Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400862/2/BMa/Be

Linz, 31.12.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Beschwerde des P S, p.A. JA S, wegen Anordnung der Schubhaft unmittelbar im Anschluss an die Entlassung aus der zu verbüßenden Strafhaft (voraussichtliches Strafhaftende: 14. August 2008) durch den Bezirkshauptmann des Bezirk Schärding zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Schubhaftbescheid vom

23. November 2006, Sich40-9019, für rechtswidrig erklärt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Fremdenpolizeigesetz  – FPG (BGBl. I Nr. 100/2002, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006)

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1.           Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Schärding vom

23. November 2006, Sich40-9019, wurde Schubhaft zu Sicherung der Abschiebung unmittelbar im Anschluss an die Entlassung aus der vom Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) teils bereits verbüßten, teils noch zu verbüßenden Strafhaft gemäß

§ 76 Abs.1 und 3 iVm § 77 und § 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 58 AVG angeordnet.

 

1.2. Begründend wird im genannten Bescheid dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Bf besitze nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und sei daher Fremder im Sinne des § 2 Abs.4 Z.1 FPG. Der Bf sei seit 1999 viermal in Österreich wegen Drogendelikten und wegen Sachbeschädigung, zuletzt durch das Landesgericht St. P, GZ.: 20 HV113/2004I, rechtskräftig seit 25. Juli 2006, nach

§§ 28 Abs.2 4. Fall, 27 Abs.1 1. und 2. Fall, 28 Abs.3 1. Fall des Suchtmittelgesetzes (= große Menge Suchtgift) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Am 8. August 2006 sei er von der Justizanstalt St. P zur weiteren Strafhaftverbüßung in die Justizanstalt S überstellt worden. Das gerichtliche Strafende sei voraussichtlich am 14. August 2008 (2/3 Strafe am 14. Juni 2007). Aufgrund der vorangeführten rechtskräftigen Verurteilungen bestehe gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot der BPD Linz (Bescheid vom 9. Februar 2000, Zl. Fr-97.348, rechtskräftig seit 10. März 2000). Der Antrag auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes sei mit Bescheid der BPD Linz vom 14. Oktober 2003 rechtskräftig abgewiesen worden.

 

Zu dem im Bundesgebiet anhängig gewesenen Asylverfahren des Bf könne dem Asylwerberinformationssystem (AIS) entnommen werden, dass über den Asylantrag (EDV-Zl. 98 03.681), der am 2. Juni 1998 beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, gestellt worden sei, seit dem 1. August 2000 in 2. Instanz durch den UBAS nach einer VwGH-Beschwerde rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Die Abschiebung des Beschwerdeführers in sein angebliches Heimatland Sierra Leone sei somit für zulässig erklärt worden. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung in dem geführten Asylverfahren sei nicht zuerkannt worden. Bisher seien bereits zwei Schubhaften gegen den Beschwerdeführer verhängt und vollstreckt worden, und zwar von der BPD St. Pölten am 18. Juli 2001 (20. Juli 2001 bis 27. Juli 2001) und  von der BH Neusiedel am See am 8. Juni 2003 (8. Juni 2003 bis 10. Juni 2003).

 

Von 2. August 2001 bis zum 2. Juni 2005 seien dem Beschwerdeführer sieben Abschiebungsaufschübe gewährt worden, weil seine Abschiebung aus tatsächlichen Gründen, mangels Erlangung eines Heimreisezertifikates, nicht möglich gewesen sei.

Der Bf besitze kein Reisedokument oder sonstigen Identitätsnachweis und es sei den verschiedenen Fremdenpolizeibehörden aufgrund seiner Kooperationsunwilligkeit, der Verschleierung seiner wahren Identität und Nationalität nicht gelungen, ein Ersatzreisedokument zu bekommen.

 

Die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen dieses Verfahrens sei dem Bf gemäß § 45 AVG in der Justizanstalt Suben persönlich am 25. Oktober 2006 nachweislich ausgehändigt worden. In seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2006 führt der Bf aus, die Behörde solle von einer Schubhaftverhängung Abstand nehmen und die Ausreise in ein Land seiner Wahl ermöglichen, da er auf keinen Fall in sein Heimatland Sierra Leone zurückkehren könne.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde Schubhaft an, um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer erlangen zu können und ihn nach Einlangen desselben nach seiner Entlassung aus der Strafhaft abschieben zu können. Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erscheine aufgrund der Einstellung des Bf zur österreichischen Rechtsordnung sowie aufgrund der daraus resultierenden gerichtlichen Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz und seiner bisher unbestätigten Identität und Nationalität sowie seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet der Republik Österreich die Schubhaftanordnung sowie deren Verhängung und Vollstreckung gerechtfertigt und diene zur Sicherung der Abschiebung.

 

Die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs.1 FPG komme nicht in Frage, weil aufgrund des dargestellten Sacherverhaltes, wegen der einschlägigen gerichtlichen Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz, wegen der Einstellung des laufenden Asylverfahrens im März 2003 wegen unbekannten Aufenthaltes, obwohl er seiner Meldeverpflichtung nachgekommen war, wegen mehrerer illegaler und versuchter illegaler Grenzübertritte in die Slowakei und in die BRD unter Angabe wiederum anderer Identitäten, zu befürchten sei, der Bf werde nach Verbüßung der Strafhaft sofort untertauchen, um die weiteren aufenthaltsbeendenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu verhindern bzw. zu erschweren. Auch die Verübung weiterer Drogendelikte könne nicht ausgeschlossen werden.

 

1.2.           Der Bf befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates in Strafhaft und soll erst im Anschluss an diese in Schubhaft genommen werden.

 

2.1. Gegen die Anordnung der Schubhaft nach der Strafhaft richtet sich die vorliegende Schubhaftbeschwerde vom 24. November 2006 (eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding am 27. November 2006 und beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 28. Dezember 2006).

 

Darin erhebt der Bf zwar keinerlei Einwendungen gegen die Darstellungen im bekämpften Bescheid, er merkt jedoch an, dass er sein Verhalten bereue, er sei zuversichtlich, als freie Person ein geregeltes Leben in Österreich führen zu können. Er würde in Hinkunft nicht mehr straffällig werden, sollte man ihm eine sogenannte "Chance" geben.

 

Sein Vorbringen kann dahingehend gedeutet werden, dass er gemäß § 77 Abs.1 FPG die Verhängung gelinderer Mittel als die Schubhaft fordert.

Ein Kostenbegehren wurde nicht gestellt.

 

2.2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Akt vorgelegt und beantragt, die Schubhaftbeschwerde abzuweisen oder allenfalls als unzulässig zurückzuweisen. Aus dem Schreiben zur Aktenvorlage geht hervor, dass die Schubhaftbeschwerde bereits dem UVS Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt worden war, dieser jedoch mit Schreiben vom 10. November 2006 eine örtliche Zuständigkeit verneint hat. Dem Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Niederösterreich zur Aktenrückübermittlung ist zu entnehmen, dass diese sich darauf stützt, dass der Fremde zwar in Niederösterreich festgenommen worden sei, jedoch nicht auf der Grundlage des FPG, sondern zum Vollzug einer gerichtlichen Strafhaft.

 

Im Vorlageschreiben der Bezirkshauptmannschaft Schärding wurde auf die Entscheidung des UVS Oberösterreich vom 27. Juli 2006, VwSen-400832/4, hingewiesen, in dem sich der UVS Oberösterreich in gleichgelagerten Fällen (ebenfalls) für örtlich unzuständig erklärt habe.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Schärding. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist, konnte im gemäß § 83 Abs.2 Z.1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem im bekämpften Bescheid dargestellten, vom Beschwerdeführer unbekämpft gebliebenen Sachverhalt aus, der sich überdies widerspruchsfrei aus den vorliegenden Unterlagen ergibt.

