Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400860/8/BMa/Be

Linz, 02.01.2007

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Beschwerde des G S, georgischer Staatsangehöriger, vom 22. Dezember 2006 (eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 27. Dezember 2006), vertreten durch Markus Wachter (Asyl in Not), 1090 Wien, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Steyr-Land zu Recht erkannt:

 

I.                    Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Schubhaftbescheid vom 6. Dezember 2006, Sich41-50-2006, sowie die auf diesem Bescheid basierende Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in dieser für rechtswidrig erklärt.

 

II.                  Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 673,80 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabegebühr) als obsiegender Partei binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006, iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), Staatsangehöriger von Georgien, gelangte am 7. Juni 2004 nach Österreich und brachte noch am selben Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein, der negativ entschieden wurde (Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Oktober 2004, Zl. 04 11.749-BAG). Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. November 2006, Zl. 254.807/0-VIII/22/04, wurde die Berufung gegen diesen Bescheid abgewiesen und Herr S gemäß § 8 Abs.2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen.

 

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 17. August 2005, Zl.: IV-1031265/FR/05, wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen. Der dagegen eingebrachten Berufung wurde von der Sicherheitsdirektion Kärnten mit Bescheid vom 28. April 2006, GZ.: 2Fr-267-1/05, keine Folge gegeben und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs.2 AVG ausgeschlossen.

Dem Aufenthaltsverbot liegt das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. Juli 2005, 12 Hv-127/05y, zugrunde. Demgemäß wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach dem § 278 Abs.1 StGB, des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs.1 Z.4, 129 Z.1 und 130 (erster bis vierter Fall) StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs.1 StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach dem § 241e Abs.1 und 3 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

 

Nach seiner bedingten Entlassung aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer mit dem bekämpften Schubhaftbescheid am 6. Dezember 2006 in Schubhaft genommen und in das PAZ der BPD Wien überstellt.

 

Aus dem Akt geht hervor, dass die Asylanträge der Familienmitglieder des Beschwerdeführers ebenfalls abgewiesen wurden; die Entscheidungen wurden diesen am 6. Dezember 2006 zugestellt.

Die Familie des Beschwerdeführers ist derzeit in Wien wohnhaft.

 

1.2. Der Beschwerdeführer wurde mit dem bekämpften Schubhaftbescheid gemäß

§ 76 Abs.1 FPG 2005 in Schubhaft genommen, um die Abschiebung und Beschaffung eines nationalen Reisedokumentes zu sichern.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei anzunehmen, das er sich der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme entziehen könnte, weil er nicht im Besitz eines nationalen Reisedokumentes sei und sein Asylantrag negativ entscheiden worden sei. Eine negative asylrechtliche Entscheidung sei auch für seine Familie getroffen worden. Es sei davon auszugehen, dass der Zweck der Schubhaft nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch M W (Asyl in Not),  mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2006 Beschwerde und stellte den Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat möge "die Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung von Anfang an feststellen, in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen". Weiters wurde die Erstattung aller angefallen Kosten beantragt.

 

Unter anderem wurde begründend ausgeführt, die Annahme, der Beschwerdeführer würde sich dem behördlichen Zugriff entziehen, um die Vollstreckung der fremdenpolizeilichen Maßnahme zu verhindern, sei nicht gerechtfertigt und nicht verhältnismäßig. Der Beschwerdeführer sei durch die Schubhaftverhängung von seiner gesamten Kernfamilie, der Ehefrau und den drei Kindern, welche sich ebenfalls in Österreich aufhalten würden, getrennt. Für diese Trennung gebe es keine sachliche Rechtfertigung und die Maßnahme sei nicht verhältnismäßig gegenüber der durch sie bedingten Trennung von seiner Familie. Sowohl die Familienmitglieder als auch der Beschwerdeführer selbst hätten einen Verfahrenshilfeantrag an den VwGH zur Bekämpfung des Asylbescheides beim VwGH an diesen gesandt.

Die Behörde führe im Bescheid nur an, es sei zu befürchten, der Beschwerdeführer werde seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen. Diese Behauptung sei jedoch nicht substantiiert.

 

2.1. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 wurde der bezughabende Akt vorgelegt. Durch telefonische Anfragen bei der zentralen Posteinlaufstelle konnte vom zuständigen Mitglied am Freitag, 29. Dezember 2006, eruiert werden, dass der Fremdenakt erst im neuen Jahr an den Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt werden kann. Um eine fristgerechte Entscheidung zu ermöglichen, wurde der bezughabende Akt persönlich noch am 29. Dezember 2006 vom zuständigen Mitglied – mangels anderer zur Verfügung stehender Mittel – abgeholt.

Dem Akt waren aber keine Elemente von Verfahrensakten der Familienmitglieder des Beschwerdeführers angeschlossen. Diesbezüglich wurde mit dem zuständigen Bearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land Rücksprache gehalten, der wiederum den zuständigen Bearbeiter bei der BPD Wien, Herrn T, zu kontaktieren versuchte. Dieser ist aber erst in der ersten Jännerwoche wieder erreichbar. Es konnte eruiert werden, dass die Familienmitglieder des Bf zur Vernehmung vor der BPD Wien vorgeladen worden waren, jedoch zu dieser nicht erschienen sind.

