Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310297/2/Kü/Hu

Linz, 30.11.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Herrn F W, L, S, vom 12. April 2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21. März 2006, Zl. UR96-14-2005, wegen einer Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002  zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                  Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3, 51 und 51e Abs.2 Verwaltungsstraf­gesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.   Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21. März 2006, Zl. UR96-14-2005, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.1 Z1 iVm § 15 Abs.2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) eine Geldstrafe von 730 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma F W – L, mit dem Sitz in S, und somit als der nach außen Vertretungsbefugte und sohin strafrechtlich Verantwortliche zu vertreten hat, dass zumindest bis 18.8.2005 Werkstättenabfälle wie ölverunreinigte Wischtücher (ca. 10 kg pro Jahr) (Schlüsselnummer 54930 gemäß Ö-Norm S2100) und ein Gummireifen (Schlüsselnummer 57501), welche gefährlichen Abfall darstellen, mit dem Restmüll entsorgt und somit diese gefährlichen Abfälle mit dem nicht gefährlichen Restmüll entgegen § 15 Abs.2 AWG vermengt wurden.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Sachverhalt und das rechtswidrige schuldhafte Verhalten aufgrund der Aktenlage, den Angaben des umwelttechnischen Sachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung sowie des Landespolizeikommandos für Oberösterreich, Landeskriminalamt, aufgrund der Lokalaugenscheine im Betrieb am 27.4.2005 und am 20.6.2005, sowie aufgrund der Angaben des Bw, der den gegenständlichen Sachverhalt nicht bestritten habe, als erwiesen anzunehmen seien.

 

Im gegenständlichen Fall würde seitens der Behörde Fahrlässigkeit angenommen, da der Bw bei sorgfältiger Überlegung die Rechtswidrigkeit seines Handelns hätte erkennen müssen.

 

Ein Schuldausschließungsgrund oder sonstige Entlastungsgründe hätten nicht gefunden werden können. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit zu werten, Erschwerungsgründe seien keine bekannt. Nach Abwägung der vorliegenden Umstände erscheine die verhängte Geldstrafe bzw. die Ersatzfreiheitsstrafe, welche die Mindeststrafe darstelle, angemessen. Diese sei zudem nach Ansicht der Behörde geeignet, den Bw vor weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

2.   Dagegen wurde vom Bw rechtzeitig Berufung eingebracht und beantragt, der Berufung stattzugeben. Begründend wurde ausgeführt, dass er den Vorwurf, dass gefährliche Abfälle mit nicht gefährlichem Restmüll vermengt worden seien, bereits in seiner Stellungnahme widerlegt habe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Schreiben vom 18. April 2006 die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

5.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1.    deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.    deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) nicht zu beeinträchtigen.

 

§ 1 Abs.3 AWG 2002 lautet:

Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9. Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

 

§ 4 AWG 2002 ermächtigt den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit Verordnung

-         die Abfallarten in Form eines Abfallverzeichnisses,

-         die Abfallarten die gefährlich sind und

-         die Voraussetzungen, unter denen eine Ausstufung eines bestimmten Abfalls im Einzelfall möglich ist

 festzulegen.

 

Nach § 4 Abs.2 Abfallverzeichnisverordnung, BGBl.II/Nr. 570/2003 idF BGBl.II/Nr. 89/2005, gelten bis zum 31. Dezember 2008 jene Abfallarten der Anlage 5 und jene der Ö-Norm S2100 „Abfallkatalog“, ausgegeben am 1. September 1997, und der Ö-Norm S2100/AC 1 „Abfallkatalog (Berichtigung)“, ausgegeben am 1. Jänner 1998, ......., als gefährlich, die mit einem „g“ versehen sind.

