Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161680/8/Br/Ps

Linz, 09.11.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des  Herrn P K, geb., R, F, vertreten durch Dr. N S, Rechtsanwalt, F, V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 7. August 2006, Zl. VerkR96-17749-2004, nach der am 18. Oktober u. 6. November 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen, zu Recht:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2,  § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.    Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretungen nach § 16 Abs.2 lit.a u. § 16 Abs.2 lit.b, sowie § 9 Abs.1 u. § 15 Abs.3 jeweils  iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO Geldstrafen von 1)  u. 2) je 72 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 48 Stunden und 3) u. 4) 58 Euro u. 21 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 36 u. 12 Stunden  verhängt und wider ihn folgende Tatvorwürfe erhoben:

"Sie haben am 23.08.2004, um 06.22 Uhr, den LKW mit dem Kennzeichen in Timelkam auf der Wienerstraße B1, Koberg, in Fahrtrichtung Vöcklabruck bis km 249,800 gelenkt und dabei folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

1)  Sie haben auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen 'Überholen

verboten, ausgenommen landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge' gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt. Sie sind mit Ihrem Fahrzeug nicht unter die Ausnahme gefallen.

2)  Sie haben vor einer unübersichtlichen. Stelle (Kurve) bei ungenügender Sicht ein

mehrspuriges Fahrzeug überholt.

3)  Sie haben die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren.

4)  Sie haben den bevorstehenden Überholvorgang nicht nach § 11 StVO 1960 über den Wechsel des Fahrstreifens rechtzeitig angezeigt."

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Gemäß § 16 Abs.2 lit.a StV0 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen ‚Überholen verboten’ gekennzeichnet sind, nicht überholen.

 

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StV0 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, z.B. vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen,  nicht überholen.

 

Gemäß § 9 Abs.1 StV0 1960 dürfen Sperrlinien (§ 55 Abs.2) nicht überfahren, Sperrflächen (§ 55 Abs.4) nicht befahren werden. Befinden sich eine Sperrlinie und eine Leitlinie nebeneinander, so hat der Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie dann zu beachten, wenn sie dem von ihm benützten Fahrstreifen näher liegt.

 

Gemäß § 15 Abs.3 StV0 1960 hat der Lenker des überholenden Fahrzeuges den bevorstehenden Überholvorgang nach § 11 über den Wechsel des Fahrstreifens und nach § 22 über die Abgabe von Warnzeichen rechtzeitig anzuzeigen.

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StV0 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726,00 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, la, lb, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Der im Spruch angeführte Sachverhalt stützt sich auf die Anzeige der Polizei Timelkam wobei die Verwaltungsübertretungen im Zuge des Verkehrsdienstes von zwei Beamten festgestellt worden sind. Die Anhaltung des von Ihnen gelenkten Kraftfahrzeuges erfolgte bei Strkm. 149,7 in Fahrtrichtung Vöcklabruck.

 

Gegen eine in dieser Angelegenheit an Sie ergangene Stralverfügung haben Sie zunächst ohne Begründung

Einspruch erhoben, sich aber am 03.11.2004, nachdem eine Aufforderung zur Rechtfertigung an Sie

ergangen ist, zu den angelasteten Verwaltungsübertretungen wie folgt gerechtfertigt:

Sie fühlten sich völlig zu Unrecht bestraft und schilderten den Sachverhalt wie folgt. Sie wären mit Ihrem Sattelkraftfahrzeug den Koberg hinunter gefahren‑ , als ein Autobus aus Richtung Timelkam in die B1 in Richtung Vöcklabruck nach links einbog. Sie hätten erstens diesen Autobus erst wahrgenommen, als er bereits von der Kreuzung losfuhr.

Weiters hätten Sie angenommen, dass dieser Autobuslenker den ‚Einbiegestreifen’, welcher an dieser Stelle für die von links einbiegenden Fahrzeuge vorhanden ist, benutzen würde. Der Buslenker habe jedoch sofort auf die rechte Fahrspur gewechselt. Da Sie bergab das Sattelkraftfahrzeug nicht zu schnell abbremsen  hätten können, versuchten Sie durch ein Ausweichmanöver nach links einen Auffahrunfall zu verhindern.