Der zuständige Bearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Steyr hielt telefonisch auch Rücksprache mit Mag. G vom UBAS wegen Auszügen aus den Fremdenakten der Familienmitglieder des Bf, mit denen die persönlichen Verhältnisse dokumentiert werden könnten. Diesbezügliche Aktenteile wurden aber nicht übermittelt.

Weitere Erhebungen konnten im Hinblick auf die dem UVS zustehende Entscheidungsfrist von einer Woche (§ 83 Abs.2 Z.2) FPG, die überdies noch Feiertage beinhaltet, nicht getätigt werden.

 

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt und den vom Unabhängigen Verwaltungssenat getätigten ergänzenden Erhebungen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2006, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.      wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.      wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.      wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Schubhaftverhängung am 6. Dezember 2006 in Schubhaft, damit ist er zur Einbringung der Schubhaftbeschwerde legitimiert.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

 

Im konkreten Fall wurde die Schubhaft im Anschluss an die gerichtliche Strafhaft verhängt, um die Abschiebung und Beschaffung eines nationalen Reisedokumentes zu sichern.

 

Dem im Schubhaftbescheid dargestellten Sachverhalt ist nur zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer wegen Verstößen gegen die §§ 130, 278, 127, 128, 229, 241 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sei, das von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot der BPD Klagenfurt bestätigt worden und dieser Bescheid rechtskräftig und damit durchsetzbar sei.

Insbesondere wurde in der Begründung dieses Bescheides nicht der Ausschluss gelinderer Mittel, die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft sowie die Erreichbarkeit des Schubhaftzieles dargelegt.

 

Die im vorgelegten fremdenpolizeilichen Akt enthaltenen Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen geben keinen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung alleine oder eines Aufenthaltsverbots rechtfertigt noch nicht die Verhängung der Schubhaft. Die belangte Behörde hat die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht geprüft und bei der Schubhaftverhängung nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer mit seiner Gattin und seinen zwei Kindern nach Österreich eingereist war, hier Vater eines dritten Kindes wurde und diese Personen in Österreich aufhältig sind.

 

Der Beschwerde ist im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes beizupflichten, dass die belangte Behörde bei Verhängung der Schubhaft auch auf diese konkrete familiäre Situation des Beschwerdeführers eingehen hätte müssen. Zu Recht wird auf das VfGH-Erkenntnis vom 28. September 2004, B292/04, hingewiesen, wonach der Verfassungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Verfahren ausgeführt hat, dass bloß allgemeine Annahmen nicht genügen würden, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen. Eine Auseinandersetzung mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers sei notwendig; insbesondere sei eine nachvollziehbare Begründung dahingehend erforderlich, weshalb eine Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie durch die Inschubhaftnahme erfolgt sei. Durch die Unterlassung der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Lichte des Art. 2 Abs.1 Z.7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (Pers-FRSchG1988) sei der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit verletzt worden.

 

Im konkreten Verfahren wurde der Beschwerdeführer zwar im Anschluss an eine Strafhaft in Schubhaft genommen, sodass eine Trennung von der Familie bereits durch die Strafhaft erfolgt war, der angefochtene Bescheid lässt aber jede Begründung dahingehend vermissen, weshalb eine weitere Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie erforderlich gewesen ist. Dieser Mangel konnte auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht behoben werden, weil sich aus dem vorgelegten Akt für diese (Prognose-) Entscheidung der belangten Behörde, die auf den Sachverhalt im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung abstellt, keine Anhaltspunkte ergeben und die fremdenpolizeilichen Akte der Gattin und der beiden Kinder innerhalb der dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Verfügung stehenden Entscheidungsfrist nicht beigeschafft werden konnten.

 

Bereits aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Ein weiteres Eingehen auf die Ausführung der Beschwerde erübrigt sich daher.

 

3.3. Ergänzend wird jedoch festgehalten, dass gemäß § 80 Abs.1 FPG die Behörde verpflichtet ist, darauf hin zu wirken, das die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Gemäß § 80 Abs.2 darf die Schubhaft so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, welche Gründe dafür vorliegen, dass die Besorgung eines Heimreisedokumentes für den Bf nach Georgien nicht unmittelbar nach Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes durch die Sicherheitsdirektion nach dem 28. April 2006 eingeleitet wurde, sodass die Vermutung – zugunsten des Bf – naheliegt, die Schubhaft hätte bei rechtzeitigem Tätigwerden der Behörde verkürzt oder gar vermieden werden können.

 

4. Gemäß § 79a Abs.1 AVG idF BGBl. Nr. 471/1995 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Nach § 79a Abs.4 AVG gelten als Aufwendungen gem. Abs.1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl. II Nr. 334/2003) beträgt der Pauschbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Bf als obsiegende Partei 660,80 Euro.

 

4.1. Beim gegenständlichen Ergebnis war der Bund, für den die belangte Fremdenpolizeibehörde tätig geworden ist, antragsgemäß zum Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Bf und der von ihm zu entrichtenden Stempelgebühren, insgesamt daher zum Ersatz von Verfahrenskosten in Höhe von 673,80 Euro (Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro, Eingabegebühr: 13 Euro), zu verpflichten.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

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