Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420487/19/Ste/CR

Linz, 21.12.2006

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des F H, 51 S, D, vertreten durch Dr. E G & Dr. G A, Rechtsanwälte, 51 O, K, wegen Beschlagnahme der Frachtpapiere und des Zulassungsscheines und nachfolgende Anordnung der Unterbrechung und Verbot der Weiterfahrt für den Lenker M H für die Dauer von neun Stunden – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – zu Recht erkannt:

 

 

I.               Die Beschwerde gegen die Anordnung der Unterbrechung der Fahrt des Sattelkraftfahrzeuges SL, dessen Zulassungsbesitzer der Be­schwerdeführer war, am 23. August 2006 im Rahmen der ab etwa 13.35 Uhr auf einer im Umbau be­findlichen Tankstelle auf der B im Gemeindegebiet von S, beim Straßenkilometer 7, durch­geführten Amtshandlung durch Orga­ne der Landesverkehrsabteilung des Landespolizeikommandos Ober­österreich wird als unbegründet abge­wiesen.

 

II.             Die Beschwerde gegen die Nichtwiederausfolgung der Frachtpapiere und des Zulassungsscheins des im Punkt I. genannten Sattelzuges nach Ab­schluss der Kontrolle im Rahmen der im Punkt I. genannten Amts­hand­lung wird als unbegründet abgewiesen.

 

III.           Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirks­haupt­mann des Bezirks Wels-Land) Kosten in Höhe von je 220,30 Euro Schrift­satz­aufwand, je 275,30 Euro Verhandlungsaufwand sowie je 51,50 Euro Vor­lage­auf­wand, insgesamt also je 547,10 Euro, das sind insgesamt 1.094,20 Euro, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG; § 67c AVG; § 79a AVG iVm UVS-Aufwand­ersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Nach Schilderung des F H (in der Folge: Beschwerdeführer – Bf) wurde eines seiner Kraftfahrzeuge am 23. August 2006 durch ein dem Bezirks­haupt­mann des Bezirks Wels-Land zurechenbares Organ angehalten. In der Folge wurden von diesem Organ (1.) die Frachtpapiere und der Zulas­sungs­schein des Fahrzeuges beschlag­nahmt und (2.) die Unterbrechung der Fahrt für den Lenker M H für die Dauer von neun Stunden angeordnet.

 

2. Gegen diese beiden Maßnahmen (Aufforderungen und Androhungen) richtet sich die vor­liegende, am 5. Oktober 2006 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte, Be­schwerde.

 

Darin wird zunächst ausgeführt, dass der Bf ein Transportunternehmen betreibe. Am 23. August 2006 sei M H, ein Dienstnehmer des Bf, beauftragt gewesen, mit dem Sattelzug des Bf mit dem Kennzeichen S, eine Transportfahrt durchzuführen. Im Gemeindegebiet von S auf der B bei Straßen­kilo­meter 7 sei der Fahrzeuglenker zu einer Verkehrskontrolle angehalten worden. Ausführender Exekutivbeamter sei BI M H gewesen. Der Lenker M H sei aufgefordert worden, die Tachographenscheiben und die Fahr­zeug­papiere samt Frachtpapiere auszuhändigen. Aus den Tachographenscheiben hätte sich keine Fahrzeitüberschreitung ergeben. Dem Lenker seien die Tacho­graphen­scheiben sowie der Zulassungsschein und die Frachtpapiere abgenommen worden; weiters sei die Unterbrechung der Fahrt angeordnet worden. Zuvor habe der Lenker noch unter Begleitung eines Einsatzfahrzeuges zu einer Raststelle fahren dürfen. Es sei mitgeteilt worden, dass nach Ablauf von neun Stunden die Papiere wieder abge­holt werden könnten. Nach Ablauf dieser Frist seien dem Lenker die Papiere wieder ausgehändigt worden.

 

Zur Beschwerdelegitimation wird ausgeführt, dass die Beschlagnahme der Fahr­zeug­papiere samt Frachtpapiere sowie die Anordnung der Unterbrechung der Fahrt des Sattelzuges S am 23. August 2006 erfolgt sei, sodass die sechswöchige Beschwerdefrist gewahrt sei. Die Beschwerdelegitimation ergebe sich daraus, dass der Bw durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in verfassungsgesetzlich gewährleisteten und einfach gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.

 

Zu den Beschwerdegründen wird vorgebracht, dass im vorliegenden Fall die ein­schreitenden Organe nicht zur Beschlagnahme der Fahrzeugpapiere des Sattel­zug­fahrzeuges mit dem Kennzeichen S berechtigt gewesen seien, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben gewesen wären.

 

Auch die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbrechung der Fahrt des Fahr­zeuges mit dem Kennzeichen S seien nicht vorgelegen, zumal der Lenker keine Fahrzeitüberschreitungen zu verantworten gehabt hätte.

