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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106058/11/BR

Linz, 17.02.1999

VwSen-106058/11/BR Linz, am 17. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, AZ. VerkR96-6161-1998, vom 30. November 1998, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 17. Februar 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber zwei Geldstrafen [1. 1.500 S und 2. 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) zwei Tagen und 2.) einem Tag] verhängt. Zur Last gelegt wurde dem Berufungswerber er habe am 30. Juni 1998 um 17.05 Uhr den PKW, Kennz. im Ortsgebiet von N vom Güterweg T kommend, nach links in die N Straße (556) gelenkt, wobei er 1. den Lenker eines Einsatzfahrzeuges durch dieses Einbiegemanöver zum unvermittelten Bremsen seines Fahrzeuges genötigt und 2. als Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug nicht Platz gemacht habe.

1.1. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf die Angaben des die Anzeige erstattenden Gendarmeriebeamten. Diesen, so die Erstbehörde, müsse zugebilligt werden das zur Anzeige gebrachte Verhalten richtig zu beurteilen. Der vor der Erstbehörde anläßlich einer Beschuldigtenvernehmung getätigten Verantwortung des Berufungswerbers folgte die Erstbehörde nicht. Bereits darin brachte der Berufungswerber zum Ausdruck, daß hinter ihm noch Herr E in diesen Straßenzug eingebogen sei. 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber inhaltlich aus die Übertretung nicht begangen zu haben, indem hinter ihm noch sein Bekannter (Herr E) in den Straßenzug einbog, welcher für dieses Verhalten nur 600 S Geldstrafe bezahlen hätte müssen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, AZ. VerkR96-6161-1998 und dessen Erörterung anläßlich der vor Ort durchgeführten Berufungsverhandlung. Als Zeugen wurden vernommen die Gendarmeriebeamten AbtInsp. M und RevInsp. M sowie J und der Berufungswerber als Beschuldigter. Die Berechnungen der Weg-Zeit-Abläufe erfolgten durch den Verhandlungsleiter mittels des EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramms (von Prof. Dr. Gratzer, KFZ-Sachverständiger). Die Sichtdistanzen und die Beschaffenheit des Kreuzungsbereiches erfolgten durch freie Schätzung bzw. durch Ausschreiten vor Ort. Wegen der herrschenden Schneelage waren exakte Feststellungen der Straßenbreiten nicht möglich. Beigeschafft wurde schließlich noch die in diesem Zusammenhang auch gegen den Lenker des zweiteinbiegenden Fahrzeuges (Zeuge E) erstattete Anzeige. Über das bereits vor dieser Berufungsverhandlung an die Erstbehörde gestellte und begründete Ersuchen um Übermittlung auch dieser Anzeige, vermochte diese trotz des Hinweises der Bestrafung auch des zweiten Fahrzeuglenkers aus unerfindlichen Gründen von der Erstbehörde nicht vorgelegt werden. 4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit seinen Pkw vom Güterweg T nach links in die Nußbacher Straße. Während des Abbiegevorganges hatte sich das vom Meldungsleger einsatzmäßig (mit Blaulicht) gelenkte Gendarmeriefahrzeug, Beifahrer der Zeuge AbtInsp. M, aus der Sicht des Berufungswerbers von links kommend, auf maximal 60 m dem besagten Kreuzungsbereich angenähert. Hinter dem Berufungswerber fuhr der Zeuge E, welcher ebenfalls noch mit dem Fahrzeug vor dem Gendarmeriefahrzeug nach links in die Nußbacher Straße einbog. Nach diesem Vorgang wurde das Gendarmeriefahrzeug abgebremst, wobei wegen des plötzlich anhaltenden Gendarmeriefahrzeuges auch der hinter dem Berufungswerber nachfahrende Zeuge E sein Fahrzeug etwa 15 Meter hinter dem Kreuzungsbereich ebenfalls anhielt. Das Gendarmeriefahrzeug hielt somit [noch] vor diesem Kreuzungsbereich an. Vom Lenker des Einsatzfahrzeuges wurde E über dieses knappe Einbiegen und ausdrücklich auch der namentlich erwähnte Berufungswerber, kurz zur Rede gestellt, wobei er jedoch in der Folge nach dem Kennzeichen, der Berufungswerber jedoch namentlich angezeigt wurde. E wurde wegen des auch hier verfahrensgegenständlichen Verhaltens mit 600 S (offenbar mittels Anonymverfügung) bestraft. Der Güterweg Thürschelm ist etwa vier Meter breit und weitet sich etwa acht Meter vor dem Kreuzungsschnittpunkt mit der Nußbacher Straße trichterförmig auf geschätzte zwölf Meter auf. Die (Gefahren-)Sichtweite in Richtung links (Annäherungsrichtung des Gendarmeriefahrzeuges) beträgt etwa 100 m, wobei bereits ca. zwei Meter vor der Einmündung Nußbacher Straße in diesen Straßenzug nach links eingesehen werden kann. Die Nußbacher Straße ist im Kreuzungsbereich etwa sechs Meter breit und weist zwei durch Leitlinien gekennzeichnete Fahrstreifen auf.

