Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720103/3/SR/Ri

Linz, 21.08.2006

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag Stierschneider aus Anlass der Berufung des B S, derzeitiger Aufenthalt unbekannt, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. R W, M T Straße, W, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 28.10.2005, Zl. Sich40-35773, wegen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt: 

 

 

Die Berufung wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Rechtsgrundlage zum Spruchpunkt "Aufenthaltsverbot" § 86 Abs. 1 Fremden-polizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 99/2006 und zu Spruchpunkt "Durchsetzungsaufschub "§ 86 Abs. 3 FPG" lautet. Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt. 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.  Der Berufungswerber (im Folgenden: Bw), ein deutscher Staatsangehöriger wurde mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. Jänner 2005, Zl. 12Hv 4/05t, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 2. Fall StGB und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z1 und 2, 130 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, davon 16 Monate bedingt auf drei Jahre rechtskräftig verurteilt. Der Bw wurde für schuldig erkannt im Zeitraum Mai/Ende Juli 2003 mit dem Vorsatz durch das Verhalten der Täuschung sich oder einen dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Firma F Handels GmbH durch die falsche Vorgabe seiner Zahlungswilligkeit und –fähigkeit, sohin durch Täuschung über Tatsachen wiederholt zu Handlungen, nämlich zur mehrfachen Lieferung von Waren im Wert von zumindest 95.380 € verleitet, die die Rechtsnachfolge der Firma F Handels GmbH, nämlich die Firma A Immobilien GmbH und die Firma F Handel- und Service GmbH mit einem 50.000 € übersteigenden Betrag, nämlich 95.380 € schädigte, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugstaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Weiters wurde er für schuldig erkannt, im Zeitraum Mai/November 2004 gemeinsam mit einer weiteren namentlich genannten Person fremde bewegliche Sachen in einem unbekannten, 3.000 € jedoch nicht übersteigenden Wert, teils durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Einbruchsdiebstähle in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 28. Oktober 2005, Sich40-35773, wurde gegen den Bw ein Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich für die Dauer von 5 Jahren erlassen und ihm gleichzeitig ein Durchsetzungsaufschub von 1 Monat ab  Rechtskraft gewährt.

 

In der Begründung hat die Behörde erster Instanz im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bw durch sein Verhalten eindeutig dokumentiert habe, dass er an der Einhaltung der in Österreich geltenden Rechts- und Werteordnung keinerlei Interesse habe. Aus dem strafrechtlich relevanten Verhalten, dass  vollständig wiedergegeben wurde, hat die Behörde erster Instanz abgeleitet, dass der Bw vor dem von der österreichischen Rechtsordnung besonders geschütztem Gut - nämlich dem Eigentum anderer – keinerlei Respekt gezeigt habe. Besonders bemerkenswert erscheine, dass der Bw "nur" von Vermögensdelikten gesprochen habe und nach seiner Interpretation die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit nur gefährdet wäre, wenn er etwaige Delikte gegen Leib und Leben oder Suchtmitteldelikte zu verantworten gehabt hätte. Die festgestellten Gesetzesbrüche seien krimineller Natur und hätten zu der angeführten Verurteilung durch das Landesgericht Wels geführt. Die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z1 des FrG 1997 seien somit zweifellos erfüllt. Auf Grund dieser Tatsachen und deren Wertung sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Bw die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde.

 

Durch das Aufenthaltsverbot werde in familiäre Bindungen zu Österreich eingegriffen. Die Einsicht in das zentrale Melderegister habe ergeben, dass der Bw sich am 21. Juli 2005 in Vorchdorf abgemeldet hat und seither über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet verfüge. Die nach der Haftentlassung zugesagte Beschäftigung habe mit 23. Juli 2005 geendet.

