Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106198/2/Br

Linz, 15.03.1999

VwSen-106198/2/Br Linz, am 15. März 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 26. Jänner 1999, Zl.: III/S 39793/97 V1P SE, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 4.10.1997 gegen 15.00 Uhr in L, Km 28.670, Krzg. Bereich m.d. Kaltenbacher-Bezirksstraße im Ortschaftsbereich Windhagmühl aus Richtung Unterweißenbach kommend in Richtung Liebenau den Pkw Kennzeichen auf einer ungeregelten Kreuzung den Vorrang eines entgegenkommenden, gerade-ausfahrenden Fahrzeuges verletzt habe, weil er dessen Lenker zu einem unvermittelten Bremsen seines Fahrzeuges genötigt habe.

2. In der Begründung stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung im Ergebnis auf die Schlußfolgerungen des Amtssachverständigen. Diese gehen im Tenor dahin, daß es auf Grund des Schadensbildes bzw. der in der Unfallanzeige dokumentierten Unfallspuren durchaus möglich sein könne, daß der Beschuldigte im Zuge seines Linksabbiegemanövers die Fahrbahnmitte überschritten habe könnte.

2.1. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Vorrangverletzung. Im Ergebnis vermeint er, daß diese aus den Ausführungen des Sachverständigen nicht abgeleitet werden könnten. Die Fahrzeugschäden und die Verschiebung des Fahrzeuges des Unfallgegners ließen vielmehr darauf schließen, daß er sich zum Kollisionszeitpunkt nicht über der Fahrbahnmitte befunden habe.

Er beantragte zum Beweis dafür die photogrammetrische Auswertung der Unfallsfotos, die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens und die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt mit Blick auf § 51e Abs.1 VStG, zweiter Halbsatz.

Im Wege des zuständigen Bezirksanwaltes wurden die Gründe der gerichtlichen Verfahrenseinstellung gegen den Berufungswerber noch ergänzend in Erfahrung gebracht.

4. Da keine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

5. Die nachfolgenden Feststellungen beschränkten sich hier bloß auf den hier mit Blick auf § 44a VStG entscheidungswesentlichen Rahmen.

5.1. Der Berufungswerber kollidierte im oben bezeichneten Kreuzungsbereich mit einem ihm entgegenkommenden Pkw. Die Blockierspur des Unfallgegners verläuft deutlich über die Fahrbahnmitte nach links. Dieses Fahrzeug kam mehr als die halbe Fahrzeugbreite über der Straßenmitte zum Stillstand (Fahrzeugmitte etwa zwei Drittel über der Leitlinie), sodaß zumindest vordergründig nicht zwingend abgeleitet werden kann, daß der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug die Straßenmitte überschritten gehabt hat.

Wie anläßlich einer ergänzend noch durchgeführten Rückfrage bei der Bezirksanwaltschaft von Unterweißenbach, Zl : BAZ 185/97t, in Erfahrung gebracht werden konnte, wurden die gerichtlichen Ermittlungen ohne Prüfung des h. verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes, nämlich wegen fehlender Verletzungsfolgen, eingestellt.

Aus diesem Grunde kann im Lichte des jüngsten Urteils des EGMR 30.7.1998, O. die Schweiz (Nr. 84/1997/868/1080), von einer Sperrwirkung dieses hier auch gerichtsanhängig gewordenen Sachverhaltes nicht (mehr) ausgegangen werden.

5.2. Weder in der ersten von der Erstbehörde innerhalb offener Frist eingeleiteten Verfolgungshandlung (Strafverfügung v. 15.12.1997) als auch im Beschuldigtenladungsbescheid (vom 5.3.1998) ist jeweils nur davon die Rede, daß der Berufungswerber eine Vorrangverletzung begangen habe, weil er den entgegenkommenden Fahrzeuglenker zum Abbremsen genötigt habe. Durch welches konkrete Verhalten diese "Nötigung" erfolgt sein soll, wurde nicht ausgeführt. Dies läßt sich auch noch nicht dem Spruch des Straferkenntnisses entnehmen. Lediglich aus dem Akt und der Begründung des Straferkenntnisses läßt sich dies "auf den vermuteten Linksabbiegeversuch des Berufungswerbers" und dem dabei von der Erstbehörde als erwiesen erachteten Überschreitens der Fahrbahnmitte in Richtung des linken Fahrstreifens ableiten.

6. Die hier zur Last gelegten Bestimmungen der StVO lauten:

6.1. Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten oder nach rechts einbiegen, haben, sofern sich aus Abs. 4 nichts anderes ergibt, den Vorrang gegenüber entgegenkommenden, nach links einbiegenden Fahrzeugen (§ 19 Abs.5 StVO).

Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen (§ 19 Abs.7 StVO).

6.1.1. Das von der Erstbehörde im Rahmen der Verfolgungshandlungen zum Vorwurf erhobene Verhalten findet im Tatbild der hier angezogenen Gesetzesbestimmung keine Deckung. Dies folgt dem klaren Wortlaut der vorzitierten Gesetzesbestimmungen. Es hätte daher der Umschreibung des Linksabbiegens und im Zuge dessen des - von der Erstbehörde als erwiesen erachteten - Befahrens des Fahrstreifens des die Richtung beibehaltenden Gegenverkehrs (Zweitbeteiligten) bedurft. Dies ist in Verbindung mit der daraus resultierenden Tatfolge, nämlich das dadurch herbeigeführte unvermittelte Abbremsen oder Ablenken des Gegenverkehrs das (weitere) essentielle Tatbestandsmerkmal.

6.2.1. Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt im Hinblick auf die in § 44a Z1 bis Z5 VStG festgelegten Erfordernissen besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tat-bestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des 44a Z1 VStG zu entsprechen, ergibt sich aus der hiezu entwickelten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH v. 13.6.1984 Slg. 11466 A). Die Tat hat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschrieben zu sein, daß

1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Ferner ist es für die Befolgung der Vorschrift des § 44a Z1 VStG erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er

a) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Durch den bloßen Vorwurf "einen entgegenkommenden geradeausfahrenden Pkw zu einem unvermittelten Abbremsen genötigt zu haben" ohne dabei (auch) das Verhalten welches zu diesem Umstand geführt haben soll auch zu bezeichnen, kann eine taugliche Verfolgungshandlung nicht erblickt werden. Vor allem wird hierdurch potentiell die Möglichkeit der Verteidigung - nämlich auf das vermeintliche essentielle eigene Fehlverhalten einzugehen und sich daraufhin zu verteidigen - nachteilig beeinträchtigt bis verunmöglicht.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat nämlich der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten; es bedarf daher im Bescheidspruch der Ausführung aller wesentlichen Tatbestandselemente, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind (vgl. unter vielen VwGH 27. April 1994, Zl. 92/03/0127, VwGH v. 26. Jänner 1996, 95/02/0435).

Das Verfahren war daher wegen zwischenzeitig eingetretener Verfolgungs-verjährung einzustellen.

6.3. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob nun tatsächlich die Fahrbahnmitte überfahren wurde oder - wofür es aus der Aktenlage auch durchaus Anhaltspunkte zu geben scheint - die Kollision gänzlich auf der Fahrhälfte des Berufungswerbers erfolgt ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

 

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