Es habe sich dabei keinesfalls um einen beabsichtigten Überholvorgang Ihrerseits gehandelt. Weiters führten Sie an, dass Sie die dort vorhandene Sperrlinie nicht überfahren hätten. Zu den  Übertretungspunkten, Sie hätten bei ungenügender Sicht und darüber hinaus an einer unübersichtlichen Stelle ein Fahrzeug überholt, brachten Sie vor, dass es sich Ihrer Meinung nach dabei nur um ‚einen’  Übertretungspunkt handeln könne. Weiters hätte es sich um ein Ausweichmanöver gehandelt, weshalb Sie auch nicht blinken hätten können.

Lediglich der Punkt 6. der Aufforderung zur Rechtfertigung bzw. der Strafverfügung wurde von Ihnen nicht  beeinsprucht.

 

In weiterer Folge wurde eine zeugenschaftliche Einvernahme mit dem Meldungsleger vorgenommen, wonach dieser angegeben hat, mit dem Polizeifahrzeug direkt hinter dem Bus gestanden zu sein, in der Absicht nach rechts in Richtung Vöcklamarkt auf die B1 einzufahren. Der Bus sei dabei zum Linksabbiegen eingereiht gewesen. Der Meldungsleger habe seinen Aussagen nach auch zu dem Zeitpunkt, wo der Bus noch in der Kreuzung gestanden ist, gute Sicht auf den Koberg gehabt. Zur Zeit als der Buslenker nach links in ,Richtung Vöcklabruck auf die B1 eingefahren ist, hätten Sie als Lkw‑Lenker noch genügend Platz gehabt, Ihren Lkw abzubremsen, da diese noch ca. 300 m vom Bus entfernt gewesen wäre. Zum Überfahren der Sperrlinie sagte der Meldungsleger aus, dass Sie bereits vor dem Überholvorgang die dort vorhandene Sperrlinie überfahren hätten. Es habe sich eindeutig um einen rechtswidrigen Überholvorgang gehandelt, weshalb die Anzeige vollinhaltlich aufrecht erhalten wurde.

 

Nachdem Ihrem Rechtsvertreter diese Zeugenaussage mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme nachweislich zugestellt wurde, haben Sie in Ihrer Stellungnahme die Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung des Zeugen und eines Kfz‑Sachverständigen gefordert, welcher in der Lage wäre, Zeitwegdiagramme zu erstellen. Ihrer Ansicht nach wäre die Durchführung eines Ortsaugenscheines notwendig, weil dadurch bewiesen werden könne, dass der Zeuge (Meldungsleger) nicht gesehen haben kann, was er behauptet gesehen zu haben. Die Beiziehung eines Kfz‑Sachverständigen wäre deshalb notwendig, um die tatsächlich vom Zeugen einsehbare Sichtstrecke festzustellen und unter Zugrundelegung der Geschwindigkeiten, der Fahrzeuge ein Zeitwegdiagramm zu erstellen, aus dem klar würde, dass Sie einen Verkehrsunfall verhindert hätten.

 

In weiterer Folge wurde vom Meldungsleger nochmals eine Skizze angefordert, welche als Grundlage für die Erstellung eines Gutachtens durch einen Amtssachverständigen der Abt. Verkehrstechnik beim Amt der OÖ. Landesregierung erforderlich war.

 

Ein entsprechendes von Ihnen gefordertes Gutachten eines Amtssachverständigen für Verkehrstechnik wurde schließlich am 28.03.2006 an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vorgelegt. Dieses Gutachten wurde Ihnen nochmals mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.04.2006 übermittelt. Dazu haben Sie keine Stellungnahme mehr abgegeben.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die im Spruch angelasteten Verwaltungsübertretungen wurden vom Meldungsleger dienstlich wahrgenommen und auch zeugenschaftlich bestätigt. Ihre Rechtfertigungsangaben, Sie wären durch das Linksabbiegen des Busses gezwungen gewesen, ein Ausweichmanöver durchzuführen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern, konnten durch das Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik widerlegt werden. Demnach war aus technischer Sicht unter Berücksichtigung der Ungenauigkeiten in Ihrem Sinne eindeutig festzustellen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit Sie das Sattelzugfahrzeug auf Grund einer üblichen Betriebsbremsung problemlos hinter dem Bus anhalten hätten können und ein Abbremsen bis zum Stillstand nicht zwingend erforderlich gewesen wäre, da der Bus beschleunigte. In Ihren Rechtfertigungsangaben haben Sie selber ausgesagt, dass Sie nicht geblinkt haben, da dies für Sie keinesfalls einen Überholvorgang dargestellt habe, sondern ein Ausweichmanöver. Sie bestritten weiters eine dort vorhandene Sperrlinie überfahren zu haben. Laut Zeugenaussage des Meldungslegers haben Sie bereits vor dem Überholvorgang die dort vorhandene Sperrlinie überfahren. Dies konnte von ihm deutlich wahrgenommen werden. Der Punkt 6. der Aufforderung zur Rechtfertigung wurde von Ihnen nicht bestritten.

