Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300763/2/SR/Ri

Linz, 02.01.2007

 

 

 

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der Tier­schutz­ombuds­frau von Oberösterreich gegen den Bescheid des Bezirkshaupt­mannes von Gmunden vom 4. Dezember 2006, Zl. Pol96-121-2005, wegen der Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Tierschutzgesetz, folgenden Beschluss gefasst:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 51 Abs. 1 und § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Ver­waltungs­ver­fahrens­gesetz 1991 – AVG iVm. § 41 Abs. 4 Tierschutzgesetz.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 4. Dezember 2006, Zl. Pol96-121-2005, wurde das gegen K F, E, Sstraße  (in der Folge: Beschuldigter), eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes einer Ver­waltungs­über­tretung nach § 5 Abs. 2 Z 10 und § 16 iVm § 38 des Bundes­ge­setzes über den Schutz der Tiere, BGBl. I Nr. 118/2004, eingestellt. Als Rechts­grund­lage werden § 45 Abs. 1 Z 1 VStG iVm § 38 Abs. 7 Tierschutzgesetz genannt.

 

Begründend wird unter Darstellung der gesetzlichen Vorschriften im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Verein gegen Tierfabriken gegen den Beschuldigten Anzeige erstattet habe und die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt ausgehe: Der Beschuldigte habe am 16. Oktober 2005 von 9.45 Uhr bis 10.45 Uhr im Gemeindegebiet Kirchham mindestens 2 Lockvögel in winzigen Fallen gehalten und somit diese Tiere einer Bewegungseinschränkung ausgesetzt.    

 

Das Bezirksgericht Bad Ischl habe den Beschuldigten nach der Bestimmung des § 222 StGB (Tierquälerei) angeklagt und am 15. Mai 2006 nach der Bestimmung des § 259 Z 3 StPO freigesprochen, da nicht habe erwiesen werden können, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe.

 

Unter Hinweis auf Art. 4 7. ZPEMRK führt die belangte Behörde aus, dass der dem Beschuldigten durch die Verwaltungsstrafbehörde vorgeworfene Tatbestand dem vom Bezirksgericht weitgehend entspreche, weshalb zwingend die Subsidiaritäts­klausel des § 38 Tierschutzgesetzes anzuwenden sei. Das gegen den Beschuldigten eingeleitete Strafverfahren sei daher einzustellen.

 

1.2. Dieser Bescheid wurde dem Beschuldigten nach dem 6. Dezember 2006 zugestellt; der Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich wurde der Bescheid mit e‑Mail am 4. Dezember 2006 zugestellt.

 

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 erhob die Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich gegen den genannten Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden Berufung an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte, ihrer Berufung stattzugeben und den oben näher bezeichneten Bescheid der Bezirks­haupt­mann­schaft Gmunden dahingehend abzuändern, dass über den Beschuldigten gemäß § 5 Abs. 2 Z 10 und § 16 iVm. § 38 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Tierschutzgesetz eine Geld­strafe bis höchstens 7.500 Euro verhängt werde, in eventu den bekämpften Ein­stellungs­bescheid der Bezirkshauptmannschaft zu beheben und die Sache zur ergänzenden Ermittlung an die Bezirkshauptmannschaft zurückzuverweisen.

 

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es die Bezirkshauptmannschaft im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel des § 38 Abs. 7 Tier­schutz­gesetz unterlassen habe genaue Erhebungen durchzuführen und im Bescheid genau darzulegen, aus welchen Gründen im Einzelnen seitens des zuständigen Strafgerichtes ein Freispruch erfolgt sei. Gerade derartige Fest­stellungen wären jedoch notwendig gewesen, um in rechtlicher Hinsicht von der Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel des § 38 Abs. 7 Tierschutzgesetz bzw einem Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot ausgehen zu können. Bei Durchführung der entsprechenden Erhebungen wäre mit Sicherheit ein anderes Verfahrensergebnis möglich gewesen, weshalb der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet sei.

 

Zwar sei nach herrschender Meinung davon auszugehen, dass grundsätzlich auch gerichtliche Freisprüche, die in einem Verfahren gemäß § 222 StGB ergehen, eine „Sperrwirkung“ im Hinblick auf eine Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 38 Tierschutzgesetz entfalten können, doch treffe dies nicht uneingeschränkt und generell zu. Die Verwaltungsstraftatbestände des § 5 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 10 und § 16 iVm. § 38 Tierschutzgesetz würden nämlich weiter reichen als der in § 222 StGB vertypte Tatbestand. Insbesondere betroffen sei die subjektive Tatseite (Vorsatz/Fahrlässigkeit), allerdings würde es auch auf der objektiven Tatseite Unter­schiede geben, die beispielsweise näher ausgeführt werden.