 

Schlussendlich beantragte der Bf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Erstattung der Kosten und die Fällung folgenden Erkenntnisses: Der Be­schwerde­führer ist durch die Beschlagnahme der Fahrzeugpapiere des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen S am 23. 08. 2006 sowie der nachfolgenden An­ord­nung der Unterbrechung der Fahrt mit der erwähnten Sattelzugmaschine für den Lenker M H in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigen­tumsrecht sowie in seinem Recht auf Nichtdurchführung der Anordnung der Unter­brechung der Fahrt ohne Vorliegen der gesetzlichen Bestimmungen verletzt worden.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2006 wurde sowohl der Bezirkshauptmann des Bezirks Wels-Land als nach dem vom Bf angegebenen Ort der Amtshandlung zuständige Behörde als auch das Landespolizeikommando Oberösterreich zur Er­stattung einer Gegenschrift eingeladen.

 

2.2. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2006 teilte das Landespolizeikommando Oberösterreich mit, dass die Beamten der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich, CI M H und RI G K, am 23. August 2006 den Lenker der Firma des Bf, M H, im örtlichen Wirkungsbereich der Bezirks­haupt­mann­schaft Wels-Land kontrolliert hätten. Leiter der Amtshandlung sei RI G K und nicht – wie in der Eingabe angeführt – CI M H gewesen.

 

Die Verwaltungsstrafanzeige in der gegenständlichen Angelegenheit sei von RI G K am 25. August 2006 an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land erstattet worden. Die Beurteilung des Einschreitens in materieller Hinsicht obliege dieser Behörde.

 

Zur Beschwerde über die gesetzten Maßnahmen wird ausgeführt, dass RI K das von M H, einem Arbeitnehmer des Bw, gelenkte Sattel­kraftfahrzeug kontrolliert und mehrere Übertretungen im Hinblick auf die EU-Sozial­vorschriften (Lenk- und Ruhezeiten) und des KFZ festgestellt habe. Nach den einschlägigen Bestimmungen sei das Fahrzeug für die vorgesehene Dauer von neun Stunden abgestellt und als Zwangsmaßnahme die beiden Zulassungsscheine und die Frachtpapiere abgenommen worden.

 

Zur Behauptung richtlinienverletzender Vorgehensweise der Beamten wird auf die gegenständliche Beschwerde Bezug genommen, in der CI H ua. Vorgeworfen werde, der ausführende Beamte der konkreten Amtshandlung gewesen zu sein. Dies sei nicht richtig, weil RI K die Amtshandlung allein geführt habe. Auch die Zwangsmaßnahmen seien von RI K gesetzt worden.

 

Mit RI K sei von Obstlt. S am 20. Oktober 2006 eine Nieder­schrift aufgenommen worden, worin insbesondere auf die vorstehend angeführten Sachverhalte eingegangen worden sei. Er habe darin ua. angegeben, dass er die gegenständliche Amtshandlung so wie viele andere Amtshandlungen auch geführt habe. Unüblich sei nur die Vorgehensweise des Lenkers gewesen, als dieser mit der Begründung, dass er seinen Chef anrufen müsse, wenn CI H bei der Amts­handlung anwesend sei, vorerst die Herausgabe der Dokumente verweigert habe.

 

Zusammenfassend werde aufgrund der Erhebungen festgehalten, dass durch das Einschreiten des Beamten keine Richtlinie nach § 31 SPG verletzt worden sei. Es dränge sich vielmehr der Verdacht auf, dass der Bf versuche, durch die Einbringung von UVS-Beschwerden über seinen Rechtsanwalt die Beamten von Kontrollen seiner Fahrzeuge abzuhalten.

 

2.3. Mit Schreiben vom 14. November 2006 erstattete der Bezirkshauptmann des Bezirks Wels-Land eine Gegenschrift und begehrte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gemäß UVS-Auf­wand­er­satz­verordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003, Schriftsatzaufwand, Ver­handlungs­auf­wand und Vorlageaufwand zuzusprechen.

 

Begründend wird zuerst ausgeführt, dass die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde aufgrund des ihr zugänglichen Sachverhaltes davon ausgehe, dass das Organhandeln in korrekter Vollziehung des Gesetzes, insbesondere des § 102 Abs. 12 KFG 1967 iVm. § 102 Abs. 1 KFG 1967 und der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 erfolgt sei.

 

In der Folge wird auf die Homepage des Arbeitsinspektorates und auf deren Inhalt betreffend die Verwendung des Kontrollgerätes im Fahrzeug nach der VO 3821/85 verwiesen.

 

Es werde davon ausgegangen, dass § 102 Abs. 12 KFG 1967 zur Sicherstellung der Einhaltung der Bestimmungen der im Anlassfall relevanten gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen Zwangsmaßnahmen und hier unter anderem auch die Abnahme der Fahrzeugschlüssel, das Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges, das Anbringen von technischen Sperren und dergleichen erlaube und dass in dieser demonstrativen Aufzählung gleichorientierte gelindere Mittel jedenfalls zulässig sein müssten. In diesem Sinne habe der Gesetzgeber ja auch über die Aufrechterhaltung bzw. Auf­hebung solcher Zwangsmaßnahmen plausible Regelungen vorgesehen, die unter anderem sicherstellen würden, dass die Weiterfahrt des blockierten Fahrzeuges für den Fall der zur Verfügungstellung eines entsprechend unbedenklichen Lenkers ermöglichen werde. Es könne nicht angehen, dass aus Erwägungen der Humanität getroffene, weniger repressive Maßnahmen (gelindere Mittel) als das Absperren des Kraftfahrzeuges mit selbstredender Entziehung der miteingeschlossenen Fracht­dokumente unzulässig sein solle. Es liege in der Natur der Sache, dass Zwangs­maß­nahmen, die wegen der Unzulänglichkeit der Befindlichkeit des Lenkers gesetzt werden müssten, offenbar vom Gesetzgeber auch gegen ein Objekt akzeptiert würden (verba legalia in § 102 Abs. 12 wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges) insoweit sie geeignet seien zu verhindern, dass ein ungeeigneter Lenker das Fahrzeug zu bewegen im Stande sei.

