Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-106127/2/BR

Linz, 16.02.1999

VwSen-106127/2/BR Linz, am 16. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau M gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vom 11. Dezember 1998, Zl. VerkR96-1373-1998 Sö, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden der Berufungswerberin zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 100 S (20 % der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage: Zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG; Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider die Berufungswerberin wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie es als Zulassungsbesitzerin (Fahrzeughalterin) des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen (D) unterlassen habe, der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems über deren Aufforderung (zugestellt am 18.2.1998) nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Auskunft darüber erteilt zu haben, wer das KFZ mit dem Kennzeichen (D) am 2.11.1997 um 09.17 Uhr gelenkt hat, indem sie mit Schreiben vom 9.3.1998 mitgeteilt habe, nicht feststellen zu können, wer das Fahrzeug gelenkt habe.

2. Die Erstbehörde begründet ihre Entscheidung mit der im Ergebnis ungenügenden Lenkerauskunft und die diesbezügliche im Rang einer Verfassungsbestimmung bestehenden Verpflichtung, daß ein Interesse an der Auskunftsverweigerung gegenüber der Auskunftspflicht zurücktritt. Eine solche Auskunft sei innerhalb der hiezu vorgesehenen gesetzlichen Frist nicht erteilt worden. 2.1. Dagegen wandte sich die Berufungswerberin mit ihrer als fristgerecht erhoben zu qualifizierenden Berufung. Sie führt im Ergebnis aus, sie habe nicht wissen können, ob ihr Bruder oder ihr Mann das Fahrzeug zum anfragespezifischen Zeitpunkt gelenkt habe. Im übrigen legte die Berufungswerberin umfassend ihre Zahlungsbereitschaft dar und schildert, warum sie bisher die Strafe nicht bezahlen habe können. Damit vermag sie jedoch eine Rechtswidrigkeit dieses Straferkenntnisses nicht darzutun. 3. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

4.1. Mit dem von der Berufungswerberin gehaltenen Pkw wurde am 2.11.1997 um 09.17 Uhr auf der A9 Pyhrnautobahn bei Strkm 10.600 vermutlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen. Diesbezüglich wurde an die Fahrzeughalterin am 18.2.1998 eine in Österreich gesetzlich vorgeschriebene Lenkeranfrage getätigt. Darin wurde die Berufungswerberin aufgefordert, der anfragenden Behörde (Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems) binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens mitzuteilen, wer zur fraglichen Zeit der Lenker ihres Fahrzeuges gewesen sei. Auf die Strafbarkeit der Nichterteilung oder der unrichtigen Erteilung dieser Auskunft wurde bereits in diesem Ersuchen hingewiesen. Dieses Schreiben wurde der Berufungswerberin am 6. März 1998 zugestellt.

In ihrer Antwort vom 9. März 1998 teilte die Berufungswerberin der anfragenden Behörde mit, daß sie zur Feststellung des Lenkers ein Foto begehre. Sie könne nach vier Monaten nicht mehr sagen wer gelenkt habe. In Deutschland seien solche geringfügigen Übertretungen nach drei Jahren verjährt. 4.1.1. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde anläßlich einer im Rechtshilfeweg beim Polizeipräsidium O am 11.8.1998 abgelegten Aussage bekanntgegeben, daß der Ehegatte zum fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hätte. Letzterer wolle anläßlich seiner nächsten Fahrt nach Österreich am "2.8.1998"(?) ohnedies die Strafe bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems begleichen. Im Lichte dieser Ausführung ist nun nicht nachvollziehbar, daß diese Zahlung zwischenzeitig offenbar noch nicht erfolgt sein dürfte, wobei der Hinweis der Bezahlung am 2.8.1998 anläßlich der Niederschrift am 11.8.1998 wohl irrtümlich gemacht worden sein dürfte.

4.2. Die sich aus dem Akt ergebende Verantwortung vermag jedenfalls den Tatvorwurf der nicht erteilten Lenkerauskunft nicht entkräften. Dabei ist insbesondere nicht nachvollziehbar, daß innerhalb der Familie bzw. in der engsten Verwandtschaft diese Mitteilung, welche schließlich nach zehn Monaten (anläßlich der Niederschrift vor dem Polizeipräsidium O) letztlich doch gemacht werden hat können, nicht schon anläßlich der Lenkeranfrage möglich gewesen sein sollte. Offenbar dürfte die Berufungswerberin auch verkennen, daß es in diesem Verfahren nicht um die vermutliche Mißachtung einer Straßenverkehrsvorschrift geht, sondern um die Verweigerung jener Auskunft, die zur Verfolgung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift erforderlich gewesen wäre und deren Ahndung (Verfolgung) die Berufungswerberin durch die nicht erteilte Auskunft vereitelt hat. An dieser Stelle sei erwähnt, daß gleichsam der hier vorliegende Tatvorwurf alternativ für die nicht verfolgbare Übertretung der Straßenverkehrsordnung erhoben werden mußte. Betreffend den hier verfahrensgegenständlichen Tatvorwurf hat die Berufungswerberin jedoch mit ihren Berufungsausführungen zur Rechtfertigung oder Entschuldigung nichts Stichhaltiges vorzubringen vermocht.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) . Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. 5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers eine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren nicht erfolgt und jedenfalls damit ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft gemachte Person nicht präjudiziert wird, scheinen keine Gegensätze zu den Grundsätzen der EMRK gegeben. Ein Widerspruch zur EMRK ist im Lichte des VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88, aus innerstaatlicher Sicht zumindest vordergründig nicht zu erblicken. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191). Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint. In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156). Die vom Berufungswerber geübte Verweigerung - auch die Mitteilung, die Auskunft nicht mit Sicherheit erteilen zu können, kommt einer Verweigerung gleich - ist sohin als im Inland begangen zu erachten. Im Lichte der auf den Tatort bezogenen geänderten Rechtsprechung liegt daher nunmehr die hier zum Vorwurf gemachte Tat nicht (mehr) außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des österreichischen Verwaltungsstrafrechtes, weil eben der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied, ob die geschuldete Handlung hier vom Ausland zu initialisieren gewesen wäre oder dies bei einem österreichischen Zulassungsbesitzer in aller Regel vom Inland aus geschieht. Sollte sich also die Berufungswerberin - was sie wohl nicht ausdrücklich dartut - an die spezifische Aufforderung einer österreichischen Behörde nicht gebunden erachten und sich auf "allgemein verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung außerhalb des Hoheitsgebietes von Österreich" und sich damit auf die Begrenzung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staatsgebietes (Territorialitätsprinzip) berufen wollen, müßte ihr auch mit derartigen rechtlichen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben. Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung dessen Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich und die aus dieser Verwendung des Kraftfahrzeuges - hier ausgelöst durch eine damit einhergehende Normverletzung mit diesem Kraftfahrzeug - und den damit begründeten Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung erfordert - wie im Ergebnis schon dargelegt - einerseits die obzitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfaßten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet. Ebenfalls könnte sich die Berufungswerberin angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe schon in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe in der Höhe von 500 S ungewöhnlich gering bemessen wurde. Das Strafausmaß wurde von der Erstbehörde offenbar am StVO-Delikt, dessen Verfolgung durch die Nichterteilung der Lenkerauskunft vereitelt wurde, orientiert. Grundsätzlich ist der Unwertgehalt einer derartigen Übertretung als nicht bloß geringfügig zu erachten. Es liegt im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, daß ein Fahrzeuglenker, welcher straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt, einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden kann. Angesichts des bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens kann hier keinesfalls eine Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die Erstbehörde erblickt werden. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum