren einschlägigen Projekten nachgewiesen werden und verfüge sie über eine umfassende Erfahrung im Vergaberecht und bei der Durchführung von Vergabeverfahren. Anzumerken sei,  dass die L als öffentlicher Auftraggeber laufend Vergabeverfahren durchführe und daher über besonders umfassende Erfahrungen auf diesem Gebiet verfüge. Zudem seien zu den übrigen Auswahlkriterien die erforderlichen Unterlagen vorgelegt und die Eignung nachgewiesen worden. Darüber hinaus verfüge die Antragstellerin über eine hervorragende personelle und technische Ausstattung und könne – aufgrund der örtlichen Nähe des Unternehmensstandorts zur Baustelle – die Einsatzbereitschaft/Verfügbarkeit vor Ort nachweisen.

 

Mit Schreiben vom 28.9.2006, bei der Antragstellerin eingelangt am 29.9.2006, sei ihr mitgeteilt worden, dass die Vorjury entschieden habe, sie nicht zur Vorlage einer Wettbewerbsarbeit einzuladen. Diese Entscheidung sei nicht begründet worden.

Am 3.10.2006 habe die Antragstellerin um Übersendung des Protokolls der Vorjury ersucht und sei dieses Ersuchen am 5.10.2006 urgiert worden. Nach Urgenz vom 5.10.2006 sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass eine schriftliche Erledigung derzeit vorbereitet werde und sei nach neuerlicher Urgenz der Antragstellerin am 6.10.2006 ein Auszug aus dem Protokoll der Vorjurysitzung vom 26.9.2006 per Fax übermittelt worden. Aus dem Protokoll habe sich ergeben, das die Jury nach einem individuellen Rundgang und einem gemeinsamen Rundgang jeweils darüber abgestimmt habe, welche Einreichung für geeignet gehalten werde, zum Wettbewerb eingeladen zu werden. Nach diesem Bewertungsdurchgang seien 11 Einreichungen im Bewerb verblieben. Laut Bewerberinformation hätten 10 Teilnehmer ausgewählt werden sollen. Es sei aber durch die Jury, wiederum im Wege der Abstimmung, noch ein 12. Teilnehmer ausgewählt worden.

 

Aus dem Juryprotokoll habe sich ergeben, dass sich die Vorjury nicht mit den Auswahlkriterien auseinander gesetzt habe. Es sei keine Prüfung und Bewertung der Bewerbungen auf Grundlage der 5 in der Reihenfolge ihrer Bedeutung angeführten Auswahlkriterien, sondern offenbar nur eine allgemeine Einschätzung der 30 Bewerber auf Grundlage der Rundgänge (bei denen vermutlich die Referenzblätter besichtigt wurden) erfolgt. Dem Protokoll sei keine Bezugnahme auf die oben dargestellten Auswahlkriterien und auf die Ergebnisse der Prüfung der Bewerbungen zu entnehmen.

 

Zum Interesse am Vertragsabschluss und zum drohenden Schaden bringt die Antragstellerin weiters vor, dass sie durch Abgabe eines Teilnahmeantrages ihr Interesse an der Teilnahme am Architektenwettbewerb sowie am Abschluss des vorgesehenen Generalplanerauftrages sowie des Auftrages betreffend die örtliche Bauaufsicht bekundet habe.

Der Antragstellerin drohe für den Fall, dass sie nicht zum weiteren Wettbewerb zugelassen werde, der Verlust der Chance auf einen Preis im Rahmen des Wettbewerbs, ein Schaden infolge frustrierter Kosten und entgangenem Gewinn sowie der Entgang eines wichtigen Referenzauftrages.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Wettbewerbes, insbesondere in ihrem Recht auf eine rechtmäßige Auswahl unter den Teilnahmeanträgen, auf Zulassung zum Wettbewerb, auf Gleichbehandlung der Bewerber sowie auf gesetzmäßige Durchführung des Auswahlverfahrens unter Einhaltung der Grundsätze des fairen Wettbewerbs und der Transparenz verletzt.

 

Zur Rechtswidrigkeit führt die Antragstellerin aus, dass im nicht offenen Wettbewerb im Vorhinein eindeutige und nicht diskriminierende Auswahlkriterien festzulegen seien. Bewerbern, die aufgrund der Bekanntmachung rechtzeitig einen Teilnahmeantrag gestellt haben, und die als befugt, leistungsfähig und zuverlässig  anzusehen sind, sei Gelegenheit zur Beteiligung am Wettbewerb zu geben. Langen mehr Teilnahmeanträge ein, als die vom Auslober festgelegte Anzahl der einzuladenden Teilnehmer, so habe der Auslober die besten Bewerber anhand der Auswahlkriterien auszuwählen. Die maßgeblichen Gründe für die Auswahl seien in nachvollziehbarer Form festzuhalten. Der Auslober habe alle Bewerber von dieser Entscheidung unverzüglich zu verständigen. Auf Verlangen seien den nicht zur Teilnahme am Wettbewerb eingelangten Bewerbern die Gründe der Nichtzulassung bekannt zu geben.