 

Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

Da Sie Ihr Einkommen nicht bekannt gegeben haben, war dabei von folgender Schätzung auszugehen: ca. 1.200,‑‑ Euro monatliches Nettoeinkommen als Berufskraftfahrer. Weiters wurde von Ihnen die Sorgepflicht für ein Kind namhaft gemacht. Diese Angaben wurden bei der Strafbemessung berücksichtigt. Besondere Milderungs‑ oder Erschwerungsgründe lagen darüber hinaus nicht vor.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten begründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit folgenden Ausführungen:

"1.) Gemäß dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 7. 8.2006, zugestellt am 11. 8.2006, ist die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck davon ausgegangen, daß zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24. 4. 2006 keine Stellungnahme abgegeben worden ist. Das ist nicht richtig! In offener Frist wurde eine Stellungnahme und ein Erörterungsantrag am 8. 5. 2006 zur Post gegeben.

 

Beweis:          Stellungnahme und Erörterungsantrag vom 8.5.2006 samt     Aufgabeschein vom 8. 5.2006.

Es wird gestellt der

 

ANTRAG,

 

auf Wiederaufnahme des Verfahrens und gemäß der Stellungnahme und dem Erörterungsantrag vom 8.5.2006 die an den Amtssachverständigen zu stellenden Fragen zu richten bzw. diesen aufzufordern, gemäß den im Schriftsatz vom 8. 5. 2006 gestellten Fragen sein Gutachten zu ergänzen.

 

2.) Gemäß dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 7.8.2006, zugestellt am 11.8.2006, ist die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck davon ausgegangen, daß zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.4.2006 keine Stellungnahme abgegeben worden ist. Das ist nicht richtig! In offener Frist wurde eine Stellungnahme und ein Erörterungsantrag am 8.5.2006 zur Post gegeben.

 

Beweis:          Stellungnahme und Erörterungsantrag vom 8.5.2006 samt     Aufgabeschein vom 8.5.2006.

 

 Es wird sohin gestellt der

                                                             ANTRAG,

 

auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens‑ und gemäß der Stellungnahme und dem Erörterungsantrag vom 8.5.2006 die an den Amtssachverständigen zu stellenden Fragen zu richten bzw. diesen aufzufordern, gemäß den im Schriftsatz vom 8.5.2006 gestellten Fragen sein Gutachten zu ergänzen.

 

3.) Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 7.8.2006, Aktenzeichen VerkR96‑17749‑2004, das am 11.8.2006 zugestellt worden ist, erhebe ich in offener Frist nachstehende

 

B E R U F U N G

 

und führe diese aus wie folgt:

 

Das oben bezeichnete Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten. Als Berufungsgründe werden geltend gemacht:

 

A)          Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften:

              1) Beantragte Beweismittel nicht durchgeführt

              2) Objekte Tatseite nicht ausreichend ermittelt

 

B)          Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

             1) Spruch auf Gesetzeswortlaut beschränkt

 2) Mangelhafte Begründung

             3) Beweiswürdigung nicht begründet

 

Mir werden folgende Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt:

1.) Auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ‚Überholen verboten, ausgenommen landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge’ gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt zu haben. Ich sei mit meinem Fahrzeug nicht unter die Ausnahme gefallen.

2.)  Vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) bei ungenügender Sicht ein mehrspuriges Fahrzeug überholt zu haben.

3.)  Eine auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren zu haben.

4.) Den bevorstehenden Überholvorgang nicht nach § 11 StVO 1960 (den Wechsel des Fahrstreifens) rechtzeitig angezeigt zu haben.

 

A) Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften:

 

Unter diesem Berufungsgrund wird gerügt, daß die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

 

1) Beantragte Beweismittel nicht durchgeführt:

Mit Schriftsatz vom 8.5.2006 habe ich beantragt den Amtssachverständigen zu ersuchen sein Gutachten zu ergänzen bzw. die im Schriftsatz vom 8. 5.2006 gestellten Fragen zu beantworten.

