Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105972/7/BR

Linz, 19.01.1999

VwSen-105972/7/BR Linz, am 19. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 18. August 1998, AZ. VerkR96-8244 -1998, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach der am 19. Jänner 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf 3.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 72 Stunden ermäßigt wird.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG; II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf 300 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem Straferkenntnis vom 18. August 1998, AZ. VerkR96-8244 -1998, über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 52a Z10a StVO 1960 eine Geldstrafe von 6.000 S und für den Nichteinbringungsfall 204 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 19. April 1998 um 11.02 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf der A1 in Richtung Wien gelenkt habe und dabei im Gemeindegebiet von Pucking bei km 175,350 die durch Verkehrszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 56 km/h überschritten habe.

1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung im Ergebnis auf die auf einer Lasermessung gestützte Anzeige der Autobahngendarmerie. Unter Judikaturhinweisen wurde der Verantwortung des Berufungswerber im Hinblick auf einen vorliegenden Notstand nicht gefolgt. Straferschwerend wertete die Erstbehörde die Höhe der Geschwindigkeits-überschreitung. Im Ergebnis vermeinte die Erstbehörde dazu, daß es keiner weiteren Ausführungen bedürfe, weil evident sei, daß die Unfallgefahr mit der höheren Fahrgeschwindigkeit progressiv steige. Es wurde von einem Monatseinkommen in der Höhe von 15.000 S ausgegangen.

2. In der dagegen fristgerecht durch den ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung wird im Ergebnis dargelegt, daß "urplötzlich nicht einschätzbare Unterleibsschmerzen aufgetreten seien." Diese hätten im schlimmsten Falle auch lebensbedrohend sein können. Diese Umstände wären geeignet von einem Putativnotsand auszugehen, welcher die in diesem Zustand begangene Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertigte. Ebenfalls wäre ein rechtmäßiges Alternativverhalten in dieser Situation nicht möglich gewesen, weil ein solches nur darin bestanden hätte, sich etwa neben der Leitschiene eine diesbezügliche Erleichterung zu verschaffen. Abschließend wendet der Berufungswerber noch Verfolgungsverjährung ein und rügt auch die nicht seinem Einkommen angemessene Strafhöhe. Ebenfalls wird die Einholung eines med. Gutachtens angeregt.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde insbesondere wegen des spezifischen Vorbringens und diesbezüglich unmittelbaren Würdigungsmöglichkeit erforderlich erachtet (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und durch Erörterung des Inhaltes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten im Rahmen dieser Verhandlung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit den genannten Pkw an der oben bezeichneten Örtlichkeit. Durch plötzlich auftretende und undefinierbare Bauchschmerzen habe er schließlich unbewußt das Gaspedal heftiger gedrückt und sei es so zur Geschwindigkeitsüberschreitung gekommen. Diese sei ihm erst bewußt geworden als er das Polizeifahrzeug gesehen habe. Beim Vorfallstag handelt es sich um einen Sonntag und es herrschten trockene Fahrbahnverhältnisse und geringes Verkehrsaufkommen auf der A1. Nach polizeilicher Eskortierung zum Parkplatz der Autobahnstation Ansfelden habe er sich noch vor der Amtshandlung auf die Toilette begeben. Als Grund für diese plötzlichen Schmerzen hätte sich in der Folge eine Magenverstimmung herausgestellt, welche keine ärztliche Behandlung erforderlich machte. Lediglich ein Medikament habe sich der Berufungswerber von der Apotheke beschafft. Im Rahmen der Berufungsverhandlung vermochte geklärt werden, daß ein Mangel in der Verfolgungshandlung hier offenbar nicht vorliegt. 4.2. Mit diesem Vorbringen bzw. dem im Rahmen der Berufungsverhandlung gewonnenen Beweisergebnis vermochte eine notstandsähnliche Situation nicht dargetan werden. Ebenfalls kann auch nicht vom Vorliegen eines Putativnotstandes ausgegangen werden. Es vermag auch nicht von der Logik her zu überzeugen, daß ein Kraftfahrzeuglenker in einem körperlichen Unwohlbefinden, auch wenn dies plötzlich auftritt, die Fahrgeschwindigkeit "unbewußt" erhöht. Würde eine solche Situation subjektiv tatsächlich gesundheitsbedrohlich empfunden werden, wäre es vielmehr naheliegend den Schutz in einer geringeren Fahrgeschwindigkeit bzw. in einem ehesten Anhalten - wo immer dies auch stattzufinden hätte - zu suchen und nicht fast mit 160 km/h weiterzufahren. Wie anläßlich der Berufungsverhandlung zum Ausdruck gebracht wurde, war dieser behauptete Zustand dem Berufungswerber vorerst auch noch gar nicht als das beschriebene physische Bedürfnis erkennbar gewesen. Er bezeichnete es als unerklärliche Schmerzen im Unterleib. Der behauptete Putativnotstand scheidet daher bereits in der Logik diesere Schilderung aus.

Mit einer derartigen Situation vermag daher weder ein rechtfertigender oder schuldausschließender noch ein Putativnotstand glaubhaft dargetan zu werden. Nachvollziehbar und logisch ergibt sich, daß bloß ein geringes Verkehrsaufkommen herrschte.

5. In rechtlicher Hinsicht kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die richtige rechtliche Subsumtion des Tatverhaltens unter § 52a Z10a StVO 1960 durch die Erstbehörde hingewiesen werden.

5.1. Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG 1950 kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Es muß sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. unter anderem das Erkenntnis VwGH 27. Mai 1987, 87/03/0112). Der Verwaltungssenat vermag hier nicht zu erkennen, daß auf Grund des vom Berufungswerber im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens erstatteten Vorbringens anläßlich der gegenständlichen Fahrt das Vorliegen einer Notstandssituation ins Auge hätte fassen müssen. Daher erübrigt es sich schließlich auch, einen medizinischen Sachverständigen beizuziehen, weil dieser nur die als Beweisfrage zu würdigende Symptomatik an sich einer fachlichen Beurteilung zu unterziehen hätte. Vom Vorliegen dieser Symptomatik wurde hier durchaus ausgegangen. 6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Es trifft wohl zu, daß in aller Regel das Gefährdungspotential mit der höheren Fahrgeschwindigkeit steigt. Dies muß jedoch in Beziehung zum Verkehrsgeschehen als solchen gesetzt werden. Wenn nun hier davon ausgegangen werden konnte, daß dieses bloß gering war, so blieb die nachteilige Auswirkung der Geschwindigkeitsüberschreitung wohl weit hinter dem hiefür typischen Ausmaß zurück. Dieses kann sich gleichsam bis zum bloßen Ungehorsam reduzieren und in einer bestimmten Situation tatsächlich keine nachteilige Folgen mehr nach sich ziehen. Der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) muß bei rechtsrichtiger Auslegung immer auf den konkreten Fall und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zu einer Ungleichbehandlung dadurch, indem Ungleiches durch schablonenhafte Anwendung einer Bestimmung, [immer] gleich behandelt würde [werden müßte] (vgl. h. Erk. v. 30.9.1997, VwSen-104936 u.a.). Daher kann unter diesen Gesichtspunkten unter Bedachtnahme auf die Einkommens- u. Vermögensverhältnisse des Berufungswerbers die hier verhängte Strafe mit 3.000 S als durchaus tatschuldangemessen qualifiziert werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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