 

Es sei davon auszugehen, dass das einschreitende Exekutivorgan BI M H aufgrund der Umstände, wie sie ihm zum damaligen Zeitpunkt in der Beurteilung zugänglich gewesen seien und auf deren Grundlage sie auch beurteilt werden müssten, Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Ruhezeiten durch den Lenker des Sattelkraftfahrzeuges hätte haben müssen. Die im § 102 Abs. 12 KFG 1967 vorgesehen Zwangsmaßnahmen würden als verfahrensfreie Verwaltungsakte eo ipso in sich begreifen, dass eine verantwortungsbewusste, am zu schützenden Rechtsgut orientierte Beurteilung der Notwendigkeit der Maßnahmensetzung ohne Durchführung irgendeines Verwaltungsverfahrens möglich sein müsse, der Ver­waltungszweck orientiert am Gesetz durch die Maßnahme erreicht werden könne und eine Maßnahmensetzung im nur unbedingt notwendigen Umfang gesetzt werde.

 

Der Umstand, dass im Güterverkehr leider häufig der Versuch unternommen werde aus Wettbewerbsgründen Ruhezeiten und Lenkpausen nicht oder nicht im ausreichenden Ausmaß einzuhalten bzw. solche vorzutäuschen, erfordere es von den einschreitenden Organen diesbezüglich entsprechende Sensibilität an den Tag zu legen. Dies entspreche nach Ansicht der belangten Behörde unstrittig sowohl dem Auftrag des Gesetzgebers des KFG 1967 als auch dem der Verordnung EWG Nr. 3820/85 und 3821/85 sowie 2006/22/EG vom 20. März 2006 erlassenden Autoritäten der Europäischen Union.

 

Weiters werde davon ausgegangen, dass die im Verantwortungsbereich der Bezirks­haupt­mann­schaft Wels-Land vorgenommenen Kontrollen, wie eben auch die inkriminierte, dem wirkungsorientierten Handlungsauftrag des Gesetzgebers, der im Übrigen sogar die Zahl der vorzunehmenden Kontrollen vorgebe, entspreche. Der Umstand, dass Lenker einer bestimmten Firma immer wieder die erforderlichen Tacho­graphen­scheiben des Fahrtenschreibers bzw EU-Kontrollgerätes nicht vorlegen könnten, müsse den einschreitenden Beamten sehr wohl Verdachtsmoment genug liefern und hinlänglicher Gesetzesauftrag sein, entsprechen wirkungsvolle Kontroll­mechanismen an den Tag zu legen, die einerseits jedenfalls vom Gesetz her dem Grunde nach akzeptiert seien und zum Anderen vom Gesetzestelos her auch gewünscht erscheinen würden, als sie effektiv in Bezug auf Gefahrenabwehr seien.

 

Es sei auch aus Sicht der belangten Behörde auffällig, wenn Firmen im Bezirk, die letztlich ca. 1.500 Sattelkraftfahrzeuge bzw Lastkraftzüge bewegen würden, im Regelfall keinerlei Probleme im Zusammenhang mit der Belegung der Fahrzeiten ihrer Lenker hätten, hingegen die wenigen Fahrzeuge des Bf immer wieder Anlass zur Besorgnis im Hinblick auf die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten deren Lenker geben würden, weil die entsprechenden vom Gesetz geforderten Belege nicht oder nur unvollständig vorgewiesen werden könnten.

 

2.5. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakte, die vorgelegten Schriftsätze sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungs­senat am 30. November 2006.

 

2.6. Am 4. Dezember 2006 nahm das erkennende Mitglied des Oö. Ver­waltungs­senates bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land Einsicht in den bezughabenden Verwaltungsstrafakt und fertigte sich Kopien der Tachographenscheibe des Vor­falls­tages inklusive Rückseite sowie des letzten Tages davor, an dem der Zeuge H den gegenständlichen LKW lenkte (18. August 2006 bis 21. August 2006) sowie der Frachtpapiere und der Übernahmebestätigung an.

 

2.7. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 wurden dem Bf zu Handen seines rechts­freundlichen Vertreters eine Kopie der Tachographenscheibe vom 23. August 2006 samt Rückseite sowie Kopien der Frachtpapiere und der Übernahmebestätigung übermittelt; gleichzeitig wurde er eingeladen dazu sowie zur Frage, wann der Bf seine eigenen Tachographenscheiben vernichtet hätte, im Rahmen des Parteien­gehörs Stellung zu nehmen.