 

Gemäß § 25 Abs. 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden Umstände. Die Behörde darf nur dann beantragte Beweismittel ablehnen, wenn der Sachverhalt so vollständig festgestellt ist, daß die Behörde sich aufgrund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgeblichen Sachverhaltselemente machen kann und sie auch dann nicht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, wenn das beantragte Beweismittel dies bestätigen würde, was der Beschuldigte unter Beweis stellt.

 

2) Objektive Tatseite nicht ausreichend ermittelt:

§ 5 Abs. 1 VStG normiert nur eine Schuldvermutung, nicht eine Vermutung, daß der Beschuldigte das ihm vorgeworfene Verhalten gesetzt hat und daß dies rechtswidrig geschehen ist. Die Begehung des angelasteten Deliktes (objektive Tatseite) hat die Behörde nachzuweisen. Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hat den maßgeblichen Sachverhalt nicht genügend ermittelt, um zu einem Schuldspruch gelangen zu können.

 

B) Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

 

1) Spruch auf Gesetzeswortlaut beschränkt:

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses bezeichnet nicht die als erwiesen angenommene Tat in deutlicher Fassung, sondern stellt bereits ihre rechtliche Würdigung dar. Es genügt nicht die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat (abgesehen von der Angabe der Tatzeit und es Tatortes) auf den Gesetzeswortlaut zu beschränken.

 

2) Mangelhafte Begründung:

Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 60 AVG hat die Verwaltungsstrafbehörde in der Begründung des Straferkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Eine Begründung, die sich hinsichtlich des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes mit der Verweisung auf den nur den Gesetzeswortlaut enthaltenen Spruch beschränkt und aus der sich infolge dessen nicht entnehmen läßt, aufgrund welcher Sachverhaltsannahmen die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz zum angefochtenen Straferkenntnis gelangte, ist unzulänglich.

 

3) Beweiswürdigung nicht begründet:

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung enthebt die Behörde nicht der Verpflichtung ihre Überlegungen entsprechend zu begründen.

 

Die Behörde kommt zur Ansicht, daß der Meldungsleger alle mir vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen erkannt habe, richtig wiedergegeben und daher im Straferkenntnis richtig dargelegt worden seien. Dem ist aber bei genauer Betrachtung der Umstände nicht so. Es darf daran erinnert werden, daß der Meldungsleger immerhin erklärt hat mein Fahrverhalten über eine Wegstrecke von 300m beobachtet zu haben, obwohl tatsächlich nur eine Sicht von ‑ wenn überhaupt –170 m gemäß den Ausführungen des Sachverständigen gegeben ist! Der Meldungsleger ist daher unglaubwürdig.

 

Weiters erinnere ich an meine Ausführungen in der Stellungnahme vom 8. 5.2006. Aus der Sicht des Meldungslegers hat sich der Sachverhaltsablauf wesentlich anders dargestellt als aus meiner Sicht. Während der Meldungsleger aus seiner Sicht vermeinte ich hätte beim Einfahren des Busses reagieren müssen, hat sich der Sachverhalt aus meiner Sicht völlig anders dargestellt, nämlich daß ich auf den einfahrenden Bus erst dann reagieren mußte, als dieser den Einbiege‑ bzw. Beschleunigungsstreifen in der Fahrbahnmitte überfahren hat und in meine (äußerst rechts gelegene) Fahrspur eingefahren ist. Während der Meldungsleger vermeint ich hätte unmittelbar nach dem Einfahren des Busses in die Fahrbahn reagieren müssen, stellte sich für mich die Frage bzw. Notwendigkeit einer Reaktion erst als der Bus nicht nur die Fahrspur in Richtung Salzburg sondern auch den Einfahr‑ bzw. Beschleunigungsstreifen in der Fahrbahnmitte überfahren hatte. Um einen Auffahrunfall zu vermeiden musste ich nach links ausweichen, also mein Fahrzeug auf den Beschleunigungsstreifen in der Mitte der Fahrbahn lenken. Den Wechsel des Fahrstreifens konnte ich nicht mehr anzeigen, weil dazu die notwendige Zeit fehlte. Es war vordringlich dem Bus auszuweichen, um einen Verkehrsunfall zu verhindern. Ein rechtzeitiges Anzeigen des Fahrspurwechsels war nicht möglich! Ich mußte auch (möglicherweise) eine Sperrlinie überfahren, um einen Verkehrsunfall zu verhindern. Es kann mir nicht vorgeworfen werden einen Verkehrsunfall in Kauf nehmen zu müssen um eine Sperrlinie nicht zu überfahren! Weil ich mir nicht aussuchen konnte, wo der Bus meinen Vorrang verletzt hat, kann mir auch nicht vorgeworfen werden in einer unübersichtlichen Kurve, bei ungenügender Sicht, dem in meine Fahrspur eingelenkten Bus nicht aufgefahren zu sein, sondern instinktiv dem Bus ausgewichen zu sein! Gleiches gilt für den Vorwurf zu Punkt 1) des Straferkenntnisses, der ident mit dem Vorwürfen zu Punkt 2) ist und deshalb nicht doppelt bestraft werden kann.

