Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230957/3/SR/Ri

Linz, 17.11.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung der K A, vertreten durch die P Anwaltsgesellschaft mbH, Dr. Sstraße5, P, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz, Zl. II/S-40.850/05-2 SE vom 3.8.2006, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

II.                  Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.  10/2004 - AVG iVm § 24, § 45, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben sich am 19.11.2005, von 01.55 Uhr bis 01.58 Uhr in Linz, Hgasse v.d.Nr. trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert, indem Sie sich in eine Amtshandlung einmischten und sich zwischen den einschreitenden Polizeibeamten und den beamtshandelten Personen gedrängt haben.

 

 

Übertretene Rechtsvorschrift:

§ 82 Abs. 1 SPG

Strafnorm:

§ 82 Abs. 1 SPG

Verhängte Geldstrafe:

€ 80,--

Ersatzfreiheitsstrafe:

48 Stunden

Verfahrenskosten:

€ 8,--

Gesamtbetrag:

€ 88,--

 

2. Gegen dieses der Bw am 10. August 2006 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Begründend hat die Behörde erster Instanz ausgeführt, dass der der Bw zur Last gelegte Tatbestand aufgrund der Anzeige vom 1.12.2005 und des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen sei. Aus der Rechtfertigung der Bw, dass sie aus Zivilcourage gehandelt und das Verhalten höchstens auf Fahrlässigkeit zurückzuführen sei, schloss die Behörde erster Instanz auf ein Eingeständnis der Verwaltungsübertretung. Bei der Strafbemessung sei auf  § 19 VStG Bedacht genommen worden.

 

2.2. Dagegen brachte die Bw rechtsfreundlich vertreten vor, dass sie sich nicht aggressiv gegen den einschreitenden Sicherheitswachebeamten verhalten habe. Da sie der Meinung gewesen sei, durch ihr Einschreiten Gewalt verhindern zu können, habe sie gefragt, was los sei. Nachdem sich die beiden Beamten weder als Polizeibeamten zu erkennen gegeben hätten noch eine Abmahnung erfolgt sei, sei sie auch nicht auf die Idee gekommen, dass es sich um einen Polizeieinsatz handeln könne. Vor Ort habe eine Riesenaufregung geherrscht, der Aggressionsspiegel sei sehr hoch gewesen, es sei viel geschrien worden und die ganze Situation sei nicht durchschaubar gewesen. Einer der Burschen habe geblutet und somit wollte sie Schlimmeres verhindern. Sie habe sich weder zwischen die beiden Beamten gedrängt noch einen der beiden am Arm gepackt. Erst als sie angeschrien und ihr der Dienstausweis gezeigt worden war, sei ihr bewusst geworden, dass es sich um einen Polizeieinsatz gehandelt habe. Richtig sei, dass sie die Situation falsch eingeschätzt habe. Als sie jedoch erkannt hatte, dass es sich um eine Amtshandlung der Polizei handeln würde, habe sie die Situation sofort aufgeklärt und ihr Verhalten mit ihrer Zivilcourage erklärt.

 

Sie sei gerne bereit sich für das Missverständnis zu entschuldigen und werde sich künftig bei nicht klar erkennbaren Situationen noch zurückhaltender verhalten. Erschließbar wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

 

3. Mit Schreiben vom 12. September 2006 hat die belangte Behörde den gegenständlichen Verwaltungsstrafakt vorgelegt und von einer Berufungsvorentscheidung Abstand genommen.

 

 

 

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

 

Am 19. November 2005 befanden sich der einschreitende Polizeibeamte Obstlt. C M und KtrInsp M S auf Zivilstreife in Linz. Infolge einer größeren Schlägerei vor dem Lokal Smaragd im Linzer Altstadtbereich wurden auch die beiden Polizeibeamten um 01.53 Uhr zur Unterstützung angefordert. Noch vor dem Eintreffen am Einsatzort wurden die beiden Beamten davon informiert, dass die Täter bereits auf der Flucht sind. Auf dem Weg vom Linzer Hauptplatz zum Tatort kamen den beiden Beamten in der Hofgasse drei junge ausländische Burschen entgegen. Da sich diese schnell bewegten und vom Tatort kamen, wurden sie von den Polizeibeamten in Zivil angehalten und an die Mauer des Hauses Hgasse gedrängt. Nachdem die drei Personen das erste Geständnis abgelegt hatten, traten die Bw, ihre Freundin und ein unbekannter Mann mit einem Fahrrad zwischen den die Amtshandlung sichernden und den die Amtshandlung führenden  Polizeibeamten und die Angehaltenen. Entweder die Bw oder ihre Freundin hat Obstlt. M kurzfristig am Arm festgehalten.

