Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161443/10/Zo/Jo

Linz, 02.01.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau C G, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R S, B, vom 19.06.2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 29.05.2006, Zl. VerkR96-1750-2006, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung und sofortiger Verkündung am 18.12.2006 zu Recht erkannt:

 

 

         I.      Hinsichtlich des Schuldspruches wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insoweit bestätigt.

 

       II.      Es wird von der Verhängung einer Strafe Abstand genommen und eine Ermahnung erteilt.

 

      III.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. und II.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 21 Abs.1 VStG

zu III.: §§ 64 ff VStG         

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I. und II.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau wirft der Berufungswerberin im angefochtenen Straferkenntnis vor, dass diese am 01.03.2006 vor 08.20 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X in Braunau am Inn auf dem K nächst dem Haus K in einen Parkplatz gelenkt und dabei durch ihr Einparkmanöver das rechts neben ihrem Fahrzeug stehende Fahrzeug beschädigt habe. Nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, habe sie es unterlassen ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallsbeteiligten bzw. der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist.

 

Die Berufungswerberin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) verhängt wurde.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung bringt die Berufungswerberin vor, dass sie nicht fahrlässig gehandelt habe. Fahrlässigkeit könnte ihr nur dann vorgeworfen werden, wenn sie die Verursachung eines Sachschadens zumindest für möglich gehalten hätte oder ihr die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätte kommen müssen. Dies sei aber nicht der Fall. Sie habe den Verkehrsunfall fahrlässig herbeigeführt, ihr Fahrmanöver sei aber in keiner Weise riskant gewesen. Es hätte daher von ihr auch keine besondere Aufmerksamkeit verlangt werden dürfen. Sie habe bei ihrem Einparkmanöver nicht mit einer Beschädigung des rechts von ihr stehenden Fahrzeuges rechnen müssen. Der Seitenabstand zu diesem sei ausreichend groß gewesen und beim Aussteigen sei die Beschädigung durch die Beifahrertür verdeckt gewesen.

 

Die Berufungswerberin habe überhaupt nicht mit einem Verkehrsunfall gerechnet und sie habe auch keine Veranlassung gehabt, nach einem Schaden zu suchen. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass der Unfall akustisch oder als Stoßreaktion wahrnehmbar gewesen sei, sondern die Behörde habe sich ausschließlich auf die optische Wahrnehmbarkeit gestützt.

 

Die Berufungswerberin sei trotz ihres hohen Alters und der regelmäßigen Teilnahme am Straßenverkehr verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Sie sei keineswegs eine rücksichtslose oder unachtsame Fahrerin, weshalb ihre Verantwortung auch glaubwürdig sei. Auch die Erstinstanz habe ihr kein vorsätzliches Handeln vorgeworfen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18.12.2006. Bei dieser wurde der erstinstanzliche Verfahrensakt verlesen sowie ein Gutachten eines Sachverständigen für Verkehrstechnik zur Frage der Wahrnehmbarkeit dieses Verkehrsunfalles eingeholt und erörtert.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Berufungswerberin lenkte zur Vorfallszeit ihren PKW an der Unfallstelle. Sie parkte mit ihrem Fahrzeug in eine Parklücke, wobei sie mit dem rechten vorderen Stoßstangeneck das rechts neben ihr abgestellte Fahrzeug streifte. Dabei verursachte sie eine Streifspur sowohl entlang der linken hinteren als auch der linken vorderen Tür dieses Fahrzeuges. Ihr Fahrzeug kam so zum Stillstand, dass das rechte vordere Stoßstangeneck unmittelbaren Kontakt mit dem Radkasten des neben ihr abgestellten Fahrzeuges hatte. Die vordere obere Kante ihres rechten Kotflügels wies nur wenige Zentimeter Abstand zum beschädigten Fahrzeug auf.

 

Die Berufungswerberin musste ihr Fahrzeug über die Beifahrertür verlassen, weil der Abstand zu dem links neben ihr stehenden Fahrzeug zu eng war. Ihre Angaben, wonach durch die geöffnete Beifahrertür der Schaden bei dem neben ihr stehenden Fahrzeug verdeckt wurde und sie nach dem Schließen der Fahrertür mit dem Rücken zum beschädigten Fahrzeug stand, sind glaubwürdig. Es ist auch glaubwürdig, dass sie den Verkehrsunfall tatsächlich nicht wahrgenommen hat.

