Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400850/5/BMa/BP/CR

Linz, 10.11.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des K S, indischer Staatsangehöriger, vertreten durch Mag. Dr. W F, Mag. Dr. B G, Mag. U N K, Rechtsanwälte in, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Schärding zu Recht erkannt:

 

 

I.              Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 13. Oktober 2006 bis 3. November 2006 für rechtswidrig erklärt. Gleichzeitig wird die Rechtswidrigkeit des der Schubhaft zugrundegelegenen, bereits ex lege widerrufenen Schubhaftbescheides festgestellt.

 

II.            Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 660,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2005) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 13. Oktober 2006, Zl. Sich41-181-2006, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) gem.

§ 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, iVm

§ 57 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit, zur Vorbereitung der Erlassung einer Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit, zur Sicherung der Abschiebung sowie zur Sicherung der Zurückschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz am 13. Oktober 2006 vollzogen.

 

Begründend wird im genannten Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, über den Bf sei zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens gemäß § 76 Abs. 1 FPG Schubhaft zu verhängen gewesen, weil er zum Zeitpunkt der Verhängung nicht Asylwerber gewesen sei und er sich in der Vergangenheit bereits mehrfach dem Asylverfahren durch Untertauchen in die Bundesrepublik Deutschland entzogen habe. Da ein dringender und begründeter Verdacht bestanden hätte, er werde sich den asyl- bzw. fremdenpolizeilichen Maßnahmen wiederum widersetzen, sei die Anwendung gelinderer Mittel ausgeschlossen und die Verhängung der Schubhaft erforderlich gewesen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schriftsatz vom 2. November 2006 durch rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde und stellte die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat möge die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides der belangten Behörde vom 13. Oktober 2006, Sich41-181-2006, sowie die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit 13. Oktober 2006 auf Grund dieses Schubhaftbescheides feststellen und den Bund gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs. 2 FPG zum Kostenersatz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß den gesetzlichen Bestimmungen verpflichten.

 

Unter anderem wurde begründend ausgeführt, zum Stand des Asylverfahrens sei mitzuteilen, dass das Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, mit Schreiben vom 12. Oktober 2006 zu AZ 253.010/6-BAA/06 bzw. zu AIS 05 20.697 EAST West gegenüber der Polizeiinspektion Fahndung Passau die Zustimmung erklärt habe, den Bf gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich zurückzunehmen. 

 

Der AIS-Auskunft sei zu entnehmen, nach Einstellung des Asylverfahrens per

2. Oktober 2006 sei bereits am 10. Oktober 2006 (offenbar im Zuge der Kontaktierung der Asylbehörden durch die deutschen Behörden) ein Informationsersuchen gemäß Art. 21 Dublin-II-VO an die Slowakei und Polen vorbereitet bzw. abgefertigt worden.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei der Bf Asylwerber gemäß

§ 2 Abs. 1 Z 14 AsylG und er sei dies auch zum Zeitpunkt der Haftverhängung gewesen. Zum Zeitpunkt der Rückübernahme aus Deutschland sei nicht nur ein Dublinkonsultationsverfahren mit der Bundesrepublik Deutschland anhängig gewesen, sondern es sei bereits zusätzlich ein solches zur Weiterschiebung nach Polen oder in die Slowakei mit diesen Staaten vom Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, eingeleitet worden. Dublinkonsultationen bzw. das Dublinverfahren (Zulassungsverfahren) seien jedoch Teil des österreichischen Asylverfahrens, sodass der Bf entgegen der Ansicht der BH Schärding zum Zeitpunkt der Rückübernahme am 13. Oktober 2006 die Voraussetzungen als Asylwerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG erfülle.

 

Daher hätte die Schubhaft nicht auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt werden dürfen, zumal sich aus § 1 Abs. 2 FPG ausdrücklich ergebe, dass diese Bestimmung auf Asylwerber keine Anwendung zu finden habe. Die Haftverhängung sei daher bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

 

Im Übrigen wendet der Bf ein, dass in seinem Fall auch keine Gründe für die Verhängung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG vorgelegen wären und überdies die Anwendung gelinderer Mittel geboten gewesen wäre.

 

1.3. Mit Schreiben vom 2. November 2006 legte die belangte Behörde den Bezug habenden Akt vor.

 

1.4. Mit Fax vom 3. November 2006 teilte die belangte Behörde – ohne nähere Begründung - mit, dass die Schubhaft gegen den Bf mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden sei. 

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bf reiste am 27. November 2005 von der Slowakei kommend ohne gültiges Reisedokument und ohne Visum in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein.