 

2.8. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2006 nahm der Bf dazu Stellung und führte aus, dass sich aus der von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vorgelegten Tachographenscheibe vom 23. August 2006 zweifelsfrei ergebe, dass auf der Rück­seite ein Ruhezeitstrich vermerkt sei. Die diesbezüglich gegenteiligen Angaben der einschreitenden Beamten hätten sich damit als unzutreffend erwiesen. Aufgrund der Eintragung der Ruhezeit sei jedenfalls klar gewesen, dass eine Fahrzeitüber­schreitung nicht hätte stattgefunden haben können.

 

Zu den Frachtpapieren sei auszuführen, dass diese – wie dies auch bereits den einschreitenden Beamten im Rahmen der Kontrolle mitgeteilt worden sei – bei der Fahrzeugübernahme ausgefüllt worden seien. Auch die Empfangsquittung (Ladeliste vom Absender) sei erst bei der nächsten Beladung einige Tage später in Deutschland beim Versender hinterlegt und nicht bei der Entgegennahme der Ladung durch den Bf unterzeichnet worden.

 

Die Urkunden seien in keiner Weise geeignet, eine Fahrzeitüberschreitung des M H zu bescheinigen. Vielmehr würde sich aus der Tachographenscheibe ergeben, dass eben gerade keine Lenkzeitüberschreitung vorläge.

 

Hinsichtlich der Tachographenblätter des Bf würde sich nicht mehr nachvollziehen lassen, wann diese vernichtet worden seien.

 

2.9. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie aus der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Ver­waltungs­senat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Am 23. Juli 2006, einem Mittwoch, zumindest ab ca. 8.45 Uhr lenkte M H den Sattelschlepper mit dem Kennzeichen S von H aus Richtung W. Der LKW kam aus Deutschland; wer ihn nach Deutschland und zurück gelenkt hat, konnte nicht festgestellt werden. M H lenkte das Fahrzeug auf der Autobahn bis zur Anschlussstelle S und dann weiter auf der B Richtung W. Auf Höhe von Straßenkilometer 7 im Gemeindegebiet von S wurde der Fahrer M H von einer Zivilstreife, namentlich CI M H und GI G K, bei einer (gerade im Umbau befindlichen) Tankstelle angehalten und einer Kontrolle unterzogen.

 

Zuerst begab sich CI H, der der Fahrer des Zivilstreifenfahrzeuges war, zum LKW. Als der Zeuge H CI H, der ihm aus früheren Verfahren namentlich bekannt ist, erkannte, weigerte er sich mit diesem zu reden bzw. sich von diesem kontrollieren zu lassen. In der Folge begann der Zeuge H mit dem Bf zu telefonieren.

 

Um die Situation zu deeskalieren begab sich CI H zurück zum Zivil­streifen­fahr­zeug und GI K übernahm die Durchführung der Kontrolle. M H übergab GI K dann seinen Führerschein, den Zulassungsschein, die Frachtpapiere und die Tachographenscheibe des Vorfallstages. Erst auf Nachfrage übergab er auch dreizehn weitere Tachographenscheiben.

 

Auf der Tachographenscheibe des Vorfallstages ist als Ausgangsort H einge­tragen, weiters der Name des Zeugen M H sowie dass dieser den LKW mit einem Kilometerstand von 34 übernommen hat. Auf der Rückseite der Tachographenscheibe befindet sich der sogenannte Ruhezeitstrich und zwar von 0.00 Uhr bis ca. 8.45 Uhr.

 

M H konnte weder für den 21. August 2006 (Montag) noch für den 22. August 2006 (Dienstag) eine Tachographenscheibe vorweisen. Eine Bestätigung über den von ihm an diesen beiden Tagen angeblich konsumierten Zeitausgleich konnte er ebenfalls nicht vorweisen.

 

Zwischen dem Schaublatt des Vorfallstages und dem letzten Schaublatt, das M H vorlegen konnte, besteht eine Differenz von 1 km.

 

Während der gesamten Kontrolle war die Kommunikation zwischen dem Zeugen M H und dem die Kontrolle durchführenden GI K schwierig. Der Zeuge H machte kaum Angaben, unter anderem verweigerte etwa eine Erklärung dazu, wie er nach H gekommen ist; er half bei der Aufklärung der für die Beamten offenen Fragen nicht mit.

 

GI K untersagte M H am Ort der Kontrolle (Gemeinde S an der B bei Straßenkilometer 7) die Weiterfahrt und erklärte das Fahr­zeug für neuen Stunden als abgestellt. In der Folge gestattete er dem Fahrer die Weiterfahrt bis zum A; die Beamten eskortierten den LKW bis zum Auto­hof, wobei GI K beim A eine Bestätigung für die Ab­nahme von Zulassungsschein, Frachtpapieren und dreizehn Tacho­graphen­scheiben aus­stellte; der Zeuge M H verweigerte seine Unterschrift auf dieser Bestätigung.

 

Am LKW wurden keine Mängel festgestellt; das Kraftfahrzeug selbst wurde daher auch nicht beanstandet.