 

Auf Grund des Aufenthaltes seines Kindes in Österreich, sowie seines eigenen Aufenthaltes in Österreich seit Ende 2000 müssten dem Bw gewisse familiäre Bindungen zugestanden werden. Diesen stünden jedoch massive Verurteilungen wegen zweier Verbrechen gegenüber. Hinzu komme, dass er die angekündigte Beschäftigung nach kurzer Zeit wieder aufgegeben und derzeit nicht einmal über einen Wohnsitz im Bundesgebiet verfüge. Die letztgenannten Tatsachen würden so schwer wiegen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Auf Grund der vorgenommenen Abwägung sei die Behörde erster Instanz zu dem Ergebnis gekommen, dass mit einem Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren das Auslangen gefunden werden könne.

 

Da es sich bei dem Bw um einen EWR-Bürger handle, sei ihm gemäß § 48 Abs. 3 FrG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen gewesen.  

 

2.1. Gegen diesen seinem Vertreter am 2. November 2005 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 16. November 2005 – und damit rechtzeitig – mittels FAX eingebrachte Berufung.

 

2.2. Einleitend weist der einschreitende Rechtsanwalt auf sein Vertretungsverhältnis und die erteilte Vollmacht hin. In der Folge brachte er vor, dass er letztmalig mit dem Bw am 2. September 2005 kurz telefonisch Rücksprache gehalten habe und seitdem, trotz Terminvereinbarung, eine weitere Kontaktaufnahme nicht mehr möglich gewesen wäre. Mangels Zustellbarkeit von Schriftstücken hätte eine etwaige Vollmachtsauflösung nicht wirksam zugestellt werden können. Der zum Bw gänzlich abgebrochene Kontakt hätte trotz etlichen Versuchen nicht hergestellt und auch der aktuelle Aufenthaltsort des Bw hätte nicht eruiert werden können.

 

Begründend führte der Rechtsvertreter aus, dass die Behörde erster Instanz nur auf Teile des gerichtlichen Urteilspruches abgestellt habe, jedoch inhaltlich in keinster Weise auf den vom Gericht festgestellten Sachverhalt und die ausgewiesenen Gesamtumstände betreffend der Person des Bw eingegangen sei. Unstrittig sei, dass der Bw zum Zeitpunkt der Bestellung der Kleinkraftfahrzeuge bei der Firma F zahlungsunfähig gewesen sei und u.a. deshalb den Tatbestand des Betruges verwirklicht habe. Im angefochtenen Bescheid sei jedoch gänzlich vernachlässigt worden, dass die Bestellung der Kleinkraftfahrzeuge deshalb vorgenommen worden wäre, um diese gewerblich zu vermieten und somit letztlich die Rechnungen der Firma F bezahlen zu können. Das Vermietungskonzept sei leider fehlgeschlagen. In diesem unmittelbaren Zusammenhang stünden auch die – wegen der problematischen Finanzlage – nachfolgenden Einbruchsdiebstähle. Die augenscheinlich unprofessionell ausgeführten Diebstähle hätten die Wertqualifikation von 2.000 € in Summe nicht überschritten und seien auf Grund des fehlgeschlagenen Firmenkonzepts als typische Folge-/Beschaffungs-/ Kleinkriminalität zu werten. Die Behörde erster Instanz habe in der Bescheidbegründung lediglich auf die zugegebenermaßen erhebliche Anzahl von 15 Angriffen abgestellt, jedoch nicht das Motiv bzw. das geringe Ausmaß der Schäden im Zuge dieser Vorfälle berücksichtigt. Der Bw verfüge als EU-Bürger sehr wohl über eine entsprechende Ausbildungs- und Werteordnung und sei über Jahre hinweg in Österreich einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Die Wertung, dass er keinerlei Interesse an der geltenden Rechts- und Werteordnung habe, sei daher nicht zutreffend. Ebenfalls habe es die Behörde erster Instanz unterlassen festzustellen, dass der Bw bereits am 2. Mai 2005 vorzeitig aus der JA Wels entlassen worden sei. Der unbedingte Anteil der tatsächlich verbüßten Haftstrafe sei dadurch wesentlich verkürzt worden. Abgesehen von der gerichtlichen Straffälligkeit im Mai/Juli 2003 habe sich der Bw seit dem Jahr 2000 ordnungsgemäß in Österreich verhalten und sei bis zu diesem Zeitpunkt vollständig unbescholten gewesen. Dies habe auch das Landesgericht Wels veranlasst eine gemäß § 43a StGB positive Prognose anzustellen und deshalb eine teilbedingte Verurteilung ausgesprochen. Die Behörde erster Instanz habe auch übersehen, dass der Bw einen Teilschadenersatz von 5.000 € anerkannt habe.

