Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521490/2/Kof/Be

Linz, 15.12.2006

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn M N, geb., S, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 7.11.2006, VerkR21-452-2004 betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

 

    Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

   

   

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z.1 und 8 Abs.3 Z.4 FSG

      BGBl. I/120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I/153/2006

§ 29 Abs.3 FSG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 7, 24 Abs.1 Z1, 24 Abs.4, 25 und 29 FSG sowie § 3 FSG-GV

 

-          die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung – gerechnet ab Zustellung des Bescheides – entzogen und

-          aufgefordert, seinen Führerschein ab Vollstreckbarkeit des Bescheides unverzüglich  abzuliefern.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist folgende Berufung einbracht:

 

" Bin weder gesundheitlich eingeschränkt

fahre 20 Jahre unfallfrei,   4,5 Jahre Taxi,   über eine Million Kilometer zurückgelegt!!!

 

Psychiaterin Dr. Z. liegt komplett falsch mit ihrer Einstellung.

Bin kein aggressiver Autofahrer noch leide ich an einer persönlichen Einstellung!!!

Sie hat mir Zyprexa und Mutan veschrieben.

Beim dritten Arztgespräch haben wir über die Medikamente gesprochen.

Habe sie zur Rede gestellt.   Sie widerspricht sich!   Diese Ärztin ist eine Null!!! "

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Anmerkung:  Im folgenden wird der Name des Bw durch die Wendung "Bw" ersetzt.

 

Frau Dr. C. Z., Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie in L. hat betreffend die Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 – Klasse B aus fachärztlich psychiatrischer Sicht das umfangreiche psychiatrische Gutachten vom 1.10.2006 erstellt:

 

" Status psychicus

Der Bw ist wach, ausreichend orientiert, kontaktfähig und –bereit.

Im Gespräch ist er freundlich, angepasst und gut affizierbar.

Er ist auch bereit, die an ihn gestellten Fragen prompt zu beantworten.

Die Stimmung ist indifferent.

Sein Affekt ist in Bezug auf seine Anlasstaten inadäquat.

Glaubliche Reue findet sich nicht.

Der Bw zeigt fragliche Einsicht für sein unkontrolliertes, impulsives, verbal und tätlich aggressives Verhalten und hat keine Strategie zur Vermeidung in Zukunft.

Das emotionale Mitschwingen im Gespräch ist etwas herabgesetzt, die Psychomotorik ausreichend.

Formale oder inhaltliche Denkstörungen sowie Selbsttötungsabsichten finden sich nicht

 

Status neurologicus

Unauffällig

Anm.: multiple Narben nach Schnittverletzungen im Bereich beider Arme, Oberschenkel und im Bereich des Thorax.

 

Zusammenfassung:

Der Bw wuchs in problematischen Verhältnissen auf. Seinen Vater kennt er kaum. Seine Mutter und deren Schwester wohnten zusammen und stritten sehr oft miteinander. Die Tante war alkoholkrank und ist inzwischen verstorben.

Der Bw war wegen seines Kleinwuchses schon frühzeitig den Verletzungen und Demütigungen seiner Umgebung ausgesetzt.

In der Schule war er der Kleinste und wurde nicht ernst genommen.

Seine Mitschüler unterstützten ihn nicht.   Im Gegenteil, sie schikanierten ihn.

Durch Behandlung mit einem Wachstumshormon konnte der Bw  im Wachstum etwas aufholen. Als er in die Lehre eintrat, war er aber mit 1,30 m immer noch der Kleinste im Betrieb. Er wurde Rauchfangkehrer, da er für seine Wunschberufe zu klein und zu schwach war.

 

Der Bw hatte nie jemanden, dem er sich mitteilen konnte.

Er hatte nie das Gefühl, geliebt und angenommen zu sein und konnte dementsprechend auch kein Selbstwertgefühl und keine Selbstsicherheit entwickeln. Die Demütigungen und Verletzungen seiner Umgebung stauten sich auf.

Er konnte keine adäquaten Strategien entwickeln, sich dagegen zu wehren.