 

Die abgenommenen Papiere wurden bei der Autobahnpolizei W hinterlegt, wo sie der Zeuge H – mit Ausnahme der Tachographenscheiben – schlussendlich wieder abholte. Der A und die Autobahnpolizei Wels sind rund 2,5 km Luftlinie von einander entfernt. Sowohl der Autohof Wels als auch die Autobahn­polizei Wels sind direkt über eine Autobahn Auffahrt bzw. Abfahrt zu erreichen.

 

Nicht festgestellt werden konnte, ob die Beamten eine Fahrt zum Zielort des LKWs, der Firma E, verweigerten, zu der es vom Kontrollort näher als zum Autohof gewesen wäre.

 

M H verbrachte die gesamten neun Stunden der angeordneten Unter­brechung im A.

 

2.10. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen widerspruchsfrei aus den gegenseitigen Behauptungen, insbesondere auch jenen in der öffentlichen münd­lichen Verhandlung.

 

2.10.1. Nicht festgestellt werden konnte, wer den LKW am Vorfallstag und die zwei Tage zuvor nach Deutschland und wieder zurück nach Österreich bis H gelenkt hat. Sowohl M H als auch der Bf haben angegeben, dass der Bf den LKW gelenkt hat. Daran bestehen jedoch begründete Zweifel. Der Bf hat angegeben, dass er die Tachographenscheiben weggeworfen hat, wie er das immer tut, wenn sich keine besonderen Vorkommnisse ereignet haben. In diesem Zusammenhang ist freilich zu berücksichtigen, dass Lenker des Bf bereits mehrmals von der Polizei kon­trolliert wurden und der Zeuge H unmittelbar nach Beginn der Kontrolle mit dem Bf telefonierte. Es scheint daher in gewissem Maße zumindest erstaunlich, dass der Bf seine eigenen Tachographenscheiben so schnell vernichtet haben will.

 

Erstaunlich scheint auch, warum der Bf dem Zeugen H, den er ja bei der Fahr­zeug­übergabe getroffen haben will, keine Bestätigung über den in den letzten beiden Tagen konsumierten Zeitausgleich ausstellte, obwohl beiden bewusst war, dass es – hinsichtlich einer fehlenden Urlaubsbestätigung – bereits einmal Probleme gegeben hat. Zudem musste sowohl dem Bf als auch dem Zeugen H bekannt sein, dass, wenn ein LKW aus Deutschland kommt und als Ausgangsort auf der Tacho­graphen­scheibe H angegeben ist, kontrollierende Organe Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben hegen. Auch aus diesem Grund ist nicht verständlich, warum der Bf und der Zeuge H nicht für den Fall einer Kontrolle vorgesorgt haben.

 

Es konnte daher nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, wer den gegen­ständlichen LKW von Deutschland kommend gelenkt hat.

 

Ob der Zeuge M H an den zwei dem Vorfallstag vorangehenden Tagen wirklich Zeitausgleich hatte, konnte ebenfalls – unter Hinweis auf die obige Argumen­tation – nicht festgestellt werden.

 

Sämtliche Zeugen, insbesondere auch die beiden einschreitenden Beamten, haben übereinstimmend angegeben, dass am LKW keine Mängel festgestellt wurden.

 

2.10.2. Hinsichtlich des Orts der Anhaltung haben alle drei Zeugen übereinstimmend geschildert, dass dieser auf der B in Steinhaus auf einer im Umbau befindlichen Tankstelle war.

 

2.10.3. Hinsichtlich des Ablaufs der Kontrolle scheint die Schilderung des M H glaubwürdig, dass sich zuerst CI H zu seinem LKW begab und diesen einer Kontrolle unterziehen wollte. So lässt sich auch die Reaktion des Zeugen H erklären, dass er mit CI H nicht reden würde. Dies haben sowohl M H als auch GI K übereinstimmend angegeben; auch CI H hat dies bestätigt. Hätte sich nun GI K zuerst auf den LKW zubewegt und als die Kontrolle leitender Beamter präsentiert, so würde sich die Reaktion des M H – insbesondere im Hinblick darauf, dass er sich in der Folge von GI K kontrollieren ließ und dabei zumindest auch rudimentär mitwirkte – nicht derart schlüssig und im Gesamtkontext gesehen stimmig erweisen. Es ist daher in diesem Punkt den Angaben des M H Glauben zu schenken.

 

Dass M H mit dem Bf telefonierte, hat er selbst angegeben; es bestehen keine Anhaltspunkte, die diesbezügliche Zweifel nahe legen würden.

 

CI H selbst hat geschildert, dass er sich in der Folge zum Zivilstreifenfahrzeug zurückbegab. Unzweifelhaft ist auch, dass danach GI K die Amts­handlung leitete. Sowohl der Zeuge GI K als auch der Zeuge H haben im Wesentlichen übereinstimmend angegeben, wann und wie der Zeuge H dem Zeugen GI K die Papiere übergeben hat. Unstrittig ist auch, dass der Zeuge H mitsamt dem LKW zum Autohof Wels eskortiert wurde, wobei allerdings nicht festgestellt werden konnte, ob die Beamten eine Fahr zum Zielort des LKW ablehnten.