 

Die von der belangten Behörde vertretene – im Ergebnis sehr extensive – Auslegung der Subsidiaritätsklausel in § 38 Abs. 7 Tierschutzgesetz würde auch dazu führen, dass den Verwaltungsstraftatbeständen des § 38 Tierschutzgesetz im Ergebnis kein eigener Anwendungsbereich mehr verbleibe. Ein derartiges „hinweginterpretieren“ einer Rechtsvorschrift sei nach den anerkannten Grundsätzen juristischer Methoden­lehre aber unzulässig, da jede Norm so auszulegen sei, dass ihr ein eigener, selbständiger Wirkungs- und Anwendungsbereich zukomme.

 

Schlussendlich wird darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich sowohl der Fang als auch die Haltung von Singvögeln den betroffenen Tieren Stress und Angst in einem Ausmaß verursache, dass dadurch jedenfalls die objektive Tatseite des § 38 Tierschutzgesetz erfüllt werde. Dies­bezüglich wird auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. G L sowie eine Kundmachung des Tier­schutz­rates, in der der Singvogelfang als Tierquälerei gemäß § 5 Tierschutzgesetz bezeichnet wird, verwiesen. Beide Stellungnahmen sind der Berufung in Kopie angeschlossen.

 

 

2. Der Bezirkshauptmann von Gmunden hat die Berufung samt dem be­zughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da im ange­fochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 


2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

 

Da sich bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen der ent­scheidungs­wesentliche Sachverhalt klären lies und die Berufung zurückzuweisen ist, konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Verhandlung entfallen.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Gegen den Beschuldigten wurde mit Schreiben vom 4.10.2005, Zl. Pol96-121-2005, wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Z 10 und § 16 iVm. § 38 des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz) ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Dieses wurde mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 14. Dezember 2006, Zl. Pol96-121-2005, gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG iVm. § 38 Abs. 7 Tierschutzgesetz eingestellt.

 

Der entsprechende Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden wurde der Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich am 4. Dezember 2006 zugestellt. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 erhob sie dagegen Berufung an den Oö. Ver­waltungs­senat.

 

2.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Akt und wird im Wesentlich auch nicht bestritten.

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 41 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tier­schutz­gesetz – TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004, hat der Tierschutzombudsmann „in Ver­waltungs­ver­fahren nach diesem Bundesgesetz Parteistellung. Er ist berechtigt, in alle Ver­fahrens­akten Einsicht zu nehmen sowie alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Die Behörden haben den Tierschutzombudsmann bei der Ausübung seines Amtes zu unterstützen.“

 

3.2. Wie sich aus dem oben zitierten Gesetzeswortlaut ergibt, kommt dem Tier­schutz­ombuds­mann in „Verwaltungsverfahren“ Parteistellung zu. Der vorliegende Fall betrifft allerdings ein Verwaltungsstrafverfahren. Zu prüfen ist daher, ob dem Tier­schutz­ombuds­mann nur in Verwaltungsverfahren oder auch in Ver­waltungs­straf­ver­fahren Parteistellung zukommt, die gemäß § 51 Abs. 1 VStG Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Berufung ist.

 

3.2.1. Der zitierten Gesetzesbestimmung ist jeden­falls keine ausdrücklich normierte Parteistellung für „Verwaltungsstrafverfahren“ zu entnehmen. Auch sonst enthält das TSchG keine entsprechende ausdrückliche Bestimmung.

 

Die Materialien zum Tierschutzgesetz äußern sich zu dieser Frage nicht; auch dort ist (nur) von „Verwaltungsverfahren“ die Rede (vgl. die EB zur RV 466 und zum AB 509 BlgNR XXII. GP).

 

Das B-VG unterscheidet ausdrücklich zwischen den beiden Begriffen „Verwaltungs­ver­fahren“ und „Verwaltungsstrafverfahren“ (vgl. Art. 11 Abs. 2). Gleiches gilt für einige weitere Bundesgesetze, etwa das Finanzmarktaufsichtsgesetz (§ 21 Abs. 1), das Wert­papieraufsichtsgesetz (vgl. § 32b Abs. 2) und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 (vgl. § 15 Abs. 6 bzw. 7).