 

Ich stelle daher den

 

ANTRAG,

 

die Berufungsbehörde möge in Stattgebung meiner Berufung

 

1.)          das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, daß dieses behoben werde und bezüglich des gegen mich eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45/1 VStG die Einstellung verfügen,

             in eventu

2.)         das angefochtene Verwaltungserkenntnis beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Straferkenntnisses an die Behörde erster Instanz zurückverweisen,

             in eventu

3.)         die verhängte Strafe wesentlich herabzusetzen oder ganz nachsehen.

 

V, am 23. 8. 2006                                                                                                 P K"

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden ist der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unter Sichtung der Örtlichkeit und von Übersichtsaufnahmen des fraglichen Streckenbereiches war hier angesichts des im Ablauf strittigen Sachverhaltes in Wahrung der durch Art. 6 intendierten Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes und der zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers sowie im Rahmen der gesondert beantragten fortgesetzten Berufungsverhandlung auch der persönlichen Anhörung des Berufungswerbers als Beschuldigten.

In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurden Übersichtsaufnahmen vom Streckenverlauf angefertigt und im Rahmen der Berufungsverhandlungen ausführlich erörtert.

Der Verhandlungsleiter nahm den fraglichen Kreuzungsbereich durch eine Befahrung in der Richtung des Berufungswerbers ebenfalls in Augenschein.

Der Rechtsvertreter zog im Rahmen der ersten Berufungsverhandlung die mit dem Berufungsschriftsatz gleichzeitig gestellten Anträge auf Wiederaufnahme und Wiedereinsetzung zurück (Seite 1 des Tonbandprotokolls v. 18.10.2006). Auf die diesbezüglich wohl zu Recht erhobenen Rechtsrügen ist demnach nicht mehr einzugehen.

 

4. Zum Sachverhalt:

Aus dem beigeschafften Bildmaterial in Verbindung mit der vom Meldungsleger angefertigten Handskizze verläuft die B1 vor der Abzweigung Timelkam vom sogenannten Koberg in einer langgezogenen und in einem Gefälle verlaufenden Rechtskurve. Die Sichtweite auf bzw. in den Gegenverkehrsbereich beträgt im Annäherungsbereich zum Kreuzungstrichter "Timelkam West" geschätzte 200 bis 250 m und in der Folge geschätzte 500 m. Im genannten trichterförmigen Kreuzungsbereich findet sich in der Straßenmitte eine mit Bodenmarkierungen versehene Beschleunigungsspur für Linksabbieger in Fahrtrichtung Vöcklabruck (drei nach rechts weisende Pfeile). Diese Spur ist  in westlicher Richtung  in einer Länge von etwa 100 m bis zum Kreuzungstrichter mit drei Linksabbiegepfeilen als Linksabbiegespur in das Ortsgebiet Timelkam bestimmt und gekennzeichnet. Die in Richtung Westen führende Fahrspur ist mittels einer im Kreuzungstrichter unterbrochenen Sperrlinie vom Gegenverkehr getrennt.

Darüber hinaus besteht ab etwa Mitte des Kobergs ein Überholverbot in einer Länge von ca. einem Kilometer.