 

2.10.4. Aus den Aussagen der Zeugen CI H und GI K ergibt sich über­ein­stimmend und glaubwürdig, dass der Zeuge H an der Sach­ver­halts­fest­stellung nicht bzw. nur ganz rudimentär mitgewirkt hat. Dies hat der Zeuge H grundsätzlich aus selbst so geschildert.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen (vgl. auch Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Be­schwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

Die behaupteten Maßnahmen fanden – unbestritten – am 23. August 2006 statt. Die Beschwerde ist vom 29. September 2006 datiert (Poststempel vom 2. Oktober 2006). Die Beschwerde langte am 4. Oktober 2006 beim Amt der Oö. Landesregierung und am 5. Oktober 2006 beim Oö. Verwaltungssenat ein; sie ist somit rechtzeitig erhoben worden.

 

3.2. Neben der Rechtzeitigkeit ist weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG, dass über­haupt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, der sich gegen die Person gerichtet hat, die als Be­schwerde­führer im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat auftritt (vgl. Aichlreiter in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht, RZ 49 zu Art. 129a B-VG) und dass die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers zumindest möglich ist (vgl. VwGH 20. Dezember 1995, 95/03/0288, 0289).

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH vom 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Öster­reichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu Art. 129a B-VG).

 

Der Bf war als Zulassungsbesitzer des betroffenen Sattelzugs von den Anordnungen zweifellos betroffen und ist daher grundsätzlich beschwerdelegitimiert.

 

3.3. Er könnte durch die Anordnungen in erster Linie in seinem verfassungs­ge­setzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt sein, das gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZPEMRK geschützt ist. Eigentumsbe­schrän­kungen sind demnach nur in den Fällen rechtmäßig, die durch die Gesetzes­vor­be­halte der genannten Bestimmungen und die auf deren Grundlage ergangenen Normen gedeckt sind. Sie müssen jedenfalls im öffentlichen Interesse gelegen und verhältnismäßig sein. In jedem Fall sind solche Eigentumsbeschränkungen immer vor dem Hintergrund des geschützten Rechts zu beurteilen. Es ist daher im Zweifel eine grundrechtsschutzfreundliche Interpretation des konkreten Eingriffsgesetzes und des konkreten Eingriffs vorzunehmen.

 

3.4. Als die bekämpften Anordnungen rechtfertigende Bestimmung kommt § 102 des Kraftfahrgesetzes 1967 – KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006, in Betracht.

 

Gemäß § 102 Abs. 12 lit. i KFG. 1967 sind Organe des öffentlichen Sicherheits­dienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hiedurch begehen oder begehen würden eine Übertretung des § 102 Abs. 1 dritter Satz, wenn die erforder­lichen Schaublätter nicht mitgeführt, nicht ordnungsgemäß ausgefüllt oder ausge­händigt werden oder des § 102a Abs. 3 bis 8. Zu diesem Zweck sind auf Grund der letzten Sätze des Abs. 12, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahr­zeuges oder der Beladung Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahr­zeug­schlüssel, Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges, Anbringen von technischen Sperren und dergleichen, anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anwendung weggefallen ist, im Falle der lit. d, h, i, j oder k auch, wenn andere Personen, bei denen keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigen, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken.

 

Gemäß § 102 Abs. 1 dritter Satz KFG 1967 haben Lenker von Lastkraftwagen und Sattelzugfahrzeugen mit einem Eigengewicht von mehr als 3.500 kg oder von Omnibussen dafür zu sorgen, dass der Wegstreckenmesser und der Fahrten­schreiber auf Fahrten in Betrieb sind und dass im Fahrtenschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist; es darf pro Person und pro Einsatzzeit im Sinne des § 16 Arbeitszeitgesetz, BGBl. Nr. 461/1969, nur ein Schau­blatt im Fahrtschreiber eingelegt sein, in das der Name des Lenkers einzu­tragen ist; die Schaublätter der laufenden Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, sind mitzuführen; die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicher­heitsdienstes oder der Straßenaufsicht diesen das Schaublatt des Fahrt­schreibers oder des Kontrollgerätes gemäß des Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 sowie die mit­geführten Schaublätter auszuhändigen.

 

Weder die zitierte Regelung des KFG 1967 noch die Gemeinschaftsrechtsnormen (Verordnungen [EWG] Nr. 3820/95 und 3821/95 und [EG] Nr. 561/2006, Richtlinie 88/599/EWG, jeweils in ihrer derzeit geltenden Fassung) geben darüber ausdrücklich Auskunft, was zu geschehen hat, wenn der kontrollierte Lenker die der Kontrolle vorangegangenen Tage auf Urlaub war oder sonst kein entsprechendes Fahrzeug gelenkt hat und daher die Schaublätter der laufenden Woche sowie das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche gar nicht mitführen kann, weil er in diesen Tagen eben gerade nicht gefahren ist. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats kann die Antwort auf diese Frage vor allem aus dem Sinn und Zweck der Regelung erschlossen werden. Mit Hilfe der Schaublätter soll ohne Zweifel eine Kontrolle der Lenkzeiten ermöglicht werden, die ihrerseits dem öffentlichen Interesse dient, das darin gelegen ist, dass nur ausgeruhte und damit fahrtüchtige Personen Kraftfahrzeuge mit einem erheblichen Gefährdungspotenzial lenken sollen. Kann ein Lenker daher die entsprechenden Schaublätter der Vortage deswegen nicht vorlegen, weil er an diesen Tagen kein entsprechendes Fahrzeug gelenkt hat (oder gar auf Urlaub war), ist es nicht erforderlich, dass er ein Schaublatt für diese Zeiträume vorlegt (vgl. so auch EuGH vom 13. Dezember 1991, C-158/90 sowie VwGH vom 30. Jänner 2004, 2003/02/0269). Freilich wird es an der Lenkerin oder am Lenker liegen, dies dem überprüfenden Organ glaubhaft zu machen.