Ginge man davon aus, daß das Fahrzeug des Berufungswerbers vor dem Abbiegevorgang gestanden ist, benötigt es bei vollem Ausfahren des Kreisbogens im Linksabbiegevorgang unter Zugrundelegung einer Beschleunigungskomponente aus dem Stand heraus mit 2 m/sek/2 (Wegstrecke ca. acht Meter) 2,83 Sekunden. Aus praktischer Sicht konnte das Durchfahren der Fahrlinie des Einsatzfahrzeuges in einem Zeitraum auch von nur zwei Sekunden erfolgt sein. Von einem völligen Zumstillstandbringen vor der Kreuzung ist hier nun gar nicht auszugehen. Unter der Annahme einer Entfernung des Einsatzfahrzeuges von nur 60 m von der Kreuzung zum Zeitpunkt des Einfahrentschlusses des Berufungswerbers, benötigte das Einsatzfahrzeug bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h bis zum Erreichen der Fahrlinie des Berufungswerbers (fiktiver Kollisionspunkt) 4,32 Sekunden. Schon daraus folgt unter Heranziehung der Weg-Zeit- bzw. logischer Denkgesetze, daß der Berufungswerber keine wie immer geartete Behinderung des Einsatzfahrzeuges herbeiführen konnte. Dafür spricht darüber hinaus auch noch die bereits im erstbehördlichen Verfahren aktenkundige Tatsache, daß immerhin auch der hinten nachfahrende E die Fahrlinie des Einsatzfahrzeuges (noch) kollisionsfrei passieren konnte. Berücksichtigt man dann schließlich über den hier verfahrensrelevanten Ablauf hinaus auch noch die Tatsache des Anhaltens des Einsatzfahrzeuges - um mit E verbalen Kontakt aufzunehmen - etwa fünfzehn Meter vor der Kreuzung, müßte das Einsatzfahrzeug in der Phase des Herausfahrens des Berufungswerbers noch fast 100 m entfernt gewesen sein. Dies würde sich letztlich auch mit den Angaben des im Fahrzeug als Beifahrer mitfahrenden AbtInsp. M und insbesondere der Verantwortung des Berufungswerbers in Einklang bringen lassen. Unter dieser Annahme wäre bei einer Fahrgeschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges von 50 km/h die Kreuzung erst nach 6,48 Sekunden erreicht worden. Es kann hier daher als zweifelsfrei erwiesen gelten, daß es durch den Berufungswerber zu einer Behinderung des Einsatzfahrzeuges bzw. zu einer Vorrangverletzung im Zuge dieses Abbiegemanövers nicht gekommen sein konnte.

4.1.1. Schließlich gibt der Meldungsleger selbst in der Anzeige die hier entscheidende Entfernung mit 50 bis 60 m und seine Fahrgeschwindigkeit mit 50 bis 60 km/h - beschleunigend â€" an. Auffällig ist dabei jedoch, daß sich exakt diese Entfernungsangabe auch in der Anzeige gegen den nach dem Kennzeichen angezeigten Lenker des Fahrzeuges findet. Daß diese Distanzen im Falle der zeitlichen Abfolge des Einbiegens in die Nußbacher Straße unmöglich die gleichen sein können, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung. Schon im Lichte dieser sehr pauschalierten Beschreibung der Weg-Zeit-Aspekte in den Anzeigen erschien die Verantwortung des Berufungswerbers den Denkgesetzen entsprechend nachvollziehbar und daher glaubwürdig. Seiner Verantwortung konnte daher inhaltlich zur Gänze gefolgt werden! Die Einschätzung des dem Meldungsleger augenfällig gewordenen Faktums als Verwaltungsübertretung könnte auf eine verfehlte rechtliche Beurteilung des Vorrangbegriffes zurückzuführen sein. Diese Ansicht scheint von der Erstbehörde unreflektiert übernommen worden zu sein.

