Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130462/2/WEI/Ps

Linz, 12.12.2006

 

                                             E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der A W, geb., U, K, vertreten durch Dr. J P, Rechtsanwalt in M, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 29. November 2005, Zl. VerkR 96-6003-2005-Ms, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Parkgebührengesetz (LGBl Nr. 28/1988, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 61/2005) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis hat die belangte Behörde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt abgesprochen:

 

"Sie haben am 04.07.2005 das Fahrzeug mit dem Kennzeichen in 5230 Mattighofen, Kirchenplatz West 6, im Bereich der gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne dieses Fahrzeug mit einem an gut sichtbarer Stelle hinter der Windschutzscheibe angebrachten gültigen Parkschein gekennzeichnet zu haben und haben sohin die Parkgebühr hinterzogen. Dieser Sachverhalt wurde am 04.07.2005, um 11.25 Uhr, von einem von der Stadtgemeinde Mattighofen bestellten Parkraumüberwachungsorgan festgestellt."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde den § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz in Verbindung mit §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 6 Z 1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mattighofen vom 26. Juni 1991, Zl. 144/1 u. 2-1991, als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "Gemäß § 6 Abs. 1 lit. a PGG" (gemeint: Strafrahmen des § 6 Abs 1 Oö. Parkgebührengesetz) eine Geldstrafe in Höhe von 30 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 3 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung auf Grund der Organstrafverfügung des Stadtamtes Mattighofen, Kennzahl: 040000999657, als erwiesen anzusehen sei. Gegen die Strafverfügung vom 12. September 2005 habe die Bwin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter innerhalb offener Frist Einspruch erhoben und um Akteneinsicht ersucht. Nach Akteneinsicht habe dieser am 6. Oktober 2005 mitgeteilt, dass er dazu keine weitere Stellungnahme mehr abgeben werde. Daher wäre das Strafverfahren auf Grund der Aktenlage zum Abschluss zu bringen gewesen. Weitere Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse sind dem angefochtenen Straferkenntnis nicht zu entnehmen.

 

In rechtlicher Hinsicht wird auf die mit der Verordnung vom 26. Juni 1991 als gebührenpflichtig gekennzeichnete Kurzparkzone hingewiesen, die sich unter anderem im gesamten Stadtplatzbereich und am gesamten Kirchenplatz befände. Die Parkgebühr sei bei Beginn des Abstellens fällig. Der Parkschein sei unverzüglich nach Beginn des Abstellens am mehrspurigen Fahrzeug hinter der Windschutzscheibe gut erkennbar anzubringen. Durch das im Spruch dargestellte Verhalten habe die Bwin das Tatbild des § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz erfüllt. Die Behörde erster Instanz schließt ihre Begründung mit Ausführungen zur Strafbemessung.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Händen ihres Rechtsvertreters am 6. Dezember 2005 zugestellt wurde, richtet sich die am 12. Dezember 2005 und damit rechtzeitig bei der belangten Behörde per Telefax eingebrachte Berufung vom 12. Dezember 2005, mit der die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

In der Berufung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf eine Rechtfertigung vom 30. September 2005 verwiesen, in der die Argumente gegen die Zulässigkeit der Bestrafung genau dargelegt worden wären. Dieser Schriftsatz befindet sich nicht im vorgelegten Verwaltungsstrafakt und dürfte, wie aus Seite 2 des Straferkenntnisses ersichtlich, auch der belangten Behörde nicht bekannt geworden sein. Im Übrigen werden in der Berufung ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art 6 Abs 1 und 2  EMRK und Art 90 Abs 2 B-VG ausgeführt. Im Ergebnis wird ein Verstoß gegen das Gebot des fair trial, den Anklagegrundsatz und die Unschuldsvermutung angenommen. Der gesetzliche Nachweis der Schuld sei im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht geführt worden. Die belangte Behörde habe gegen die Grundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Amtswegigkeit des Verfahrens verstoßen und ihre Beweispflicht missachtet.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde. Diese hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne eine Stellungnahme abzugeben. Schon aus der Aktenlage war ersichtlich, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz, LGBl Nr. 28/1988, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 61/2005, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen,

 

wer durch Handlungen oder Unterlassungen die Parkgebühr hinterzieht oder verkürzt bzw. zu hinterziehen oder zu verkürzen versucht.

 

Gemäß § 2 Abs 2 Oö. Parkgebührengesetz ist „der Zulassungsbesitzer und jeder, der einer dritten Person die Verwendung eines mehrspurigen Kraftfahrzeugs überlassen hat, [ist] verpflichtet, darüber auf Verlangen der Behörde Auskunft zu erteilen, sofern dieses Fahrzeug ohne Entrichtung der erforderlichen Parkgebühr gebührenpflichtig abgestellt war. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen und muss den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten“ (vgl. dazu auch Art II der FAG-Novelle 1986, BGBl Nr. 384/1986).

