Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720129/3/SR/Ri

Linz, 12.01.2007

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des G R, geboren am, deutscher Staatsangehöriger, vertreten durch Dr. P F, Rechtsanwalt in T b W, R, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 28. Juni 2006, Zl. 1-1018946/FP/06, wegen Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insoweit stattgegeben als die Dauer des Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf 10 Jahre  herabgesetzt wird und die Rechtsgrundlage wie folgt zu lauten hat: "§ 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 99/2006". Im Übrigen wird diese abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 86 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 63 ff Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Berufungswerber (im Folgenden: Bw), ein deutscher Staatsangehöriger wurde mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 17. August 2005, Zl. 15HV135/05d, wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 2. und 3. Fall, Abs. 3 1. Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG, des teils vollendeten und teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 4. Fall, Abs. 3 1. Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG und § 15 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 28 Abs. 1 2. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Die Verurteilung ist mit 6. Dezember 2005 in Rechtskraft erwachsen.

 

Der Bw wurde für schuldig erkannt in der Zeit seit ca. Frühjahr 2001 bis 23. März 2005 in Haag am Hausruck, Ort im Innkreis, Sattledt, Wien, Ried im Traunkreis und anderen Orten in wiederholten Angriffen

1.      ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs. 6 SMG) ausmachte, nämlich insgesamt 19.670 Stück Ecstasy-Tabletten verschiedener Prägungen, 501,1 g Kokain und 20 g Amphetamin gewerbsmäßig durch gewinnbringenden Transport mittels LKWs über den Grenzübergang Aachen aus den Niederlanden aus- und über Deutschland und den Grenzübergang Suben nach Österreich eingeführt;

2.      ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs. 6 SMG) ausmachte, nämlich insgesamt 17.500 Stück Ecstasy-Tabletten verschiedener Prägungen, 501,1 g Kokain und 20 g Amphetamin gewerbsmäßig durch gewinnbringenden Verkauf, und zwar die Ecstasy-Tabletten zu Stückpreisen zwischen 2,-- und 2,50 Euro, das Kokain zu Grammpreisen zwischen 55,-- und 60,-- Euro, bzw. teils kommissionsweise Weitergabe an unbekannte und bekannte Drogenabnehmer in Verkehr gesetzt, wobei es hinsichtlich des Verkaufs von 161,1 g Kokain am 23. März 2005 infolge Übergabe an einen verdeckten Ermittler des BMI beim Versuch geblieben ist und

3.      ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG), nämlich ca 2.170 Stück Ecstasy-Tabletten verschiedener Prägungen mit dem Vorsatz bis zur Sicherstellung am 23. März 2005 besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

 

In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass der Bw trotz seines guten Einkommens in finanzielle Turbulenzen geraten war und im Zuge seiner Fernfahrertätigkeit erkannte, welche Gewinne durch den Verkauf von Suchtgiften erzielt werden könnten. Daher habe er sich zu Beginn des Jahres 2001 entschlossen, zur Verbesserung seiner finanziell angespannten Situation, aber auch zur Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten, sich durch den Schmuggel bzw. anschließenden Verkauf von Suchtgift eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Der Vorsatz des Bw habe somit eine kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt umfasst.

 

Bei der Strafbemessung seien das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit, die teilweise Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgifts und der Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind, mildernd gewertet worden. Erschwerend habe sich der lange Tatzeitraum, die Tatwiederholung und die Verwirklichung mehrerer Tatbilder des § 28 Abs. 2 SMG ausgewirkt. Trotz der vorhandenen Milderungsgründe sei der erkennende Senat der festen Überzeugung, dass hinsichtlich des Erstangeklagten die Verbüßung der gesamten über ihn verhängten Strafe indiziert ist, zumal die grenzüberschreitenden Suchtgifttransaktionen des nicht suchtgiftabhängigen Erstangeklagten aus reiner Gewinnsucht in durchaus professioneller Manier über einen äußerst langen Tatzeitraum erfolgt seien. Auch generalpräventive Aspekte würden hier besonders ins Gewicht fallen, da die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tathandlungen eine eminente Gefahr für die Gesundheit der Abnehmer darstellen würden und der Suchtgifthandel mit sogenannten harten Drogen immer mehr um sich greife.