 

Das Verhalten der Bw, ihrer Freundin und des unbekannten Mannes behinderte den polizeilichen Einsatz. Da sich die Bw trotz lautstarker Äußerungen des Beamten in Zivil nicht entfernte, wurde die Funkwagenbesatzung "Sektor 1" zur Unterstützung angefordert. Polizeibeamte dieser Funkwagenbesatzung haben das "Nationale" der Bw aufgenommen. Diesen gegenüber gab die Bw an, dass sie in Zivilcourage gehandelt habe und die Beamten in Zivil nicht als Polizisten erkannt habe. 

 

Während der Amtshandlung war im Altstadtbereich, somit auch im Umfeld der Amtshandlung gegen die drei genannten jugendlichen Personen, die Situation äußerst angespannt. 

 

3.2.  Sowohl der Zeuge als auch die Bw haben das spannungsgeladene Umfeld der Amtshandlung glaubwürdig beschrieben. Aus der Aktenlage ist eindeutig abzuleiten, dass die beiden Polizeibeamten aufgrund der vorherrschenden Ausnahmesituation und der unmittelbar bevorstehenden Festnahme der geständigen Täter durch das Dazwischentreten der Bw und ihrer Freundin in eine zusätzliche Stresssituation gebracht worden sind. Es ist durchaus verständlich, dass die beiden Polizeibeamten aus ihrer Sicht das Verhalten der Bw als überaus unangemessen, störend, die Amtshandlung behindernd und deren Erfolg gefährdend angesehen haben.

 

Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im Ermittlungsverfahren ein "aggressives" Verhalten der Bw nicht festgestellt worden ist. Ein solches lässt sich auch nicht aus der Anzeige ableiten.

 

Unstrittig steht lediglich fest, dass sich die Bw zwischen den die Eigensicherung vornehmenden und den weiteren die unmittelbare Amtshandlung führenden Polizeibeamten gestellt hat. Die allgemeine Schilderung in der Anzeige, wonach die Bw, ihre Freundin und der unbekannte Mann den Polizeibeamten (gleichzeitig) am linken Arm gezerrt hätten, ist schwer nachvollziehbar. Bei der Zeugenbefragung durch die belangte Behörde hat der einschreitende Polizeibeamte nur mehr davon gesprochen, dass ihn "eine der beiden Frauen auch am Arm erfasst und festgehalten" hat. Welche der beiden Beschuldigten dieses Verhalten gesetzt hat, konnte vom Zeugen nicht mehr angegeben werden. Eine nähere Beschreibung des Vorganges ist dem gesamten Akt nicht zu entnehmen. Abstellend auf die Aktenlage und die sich daraus ergebenden Feststellungen kann der Bw keinesfalls der Vorwurf gemacht werden, dass sie den die Amtshandlung sichernden Beamten am Arm erfasst hat. Darüber hinaus stellt das festgestellte und geschilderte "Dazwischentreten", verbunden mit dem "kurzfristigen Zerren, Zupfen oder Festhalten des Armes" keine aggressive Vorgangsweise im Sinne des Gesetzes dar. Die geschilderte Handlung hätte zumindest mit ungewöhnlicher Heftigkeit vorgenommen werden müssen.

 

Übersehen werden darf auch nicht, dass laut Anzeige das strafbare Verhalten der Bw nur 3 Minuten angedauert hat. Schon im Hinblick auf die Ausführungen in der Anzeige ist diese Zeitangabe nicht nachvollziehbar. Insgesamt soll die Zeitspanne ab Erteilung des Einsatzbefehles bis zum Tatzeitende nur 5 Minuten betragen haben. Nach Kenntnis des angeordneten Einsatzes bewegten sich die Beamten zum Hauptplatz und in der Folge zum Tatort in der Hgasse. Zwischenzeitlich gelangte den Beamten zur Kenntnis, dass sich die Täter auf der Flucht befinden. Laut Aktenlage wären den Beamten zur Erreichung der Hgasse, der Anhaltung, der Befragung der drei Täter und der Einholung eines ersten Geständnisses nicht einmal 2 Minuten zur Verfügung gestanden. Dies deshalb, da auch in diesen 2 Minuten noch die Amtshandlung mit der Bw bis zur Abmahnung geführt worden sein muss, wenn die strafbare Handlung ab der Abmahnung tatsächlich 3 Minuten angedauert haben soll.