 

4.1. Der Berufungswerber lenkte den unbeladenen Lkw im Bereich des Kobergs in Richtung Vöcklabruck. Im Zuge seiner Annäherung an den Kreuzungsbereich Timelkam West bog ein aus Timelkam kommender Autobus nach links in die B1 ein. Dieser Vorgang beansprucht bis zum Erreichen von 20 km/h ca. 5,5 Sekunden. Dies auf der Basis einer vom Sachverständigen zu Grunde gelegten Beschleunigungskomponente von 1 m/sek2. Der Buslenker benützte in der Folge jedoch nicht die ihm in einer Länge von geschätzten 100 m zur Verfügung stehende "Einschleifspur" sondern setzte sich sogleich auf den rechten Fahrstreifen des "fließenden Verkehrs" (im Falle des korrekten Verhaltens des Buslenkers hätte der in Richtung Vöcklabruck fließende Verkehr auf dem rechten Fahrstreifen am Bus vorbeifahren können).

Dieser Vorgang konnte vom hinter dem Bus in einem Polizeifahrzeug befindlichen Meldungsleger beobachtet werden. Die Darstellung des Ablaufes deckt sich noch mit der Verantwortung des Berufungswerbers, wobei jedoch die Beurteilung über ein mögliches und zumutbares Abbremsen gänzlich voneinander abweicht.

Keine gesicherten Anhaltspunkte konnten im Rahmen der Berufungsverhandlung gewonnen werden, ab welchem Zeitpunkt der Berufungswerber als Lenker des Lastkraftwagens erkennen konnte, dass der Bus im Zuge des Linksabbiegens nicht die Beschleunigungsspur verwenden, sondern sogleich in die Richtungsspur Vöcklabruck umspuren würde. 

Diesbezüglich erscheinen aber die Angaben des Berufungswerbers logischer und erweisen sich demnach als glaubwürdig.

Als nicht schlüssig erweist sich in diesem Zusammenhang etwa schon der Hinweis des Meldungslegers in der Anzeige, wonach der Buslenker beim Einfahren in die B1 den Lkw noch nicht sehen hätte können. Geht man von einer Gefahrensichtweite von nur 170 m aus würde dies bedeuten, dass der Buslenker für das Durchfahren des Kreuzungstrichters über sieben Sekunden benötigen hätte müssen. Dies steht schon im Widerspruch zur Berechnung des Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren. In keiner Phase des Einbiegens musste und konnte der Berufungswerber damit rechnen, dass ihm folglich der einbiegende Bus seine Fahrspur blockieren würde. Demnach musste er wesentlich näher gewesen sein als er den Entschluss zum "Überholen" bzw. Linksvorbeifahren fasste. Unstrittig ist dabei die Fahrgeschwindigkeit von 88 km/h, welche sich wiederum durch das Gefälle gut erklären lässt. Vor dem Erkennen der Vorrangverletzung des Busses durch Umspuren in die rechte Fahrspur konnte daher der Berufungswerber weder einen Grund für ein "vorsorgliches Abbremsen" noch für die Einleitung eines Überholvorganges gehabt haben.

Geht man jedoch von der logischen Annahme aus, dass sich der Berufungswerber bis zum Umspuren des Busses, zumindest 5,5 Sekunden nach dem Anfahren vom Kreuzungstrichter, doch bereits wesentlich knapper an den Kreuzungsbereich angenähert hatte – immerhin geschah dies 24,4 m pro Sekunde – als er erkennen konnte, dass der Buslenker entgegen dem Vertrauensgrundsatz nicht den Beschleunigungsstreifen  verwenden würde, ergibt sich jedoch eine ganz andere noch verbleibende Bremsstrecke (Bremsdiagramm) als der Sachverständige mit 96 m angenommen hat, was immerhin auch noch einen Bremsverzögerungswert von 3 m/sek2 bedingt hätte.

Diese Annahmen sind jedoch nicht vom Sachverständigen, sondern im Wege der Beweiswürdigung durch die erkennende Behörde zu tätigen.

Sowohl die Angaben des  Meldungslegers als auch jene des Berufungswerbers stimmen im Ergebnis dahingehend überein, dass der Überholvorgang (Deckungshöhe) etwa im Bereich des ersten Rechtsabbiegepfeils der Beschleunigungsspur stattgefunden hat. Das Erreichen dieses Bereiches durch den Bus kann etwa zwischen 5,5 bis 7 Sekunden nach dem Wegfahren vom Kreuzungstrichter angenommen werden.