 

Am 28. November 2005 stellte er bei der Erstaufnahmestelle Ost einen Asylantrag. In der Folge entfernte sich der Bf unerlaubt, weshalb er für die Asylbehörden zur Einvernahme nicht mehr greifbar war und das Asylverfahren daraufhin eingestellt wurde. Im September 2006 wurde der Bf von der deutschen Polizei aufgegriffen und am 28. September 2006 unter Anwendung des Dubliner Übereinkommens nach Österreich rücküberstellt. Nach seiner Rücküberstellung wurde der Bf von Beamten der Polizeiinspektion Schärding zur Wiederaufnahme des Asylverfahrens bei der Erstaufnahmestelle West vorgeführt. Noch vor seiner Ersteinvernahme entzog sich der Bf wieder ungerechtfertigt dem Zugriff der Asylbehörden und reiste neuerlich illegal nach Deutschland aus.

 

Daraufhin wurde am 2. Oktober 2006 das Asylverfahren eingestellt. In Deutschland wurde er abermals von der dortigen Polizei festgenommen. Am 4. Oktober 2006 erging eine neuerliche Anfrage nach Rückübernahme des Bf gemäß dem Dublinverfahren von der Bundesrepublik Deutschland. Die diesbezügliche Zustimmung wurde am 12. Oktober 2006 erteilt.

 

Bereits am 10. Oktober 2006 wurde das Dublinverfahren mit der Slowakei und mit Polen eingeleitet.

 

Am 13. Oktober 2006 wurde der Bf unter Anwendung des Dubliner Übereinkommens von Deutschland wieder nach Österreich rücküberstellt. Noch am selben Tag verhängte die belangte Behröde über den Bf die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 1 FPG.

 

Am 3. November 2006 wurde der Bf aus der Schubhaft entlassen.

 

2.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt sowie der Haftbeschwerde und wird auch vom Bf nicht bestritten.

 

3. Der Unanhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2006, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.      wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.      wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.      wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Nach § 81 Abs. 2 gilt der der Schubhaft zugrundeliegende Bescheid als widerrufen, wenn dessen Aufhebung formlos erfolgte.

 

3.2. Weil der Bf bereits am 3. November 2006 aus der Schubhaft entlassen wurde, war vom Oö. Verwaltungssenat über die Fortsetzung der Schubhaft nicht zu entscheiden.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

 

Nach § 1 Abs. 2 FPG ist auf Asylwerber (§ 2 Z 14 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl – AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ua. § 76 Abs. 1 leg. cit. nicht anzuwenden.

 

Alle am 31. Dezember 2005 anhängigen (Asyl)verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen (§ 75 Abs. 1 AsylG 2005).

 

Gemäß § 1 Z 3 Asylgesetz 1997 ist Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Asylantrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung.

 

Gemäß § 30 Abs. 4 erster Satz Asylgesetz 1997 ist ein eingestelltes Verfahren von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist.

 

Unter die dzt. für Asylwerber geltende Bestimmung des FPG fallen (auch) Asylwerber, deren Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 weitergeführt wird.  

 

3.4. Wie im Sachverhalt dargestellt, wurde das Asylverfahren des Bf mit Aktenvermerk vom 2. Oktober 2006 wegen unerlaubter Entfernung aus der EAST West vorläufig eingestellt. Spätestens mit dem amtswegigen Tätigwerden der Asylbehörden am 10. Oktober 2006 durch die Aufnahme von Konsultationen mit der Slowakei und Polen im Rahmen des Dublinverfahrens ist das Asylverfahren als fortgesetzt zu betrachten. Daher war der Bf zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft am 13. Oktober 2006 Asylwerber.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG ist die Verhängung der Schubhaft für Asylwerber gemäß dem Asylgesetz gestützt auf § 76 Abs. 1 leg. cit. nicht zulässig. (Diese kann nur auf

§ 76 Abs. 2 FPG gestützt werden.)

 

3.5. Der der Schubhaft zugrundeliegende Bescheid gilt durch die Entlassung des Beschwerdeführers aus dieser ex lege als widerrufen. Es war daher die Rechtswidrigkeit des Bescheids lediglich zum Zeitpunkt seiner Erlassung und während der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft festzustellen. 

Auch die Anhaltung in Schubhaft war somit als rechtswidrig zu erklären.

 

4.1. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf Kosten in Höhe von 660,80 Euro (Ersatz des Schriftsatzaufwandes) zuzusprechen.

 

4.2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

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