 

3.5. Zur Anordnung der Unterbrechung der Fahrt (Spruchpunkt I):

 

3.5.1. Fraglich ist, ob diese Maßnahme nicht nur dem Lenker gegenüber gesetzt wurde, sondern auch den Bf betrifft. Wie schon dargestellt, richtete sich die vom Organ gesetzte Maßnahme im Ergebnis eben gerade nicht (nur) gegen den kon­kreten Lenker, sondern beeinträchtigte in weiterer Folge auch den Bf als Zu­lassungsbesitzer der Fahrzeuge des Sattelzugs.

 

3.5.2. Wie gezeigt, bietet § 102 Abs. 12 lit. i iVm § 102 Abs. 1 dritter Satz KFG 1967 grundsätzlich die Möglichkeit, die Unterbrechung der Fahrt anzuordnen, wenn der Lenker die in § 102 Abs. 1 dritter Satz KFG 1967 geforderten Schaublätter nicht mitführt.

 

Unstrittig ist, dass der Lenker M H die fraglichen Schaublätter nicht mit­ge­führt hat; zwar befindet sich auf der Rückseite des Schaublattes des Vorfallstages einen Ruhezeitstrich, dennoch ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass zwischen dem Schaublatt des Vorfallstages und dem vom Lenke vorgelegten letzten Schaublatt eine Differenz von 1.712 km besteht. Weder hat der Lenker den Beamten glaubhaft erklären können, wie sich diese Differenz ergibt, noch warum er für die zwei vorangegangen Tage keine Schaublätter mitführte noch wieso er den LKW in H übernommen hat und wer bis dorthin gefahren ist.

 

Wie bereits oben ausgeführt, ist es dabei am Lenker, den überprüfenden Organen derartige Diskrepanzen zu erklären und glaubhafte – der Lebenswahrscheinlichkeit entsprechende – Angaben zu machen. Ausgesprochen problematisch erweist sich dabei die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Lenkers M H, der den einschreitenden Beamten – auch GI K alleine – kaum Informationen gab, insbesondere auch nicht erklärte, wie er nach H gekommen ist und warum er von dort losgefahren ist. Eine solche Haltung muss für die einschreitenden Beamten verdächtig scheinen und ist – vor allem wenn man die oben geschilderten Umstände hinsichtlich der Kilometerdifferenz berücksichtigt, sowie dass keine Schaublätter der letzten beiden Tage vorgelegt werden konnten – dazu geeignet, berechtigte Zweifel an den – äußerst mangelhaften – Angaben des Lenkers auskommen zu lassen. Es wäre am Lenker gelegen, durch kooperatives Verhalten und entsprechende Informa­tionen den einschreitenden Organen glaubhaft zu machen, dass keine Übertretung der oben genannten Bestimmungen vorliegt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass übermüdete Lenker ein hohes Gefährdungspotential dar­stellen.

 

Dass die genannten Polizisten aufgrund der Umstände – fehlende Schaublätter, Differenz der Kilometer, Übernahmeort Haag und mangelnde Ko­operations­be­reitschaft des Lenkers – misstrauisch hinsichtlich der Einhaltung der Lenkzeiten waren, ist verständlich, weshalb es auch gerechtfertigt war, die Unterbrechung der Fahrt anzuordnen. Die Dauer der Unterbrechung ergibt sich – nachvollziehbar – aus der gesetzlichen Ruhezeit.

 

3.5.3. Die von den einschreitenden Beamten, insbesondere von GI K, angeordneten Maßnahmen sind daher verhältnismäßig und erforderlich, weshalb die Beschwerde gegen die Anordnung der Unterbrechung der Fahrt als unbegründet abzuweisen war.