Logisch betrachtet näherte sich der Berufungswerber demnach noch mehrere Sekunden ohne eine Bremsnotwendigkeit erkennen zu können dem Kreuzungsbereich. Der hinter dem Bus befindliche Meldungsleger konnte die Annäherung des Berufungswerbers wohl wesentlich früher als der Buslenker wahrnehmen. Es  ist aber nur schwer vorstellbar, dass der Meldungsleger  die sich für den Berufungswerber ergebende Perspektive und den sich für diesen darstellenden Weg-Zeitverlauf wirklich realistisch einzuschätzen vermochte. Hat der Berufungswerber, wie er dies im Rahmen der Berufungsverhandlung nachvollziehbar darlegte und wie die obigen Ausführungen dies unterstreichen, das unerwartete Umspuren des Busses nun tatsächlich erst in wesentlich kürzerem Abstand, als dies vom Meldungsleger und später vom Sachverständigen angenommen wurde, erkannt, blieb letztlich nur ein linksseitiges Vorbeifahren (Überholmanöver) um eine drohende Kollision mit dem Bus zu verhindern. Seine diesbezügliche Angabe, "….er habe den Bus aus einer Entfernung von 80 m gesehen, als dieser im Begriff war in die Kreuzung einzufahren bzw. er schon den in Richtung Westen führenden Fahrstreifen passiert hatte. Nachdem ich zu diesem Zeitpunkt noch der Auffassung gewesen bin, dass er auf den Rechtsabbiege- bzw. Einreihungsstreifen weiterfahren würde, habe ich meine Geschwindigkeit vorerst noch nicht reduziert", ist daher nicht von der Hand zu weisen.  

Diese Darstellung lässt  sich am ehesten mit den geschilderten Wahrnehmungen und den sich daraus ergebenden Weg-Zeit-Abläufen in Einklang bringen. Da letztlich sowohl der Meldungsleger als auch der Berufungswerber das vorschriftswidrige Umspuren des Busses in einem Bereich, der erst fünf bis sieben Sekunden nach dem Wegfahren des Busses vom Kreuzungstrichter erreicht werden konnte, bestätigten und dieses Manöver vom herannahenden Berufungswerber zwangsläufig erst ab dieser Stelle erkennbar werden konnte, scheint es durchaus plausibel, dass er sich bei einer Fahrgeschwindigkeit von 88 km/h bis zu diesem Zeitpunkt bereits auf weniger als 80 m dem Kreuzungstrichter angenähert gehabt haben dürfte. Zu bemerken ist ferner, und darauf weist der Berufungswerber zu Recht hin, dass der Polizeibeamte S die Sicht auf den Kreuzungstrichter einmal mit 300 m und auf der Skizze mit nur 170 m bezeichnete (AS 36). Ferner scheint sich der Meldungsleger offenbar selbst nicht sicher zu sein, ob sich der Berufungswerber durch die Vorrangverletzung hinter dem Bus einreihen hätte können, wenn er als Zeuge anlässlich seiner Niederschrift am 11.11.2004 vor der Behörde erster Instanz diese Möglichkeit mit dem Hinweis auf eine niedrigere Fahrgeschwindigkeit relativierte.

Warum letztlich der Busfahrer nicht beanstandet wurde, ist vor diesem Hintergrund zumindest fragwürdig.

 

Würde man andererseits den Entfernungsangaben des Meldungslegers zwischen Wegfahren des Busses an der Kreuzung und dem Fahrzeug des Berufungswerbers mit 300 m folgen, würde dies bedeuten, dass der Bus bis zum ersten Rechtsabbiegepfeil (dem Deckungsbereich des Überholvorganges) zumindest dreizehn Sekunden benötigen hätte müssen ehe er dort vom Berufungswerber "überholt" wurde. Dies scheint wenig realistisch und spricht nicht für die Schlüssigkeit der Darstellung bzw. Schlussfolgerung des Meldungslegers. Wenn der Meldungsleger den "Überholbeginn" vor dem Kreuzungstrichter bezeichnete, vermag dahinter durchaus auch eine Wegstrecke von 80 m begriffen werden. Da letztlich die Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerbers mit knapp 90 km/h außer Streit steht, scheint es doch viel wahrscheinlicher hier seitens des Busfahrers von einer massiven Vorrangverletzung zu sprechen als dem Lkw-Lenker – ex ante besehen – die wahrscheinlich unfallvermeidende Abwehrreaktion als vorschriftwidriges Überholen auszulegen. 

