Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161761/11/Fra/Sp VwSen-521456/11/Fra/Sp

Linz, 11.01.2007

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufungen der Frau K B, S, 43 S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 3. Oktober 2006, VerkR21-91-2006, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung weiterer Maßnahmen sowie gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 3. Oktober 2006, VerkR96-1756-2006, betreffend Übertretung des § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3. Jänner 2007, zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Den Berufungen wird Folge gegeben. Die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 3. Oktober 2006, VerkR21-91-2006, sowie vom 3. Oktober 2006, VerkR96-1756-2006, betreffend das Faktum 1 (§ 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960) werden aufgehoben und die Verfahren eingestellt.

 

 

II.                   Die Berufungswerberin hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Bescheid vom 3. Oktober 2006, VerkR21-91-2006, der Berufungswerberin (Bw) die Lenkberechtigung der Klasse B für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab dem Tag der Führerscheinabnahme, sohin ab 19.6.2006, entzogen. Weiters wurde in diesem Bescheid angeordnet, dass sich die Bw auf ihre Kosten einer besonderen Nachschulung (Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker) zu unterziehen sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme und ein amtsärztliches Gutachten über ihre gesundheitliche Eignung beizubringen hat. Einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wurde im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Straferkenntnis vom 3. Oktober 2006, VerkR96-1756-2006, über die Bw

  1. wegen Übertretung des § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.162 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 384 Stunden) verhängt,
  2. wegen Übertretung des § 7 Abs.5 StVO 1960 eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt und
  3. wegen Übertretung des § 7 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil sie

1.   am 9. Juni 2006 um 05.10 Uhr den Pkw, Kennzeichen P, im Gemeindegebiet von G auf der Gemeindestraße D in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht geweigert hat, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Die Verweigerung erfolgte am 9.6.2006 um 05.58 Uhr im Wohnzimmer im Haus 43 S, S,

2.   die als Einbahn gekennzeichnete Straße entgegen der durch Hinweiszeichen gekennzeichneten Fahrtrichtung befahren hat

     Tatort: Gemeinde G, Gemeindestraße Ortsgebiet, Nr. 2,     Gemeindestraße, D Nr. 2,

     Tatzeit: 9.6.2006, 05.10 Uhr und

3. als Lenkerin des angeführten Fahrzeuges dieses nicht soweit rechts gelenkt hat,           wie ihr dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs      zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer    Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre, da    sie ihren Pkw in Schlangenlinien gelenkt hat.

     Tatort:        Gemeinde G, Landesstraße F, wie auch Freilandstraße Nr.,    Donau B von G, km 18 bis S, km 18 (sowohl     Ortsgebiet wie auch Freilandstraße)

     Tatzeit: 9.6.2006, 05.10 Uhr bis 05.20 Uhr

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG jeweils ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

 

I.2. Dagegen richten sich die rechtzeitig eingebrachten Berufungen. Gegenstand dieser Berufungen ist einerseits der Bescheid  der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 3. Oktober 2006, VerkR21-91-2006 sowie andererseits das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 3. Oktober 2006, VerkR96-1756-2006, dieses jedoch nur hinsichtlich des Faktums 1 (§ 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960). Die Fakten 2 (§ 7 Abs.5 StVO 1960) und 3 (§ 7 Abs.1 StVO 1960) wurden nicht angefochten. Diese sind sohin in Rechtskraft erwachsen und sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die Bw bringt in ihrem Rechtsmittel ua vor, sie sei durch ihre vielfältige berufliche Tätigkeit in ihrer Veranstaltungsagentur, als Studentin an der J-Universität, als Präsidentin des Vereines Grenzfluss und als Schauspielerin beim Theater T in O in einem Zustand höchster Belastung gewesen. Außerdem hätte sie am 8. Juni 2006 zwei Prüfungen im Bereich Unternehmensrechnung bei Prof. R R und Mag. S P abgelegt sowie den Start der drei Tage dauernden Veranstaltung "B" mit der amtierenden Weltmeisterin in der Cafe Konditorei S. Weiters sei sie für die Jurysitzung für den Greiner Kunsthandwerksmarkt mit 120 Einreichungen auf dem Programm und "S – Die kleinsten Seefestspiele Österreichs" in Waldhausen vor der Tür gestanden. Laut Zeugenaussagen sei sie schlafend angetroffen worden. Sie habe aus diesem Grunde nicht wissen können, dass sie eine Aufforderung erhalten habe. Diese Aufforderung habe sie, weil sie geschlafen habe, auch nicht verstehen können. Ganz laienhaft möchte sie noch angeben, dass sie mehr als zwei Jahrzehnte 1,2 Meter neben der B 3 gewohnt habe und Lkw´s zwei Meter neben ihrem Kopfpolster und Schiffe auf der 10 Meter entfernten Donau ihren Schlafplatz passierten und diesem Lärmpegel entsprechend sei auch ihr Schlaf. Ihre ganze Familie könne die Tatsache, wie tief sie schlafe, bezeugen. Sie beantrage daher sowohl das Straferkenntnis hinsichtlich des Faktums 1 sowie den Bescheid betreffend Entziehung der Lenkberechtigung aufzuheben.