Ein Eingehen auf den Inhalt und die näheren Umstände der sowohl vom Berufungswerber als auch vom Zeugen E geschilderten verbalen Kontaktaufnahme durch den Zeugen RevInsp. M erübrigt sich hier mangels Verfahrensrelevanz. Dennoch kann diese Schilderung mit der Wahrscheinlichkeit einer größeren Entfernung des Einsatzfahrzeuges als 60 m zum Zeitpunkt des Abbiegevorganges in Einklang gebracht werden, indem sich damit auch noch das nachfolgende Abbiegemanöver durch den Zeugen E nachvollziehen läßt. Letzteres wäre sich bei einem "Zeitfenster von 4,32 Sekunden" (vom Beginn des Abbiegens des Fahrzeuges des Berufungswerbers bis zur fiktiven Querung der Fahrlinie durch das Einsatzfahrzeug) wohl nur mehr sehr knapp ausgegangen. Damit kann jedoch die Bremsung des Einsatzfahrzeuges keinesfalls im adäquaten Kausalzusammenhang mit dem vorhergehenden Queren der Fahrlinie des Einsatzfahrzeuges durch den Berufungswerber erblickt werden. Allenfalls könnte sie noch auf den nachfahrenden E, am ehesten jedoch auf eine im Zusammenhang mit der allenfalls vom Meldungsleger als "zu offensiv" eingeschätzte Fahrweise gegenüber dem Einsatzfahrzeug und der Absicht, darüber sofort eine verbale Rüge zum Ausdruck bringen zu müssen, zurückzuführen gewesen sein. Dies würde auch den Anhaltepunkt des Einsatzfahrzeuges, bereits etwa fünfzehn Meter vor der Kreuzung und die dort erfolgte kurze verbale Kontaktaufnahme in Verbindung mit dem hier nicht verfahrensgegenständlichen Inhalt, plausibel erscheinen lassen. 4.1.2. Als Verfahrensmangel erweist sich hier vor allem, daß die Erstbehörde in ihrem Verfahren sich offenbar überhaupt nicht mit der an sich logischen Verantwortung des Berufungswerbers auseinandersetzte und diesbezüglich die beiden Anzeigen nicht in Beziehung brachte. Diesbezüglich muß angemerkt werden, daß dies in diesem Fall insbesondere auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie indiziert gewesen wäre. Auch für die verschiedenen Vorgangsweisen bei der Ahndung der hier zur Anzeige gelangten inhaltsgleichen Delikte, deren schriftliche Anzeigen noch dazu mit gleicher Post (GZ P-384/98-Mo und GZ P-385/98-Mo, beide erstellt am 8. Juli 1998) bei der Erstbehörde eingelangt sein dürften, lassen sich keine plausiblen Gründe finden. So hätte etwa im Falle der Vorlage der hier parallel erstatteten Anzeige (GZ P-385/98-Mo) â€" auf welche die Verantwortung des Berufungswerbers schließen hat lassen und die daher vom Oö. Verwaltungssenat am 25. Jänner 1999 über fernmündliches Ersuchen angefordert worden wäre - die mit einem Ortsaugenschein zu verbinden gewesene Berufungsverhandlung unterbleiben können, an welcher die Erstbehörde letztlich auch nicht teilnahm. 5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Die hier herangezogenen Bestimmungen der StVO 1960 lauten: "Einsatzfahrzeuge (§ 2 Abs. 1 Z. 25) haben immer den Vorrang (§ 19 Abs.2 StVO 1960). Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen (§ 19 Abs.7 StVO 1960)...... Alle Straßenbenützer haben einem herannehmenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen. Kein Lenker eines anderen Fahrzeuges darf unmittelbar hinter einem Einsatzfahrzeug nachfahren oder, außer um ihm Platz zu machen, vor ihm in eine Kreuzung einfahren (§ 26 Abs.5 StVO 1960)." 5.2. Die oben getroffenen Feststellungen lassen keinen Schluß auf einen Verstoß gegen die zitierten Rechtsnormen zu. Weder kann davon ausgegangen werden, daß ein Queren der Fahrlinie etwa vier Sekunden vor einem Einsatzfahrzeug dessen Vorrang verletzen hätte können. Es war kein im Kausalablauf als notwendig qualifizierbares plötzliches Abbremsen, oder Ablenken des Einsatzfahrzeuges hierdurch bedingt. Selbst nicht einmal ein Weggehen vom Gas könnte hierdurch indiziert worden sein. Ebenfalls haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, inwiefern hier dem Einsatzfahrzeug durch das Einbiegen entgegen der Fahrtrichtung des Letzteren Platz gemacht werden hätte können bzw worin eine Behinderung gelegen wäre.

5.3. Da bereits bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, war hier spruchgemäß zu entscheiden (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Fahrlinie, Queren, Nötigen zum Abbremsen

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