 

Abgesehen von der Wiedergabe des Gesetzestextes nach dem Einleitungssatz in der Sachverhaltsdarstellung der Anzeige ist eine tatsächlich vorgenommene Abmahnung der Bw nicht erkennbar. Eine solche bringt auch der Zeuge Obstlt. M bei der Befragung durch die belangte Behörde nicht vor. Aufgrund der Aktenlage ist es nicht einmal der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses möglich, eindeutig auf eine tatsächlich erfolgte Abmahnung abzustellen und diese somit festzustellen. Die belangte Behörde leitet lediglich aus den (schreiend) im Befehlston vorgenommenen Anordnungen an die Bw, "die Örtlichkeit zu verlassen, da es sich um eine Amtshandlung der Polizei handelt", ab, dass "daher die erforderliche Abmahnung" ausgesprochen worden ist.

 

Im Hinblick auf die in der Nähe stattgefundene größere Schlägerei, den dadurch bedingten Großeinsatz der Polizei, dem erheblichen Umgebungslärm, der spannungsgeladenen Situation, der Amtshandlung der Polizeibeamten in Zivil mit den angehaltenen und verletzten Tätern und der weniger als 3 Minuten dauernden "Amtshandlung" mit der Bw, kann dem Vorbringen der Bw – Nichterkennen einer polizeilichen Amtshandlung aufgrund der aufgeregten Stimmung vor Ort und der ausschließlichen Anwesenheit von Beteiligten in Zivil – nicht die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

4.2. Das zentrale Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 SPG besteht in einem aggressiven Verhalten.

 

"Aggressiv" bedeutet so viel wie "angreifend" oder "angriffslustig". "Aggression" meint einen Überfall, einen Angriff oder feindseliges Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar (vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheits-polizeigesetz3, A.5.1. f zu § 82).

 

Wie unter den Punkten 3.1. und 3.2. ausführlich dargelegt, kann das Verhalten der Bw nicht als aggressiv eingestuft werden. Die Bw hat sich lediglich kurzfristig (jedenfalls weniger als 3 Minuten) und "beharrlich" geweigert, den unmittelbaren Ort der Amtshandlung zu verlassen. Das beharrliche Verharren am Ort des Geschehens ist im Hinblick auf die geführte Amtshandlung zwar als ungehörig zu qualifizieren, da aber nicht bewiesen werden kann, dass die Bw den die Amtshandlung sichernden Polizeibeamten durch "Halten", "Zupfen" oder "Zerren" am Arm behindert hat, ist von einem tatbestandsmäßigen Verhalten der Bw nicht auszugehen.  

 

Zur allenfalls "erschließbaren Abmahnung" ist auszuführen, dass eine "Abmahnung" in der Aufforderung bestehen muss, ein Verhalten im Hinblick auf eine Gesetz- oder Ordnungswidrigkeit einzustellen. Die Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten einzustellen, impliziert den Hinweis auf dessen Unzulässigkeit. Jedenfalls aber muss die Anordnung der Bezugsperson als solche erkennbar sein und bewusst werden.     

 

Die Ausführungen in der Anzeige, die Äußerungen der Bw und die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens lassen nur den Schluss zu, dass der Bw die "Anordnungen" des einschreitenden Polizeibeamten nicht als Abmahnung erkennbar waren und als solche bewusst wurden. 

 

4.3. Anzumerken ist noch, dass im Hinblick auf den Konkretisierungsmaßstab des    § 44a Z. 1 VStG im Zusammenhang mit § 82 Abs. 1 SPG aus dem erstinstanzlichen Straferkenntnisbescheid erkennbar sein muss, worin nun das angebliche aggressive Verhalten der Bw bestanden haben soll, durch welche Äußerungen oder Handlungen dieses zum Ausdruck gekommen sein soll und inwieweit eine (bestimmte) Amtshandlung behindert worden ist. Da sich die Darstellung im erstinstanzlichen Spruch lediglich in dem Hinweis "..... aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert, indem Sie sich in eine Amtshandlung einmischten und sich zwischen den einschreitenden und den beamtshandelten Personen gedrängt haben ..." erschöpft, ist dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG nicht entsprochen.

    

4.4. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass auch im Falle einer entsprechenden Konkretisierung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses gerade auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens der Bw nicht der angelastete verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf gemacht werden hätte können.

 

4.5. Gemäß § 45 Abs.1 Z. 1 VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen. 

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider


 

 

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