 

2.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 28. Juni 2006, Zl. 1‑1018946/FP/06 wurde über den Bw ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Als Rechtsgrundlage wurden ausschließlich § 60 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Z 1 sowie § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) genannt.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bw am 23. März 2005 auf der Autobahnstation Haag auf der Westautobahn A1 wegen des Verdachtes des Suchtgifthandels festgenommen, am 24. März 2005 in die Justizanstalt Wels eingeliefert und am 17. August 2005 vom LG Wels zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. Die Freiheitsstrafe sei seit dem 6. Dezember 2005 rechtskräftig und der Bw werde sich bis 23. März 2008 in Haft befinden.

 

Nach Ansicht der belangten Behörde stelle das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der Bw halte sich erst kurz in Österreich auf, verfüge in Österreich über keine familiären Bindungen und eine Aufenthaltsverfestigung liege auch nicht vor. § 61 FPG stehe der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

 

Die belangte Behörde kommt nach Darlegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zum Ergebnis, dass das Aufenthaltsverbot zum Schutze des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung strafbarer Handlungen, sohin zur Erreichung von in Art. 8 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität könne den privaten und familiären Interessen keinesfalls gegenüber den maßgeblichen in Art. 8 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich dem Interesse an der Verhinderung an strafbaren Handlungen, am Schutz der Rechte anderer und am Schutz der Gesundheit, Vorrang eingeräumt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe selbst eine ansonsten völlige soziale Integration eines Fremden bei Suchtgiftdelikten der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

2.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 29. Juni 2006 zu eigenen Handen zugestellt worden war, erhob er durch rechtsfreundliche Vertretung in offener Frist Berufung. Darin wird der Antrag gestellt, den gegenständlichen Bescheid aufzuheben, das Verfahren einzustellen und eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen. In eventu wird ein bis März 2008 befristetes Aufenthaltsverbot beantragt.

 

Begründend wird ausgeführt, dass die belangte Behörde lediglich eine Gefährlichkeitsprognose, losgelöst vom Einzelfall, vorgenommen habe. Entgegen den Bescheidausführungen sei der Bw seit dem Jahr 1990 ausschließlich in Österreich bei verschiedenen Speditionsunternehmen als LKW-Fahrer tätig und aufgrund dieser legalen Beschäftigungen auch kranken- und sozialversichert. Infolge seines Alters könne der Bw nicht mehr umgeschult werden. Das für den gesamten Schengenraum geltende Aufenthaltsverbot würde dazu führen, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben und seine Familie (Gattin und Tochter) nicht mehr ernähren könne. Eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft sei daher nicht mehr möglich. Weiters liege eine Aufenthaltsverfestigung vor, da der Bw über acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei und auch aus eigenen Mitteln seinen Unterhalt bestritten habe. Selbst wenn derzeit das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt wäre, wäre es dies ab dem Haftende (voraussichtlich am 23. März 2008) nicht mehr. Durch die unbedingte Strafhaft sei der Bw derart geläutert, dass keine Straftaten mehr zu erwarten seien. Bis zu der gegenständlichen Verurteilung sei der Bw unbescholten gewesen. Da die belangte Behörde nur auf die strafgerichtliche Verurteilung abgestellt hatte, sei das unbefristete Aufenthaltsverbot in ungerechtfertigter Weise erlassen worden.

 

3.1. Mit Schreiben vom 17. Juli 2006 legte die belangte Behörde den gegenständlichen Verwaltungsakt vor.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde erster Instanz, Zl. 1-1018946/FP/06.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da der entsprechende Antrag zurückgezogen worden ist und der entscheidungsrelevante Sachverhalt im Wesentlichen unbestritten ist. 