 

Nach § 5 Abs 1 Satz 2 VStG ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Die mangelnde oder unzureichende Entrichtung von Parkgebühren ist ein Ungehorsamsdelikt, das im § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz als Hinterziehen oder Verkürzen der Parkgebühren bezeichnet wird. Im gegenständlichen Fall wurde die Abgabenhinterziehung für einen auf die Minute bestimmten Zeitpunkt angelastet, zu dem das Überwachungsorgan laut Organstrafverfügung keinen Parkschein vorfand. Damit wurde, wie im Folgenden noch zu zeigen ist, schon der objektive Tatbestand nicht zutreffend angelastet, weshalb die Entlastungspflicht des § 5 Abs 1 VStG für die Bwin noch gar nicht entstanden ist.

 

4.2. Im vorliegenden Fall hat die Bwin auf die Lenkeranfrage des Stadtamts Mattighofen vom 25. August 2005, wem sie ihr Fahrzeug überlassen habe, mit Antwortformular vom 6. September 2005 erklärt, dass sie sich selbst das Kraftfahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt überlassen habe. Mit dieser formularmäßigen, weitgehend unbestimmten Antwort hat die Bwin nach h. Ansicht noch kein Tatsachengeständnis abgelegt, ihren Pkw selbst zum fraglichen Zeitpunkt in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt und dafür keinen Parkschein gelöst zu haben. Diesen Schluss hat aber die belangte Behörde wohl voreilig gezogen, ohne dies ausdrücklich zu erklären. Denn andernfalls wäre es nicht verständlich, dass sie keine (weiteren) Ermittlungen durchgeführt und auch keine (weiteren) Beweise erhoben hat. Nicht einmal das Parkraumüberwachungsorgan wurde über seine Wahrnehmungen befragt. Die Kritik der Berufung, dass die belangte Behörde ihrer amtswegigen Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit nicht nachgekommen ist, erscheint auch nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats berechtigt.

 

4.3. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats kann bei verfassungskonformer Interpretation die Pflicht zur Abgabenentrichtung nicht gleichzeitig mit dem Abstellen entstehen, auch wenn im § 4 Abs 2 Oö. Parkgebührengesetz unreflektiert davon die Rede ist, dass die Parkgebühr bei Beginn des Abstellens fällig ist. Setzte man die Fälligkeit mit der Pflicht zur Abgabenentrichtung gleich, so wäre ein gesetzeskonformes Verhalten ohne Einräumung eines gewissen Beschaffungszeitraumes nicht möglich, weil bereits das Abstellen während der Zeit der Parkscheinlösung beim nächsten Parkscheinautomaten illegal wäre. Der Gesetzgeber hatte ursprünglich wohl die Entrichtung der Parkgebühr nach einem Parkscheinsystem vor Augen, bei dem die Parkscheine vor dem Abstellen gelöst werden (so bspw in Wien).

 

§ 1 Abs 1 Oö. Parkgebührengesetz erweckt durch die Verwendung der Worte Parkgebühr, Kurzparkzone und Parkdauer den Anschein, dass es um eine Gebührenregelung für das jedem Lenker geläufige Parken geht. Erst aus § 1 Abs 2 leg.cit. ergibt sich, dass unter "Abstellen" das Halten und Parken gemäß § 2 Abs 1 Z 27 und Z 28 StVO 1960 zu verstehen sei. Der Oö. Verwaltungssenat vertritt zu diesem Widerspruch eine sachlich gebotene teleologische Reduktion, wonach die landesgesetzliche Bestimmung des § 1 Abs 1 und 2 Oö. Parkgebührengesetz, die vollinhaltlich auf der bundesgesetzlichen Kurzparkzonenregelung des § 25 Abs 1 StVO beruht, welche nur vom "Parken" spricht, einschränkend zu interpretieren ist. Bei einem zeitlich beschränkten Parken (Parkverbot) in einer Kurzparkzonenregelung kann für das bloße "Halten" schon deshalb noch keine Gebührenpflicht entstehen, weil die bundesrechtliche Ermächtigung des § 25 Abs 1 StVO 1960 von vornherein nur das "Parken" iSd § 2 Abs 1 27 StVO 1960 und nicht auch das Abstellen in der Form des "Haltens" erfasst (vgl etwa VwSen-130167 vom 10.1.1997; VwSen-130183 vom 28.4.1997 und VwSen-130237 vom 5.5.1998).

 

5. Im Ergebnis ist der belangten Behörde entgegen zu halten, dass sie durch die Feststellung eines auf eine einzige Minute (04.07.2005 um 11.25 Uhr) bestimmten Zeitpunkts der Abgabenhinterziehung dem herangezogenen Hinterziehungstatbestand in keiner Weise gerecht wurde. Insofern lag auch ein Spruchmangel vor, der sinnvolle Überlegungen zur Strafbemessung unmöglich machte.

 

Aus Anlass der Berufung war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

                                                                  Dr. W e i ß

 

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