 

4.  Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/ 2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006, hat ein Fremder das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

4.2. Nach der im 9. Hauptstück des FPG enthaltenen Sonderbestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist zur Entscheidung über die Beschwerde der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde (§ 83 Abs. 1 FPG).

Dementsprechend wäre allein auf Basis dieser Bestimmung zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide, mit welchen die Schubhaft angeordnet wurde, solange es noch nicht zur Effektuierung derselben gekommen ist, kein (einziger) unabhängiger Verwaltungssenat (örtlich) zuständig.

Aus der Bestimmung des § 82 Abs.1 Z3 FPG – und seiner Entstehungsgeschichte (siehe dazu AB 1055 XXII. GP, wonach mit dieser Bestimmung eine terminologische Anpassung vorgenommen wurde) erhellt jedoch, dass die Erhebung einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat auch dann möglich ist, wenn es noch zu gar keiner Festnahme oder Anhaltung auf Basis des Schubhaftbescheides gekommen ist.

Da das FPG keine Regelung der örtlichen Zuständigkeit für den vorliegenden Fall enthält, ist auf die bezughabenden allgemeinen Regelungen des AVG zurückzugreifen. Nach § 3 Z3 AVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in (hier aktuellen) sonstigen Sachen nach dem Hauptwohnsitz des Beteiligten. Dieser ist im konkreten Fall die JA Suben. Da dieser im Sprengel des Verwaltungssenats liegt, ist dessen örtliche Zuständigkeit gegeben.

4.3. Gemäß § 80 Abs.1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Gemäß Abs.2 leg. cit. darf die Schubhaft so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Im konkreten Fall wurde der Schubhaftbescheid zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Beendigung der gerichtlichen Anhaltung vom Bezirkshauptmann des Bezirks Schärding erlassen.

 

Aus § 80 Abs.1 FPG ergibt sich, dass die Behörde darauf hinzuwirken hat, die Dauer der Schubhaft so kurz wie möglich zu halten. Bis zur voraussichtlichen Haftentlassung aus der gerichtlichen Strafhaft (vorläufiges Strafende 14. August 2008) steht der Behörde noch ein Zeitraum von über einem Jahr zur Verfügung, um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer zu erwirken.

 

Gemäß § 74 Abs.2 Z1 FPG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 Abs.1 vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgt.

Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Strafhaft zur Sicherung seiner Abschiebung festgenommen werden kann und binnen dieser Festnahme, die keinesfalls 48 Stunden überschreiten darf (§ 39 Abs.5 FPG), abzuschieben ist.

Sollte der Zeitraum von mehr als einem Jahr zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (trotz des zu fordernden zügigen Betreibens durch die Behörde) nicht ausreichen oder der Beschwerdeführer vorzeitig aus der Strafhaft entlassen werden, ehe das Heimreisezertifikat erlangt wurde, so wird die Behörde auf Grund des neuen Sachverhalts allenfalls die Möglichkeit haben, einen Schubhaftbescheid zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers zu erlassen.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht begründet, weshalb die Erlangung eines Heimreisezertifikats und die Vorbereitungen zur Abschiebung des Beschwerdeführers nicht während aufrechter Strafhaft getroffen werden können.

Auch im Erkenntnis der VwGH vom 28. März 2006, 2004/21/0039, wird darauf hingewiesen, dass die Anordnung der Schubhaft (zumindest zum Zwecke der Verfahrenssicherung) gegenüber Personen, die sich in Strafhaft befinden, grundsätzlich nicht erforderlich ist. Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre von der belangten Behörde nachvollziehbar zu begründen.

 

Aus heutiger Sicht und auf Grund des derzeit vorliegenden Sachverhalts besteht für die Aufrechterhaltung des Schubhaftbescheids vom 23. November 2006 aber keine Grundlage, denn die Verhängung einer Schubhaft ist nach dem Telos des Gesetzes ein Mittel zur Erfüllung eines konkreten Sicherungsbedarfs und dient nicht zur Sicherung einer möglicherweise künftig eintretenden Situation.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

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