 

3.6. Zur Nichtwiederausfolgung (Beschlagnahme) der Frachtpapiere und des Zulas­sungs­scheins des Fahr­zeugs mit dem Kennzeichen S (Spruchpunkt II):

 

Unbestritten ist, dass die im Zuge der Fahrzeug- und Lenkerkontrolle notwendige Übergabe der Frachtpapiere und der Zulassungsscheine durch den Lenker an den einschreitenden Beamten zunächst freiwillig erfolgte oder jedenfalls gesetzlich ge­deckt ist. Gegenstand des Verfahrens bildet jedoch der Umstand, dass diese Urkunden nach dem Ende der (ihrer) Kontrolle dem Lenker nicht wieder ausgefolgt wurden.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Ab­nahme des Zulassungsscheines durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zumindest der Verdacht, dass das Fahrzeug nicht den Zulassungsvoraussetzungen entspricht bzw. wenn befürchtet werden muss, dass sich bei (bestimmungsgemäßer) weiterer Verwendung des Fahrzeuges im Straßenverkehr eine Unfallsituation ergeben wird (VwGH vom 30. Mai 2001, 2001/11/0037; vom 27. November 1985, 85/11/0226). Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. November 1985, 85/11/0226, ausgesprochen hat, wird durch die Abnahme des Zu­lassungsscheins auch die weitere Benützung eines Fahrzeuges durch andere Per­sonen unmöglich gemacht, wofür aber so lange keine sachliche Notwendigkeit be­steht, als nicht das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen in Frage gestellt wird.

 

§ 102 Abs. 12 KFG sieht ua. im oben dargestellten Fall der lit. i vor, dass Zwangs­maßnahmen ergriffen werden können; dabei werden zweifellos demonstrativ (arg.: […] und dergleichen […]) verschiedene Zwangsmaßnahmen genannt, nämlich die Abnahme der Fahrzeugschlüssel, das Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges und das Anbringen von technischen Sperren. Die Fahrzeugpapiere werden – obwohl dies durchaus naheliegend wäre – nicht genannt.

 

Bei den in § 102 Abs. 12 KFG demonstrativ genannten Zwangsmaßnahmen muss nach Ansicht des erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats danach unter­schieden werden, ob das Fahrzeug bzw. dessen Verkehrstüchtigkeit betroffen ist, oder ob es sich um Probleme handelt, die in der Person des Lenkers begründet sind. Grundsätzlich sind daher falls erforderlich je nach Einzelfall Zwangsmaßnahmen anzuwenden, die sich entweder gegen den Fahrer oder gegen das Fahrzeug richten. Die genannte beispielsweise Aufzählung ermöglicht jedenfalls nicht, ohne nähere Prüfung, unterschiedslos in jedem Fall eine uneingeschränkte Auswahlmöglichkeit.

 

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt zweifelsfrei ergibt, wies der Sattelzug im Zeitpunkt der Kontrolle keinerlei Mängel auf.

 

Die Papiere wurden vom Fahrzeug weg und zur Autobahnpolizei Wels gebracht. Wie auch vom einschreitenden Beamten geschildert richtet sich die Maßnahme nicht gegen das Fahrzeug selbst sondern gegen den Lenker. Es ist daher erforderlich zu gewährleisten, dass andere potentielle Lenker mit dem Fahrzeug wegfahren könnte. Dies ist nicht möglich, solange Zulassungsschein und Frachtpapiere nicht beim Fahrzeug sind. Allerdings ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass sich der Autohof Wels in unmittelbarer Nähe von der Autobahnpolizei Wels befindet.

 

Entscheidend ist, dass ein anderer Lenker das fragliche Fahrzeug möglichst schnell in Betrieb nehmen kann. Der vorliegenden Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Ort, an dem der LKW abgestellt stand, und der Ort, an dem sich die Papiere befanden, sehr nahe beieinander liegen. Es ist daher für einen anderen potenziellen Lenker jedenfalls gewährleistet, dass er schnell und verhältnismäßig unkompliziert an Zulassungsschein und Frachtpapiere gelangt und die Fahrt fortsetzen könnte.

 

Zwar stellt die ergriffene Zwangsmaßnahme zweifellos eine Maßnahme und einen Eigentumseingriff dar, weil durch sie der für diese Sache wesentliche Gebrauch als Fahrzeug dem Eigentümer erschwert wird, doch ist im vorliegenden Fall aufgrund der geographischen Nähe gewährleistet, dass ein anderer potenzieller Lenker ver­hältnismäßig schnell den LKW in Betrieb nehmen kann. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die gesetzte Maßnahme für den Lenker zweifellos ein gelinderes Mittel darstellte als die Abnahme der Fahrzeugschlüssel, da er so die angeordnete Ruhezeit im LKW verbringen konnte. Die Maßnahme war daher verhältnismäßig und nicht rechtswidrig.

 

Auch die dagegen gerichtet Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist gemäß § 79a Abs. 2 und 3 AVG hinsichtlich beider Beschwerdepunkte die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen.

 

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 79a AVG in Verbindung mit der UVS-Auf­wand­er­satz­ver­ordnung 2003, wonach die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterliegende Partei hat; dabei waren die in einem Schriftsatz gemeinsam gestellten Beschwerden formal grundsätzlich als zwei Beschwerden anzusehen, da sie jede für sich – entsprechend dem behaupteten Geschehensablauf – einer isolierten Beurteilung zugänglich sind (vgl. § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985).

 

Da die belangte Behörde obsiegende Partei ist, hat sie gemäß § 79a Abs. 3 AVG Anspruch auf Kostenersatz. Im Umfang dieses Beschwerdepunktes waren ihr daher Schriftsatz-, Vorlage- und Ver­handlungsaufwand gemäß der UVS-Auf­wand­er­satz­ver­ordnung zuzusprechen.

 

5. Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

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