Seine Hilflosigkeit führte zu Wut, die sich schließlich in sowohl verbalen als auch tätlich aggressiven Ausschreitungen entlud.

Der Bw versuchte durch Alkohol, seine inneren Spannungen abzubauen.

Er trinkt täglich ein bis zwei Halbe Bier. Besonders in den letzten Monaten fügt er sich auch selbst Verletzungen zu, um seine Spannung zu entladen.

Durch sein impulsives und unkontrolliertes, aggressives Verhalten kam der Bw mit dem Gesetz in Konflikt, was ihm mehrere Verurteilungen einbrachte.

 

Am 18. September 2006 suchte der Bw erstmals eine niedergelassene Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie auf, und nimmt seither zur Stimmungsstabilisierung Olanzapin, ZyprexaÒ und ein Antidepressivum, Fluoxetin, MutanÒ ein.

 

In Zusammenschau der bekannten Fakten ist davon auszugehen, dass der Bw an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet, in deren Rahmen es sowohl zu aggressivem Verhalten nach außen als auch zu autoaggressiven Handlungen kam.

 

Der Bw zeigt impulsive Handlungen, deren Konsequenzen er nicht bedenkt. Er missachtet Normen und Regeln und hat eine sehr niedrige Frustationsschwelle für aggressives Verhalten. Seine Handlungen versucht er durch vordergründige Rationalisierungen zu erklären. Inwieweit er dazu neigt, Vorfälle auf sich gerichtet zu betrachten, im Sinne einer paranoiden Deutung, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, ist jedoch zu vermuten.

 

Diagnose:  Kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional instabil, dissozial) F60.3.

 

Stellungnahme

Im Rahmen seiner Persönlichkeitsstörung neigt der Bw zu impulsiven, unkontrollierten, aggressiven Durchbrüchen u. a. auch im Straßenverkehr, die ein Gefährdungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer und auch für den Bw selbst  darstellen.

 

Somit ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1, Klasse B, durch den Bw derzeit aus fachärztlicher Sicht nicht zu befürworten. "

 

Im Anschluss daran hat die amtsärztliche Sachverständige der belangten Behörde, Frau Dr. G. H. das amtsärztliche Gutachten nach § 8 FSG vom 18.10.2006 erstellt und im Ergebnis ausgeführt dass der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 – Klasse B  nicht geeignet ist.

 

" Die Nichteignung gründet sich auf die nervenfachärztliche Stellungnahme von Frau Dr. Z in Zusammenschau auch mit der verkehrspsychologischen Stellungnahmen.

Der Verkehrspsychologe beurteilt zwar den Bw als bedingt geeignet zum Lenken von Kfz der Klasse B, betont jedoch den Erhalt der Lenkberechtigung von einer befürwortenden psychiatrischen Stellungnahme abhängig zu machen.

Sowohl der Verkehrspsychologe als auch die Nervenfachärztin beschreiben eine ungünstige Befundlage zur Persönlichkeit mit geringer emotionaler Stabilität und Affektkontrolle und geringen sozialen Konfliktfähigkeiten.

Der Verkehrspsychologe erklärt die Vorfälle der Vergangenheit damit, dass der Untersuchte nur über ungenügende Strategien verfüge um mit sozialen Konflikten umzugehen bzw. den daraus resultierenden Stress zu bewältigen, bis sich die aufgestauten Emotionen in mehr oder weniger nicht mehr kontrollierten Handlungen entladen. Durch eine besonders emotionale Beziehung zum Kfz und Straßenverkehr und dem hohen Potential an sozialem Konfliktstoff bei der Teilnahme am Straßenverkehr verwundere es nicht weiters, dass sich die Auffälligkeiten vorwiegend in diesem Bereich ergeben. Der Verkehrspsychologe beschreibt auch eine eingeschränkte intellektuelle Flexibilität und Selbstreflexionsfähigkeit, welche die selbstständige Ausarbeitung geeigneter Strategien erschwere.

Der Verkehrspsychologe führt aber auch an, dass sich der Untersuchte im nachhinein einsichtig gebe hinsichtlich der Notwendigkeit einer Einstellungs- und Verhaltensänderung und die diesbezüglichen Absichten erscheinen auch glaubhaft.