Die Auswahl der Teilnehmer habe gemäß § 154 BVergG durch den Auslober zu erfolgen. Wenn der Auftraggeber mitgeteilt habe, dass die Vorjury entschieden habe, die Antragstellerin nicht zur Vorlage einer Wettbewerbsarbeit einzuladen, so widerspreche dies der gesetzlich vorgesehenen Vorgangsweise. Die Entscheidung über die Teilnehmerauswahl sei nicht durch eine Jury oder eine Vorjury zu treffen, sondern durch den Auslober.

Der Auslober sei bei der Auswahl der Teilnehmer strikt an die in der Bekanntmachung festgelegten Auswahlkriterien gebunden. Es habe daher der Auftraggeber die oben dargestellten Kriterien unter Beachtung der ihnen in der Bekanntmachung zuerkannten Rangordnung anzuwenden.

Das vorgelegte Vorjuryprotokoll zeige, dass diese Auswahlkriterien nicht angewendet und insbesondere auch deren festgelegte Bedeutung von der entscheidenden Jury nicht berücksichtigt worden seien. Dass sich die Vorjury  offenbar nicht an die Auswahlkriterien und die festgelegte Ordnung der Kriterien gebunden erachtet habe, zeige sich allein an der Diskussion darüber, wie viele Teilnehmer ausgewählt werden sollen und ob junge Bewerber forciert werden sollten oder ob besondere Erfahrungen im Altenheimbau entsprechend gewichtet werden sollen.  Aufgrund der eindeutigen  Vorgabe in der Bekanntmachung und der Bewerberinformation könne kein Zweifel daran bestehen, dass bei rechtmäßiger Teilnehmerauswahl die einschlägigen Erfahrungen das wichtigste Auswahlkriterium darstellen müsse. Innovatives Potential sei nicht als Kriterium vorgesehen gewesen, nicht einmal als nachrangiges.

 

Die Niederschrift der Jurysitzung vom 26.9.2006 habe weder die für die Beurteilung  der Teilnahmeanträge wesentlichen Umstände noch die Gründe für die Auswahl der Teilnehmer enthalten. Diese beschränke sich auf eine allgemeine Darstellung von Stimmenverhältnisse, ohne verbale Begründung und ohne Bezugnahme auf die Auswahlkriterien. Diese Vorgehensweise sei vergaberechtswidrig und belaste die Teilnehmerauswahl mit Rechtswidrigkeit. Die Antragstellerin könne aufgrund der vorlegten Nachweise, der Referenzen und aufgrund ihrer Branchenkenntnisse davon ausgehen, dass sie zu den am besten geeigneten Bewerbern zählen müsse.

Dass die Vorgehensweise des Auslobers bzw. der ihr zuzurechnenden Vorjury vergaberechtswidrig sei, ergebe sich auch aus der einschlägigen Judikatur des Oö. Verwaltungssenates. Dem Protokoll aus dem gegenständlichen Wettbewerb fehle es an der  notwendigen Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit und an einer inhaltlichen Begründung der Bewerberauswahl und der Nichtzulassung der Antragstellerin. Die Einsetzung einer Jury enthebe den Auslober nicht seiner Verpflichtung zur Prüfung des Teilnahmeantrages unter Anwendung der festgelegten Auswahlkriterien und zur inhaltlichen und nachvollziehbaren Begründung der Entscheidung.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung legt die Antragstellerin weiters dar, dass dieser keine aufschiebende Wirkung zukomme und daher das anhängige Nachprüfungsverfahren den Auftraggeber nicht daran hindere, den Wettbewerb fortzusetzen und insbesondere eine Entscheidung des Preisgerichtes herbeizuführen. Die Antragstellerin hätte damit keine Möglichkeit mehr, im Falle des Obsiegens eine Wettbewerbsarbeit einzureichen und mit ihrem Wettbewerbsprojekt den Sieg im Wettbewerb zu erlangen, verbunden mit der Chance auf den nachfolgenden Dienstleistungsauftrag. Das Interesse der Antragstellerin könne  nur gewahrt werden, wenn durch einstweilige Verfügung sichergestellt sei, dass während des Nachprüfungsverfahrens der Wettbewerb nicht fortgeführt werde, sodass sie beim Obsiegen im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren am Wettbewerb teilnehmen könne. Wenn der Wettbewerb weitergeführt werde, würde die Entscheidung der Nachprüfungsbehörde ins Leere gehen.