 

Ebenso sei die Interessensabwägung gemäß § 37 Abs.2 FrG nicht richtig und unvollständig. Die Behörde gestehe dem Bw zwar ein gewisses Maß an Integration, sowie eine gewisse familiäre Bindung zu, quantifiziere dieses Maß jedoch nicht. Das gewisse Maß an Integration und Bindung würde seitens der Behörde umgehend durch eine aktuelle fehlende Beschäftigung sowie durch einen aktuell fehlenden Wohnsitz im Inland abgewertet. Er lasse dabei die Möglichkeit unberücksichtigt, dass der Bw durchaus auch ohne Meldung faktisch seinen Wohnsitz in Österreich haben könnte. Einen beachtenswerten Arbeitswillen habe der Bw jedenfalls mit seiner aufgenommenen Beschäftigung nach der Haftentlassung am 2. Mai 2005 schlüssig dargetan. Auf Grund welcher Informationsquelle die Behörde erster Instanz zu dem Ergebnis gekommen sei, dass er ausschließlich bis 23. Juli 2005 einer Beschäftigung nachgegangen sei, bleibe unklar. Konkrete Feststellungen dazu würden gänzlich fehlen. Auf Grund der getroffenen Feststellungen sei nicht verlässlich beurteilbar, ob die öffentlichen Interessen oder die privaten und familiären Interessen überwiegen würden. Das verhängte Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren stelle u.a. im Hinblick auf das Alter des in Österreich lebenden Kindes ein vollständiges Abschneiden jeglichen Kontaktes und des regelmäßigen Besuchsrechtes dar. Der gegenständliche Bescheid greife daher eindeutig in die Rechte des Bw nach Art. 8 MRK ein. Im Hinblick auf die bedingte Strafe und die vorzeitige Haftentlassung sei die Notwendigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes von 5 Jahren nicht nachvollziehbar.

 

Abschließend wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheids, in eventu die Zurückverweisung, in eventu die verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes auf max. 1 Jahr zu reduzieren, beantragt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu Zl. Sich40-35773; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. auch   § 9 Abs.7 FPG).

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Auf Grund der Übergangsbestimmungen des § 125 Abs. 1 FPG ist das gegenständliche Verfahren auf der Grundlage des FPG 2005 weiterzuführen.

 

4.2. § 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung für EWR-Bürger. Nach Abs. 1 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige  und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. 

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.2.2001,                     Zl. 2000/18/0162 ausgeführt hat, bewirkt das Abstellen auf § 36 FrG anstelle von      § 48 Abs. 1 FrG für sich keine Verletzung subjektiver Rechte des Bw.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 durfte gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG erfüllt waren. Dabei war § 36 Abs. 2  FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. VwGH vom 13.10.2000, Zl. 2000/18/0013).

 

Gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatz 1 gilt gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 leg. cit. insbesondere, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Nach § 60 Abs. 3 leg. cit.  liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

§ 73 StGB bestimmt für den Fall, dass das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, dass ausländische Verurteilungen inländischen gleichstehen, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. VI der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen sind.

 

Würde nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 leg.cit. darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1.         Die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden und  seiner Familienangehörigen

2.         Die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

 

4.3.1. Da der Bw deutscher Staatsbürger, somit EWR-Bürger ist, war auf § 86 FPG abzustellen und zunächst zu prüfen, ob das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Die Erläuterungen zu § 86 FPG (22 GP, RV 952, 106)  verweisen auf die Art. 27
Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 Z. a der Richtlinie 2004/38/EG und die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27.10.1977, Rs 30/77 – Fall Bouchereau)

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen  rechtfertigt, ist auf die demonstrative Aufzählung des § 60 Abs. 2 FPG als  „Orientierungshilfe“ zurückzugreifen. Entgegenstehende europarechtliche Vorgaben sind dabei jedenfalls zu beachten.