Positiv zu werten sei in diesem Zusammenhang die gegenwärtige Behandlung und Dauermedikation, welche vom Untersuchten gut angenommen werde.

Der Verkehrspsychologe leitet aufgrund der Medikation und Behandlung eine Verminderung der Gefahr von unkontrollierten Verhaltensweisen in Folge einer Affektinstabilität ab und befürworte deshalb – unter der Voraussetzung einer befürwortenden nervenfachärztlichen Stellungnahme – eine bedingte Fahreignung.

Frau Dr. Z., die begutachtende Nervenfachärztin diagnostiziert eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional instabil, dissozial) in deren Rahmen es sowohl zu aggressiven Handlungen nach außen als auch zu autoaggressiven Handlungen kam.

 

Frau Dr. Z. legt ausführlich die Hintergründe dieser Entwicklung dar und beschreibt dass der Bw seiner Persönlichkeitsstörung zu impulsiven, unkontrollierten, aggressiven Durchbrüchen u.a. auch im Straßenverkehr neige, die ein Gefährdungsmoment für andere  Verkehrsteilnehmer  und  auch  für  den  Bw  selbst  darstellen.

Im Gegensatz zum Verkehrspsychologen führt Frau Dr. Z. an, dass der Bw fragliche Einsicht zeige für sein unkontrolliertes, impulsives, verbal und tätlich aggressives Verhalten und keine Strategien habe zur Vermeidung solcher Verhaltensweisen für die Zukunft.

Frau Dr. Z. kommt zum Schluss, dass somit das Lenken eines Kfz der Gruppe 1, Klasse B, durch den Bw derzeit nicht zu befürworten sei und sie empfiehlt regelmäßige fachärztliche Betreuung mit Optimierung der medikamentösen Therapie und psychotherapeutische Unterstützung.

Therapeutisches Ziel einer Persönlichkeitsstörung sei eine Nachreifung der Persönlichkeit und so ein Erlangen von altersadäquaten Verhaltensmustern und Problembewältigungsstrategien. Allerdings beurteilt Frau. Dr. Z. die Prognose auch unter optimalen Therapiebedingungen als ungünstig.

Ergänzend telefonisch befragt am 18.10.2006 zur Annahme des Verkehrspsychologen die eingeleitete Medikation könne die Gefahr von unkontrollierten Ausbrüchen vermindern, meint Frau Dr. Z. der Bw müsse unter Medikation mindestens ein halbes Jahr beobachtet werden und brauche unbedingt Psychotherapie.

Denn Medikation alleine verändere nicht per se die Persönlichkeitsstruktur bzw. das Konfliktlösungsvermögen. "

 

Sowohl das Gutachten der Frau Dr. C. Z. vom 1.10.2006, als auch das Gutachten der amtsärztlichen Sachverständigen sind vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei  und entsprechen den Denkgesetzen sowie den Erfahrungen des täglichen Lebens;

Hengstschläger – Leeb, AVG-Kommentar, RZ 62 zu § 52 AVG (Seite 572 f) mit zahlreichen  VwGH-Entscheidungen.

 

Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten widerlegt werden.

Eine Partei muss dem Gutachten des Amtssachverständigen durch Vorlage eines Privatgutachtens auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten.

ständige Rechtssprechung des VwGH, zuletzt etwa Erkenntnis vom 5.7.2006, 2005/12/0042  mit  Vorjudikatur.

 

Der Bw ist dem Gutachten der Frau Dr. C. Z. nicht auf gleicher fachlicher Ebene und dem  amtsärztlichen  Gutachten  überhaupt  nicht  entgegengetreten!

 

Aufgrund dieser schlüssigen Gutachten steht fest, dass der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 – Klasse B derzeit gesundheitlich nicht geeignet ist.

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ist in der zitierten Rechtsgrundlage  (§ 29 Abs.3 FSG)  begründet.

 

Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

      Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.      Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13 Euro angefallen.

 

Mag. Kofler

 

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