 

Wenn die Antragstellerin nicht zum weiteren Verfahren zugelassen werde, drohe ihr ein unwiederbringlicher Schaden. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen zum drohenden Schaden und zum Interesse am Vertragsabschluss verwiesen.

 

Der Erlassung der einstweiligen Verfügung könne kein öffentliches Interesse von erheblicher Bedeutung entgegenstehen. Es handle sich beim gegenständlichen Projekt nicht um ein vordringliches Vorhaben. Jedenfalls wäre bei einer Interessensabwägung zu berücksichtigen, dass eine allfällige besondere Dringlichkeit durch den Auftraggeber selbst verursacht worden sei, indem er mit der Einleitung des Vergabeverfahrens  lange zugewartet habe.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat den S als Auftraggeber am Nachprüfungsverfahren beteiligt. In der Stellungnahme vom 16.10.2006 beantragt der Auftraggeber die Zurück- in eventu die Abweisung des Antrages  auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in eventu an Stelle der beantragten überschießenden Maßnahme lediglich die Abhaltung eines Hearings und die Entgegennahme und Öffnung der Wettbewerbsarbeiten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den vorliegenden Nachprüfungsantrag, längstens aber bis zwei Monate ab Erlassung der einstweiligen Verfügung, zu untersagen, in eventu die einstweilige Verfügung auf eine sonstige notwendige noch zum Sicherungsziel führende Maßnahme zu beschränken, die zu einer geringeren Verzögerung des Vergabeverfahrens führt, als die von der Antragstellerin beantragte Maßnahme.

Begründend hiezu bringt der Auftraggeber vor, dass die Antragstellerin die maximale Maßnahme, nämlich die komplette Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens beantragt habe. Eine derart weitgehende Maßnahme würde auch Aktivitäten des Auftraggebers, die mit einer Gefährdung der Rechtsposition der Antragstellerin nichts zu tun habe, wie etwa die Konstituierung bzw. Abstimmung der Vorgehensweise der Jury etc behindern. Diese Überlegungen würden zeigen, dass die begehrte Maßnahme wesentlich zu weit sei und daher nicht zugesprochen werden könne. Nach der Judikatur sei eine einstweilige Verfügung nämlich auf die notwendigen, noch zum Sicherungsziel führenden Maßnahmen zu beschränken. Sind aber keine Gründe erkennbar, warum dem Auftraggeber jedes weitere Tätigwerden im vorliegenden Vergabeverfahren untersagt werden solle, sei die beantragte Aussetzung des gesamten Verfahrens abzuweisen und nur eine entsprechende geeignete Maßnahme aufzutragen, weil auch zu beachten sei, dass die Verzögerung des Vergabeverfahrens durch das Nachprüfungsverfahren so gering wie möglich ausfallen müsse. Besondere Gründe, weshalb gerade diese Maximalmaßnahme erforderlich sei, wurden von der Antragstellerin  nicht dargetan. Dies, obwohl zahlreiche weniger einschneidende Maßnahmen auf der Hand gelegen wären, wie zB. die Untersagung der Entgegennahme bzw. Öffnung von Wettbewerbsarbeiten oder aber auch die Aussendung der Auslobungsunterlagen. Zu letzterer Maßnahme sei allerdings auszuführen, dass auch diese Maßnahme unverhältnismäßig sei, solange die Frist zur Vorlage von Wettbewerbsarbeiten nicht so knapp bemessen sei, dass der Antragstellerin keine ausreichende Frist zur Erstellung von Wettbewerbsarbeiten mehr verbleiben würde.

Dazu sei anzuführen, dass nach derzeitiger Terminplanung erst am 9.11.2006 ein Hearing am Bauplatz geplant wäre und die Abgabe der Wettbewerbsarbeiten überhaupt erst am 12.1.2007 vorgesehen wäre. In diesem Lichte verbliebe auch der Antragstellerin bei Durchdringen mit dem Hauptbegehren eine ausreichende Zeit zur Erstellung einer Wettbewerbsarbeit, sodass im vorliegenden Fall allein die Untersagung der Abhaltung des Hearings bzw. der Entgegennahme und Öffnung der Wettbewerbsarbeiten als gelindestes Mittel zur Sicherung der Rechtsschutzinteressen der Antragstellerin anzusehen sei.