 

Wie unter Punkt 1.1. ausführlich dargelegt, wurde der Bw wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 Abs. 3 und 148 2. Fall  StGB und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 2, 130 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.  

 

Würde § 63 Abs. 1 FPG unmittelbar Anwendung finden, wäre sogar die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig.

 

Die bereits im Bescheid der Behörde erster Instanz wiedergegebenen Verurteilungen werden vom Bw nicht bestritten.

 

4.3.2. Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw grundsätzlich ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände  ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloßes sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Straftaten des Bw wurden im Urteil des LG Wels vom 28. Jänner 2005 einerseits als Verbrechen eingestuft und andererseits ging das entscheidende Gericht davon aus, dass sowohl die Betrugshandlungen als auch die Einbruchsdiebstähle von der Absicht getragen waren, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Das strafrechtlich relevante Verhalten des Bw dauerte mit zeitlichen Unterbrechungen von Mai 2003 bis November 2004 an. Die nicht unerhebliche kriminelle Energie des Bw richtete sich somit über einen längeren Zeitraum gegen wesentliche Grundinteressen der Gesellschaft.

 

Entgegen der Ansicht des Rechtsvertreters ist nicht ausschließlich darauf abzustellen, dass der Bw "als EWR-Bürger eine entsprechende Ausbildung und Werteordnung für sich in Anspruch nehmen kann" sondern es sind sein gesamtes Verhalten und seine Handlungen einer entsprechenden Würdigung zu unterziehen.

 

Wie im angesprochenen Gerichtsurteil eindeutig zum Ausdruck kommt, hat der Bw nicht legale Mittel und Wege gesucht, um die finanziellen Schwierigkeiten seines Unternehmens zu beseitigen, sondern er hat den für ihn scheinbar bequemeren Weg der Sanierung gewählt, indem er in verbrecherischer Absicht schwere Betrugshandlungen gesetzt hat. Da sich trotz der betrügerischen Handlungen – der Wert der erschlichenen Sachen betrug zumindest € 95.380,-- - die finanzielle Situation nicht gebessert hatte, versuchte der Bw durch 15 weitere Verstöße gegen die Rechtsordnung (Diebstähle und Einbruchsdiebstähle) seine Finanzen in den Griff zu bekommen.

 

Dem Bw kann nicht gefolgt werden, wenn er behauptet, dass die "nachfolgenden Einbruchsdiebstähle in unmittelbaren Zusammenhang mit der problematischen Finanzlage standen und als typische Folge-/beschaffungs-/ Kleinkriminalität zu werten" seien. 

 

Auch wenn der Rechtsvertreter vorbringt, dass das strafrechtlich relevante Verhalten des Bw vom Gericht eher positiv beurteilt worden sei, da der größte Teil der Freiheitsstrafe bedingt verhängt wurde, dabei das Motiv des Bw eine entscheidende Rolle gespielt habe und in der Folge der Bw auch frühzeitig enthaftet worden sei, können damit die angeführten massiven Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung nicht einfach abgeschwächt werden, zumal der Bw rechtskräftig wegen Begehung von Verbrechen (strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen) verurteilt worden ist.    

 

Da der seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum, der teilweise im Strafvollzug verbrachte Zeiten enthält, zu kurz ist, da sich der Bw nach einer kurzen Beschäftigungsphase (in Österreich) abgemeldet hat, musste bei der Beurteilung ein allfälliges Wohlverhalten außer Betracht bleiben (vgl. etwa VwGH vom 24. Juli 2002, 99/18/0260). Angesichts des schwer wiegenden Fehlverhaltens des Bw kann zum Entscheidungszeitpunkt keine positive Prognose abgegeben werden.

 

Aus der Sicht des Oö. Verwaltungssenats kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie für die Person des Bw von einer grundsätzlich negativen Prognose im Hinblick auf das zu schützende Grundinteresse der Gesellschaft ausgeht (vgl. in diesem Sinn auch VwGH vom 7. April 2005, 2005/18/0101).