 

Zur Wahrnehmbarkeit führte der Sachverständige zusammengefasst aus, dass das Streifgeräusch jedenfalls aufgrund seiner Lautstärke sowie der Unterschied in der Frequenzstruktur zu den üblichen Fahrgeräuschen hätte auffallen müssen. Dies begründete er nachvollziehbar mit den Ergebnissen eines Unfalltests, bei welchem die Lautstärke einer geringfügigen Streifkollision gemessen wurden. Zur optischen Wahrnehmbarkeit führte der Sachverständige aus, dass die unmittelbare Kontaktstelle, also das rechte vordere Stoßstangeneck, von der Berufungswerberin nicht eingesehen werden konnte. Sie konnte aber die vordere obere Kante ihres rechten Kotflügels sehen und musste dabei wahrnehmen, dass diese nur einen ganz geringfügigen Abstand zu dem neben ihr stehenden Fahrzeug hatte. Es musste ihr auch bekannt sein, dass ihre Stoßstange weiter aus dem Fahrzeug herausragt und diese daher möglicherweise das neben ihr stehende Fahrzeug gestreift hatte, weshalb sie verpflichtet gewesen wäre, sich entsprechend zu vergewissern.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

5.2. Die Berufungswerberin hat den gegenständlichen Verkehrsunfall verursacht und keine Unfallmeldung erstattet. Sie hat damit die Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Hinsichtlich ihres Verschuldens ist festzuhalten, dass ihr keinesfalls vorsätzliches Verhalten vorgeworfen wird. Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn sie nach den Umständen des Falles mit der Möglichkeit eines Verkehrsunfalles hätte rechnen müssen. In diesem Fall wäre sie verpflichtet gewesen, sich entsprechend zu vergewissern und hätte dann die Kratzspur leicht wahrnehmen können. Dazu ist anzuführen, dass sie nach den Ausführungen des Sachverständigen das kratzende Geräusch hätte hören können. Auch wenn man berücksichtigt, dass das Hörvermögen der Berufungswerberin aufgrund ihres Alters schlechter ist, bleibt dennoch die optische Wahrnehmbarkeit zu beurteilen. Nach den im Akt befindlichen Fotos ist ihr Fahrzeug so zum Stillstand gekommen, dass die vordere obere Kante ihres rechten Kotflügels nur wenige Zentimeter vom benachbarten Fahrzeug entfernt war. Aufgrund ihrer Fahrlinie und des Umstandes, dass die Stoßstange über die Karosserie hinausragt, hätten daher der Berufungswerberin doch erhebliche Zweifel daran kommen müssen, ob sie das benachbarte Fahrzeug gestreift hat. Es ist allgemein bekannt, dass bei allen modernen PKW vom Fahrersitz aus die Fahrzeugecken nicht exakt eingesehen werden können. Dennoch muss von jedem geprüften Kraftfahrzeuglenker verlangt werden, dass er mit den ungefähren Abmessungen seines Fahrzeuges vertraut ist und er zumindest annähernd einschätzen kann, ob er mit seinem Fahrzeug einen anderen Gegenstand berührt hat oder nicht. Wenn es zu einem derartigen knappen Fahrmanöver gekommen ist, so ist jeder Fahrzeuglenker verpflichtet, sich eben durch Nachschau zu vergewissern, ob es nicht allenfalls zu einer Berührung und damit verbunden zu einer Beschädigung von Sachen gekommen ist. Dies gilt auch für den gegenständlichen Fall. Die Berufungswerberin hätte aufgrund der Endstellung ihres Fahrzeuges doch Zweifel daran haben müssen, ob sie ihr Einparkmanöver unfallfrei durchgeführt hat. Sie wäre daher verpflichtet gewesen, das neben ihr stehende Fahrzeug entsprechend zu begutachten und hätte dann die Kratzspur leicht sehen können. Sie hat daher – wenn auch nur leicht – fahrlässiges Verhalten zu verantworten.

 

5.3. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist  und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann dem Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Die Berufungswerberin wollte den gegenständlichen Verkehrsunfall bzw. ihre Beteiligung daran keinesfalls verheimlichen. Hätte sie dies vorgehabt, so hätte sie wohl kaum ihr Fahrzeug in der Unfallendstellung belassen. Es wird ihr lediglich fahrlässiges Verhalten vorgeworfen. Auch ihre bisherige Unbescholtenheit stellt einen erheblichen Strafmilderungsgrund dar. Es besteht auch keinerlei Wiederholungsgefahr, weil der Berufungswerberin in der Zwischenzeit wegen fehlender gesundheitlicher Eignung die Lenkberechtigung entzogen wurde. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Verhängung einer Strafe nicht erforderlich und es kann mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden. Das Verschulden der Berufungswerberin im konkreten Fall ist doch wesentlich niedriger, als dies bei "normalen Fahrerfluchtfällen" üblicherweise der Fall ist.

 

Zu III.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Z ö b l

 

 

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