Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720101/2/WEI/Ps

Linz, 24.01.2007

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des P V, geb., N, C K, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Freistadt vom 23. November 2005, Zl. Sich 01-404-2005, betreffend die Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Berufungswerber (Bw), ein t Staatsangehöriger, wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichts Freistadt vom 12. September 2005, Zl. 1 U 62/05z, des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB in zwei Fällen für schuldig erkannt und deswegen zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 2 Euro (120 Euro), im Nichteinbringungsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

Nach dem Protokollsvermerk mit gekürzter Urteilsausfertigung habe der arbeitslose Bw am 25. September 2004 im E in F Waren im Wert von 15,83 Euro und am 14. Mai 2005 im B in F Waren im Wert von 13,94 Euro zu stehlen versucht. Mildernd wertete das Strafgericht ein Teilgeständnis und erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen. Das Urteil wurde infolge Rechtsmittelverzichts sofort rechtskräftig.

Im E wurde der Bw von einem Privatdetektiv angehalten, als er mit eingesteckten Lebensmitteln im Wert von 15,83 Euro den Markt verlassen wollte, ohne zu zahlen. Der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Freistadt trat von der Verfolgung gemäß § 90f StPO vorläufig für eine Probezeit von zwei Jahren zurück (Verständigung vom 10.01.2005, Zl. 51 BAZ 918/04h).

 

In der Filiale der B AG wollte der Bw nach der Strafanzeige im Rahmen seines Einkaufs 2 Stück Duracell 9-Volt Batterien stehlen, die ihm für den legalen Erwerb zu teuer erschienen.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Freistadt vom 23. November 2005, Zl. Sich01-404-2005, wurde gegen den Bw auf der Grundlage des § 36 Abs 1 und 2 Z 1 iVm § 39 Fremdengesetz 1997 ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von drei Jahren für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Begründend hat die belangte Behörde § 36 Abs 1 und § 36 Abs 2 Z 1 FrG 1997 dargestellt und auf die Vorfälle vom 25. September 2004 und vom 14. Mai 2005 hingewiesen. Wegen dieser beiden Vergehen sei der Bw vom Bezirksgericht bestraft worden. Tatsache sei, dass der Bw wegen zweimaliger Vergehen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, rechtskräftig verurteilt wurde.

 

Auf Grund dieses Sachverhalts sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Bw die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Zur Interessenabwägung gemäß § 37 Abs 2 FrG 1997 ging die belangte Behörde davon aus, dass keine familiären oder sonstige Bindungen zu in Österreich befindlichen Personen bestehen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Wahrung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dringend geboten gewesen. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme wögen schwerer als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw. Die Befristung von drei Jahren erschien der belangten Behörde angemessen

 

2. Gegen diesen dem Bw am 28. November 2005 zugestellten Bescheid richtet sich die bei der belangten Behörde am 6. Dezember 2005 rechtzeitig eingelangte Berufung, mit der der Bw sinngemäß die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes anstrebt.

 

Begründend führt der Bw aus, dass er sich bezüglich des Vorfalles vom 14. Mai 2005 unschuldig fühle. Er habe mit dem Einkaufswagen Waren gesammelt und wäre in die Drogerie- und Elektroabteilung zurückgegangen, um Batterien zu holen, die er in die Jackentasche steckte. Er habe dann vergessen diese in den Einkaufswagen zu legen und wäre nach dem Zahlen an der Kassa ruhig und langsam durch den elektronischen Rahmen gegangen. Verwirrt hätte er dann die Batterien, an die er sich wieder erinnerte, wegwerfen wollen. Diese habe die Kassiererin genommen, die dann mit ihm ins Büro ging. Dann wäre die Gendarmerie gekommen und er hätte eine Geldstrafe (Anm.: vermutlich Vorhaltekosten) bezahlt. Am Gendarmerieposten habe er gestanden, damit er schnell wieder gehen konnte. Tatsächlich hätte er die Batterien nicht stehlen wollen. Er kenne den Markt mit dem elektronischen Rahmen. Hätte er stehlen wollen, hätte er den elektronischen Warencode entfernen können oder schnell durchlaufen und "abhauen" können. Vor Gericht wäre ihm die Einvernahme der Kassiererin nicht bewilligt worden. Er wäre schließlich einverstanden gewesen, weil er nichts mehr zahlen hätte müssen.