 

4.3.3. Bei der Interessensabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG  (nunmehr § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG) hat die Behörde erster Instanz den mehrjährigen Aufenthalt des Bw in Österreich, seine verschiedenen Lebensgemeinschaften, die Beziehung zu seinem Kind aus einer früheren Lebensgemeinschaft berücksichtigt. Zutreffend hat sie einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen.   

 

Wenngleich die für den Verbleib des Bw in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Durch die Vielzahl seiner Straftaten hat der Bw die für seine Integration maßgebliche soziale Komponente nachhaltig beeinträchtigt. Seine Bindungen auf Grund der einzelnen Lebensgemeinschaften weisen laut Aktenlage auf keine starke persönliche Bindung hin. Das diesbezügliche Vorbringen des Rechtsvertreters erscheint vage. Auch wenn er im Verfahren allgemein gehalten vorgebracht hat, dass trotz Auflösung der Lebensgemeinschaft mit I R eine enge Beziehung zu seiner Tochter L J R bestehe, kann aus den Gesamtumständen und der Dauer der einzelnen Lebensgemeinschaften nicht auf die behaupteten maßgeblichen sozialen Bindungen geschlossen werden. Bestätigung findet diese Annahme im Verhalten des Bf nach der Haftentlassung. Nach kurzer Beschäftigung hat sich der Bf im Bundesgebiet abgemeldet und trotz mehrmaliger Versuche konnte der Rechtsvertreter den Aufenthalt des beschäftigungslosen Bf nicht eruieren.

 

Selbst für den Fall, dass die ehemalige Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter "persönliches und familiäres Interesse" an "einer engeren Bindung" hätten,  könnte der Bf von beiden im Ausland besucht werden.  

 

Das Vorbringen des Rechtsvertreters des Bw ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, jedoch im Hinblick auf den ausführlich dargestellten Geschehensablauf nicht geeignet, ein überwiegendes Interesse des Bf zu begründen. Da im gegenständlichen Fall das strafrechtlich relevante Verhalten und die kriminelle Energie des Bw schwerer wiegen als die Auswirkungen auf seine Lebenssituation in Österreich – die sich derzeit auf Grund des mehrmonatigen unbekannten Aufenthaltes schwer einschätzen lassen – wären die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht vertretbar.  

 

4.4. Damit sind aber in der Person des Bw alle Tatbestandselemente konkret und auf den speziellen Fall abgestellt erfüllt. Es liegt wie gezeigt - außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt - eine tatsächliche und hinreichend schwere (erhebliche) Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. in diesem Sinn die zitierte Entscheidung des EuGH, sowie etwa VwGH vom 30. November 2004, 2002/18/0036).

 

Als für die Erlassung maßgeblicher Sachverhalt im Sinn des § 86 Abs. 1 letzter Satz FPG sind jedenfalls die angeführten Delikte des Bw im Zeitraum Mai bis Juli 2003 und Mai bis November 2004 anzusehen. Der Bw hatte seit Ende 2000 bis ca. Mitte 2005 in Österreich seinen Wohnsitz. Da sein Aufenthalt noch keine zehn Jahre vor dem maßgeblichen Sachverhalt betragen hat, kommt ihm das weitere Privileg des    § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG nicht zu.

 

Die Erlassung des Aufenthaltsverbots war und ist daher rechtmäßig.

  

4.5. Abstellend auf Art. 32 der Richtlinie 2004/38/EG kann der Bw nach einem entsprechend den Umständen angemessenen Zeitraum, in jedem Fall aber drei Jahre nach Vollstreckung des nach dem Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß erlassenen endgültigen Aufenthaltsverbotes einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes unter Hinweis darauf einreichen, dass eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben.

 

Ergänzend wird der Bw darauf hingewiesen, dass er gemäß § 72 FPG einen Antrag auf Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes einbringen kann. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung kann dem Fremden die Bewilligung zur Wiedereinreise auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen privaten Gründen notwendig ist und die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstehen und auch sonst kein Visumsversagungsgrund vorliegt.   

      

5. Auf Grund der obigen Ausführungen war der angefochtene Bescheid zu bestätigen und die Berufung abzuweisen.

 

  

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Mag. Stierschneider

 

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