Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106112/2/BR

Linz, 08.02.1999

VwSen-106112/2/BR Linz, am 8. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vom 15. Jänner 1999, Zl. VerkR96-6986-1998 Sö, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 100 S (20 % der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage: Zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG; Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es als Zulassungsbesitzer (gemeint Fahrzeughalter) des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen (D) unterlassen habe, der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems über deren schriftliches Verlangen vom 23.7.1998 nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 24.2.1998 um 08.14 Uhr in Österreich auf der A9 bei Km 10,600 in Richtung Kirchdorf/Krems gelenkt habe, indem vom Berufungswerber mit Schreiben vom 10.8.1998 mitgeteilt worden sei, den Lenker nicht benennen zu können.

2. Die Erstbehörde begründet ihre Entscheidung mit der im Ergebnis nicht den Anforderungen des § 103 Abs.2 KFG entsprechenden Mitteilung auf die diesbezügliche behördliche Aufforderung zur Lenkerauskunft. 2.1. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung, worin er sinngemäß ausführt, daß er auf die behördliche Anfrage ohnedies reagiert habe und das Straferkenntnis daher aufzuheben sei. Im übrigen bemängelt er, daß ihm ein Foto (gemeint vermutlich: welches die Verkehrsübertretung dokumentiert) nicht übermittelt werden habe können.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

4.1. Der vom Berufungswerber gehaltene Pkw war zum o.a. Zeitpunkt und Örtlichkeit in Österreich in Verwendung. Dabei wurde vom Lenker dieses Fahrzeuges eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift verletzt.

Im nachfolgend in diesem Zusammenhang an den Berufungswerber gerichteten Auskunftsverlangen vom 23. Juli 1998, dem Berufungswerber zugestellt am 31. Juli 1998, gab der Berufungswerber bekannt, daß zum Zeitpunkt dieser Fahrt die Absicht bestanden habe den betreffenden Pkw zu verkaufen. Daher seien mit diesem Fahrzeug verschiedene Personen ein oder zwei Tage zu Probefahrten unterwegs gewesen. Wer am 24.2.1998 unterwegs gewesen sei, könne er heute (am 10.8.1998) nicht mehr sagen. Im Auskunftsverlangen war bereits auf die Strafbarkeit der Nichterteilung einer Lenkerauskunft hingewiesen. Da es in diesem Verfahren nicht um den Verstoß der Geschwindigkeitsüberschreitung geht, kann das Vorbringen hinsichtlich des Radarfotos - welches wohl beschafft werden könnte - auf sich bewenden.

4.1.1. Der Berufungswerber vermochte mit seinem schriftlichen Vorbringen nicht glaubhaft machen, daß ihn an der unterbliebenen Benennung des Lenkers des von ihm gehaltenen Kraftfahrzeuges ein Verschulden nicht trifft. Es scheint auch nicht gerade glaubwürdig, daß ihm nicht mehr erinnerlich bzw. von ihm nicht mehr rekonstruierbar gewesen sein sollte, wem ein Kraftfahrzeug für eine doch recht ausgedehnte Probefahrt überlassen wurde. Schlechthin nicht navollziehbar wäre, daß ein Gegenstand von erheblichem Wert an eine namentlich nicht bekannte Person überlassen worden wäre bzw. von einer solchen Person keinerlei Daten festgehalten worden wären. Der Berufungswerber muß wohl auch mit der Verwendung seines Fahrzeuges im Raum der Republik Österreich einverstanden gewesen sein, so daß er zumindest auch die den Fahrzeughalter betreffenden österreichischen kraftfahrrechtlichen Vorschriften gegen sich gelten lassen muß. Der Verantwortung des Berufungswerbers läßt sich jedenfalls in diesem Zusammenhang kein Hinweis auf eine fehlende Zustimmung oder eine Unkenntnis betreffend die Verbringung seines Fahrzeuges nach Österreich ableiten. Nicht zuletzt wurde er - wie oben schon ausgeführt - auf das in Österreich geltende Rechtsinstitut der sogenannten Lenkerauskunft und die diesbezüglichen Rechtsfolgen im Falle der Nichtbefolgung ausdrücklich hingewiesen. 5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet: Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. 5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den dadurch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur (allfälligen) Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers eine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren nicht erfolgt und jedenfalls damit ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft gemachte Person nicht präjudiziert wird, scheinen keine Gegensätze zu Grundsätzen der EMRK gegeben. Ein Widerspruch zur EMRK ist im Lichte des VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 aus innerstaatlicher Sicht zumindest vordergründig nicht zu erblicken. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Ver-waltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verant-wortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191). Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner ständigen Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint. In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156). Die vom Berufungswerber geübte Verweigerung - auch die Mitteilung die Auskunft nicht erteilen zu können, kommt einer Verweigerung gleich - ist sohin als im Inland begangen zu erachten. Im Lichte der auf den Tatort bezogenen geänderten Rechtsprechung liegt daher nunmehr die hier zum Vorwurf gemachte Tat nicht (mehr) außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des österreichischen Verwaltungsstrafrechtes, weil eben der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied ob die geschuldete Handlung hier vom Ausland zu initialisieren gewesen wäre oder dies bei einem österreichischen Zulassungsbesitzer in aller Regel vom Inland aus geschieht. Sollte sich also der Berufungswerber - was er wohl nicht ausdrücklich dartut - an die spezifische Aufforderung einer österreichischen Behörde nicht gebunden erachten und sich auf "allgemein verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung außerhalb des Hoheitsgebietes von Österreich" und sich damit auf die Begrenzung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staatsgebietes (Territorialitätsprinzip) berufen wollen, müßte ihm auch mit derartigen rechtlichen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben. Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung dessen Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich und die aus dieser Verwendung des Kraftfahrzeuges - hier ausgelöst durch eine damit einhergehende Normverletzung mit diesem Kraftfahrzeug - und den damit begründeten Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung erfordert - wie im Ergebnis schon dargelegt - einerseits die obzitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates einen ausreichenden inländischen Anknüpfungs-grund. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in den vom § 103 Abs.2 KFG erfaßten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Ebenfalls könnte sich der Berufungswerber angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe schon in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe in der Höhe von 500 S ungewöhnlich gering bemessen wurde. Das Strafausmaß wurde von der Erstbehörde offenbar am StVO-Delikt, dessen Verfolgung durch die Nichterteilung der Lenkerauskunft vereitelt wurde, orientiert. Grundsätzlich ist der Unwertgehalt einer derartigen Übertretung als nicht bloß geringfügig zu erachten. Es liegt im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, daß ein Fahrzeuglenker, welcher straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt, einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden kann. Angesichts des bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens kann hier keinesfalls eine Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die Erstbehörde erblickt werden. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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