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige dann zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

4.2. Beim Bw handelt es sich um einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland.

 

§ 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug für die Erlassung von Aufenthaltsverboten für EWR-Bürger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 durfte gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG erfüllt waren. Dabei war § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 13. Oktober 2000, 2000/18/0013).

 

Demgemäß sind auch die §§ 60 ff FPG als bloßer Orientierungsmaßstab für § 86 FPG anzusehen. Die belangte Behörde hatte als Gründe für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG angegeben.

 

Gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatz 1 gilt gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 leg. cit. insbesondere, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Nach § 60 Abs. 3 leg. cit.  liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

§ 73 StGB bestimmt für den Fall, dass das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, dass ausländische Verurteilungen inländischen gleichstehen, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. VI der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen sind.

 

Würde nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 leg.cit. darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1.         Die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden             und  seiner Familienangehörigen

2.         Die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

 

4.3.1. Da der Bw deutscher Staatsbürger, somit EWR-Bürger ist, war auf § 86 FPG abzustellen und zunächst zu prüfen, ob das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Die Erläuterungen zu § 86 FPG (22 GP, RV 952, 106)  verweisen auf die Art. 27 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 Z. a der Richtlinie 2004/38/EG und die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27.10.1977, Rs 30/77 – Fall Bouchereau).

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen  rechtfertigt, ist auf die demonstrative Aufzählung des § 60 Abs. 2 FPG als „Orientierungshilfe“ zurückzugreifen. Entgegenstehende europarechtliche Vorgaben sind dabei jedenfalls zu beachten.

 

Wie unter Punkt 1. ausführlich dargelegt, wurde der Bw wegen  Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

 

Würde § 63 Abs. 1 FPG unmittelbar Anwendung finden, wäre sogar die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig.

 

Die bereits im Bescheid der Behörde erster Instanz wiedergegebenen Verurteilungen werden vom Bw nicht bestritten.

 

4.3.2. Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw grundsätzlich ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände  ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtsstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloßes sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Straftaten des Bw wurden im Urteil des LG Wels einerseits als Verbrechen eingestuft und andererseits ging das entscheidende Gericht trotz vorhandener Milderungsgründe davon aus, dass die Verbüßung der gesamten Strafe über den Bw indiziert ist, da die grenzüberschreitenden Suchtgifttransaktionen des nicht suchtgiftabhängigen Bw aus reiner Gewinnsucht in durchaus professioneller Manier über einen äußerst langen Tatzeitraum erfolgt sind.

 

Das strafrechtlich relevante Verhalten des Bw dauerte vom Frühjahr 2001 bis 23. März 2005. Die nicht unerhebliche kriminelle Energie des Bw richtete sich somit über einen längeren Zeitraum gegen wesentliche Grundinteressen der Gesellschaft.

 

Wie im angesprochenen Gerichtsurteil eindeutig zum Ausdruck kommt, hat der Bw nicht legale Mittel und Wege gesucht, um seine finanziellen Schwierigkeiten (ca. 19.000,-- Euro Schulden) zu beseitigen, sondern er hat den für ihn scheinbar bequemeren Weg der Sanierung gewählt, indem er in verbrecherischer Absicht gewerbsmäßig größere Mengen Suchtgift in Österreich eingeführt und verkauft hat. Zur Durchführung des Schmuggels nach Österreich nutzte der Bw seine Stellung als Fernfahrer.

 

Auch wenn der Rechtsvertreter vorbringt, dass der Bw durch die unbedingte Strafhaft derart geläutert sein wird, dass keine Straftaten von ihm mehr zu erwarten sind, darf nicht übersehen werden, dass die massiven Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung über einen langen Zeitraum erfolgt sind und der Bw die Verbrechen vorsätzlich unter Ausnutzung seiner Stellung grenzüberschreitend begangen hat.

 

Angesichts dieses gravierenden Fehlverhaltens bedeutet ein weiterer Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet daher eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität berührt. Da sich der Bw seit der Verurteilung im Strafvollzug befindet, hat bei der Beurteilung ein allfälliges Wohlverhalten außer Betracht zu bleiben. Angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens des Bw kann zum Entscheidungszeitpunkt keine positive Prognose abgegeben werden.