 

Er ersuche auf das Aufenthaltsverbot zu verzichten, weil er am 14. Mai 2005 keinen Diebstahl begangen habe. In T sei er nicht vorbestraft. Er sei gläubig verheiratet und habe eine normale Familie mit vier Kindern. Der jüngste Sohn studiere an der F in J. Derzeit sei er arbeitslos. Er könne im Hinblick auf sein Alter keine Arbeit bekommen. Zum Glück könnte er bald in Pension gehen. Er habe in Österreich viele Bekannte, die er nicht enttäuschen wolle. Die Verurteilung auf Bewährung hätte nach Ansicht des Bw bei einem Aufenthaltsverbot auch keinen Sinn mehr.

 

3. Die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich hat den Fremdenpolizeiakt zuständigkeitshalber an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich weitergeleitet. Dieser hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt der belangten Behörde. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen der Berufung feststand, konnte von der Durchführung einer Berufungsverhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei In-Kraft-Treten des FPG – das war nach § 126 FPG der 1. Jänner 2006 – anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen. Im Folgenden ist daher auf die aktuellen Vorschriften des FPG abzustellen, die allerdings weitgehend denen des Fremdengesetzes 1997 entsprechen.

 

Gemäß § 60 Abs 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Nach § 60 Abs 2 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 zu gelten, wenn ein Fremder

 

1.    von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.    ...

 

Nach § 60 Abs 3 FPG liegt eine gemäß Abs 2 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

Gemäß § 63 Abs 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot im Fall des § 60 Abs 2 Z 1 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

 

4.2. Im gegenständlichen Fall hat das Bezirksgericht Freistadt den Bw mit Urteil vom 12. September 2005, Zl. 1 U 62/05z, wegen versuchten Ladendiebstahls in zwei Fällen zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 2 Euro (120 Euro) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegt damit aber noch keine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs 2 Z 1 FPG (vormals identisch § 36 Abs 2 Z 1 FrG 1997) vor. Diese Bestimmung setzt nach ihrem klaren Wortlaut in der gegenständlich maßgeblichen Variante ("... oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;") die mindestens zweifache rechtskräftige Verurteilung voraus. Dafür genügt es entgegen der sinngemäß zum Ausdruck kommenden Ansicht der belangten Behörde nicht, wenn in bloß einem Urteil über zwei oder mehrere einschlägige Vergehen (Urteilsfakten) abgesprochen wurde. Vielmehr müssen wenigstens zwei schuldigsprechende rechtskräftige Urteile über strafbare Handlungen vorliegen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen. Somit hat sich die belangte Behörde schon zu Unrecht auf die obige Bestimmung bezogen.

 

4.3. Gemäß § 86 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei können strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162, zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 48 Abs 2 FrG 1997 ausgesprochen, dass zu prüfen sei, ob sich aus dem Gesamtverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei sei anders als beim Tatbestand des § 36 Abs 2 Z 1 FrG 1997 (entspricht nunmehr § 60 Abs 2 Z 1 FPG) nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen. Bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, kommt dem Katalog des § 36 Abs 2 FrG 1997 (nunmehr § 60 Abs 2 FPG) dabei (nur) die Bedeutung eines Orientierungsmaßstabs zu (vgl VwGH 20.2.2001, Zl. 2000/18/0162; VwGH 4.10.2006, Zl. 2006/18/0306).

 

Selbst wenn im vorliegenden Fall das Vorliegen eines Tatbestands nach § 60 Abs 2 Z 1 FPG zu bejahen wäre, könnte angesichts der vom Bw begangenen Bagatelldelikte (Ladendiebstahlsversuche betreffend Waren im Wert von 15,83 und 13,98 Euro) die tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr iSd § 86 Abs 1 FPG, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, aus seinem persönlichen Verhalten nicht abgeleitet werden. Es ist nach der Aktenlage nicht ersichtlich, inwiefern beim Bw eine im Sinne des § 86 Abs 1 FPG vorausgesetzte große Gefahr für die maßgeblichen öffentlichen Interessen gesehen werden könnte. Dazu kommt noch, dass das Strafgericht von einer günstigen Zukunftsprognose ausgegangen ist und bloß eine bedingte Geldstrafe im untersten Bereich (60 Tagessätze) verhängt hat.

 

Die Begründung im angefochtenen Bescheid beschränkt sich auf abstrakte leerformelhafte Behauptungen, die nicht konkret am Einzelfall orientiert sind, sondern davon losgelöst erscheinen. Eine solche Begründung ist, wie aus § 86 Abs 1 FPG ausdrücklich hervorgeht, unzulässig und zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber einem EWR-Bürger ungeeignet.

 

Im Ergebnis war daher aus Anlass der Berufung der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabengebühren in Höhe von 13 Euro für die Berufung angefallen.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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