 

Weitere Bundesgesetze enthalten Bestimmungen über die Parteistellung, die sich ausdrücklich auf Verwaltungsstrafverfahren beschränken (vgl. etwa § 28a Ausländer­beschäftigungsgesetz).

 

Auch im Art I des Einführungsgesetzes zu den Ver­waltungs­ver­fahrens­gesetzen 1991 – EGVG wird zwischen Verwaltungsverfahren und Ver­waltungs­straf­verfahren unter­schieden, wenngleich nicht übersehen wird, dass dort offenbar mit dem Einschub „Verwaltungs­verfahrens­gesetze“ auch ein Oberbegriff genannt wird.

 

3.2.2. Aus einer Gesamtbetrachtung ergibt sich somit, dass der Bundesgesetzgeber in der Regel grundsätzlich zwischen den Begriffen „Verwaltungsverfahren“ und „Ver­waltungs­straf­verfahren“ unterscheidet und die jeweiligen Anordnungen und Zu­ständigkeiten unter Bedachtnahme auf diese Begrifflichkeiten normiert. Wenn also der Gesetzgeber des TSchG eine Zuständigkeit des Tierschutzombudsmannes für „Ver­waltungs­ver­fahren“ vorgesehen hat, so ist davon auszugehen, dass diesem eine Zuständigkeit für „Ver­waltungs­straf­ver­fahren“ eben gerade nicht zukommt.

 

Diesem Ergebnis kann auch nicht der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes (B 186/06 vom 6. Juni 2006) entgegen gehalten werden, weil der Gerichtshof dort wörtlich lediglich davon spricht, „dass die Einräumung einer (Amts-)Parteistellung an einen Tier­schutz­ombuds­mann von Tirol in einem Ver­waltungs­straf­ver­fahren nach dem Tierschutzgesetz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde“. Damit lässt der Gerichtshof die Frage, ob das TSchG eine solche Parteistellung einräumt im Ergebnis offen.

 

Ein weiteres Argument für die Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Ver­ankerung einer Parteistellung für das Verwaltungsstrafverfahren kann auch darin gesehen werden, dass vor dem Hintergrund des grundsätzlich bestehenden Ver­schlechterungsverbots im Straf­verfahren und dessen Einschränkung im § 51 Abs. 6 VStG die Einräumung einer Parteistellung für Amts- oder Organparteien (die in vielen Fällen ja zur Anwendung des § 51 Abs. 6 VStG führen wird) besonders normiert werden müsste. Eine sprachlich und systematisch zumindest unklare Regelung, darf – um den Beschuldigten nicht in seinen Ver­fahrens­garantien zu beeinträchtigen – daher nicht ausweitend interpretiert werden, dies umso mehr, als – wie im vor­liegenden Fall – zumindest de facto die Organpartei nahezu als Anklagebehörde auftritt (vgl. zu den entsprechenden Grenzen Ver­waltungsgerichtshof vom 25. Februar 2005, 2003/09/0158).

 

Ergänzend dazu kommt, dass § 41 TSchG (auch) im Zusammenhang mit der Partei­stellung des Tierschutzombudsmanns offenbar keinen ausdrücklichen Anknüpfungs­punkt in ört­licher Hinsicht (etwa im Sinn eines Sprengels seiner „Zuständigkeit“) enthält. Gerade für Verwaltungsstrafverfahren hätte es hier jedoch wohl einer ent­sprechenden klaren Regelung bedurft.

 

3.3. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats sprechen insgesamt die besseren Gründe dafür, dass in Verwaltungsstrafverfahren nach dem TSchG der Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich auf Grund des § 41 Abs. 4 TSchG somit keine Parteistellung zukommt.

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Berufung in Verwaltungsstrafverfahren ist gemäß § 51 Abs. 1 VStG die Parteistellung. Da der Tierschutzombudsfrau von Ober­österreich eine solche nicht zukommt, war ihre Berufung als unzulässig zurückzu­weisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann – soweit eine entsprechende Beschwerdelegitimation gegeben ist – innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

 

Beschlagwortung:

Tierschutzombudsfrau; Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren;

§ 41 TSchG, § 41 Abs.4 TSchG;

 

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