 

Aus der Sicht des Oö. Verwaltungssenats kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie für die Person des Bw von einer grundsätzlich negativen Prognose im Hinblick auf das zu schützende Grundinteresse der Gesellschaft ausgeht (vgl. in diesem Sinn auch VwGH vom 7. April 2005, 2005/18/0101).

 

Zugunsten des Bw ist jedoch zunächst sein Alter, seine Mitwirkung im Strafverfahren und sein umfassendes Geständnis zu berücksichtigen.

 

Unter dem Aspekt des Art. 8 Abs. 2 MRK vermag hingegen der Umstand, dass der Bw, weil das Aufenthaltsverbot für sämtliche Schengen-Staaten gilt, keine Lkw-Fahrten mit Auslandsbezug mehr durchführen kann, gerade im Hinblick auf die Art und Weise seiner Tatbegehung (grenzüberschreitenden Suchtgifttransaktionen) das beeinträchtigte Allgemeininteresse nicht zu überwiegen (vgl. dazu allgemein z.B. VwGH v. 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0092).

 

Wenngleich die für den Verbleib des Bw in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Seine Bindungen zu Österreich ergeben sich ausschließlich aus den Beschäftigungsverhältnissen bei österreichischen Unternehmern.

 

Das Vorbringen des Rechtsvertreters des Bw ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, jedoch im Hinblick auf den ausführlich dargestellten Geschehensablauf nicht geeignet, ein überwiegendes Interesse des Bf zu begründen. Da im gegenständlichen Fall das strafrechtlich relevante Verhalten und die kriminelle Energie des Bw schwerer wiegen als die Auswirkungen auf seine Lebenssituation in Österreich wären die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht vertretbar. Damit sind aber in der Person des Bw alle Tatbestandselemente konkret und auf den speziellen Fall abgestellt erfüllt. Es liegt wie gezeigt - außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt - eine tatsächliche und hinreichend schwere (erhebliche) Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. in diesem Sinn die zitierte Entscheidung des EuGH, sowie etwa VwGH vom 30. November 2004, 2002/18/0036).

 

Als für die Erlassung maßgeblicher Sachverhalt im Sinn des § 86 Abs. 1 letzter Satz FPG sind jedenfalls die angeführten Delikte des Bw im Zeitraum Frühjahr 2001 bis 23. März 2005 anzusehen. Da der Bw in Österreich keinen Wohnsitz hatte, kommt ihm das weitere Privileg des  § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG nicht zu.

 

All dies berücksichtigend findet es der Oö. Verwaltungssenat daher als den Umständen des vorliegenden Falles − unter besonderer Beachtung des Faktums, dass es sich beim Bw (der zwar keine familiären oder sozialen Bindungen zu Österreich aufweist) um einen Unionsbürger handelt (der vor der Festnahme in Österreich keinen Wohnsitz sondern nur seinen Arbeitgeber hatte) und das Aufenthaltsverbot damit faktisch nicht nur für Österreich, sondern für den gesamten Schengen-Raum gilt − angemessen, die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren festzusetzen.

 

4.4. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

4.5. Abstellend auf Art. 32 der Richtlinie 2004/38/EG kann der Bw nach einem entsprechend den Umständen angemessenen Zeitraum, in jedem Fall aber drei Jahre nach Vollstreckung des nach dem Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß erlassenen endgültigen Aufenthaltsverbotes einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes unter Hinweis darauf einreichen, dass eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt hat.

 

Ergänzend wird der Bw darauf hingewiesen, dass er gemäß § 72 FPG einen Antrag auf Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes einbringen kann. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung kann dem Fremden die Bewilligung zur Wiedereinreise auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen privaten Gründen notwendig ist und die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstehen und auch sonst kein Visumsversagungsgrund vorliegt.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 17.03.2007, Zl.: B 295/07-3

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 14.06.2007, Zl.: 2007/18/0159-5

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