Zu Bedenken ist nicht zuletzt auch, dass sich die Weg-Zeit-Abläufe in kurzen zeitlichen Dimensionen und relativ großen Wegstrecken nur sehr schwer abschätzen lassen.

Aus der wahrscheinlich verbleibenden Bremsstrecke von 80 m würde sich eine kontaktvermeidende Bremsverzögerung von immerhin 5,62 m/sek2 – bis auf eine Geschwindigkeit von 20 km/h (die präsumtive Fahrgeschwindigkeit des Busses etwa 5,5 Sekunden nach dem Wegfahren) – ergeben (Berechnung mit Analyzer Pro 6,0).

Wie oben schon ausgeführt, besteht Übereinstimmung in der Darstellung betreffend das Umspuren des Busses auf den rechten Fahrstreifen im Bereich des 1. Pfeils auf der Beschleunigungsspur und im Ergebnis über die Distanz zur Kreuzung des Berufungswerbers zum Zeitpunkt des Wegfahrens des Busses an dieser. Erst ab dem Erkennen des Umspurens konnte aber der Berufungswerber frühestens eine Reaktionshandlung setzen.

Geht man ferner nun davon aus, dass der Berufungswerber in kürzester Zeit die unfallvermeidende Abwehrreaktion zu setzen hatte und bereits die nun errechnete Bremsverzögerung für einen talwärtsfahrenden Lkw bereits im Bereich der Obergrenze der technisch möglichen Verzögerung liegt, scheint es zumindest problematisch die lediglich sehr eingeschränkte Einschätzungsmöglichkeit des seitlich im Fahrzeug befindlichen Meldungslegers als für einen Schuldspruch beweistauglich erachten und dem Lkw-Lenker (den Berufungswerber) in dieser Situation den unfallvermeidenden "Überholentschluss" als Verwaltungsübertretung zur Last zu legen. Es gäbe wohl keinen vernünftigen Grund, dass der Berufungswerber sich bereits vor Erkennen der unstrittigen Vorrangverletzung zu einem verbotenen Überholvorgang entschlossen hätte, obwohl er beim "vertrauensgeschützten" Verhalten des Buslenkers in seiner Fahrspur rechts am Bus vorbeifahren hätte können.

Dem Berufungswerber war daher in seiner von Anbeginn inhaltsgleichen Verantwortung zumindest im Zweifel zu folgen gewesen. Festzustellen ist, dass auf Grund der objektivierbaren Fakten seine Verantwortung mehr Realitätsanspruch in sich birgt als hier der Einschätzung des Meldungslegers über die vermeintliche Zumutbarkeit einer Bremsung zugeordnet werden kann. 

Dass in der Folge gleichzeitig auch die Sperrlinie überragt wurde und eine solche Abwehrhandlung ohne Blinken erfolgt, braucht nicht näher erörtert werden.

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Nach § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Kollision von Pflichten und Rechten dahingehend definiert, als "jemand sich oder einem anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann [oder zu retten können glaubt], dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht" (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf a.a.O. unter 1a zu § 6 VStG zitierten Entscheidungen, VwGH 11.10.1991, 91/18/0079, insb. zur Frage Geschwindigkeitsüberschreitung, Beweiswürdigung und Notstand VwGH 10.9.1999, 90/03/0123, VwGH 19.11.1964, 6496/A).

Wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls wiederholt ausgesprochen hat, gehört es zum Wesen des Notstandes und demgemäß in abgeschwächter Form auch im Fall einer notstandsähnlichen Situation, dass die Gefahr in zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (vgl. VwGH vom 5. März 1985, Zl. 84/04/0191). Das hier vorliegende Tatbild mehrerer Verwaltungsübertretungen indizierende Fahrverhalten ist demnach entschuldbar, weil dieses Verhalten aus der ex ante Sicht des Berufungswerbers beurteilt werden muss. 

Demnach war hier sein Verhalten in Abwehr eines drohenden ungleich größeren Übels begründet zu erachten.

 

6. Nach § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder

1. keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

Ein solcher die Strafbarkeit ausschließender Umstand liegt hier ob der subjektiv tatseitig erwiesen geltenden Situation einer drohenden Unfallwahrscheinlichkeit (Notstandssituation) vor (vgl. VwGH 17.2.1992, 91/19/0328 und bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 736 ff angeführte Rechtsprechung).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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