 

I. 3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg - als nunmehr belangte Behörde - legte die Rechtsmittel samt bezughabende Verwaltungsakte dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu  entscheiden hat.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3. Jänner 2007 erwogen:

 

Als unstrittig ist die Lenkereigenschaft der Bw festzustellen. Die Bw hat zudem bei der Berufungsverhandlung außer Streit gestellt, dass sie in der besagten Nacht vom 8. Juni 2006 auf den 9. Juni 2006  im Rahmen einer überraschenderweise für sie organisierten Geburtstagsfeier sechs bis acht Seiterl Bier sowie Prosecco konsumiert hat. Es liegt daher auf der Hand, dass sie die vom Meldungsleger AI M wahrgenommenen Alkoholsymptome tatsächlich aufgewiesen hat. Die Voraussetzungen für die Aufforderung zum Alkotest lagen daher vor. Der Meldungsleger AI M hat die Bw in ihrem Wohnzimmer auf der Couch mit Straßenbekleidung liegend schlafend angetroffen, nachdem zuvor die Sektorstreife von einem Lenker telefonisch verständigt wurde, dass der auf die Bw zugelassene verfahrensgegenständliche Pkw an der im Straferkenntnis angeführten Tatörtlichkeit von einer ihm unbekannten Person in unsicherer Weise gelenkt wurde. Dies war auch der Grund, weshalb Herr AI M mit seinem Kollegen R zum Haus der Bw fuhr. Beim Eintreffen stand dieses Fahrzeug bereits vor dem Wohnhaus. Über telefonisches Ersuchen öffnete der Ehegatte der Bw die Haustüre und über weiteres Befragen, wer das Fahrzeug gelenkt hat, teilte der Ehegatte der Bw den Beamten mit, dass wohl nur seine Frau dieses Fahrzeug gelenkt haben könne, da er in der besagten Nacht zuhause geschlafen habe. In weiterer Folge forderte Herr AI M die im Wohnzimmer auf der Couch schlafende Bw auf, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Strittig ist, ob die Bw den Inhalt dieser Aufforderung auch verstanden hat und darauf auch entsprechend reagieren hätte können.

 

Die Bw gab diesbezüglich bei der Berufungsverhandlung an, sich an eine derartige Aufforderung überhaupt nicht erinnern zu können. Sie verwies ua auf ihre bereits in ihrem Rechtsmittel angeführten Schlafgewohnheiten und auch auf die bereits oben dargestellten näheren Umstände in der besagten Nacht.

 

Der Ehegatte der Bw, Herr Mag. B, gab zeugenschaftlich bei der Berufungsverhandlung befragt an, dass er über Ersuchen der Polizeibeamten versucht habe, seine Frau durch Rütteln an der Schulter zu wecken. Vorerst habe er versucht, seine Frau verbal zu wecken und habe sie auch angetippt. Beim ersten Weckversuch seien die Polizeibeamten noch nicht anwesend gewesen, sondern hätten noch vor der Haustüre gewartet. Er ging sodann ins Freie und habe den Polizeibeamten gesagt, es sei ihm nicht möglich, seine Frau zu wecken, sie befinde sich im Tiefschlaf. Die Beamten hätten daraufhin zu ihm gesagt, das müssten sie selber feststellen. Auch Herr AI M habe sodann seine Frau zweimal verbal aufgefordert. Die Polizeibeamten seien ca. 1,5 Meter neben seiner schlafenden Frau gestanden. Sie habe jedoch nicht reagiert. Sie habe weder irgendwelche Laute von sich gegeben noch eine Reaktion gezeigt. Er sei sicher immer im Raum anwesend gewesen, solange sich auch die Beamten im Raum befanden. Er kenne seine Frau und wisse, wenn man sie berührt, dann schrecke sie zumindest kurz auf.

 

Herr AI M, Polizeiinspektion G, gab bei der Berufungsverhandlung  zeugenschaftlich befragt an, mit dem Gatten der Bw, Herrn Mag. B, in das Wohnzimmer gegangen zu sein. Die Bw sei mit Straßenbekleidung bekleidet schlafend auf einer Couch gelegen. Er habe zu Herrn Mag. B gesagt, er müsse die Bw fragen, wer mit dem Pkw gefahren ist, da sie ja Zulassungsbesitzerin dieses Pkws ist. Vorerst versuchte Herr Mag. B seine Frau zu wecken. Er habe sie geschüttelt, jedoch wenig Reaktion von ihrer Seite feststellen können. Daraufhin sei er zur Bw gegangen und habe sie an der Schulter gerüttelt und sie gefragt, wer mit dem Auto gefahren ist. Es sei wieder wenig Reaktion gekommen. Da Herr Mag. B die Lenkereigenschaft verneinte, habe er zu ihm gesagt, er gehe davon aus, dass seine Frau gefahren ist, weshalb er sie aufgrund der wahrgenommenen Alkoholsymptome zum Alkotest auffordern müsse. Er habe sie wiederum geschüttelt und zu ihr gesagt, er müsse sie zum Alkotest auffordern. Die Reaktion sei ein unverständliches "Mhm" gewesen. In der Annahme, dass die Bw mit ihm nicht reden wolle, habe er die Amtshandlung förmlich beendet.

 

Rechtlich beurteilend ist festzustellen, dass die oa Aussagen kein ausreichendes Substrat für einen Schuldspruch nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 sind, da nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Bw den Inhalt der Aufforderung verstanden hat und sie in der Lage gewesen wäre, entsprechend zu reagieren. Dem Oö. Verwaltungssenat obliegt es nicht, in diesem Verfahren die Frage zu beurteilen, weshalb trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzung die Aufforderung an die Bw zur Untersuchung der Atemluft nicht zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt wurde, zumal den Beamten ja aufgrund der fehlenden Reaktion der Bw Zweifel aufkommen hätten müssen, dass sie die Aufforderung zum Alkotest auch verstanden hat.

 

Da sohin das Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses nicht mit der erforderlichen Sicherheit als erwiesen festgestellt werden kann, war sohin spruchgemäß zu entscheiden. Daraus resultiert, dass ebenso die den Bescheid  betreffende Entziehung der Lenkberechtigung zugrunde gelegte Tatsache nicht erwiesen ist, weshalb auch dieser Bescheid zu beheben war.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. F r a g n e r

 

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