 

Demgegenüber habe eine Verzögerung des Wettbewerbsverfahrens gravierende nachteilige Auswirkungen nicht nur für den Auftraggeber und dessen Zielsetzung, sondern vor allem auch auf das öffentliche Interesse an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens. Schließlich gehe es bei dem gegenständlichen Vorhaben um den Aus- bzw. Neubau eines Senioren- und Pflegeheims. Die aktuelle Knappheit an derartigen Heimplätzen in Oberösterreich und die sich daraus ergebenden meist unzumutbar langen Wartezeiten für Personen, die auf einen derartigen Heimplatz angewiesen sind, können als wohl amtsbekannt vorausgesetzt werden. Gerade im Bereich des S hätte eine Verzögerung des Verfahrens aber besonders drastische Auswirkungen, zumal es derzeit 400 Heimplätze gibt, wobei der Bedarf im Jahr 2006 ca. 500 Plätze betrage, sodass schon heuer ein Überbedarf von ca. 100 Plätzen gegeben sei. Dieser Überbedarf führe zu umfangreichen Wartelisten der pflegebedürftigen Personen. Mit dem gegenständlichen Vorhaben könne die Schaffung von 96 zusätzlichen Heimplätzen diesem Problem wirkungsvoll entgegenwirken. Die Verzögerung um zwei Monate hätte daher nachteilige Auswirkungen.

Dazu komme, dass eine gravierende Verzögerung im Wettbewerbsverfahren zum jetzigen Status auch dazu führe, dass das derzeitige Beratungs- und Juryteam teilweise neu besetzt werden müsse, weil einige Mitglieder nur zeitlich beschränkt zur Verfügung stehen würden.  Eine derartige allein aufgrund einer unnötigen Verzögerung im Wettbewerbsverfahren erforderlich werdenden Neubesetzung verursache nicht nur Kosten, sondern auch eine weitere Verzögerung des Wettbewerbsverfahrens. Demgegenüber stehe es im dringlichen öffentlichen Interesse, dass raschest möglich zusätzliche Heimplätze zur Verfügung stehen, was aber konsequenterweise auch den raschest möglichen Abschluss des Wettbewerbsverfahrens erfordere.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1.  Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde durch die öffentliche Bekanntmachung im Juli 2006 eingeleitet und unterliegt daher materiellrechtlich den Vorschriften des BVergG 2006. Der S ist als durch Landesgesetz eingerichtete Selbstverwaltungskörperschaft öffentlicher Auftraggeber im Sinn des Art.14b Abs.2 Z2 lit.d B-VG  bzw. des § 1 Abs.2 Z5 Oö. VNPG. Gemäß Art. 14b Abs.3 B-VG ist in den Angelegenheiten der Nachprüfung der Vergabe von Aufträgen durch solche Auftraggeber die Gesetzgebung und Vollziehung Landessache.

Die Bestimmungen des 4. Teils (Rechtsschutz) des Bundesvergabegesetzes 2006 sind daher im gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Das Rechtsschutzverfahren unterliegt in Beachtung der RL 2004/18/EG vom 31.3.2004, der Rechtsmittelrichtlinie und des Art. 14b Abs.3 B-VG, zumal vom Landesgesetzgeber bislang keine neue Regelung getroffen wurde, weiterhin den Bestimmungen des Oö. Vergabe­nachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr. 153/2002.

 

Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet den Schwellenwert von mindestens 211.000 Euro bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen iSd. § 12 Abs.1 Z2 BVergG 2006; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw. Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich betrifft, zwei Monate nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht,
1. Auflage 2001, S. 172f).

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl.
B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

Der Oö. Verwaltungssenat verkennt nicht die prekäre Lage von dringend benötigten Heim- bzw. Betreuungsplätzen in Oberösterreich.

Da es sich bei gegenständlichen Vorhaben um die Neuerrichtung des Bezirksseniorenheims Gramastetten handelt, kann konkret nicht von einer Gefährdung von Leib und Leben gesprochen werden. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen.

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat besteht daher neben dem öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens.

Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen die Auftraggeberin eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw. diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag grundsätzlich stattzugeben.

Der Auftraggeber ist mit seinem Vorbringen im Recht, wonach die gelindeste noch zu Ziel führende vorläufige Maßnahme auszusprechen ist und daher eine gänzliche Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens, somit auch von nicht nach außen in Erscheinung tretenden Schritten des Verfahrens, eine zu weitreichende Maßnahme wäre. Aus diesem Grund waren daher nur Verfahrensschritte zu untersagen, die Auswirkungen auf das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der Teilnahme am Wettbewerb haben können. Dies betrifft nach Meinung des Oö. Verwaltungssenates auch die Versendung der Auslobungsunterlagen, da der Antragstellerin für den Fall, dass ihrem Nachprüfungsantrag stattzugeben wäre, eine gegenüber den anderen Teilnehmern am Wettbewerb kürzere Zeit zur Ausarbeitung der Unterlagen zur Verfügung stehen würde. Das Begehren der Antragstellerin auf gänzliche Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens war daher abzuweisen. Die Dauer der Untersagung ergibt sich aus § 11 Abs.5 Oö. VNPG.

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

 4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  Klempt

 

 

 

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