 

Gemäß § 15 Abs.2 AWG 2002 ist das Vermischen oder Vermengen eines Abfalls mit anderen Abfällen oder Sachen unzulässig, wenn

1.      abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert werden,

2.      nur durch den Mischvorgang

a) abfallspezifische Grenzwerte oder Qualitätsanforderungen oder

b) anlagenspezifische Grenzwerte in Bezug auf die eingesetzten Abfälle

eingehalten werden oder

3.      dieser Abfall im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 behandelt oder verwendet wird.

Die gemeinsame Behandlung von verschiedenen Abfällen oder von Abfällen und Sachen in einer Anlage gilt jedenfalls dann nicht als Vermischen oder Vermengen im Sinne dieser Bestimmung, wenn diese Behandlung für jeden einzelnen Abfall zulässig ist. Das gemeinsame Sammeln von verschiedenen Abfallarten oder von Abfällen derselben Art mit unterschiedlich hohen Schadstoffgehalten ist dann zulässig, wenn keine chemische Reaktion zwischen den Abfällen auftritt und die gemeinsame Verwendung oder Behandlung entsprechend den genannten Kriterien zulässig ist.

 

5.2. Die Ö-Norm S2100 „Abfallkatalog“, ausgegeben am 1. September 1997, listet unter der Schlüsselnummer 54930 „feste fett- und ölverschmutzt Betriebsmittel (Werkstätten-, Industrie- und Tankstellenabfälle“ auf, welche in der Spalte Hinweise mit  „g“ gekennzeichnet sind. Abfälle der Schlüsselnummer 57501 „Gummi“ sind nicht mit „g“ gekennzeichnet.

 

Entgegen dem Tatvorwurf im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses sind daher Gummiabfälle, die der Schlüsselnummer 57501 zuzuordnen sind, gemäß der bestehenden Rechtslage keine gefährlichen Abfälle. Insofern ist der Tatvorwurf hinsichtlich der Entsorgung von Gummireifen als verfehlt anzusehen.

 

5.3. Nach § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw. Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1521).

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z1 des § 44a VStG der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe dazu Hauer/Leukauf, aaO, S.1522).

 

Gemäß § 15 Abs.2 AWG 2002 ist das Vermischen oder Vermengen eines Abfalls mit anderen Abfällen oder Sachen unzulässig, wenn zumindest eine von drei im Gesetz genannten Bedingungen erfüllt wird. Dies bedeutet, dass eine gemeinsame Entsorgung von gefährlichen Abfällen mit dem Restabfall nur dann unzulässig ist, wenn – beispielsweise –  abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert würden. Dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist allerdings nicht zu entnehmen, welcher durch § 15 Abs.2 Z1 bis 3 AWG 2002 normierten Bedingung der Bw durch die Entsorgung ölverunreinigter Wischtücher gemeinsam mit dem Restabfall zuwidergehandelt haben soll. An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren der Erstinstanz nicht nachvollziehbar hervorgeht, warum die ölverunreinigten Wischtücher der Schlüsselnummer 54930 und nicht etwa der vom Bw im Abfallwirtschaftskonzept dargestellten Schlüsselnummer 18712 bzw. möglicherweise auch 18713 zugeordnet wurden. Die Zuordnung von Abfällen zu Schlüsselnummern, welche den Abfall am Besten bestimmen, hätte regelmäßig unter Beiziehung eines Sachverständigen erfolgen.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Tatvorwurf nicht dem von der Judikatur geforderten Erfordernis der Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens entspricht. Es wurden somit wesentliche Tatbestandsmerkmale, insbesondere was den Tatinhalt der angelasteten Verwaltungsübertretung betrifft, spruchmäßig nicht vorgeworfen. Es ist daher festzustellen, dass die Vorschrift des § 44a VStG verletzt wurde und der Bw durch den Tatvorwurf nicht in die Lage versetzt wurde, seiner Entlastung dienliche konkrete Beweise anzubieten bzw. rechtlich davor geschützt zu werden, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

6. Da das gegenständliche Strafverfahren einzustellen war, entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Kühberger

 

 

 

 

 

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