Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230276/15/Br

Linz, 24.02.1994

VwSen - 230276/15/Br Linz, am 24. Februar 1994 DVR. 0690329

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn W H, G, V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 30. September 1993, Sich96/1025/1992, nach der am 24. Februar 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 81 Abs.1 iVm. § 85 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl.Nr.566/1991 - SGP und § 1 Abs.2 VStG; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 - AVG iVm § 1 Abs.2, § 19 § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr.52/1991, zuletzt geändert BGBl. Nr. 666/1993 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 30. September 1993 über den Berufungswerber wegen der ihm angelasteten Übertretung nach Art. IX Abs.1 Z1 EGVG eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, weil er am 1. Jänner 1992 gegen 19.00 Uhr die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört habe und sein Verhalten objektiv geeignet gewesen sei, Ärgernis zu erregen, indem er H B mit dem Fuß gegen die Leistengegend geschlagen habe, worauf es im Bereich der Eingangstüre in Anwesenheit zahlreicher Hausbewohner zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei. 1.1. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß das dem Berufungswerber zur Last gelegte Verhalten durch die Zeugenaussagen belegt sei. Demnach habe der Berufungswerber mit seiner Freundin im Stiegenhaus einen Streit gehabt. Die Angaben der Zeugen seien glaubwürdiger gewesen als die Verantwortung des Berufungswerbers. 2. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung bringt der Berufungswerber vor, daß er sich überhaupt keiner Schuld bewußt sei. Herr B sei, während er mit seiner Freundin im Stiegenhaus diskutiert habe, die Treppe heruntergekommen und habe ihn in einem unmenschlichen Tonfall angesprochen. Er habe ihn gepackt und bei der Haustür hinauszuwerfen versucht. Dabei habe er sich gewehrt und sei er folglich von B gegen die Glasscheibe geschleudert worden. Das Geschrei habe dann B angefangen, worauf Bewohner auf den Gang gekommen seien. Weil man gewußt habe, daß er eine gerichtliche Strafe zu verbüßen gehabt hatte, sei er gegenüber B leichter als "der Schreier" hinzustellen gewesen. Er räume jedoch ein, "zurückgemeckert" zu haben. Aufgrund des Umstandes, daß er Strafverbüßer sei, hätte er sich wohl das ihm angelastete Verhalten gar nicht leisten können bzw. sollte von ihm nicht angenommen werden, daß er so naiv gewesen wäre, die ihm zur Last gelegte Verhaltensweise zu tätigen. Aus diesem Grunde ersuche er um Freispruch.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Entscheidung vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Gemäß § 51e Abs.1 VStG war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis geführt durch die Vernehmung der Zeugen Rev.Insp. P, H B, H und G K, sowie des Berufungswerbers als Beschuldigten anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24. Februar 1994. Ferner wurde Beweis erhoben durch die fernmündliche Ermittlung des Sachausganges bezüglich der in diesem Zusammenhang erstatteten Anzeige beim Bezirksgericht Bad Ischl im Strafverfahren gegen den Berufungswerber AZ.: BAZ 31/92.

5. Aufgrund des Ergebnisses dieses Beweisverfahrens steht fest, daß der Berufungswerber am 1. Jänner 1992 um etwa 19.00 Uhr mit seiner Freundin G K im Hausflur des Mietshauses am S eine Diskussion gehabt. Durch diese heftig geführte Unterhaltung verständigten Hausparteien den Hausmeister H B, damit dieser den im Hause unerwünschten H des Hauses verweise. B versuchte dieser Aufforderung nachzukommen und forderte H auf "zu verschwinden". Als dieser auf seinen Rechtsstandpunkt, nämlich sich mit seiner Freundin unterhalten zu wollen, verharrte, wurde H von B gegen die Verglasung des Aufzugsschachtes gestoßen. Diese wurde offenbar hiedurch zertrümmert. B versetzte dem H auch noch einige Ohrfeigen. Im Zuge dieser Auseinandersetzung ist es hinsichtlich aller Beteiligter zu lautstarken Äußerungen gekommen. Diese sind nicht zuletzt durch das "energische Einschreiten" des Hausmeisters H B bedingt gewesen. Der Verantwortung des Berufungswerbers folgend ist der Tritt gegen B offenkundig aus der Defensivität heraus erfolgt. H war im Rahmen dieser Auseinandersetzung der Schwächere gewesen. 5.1. In diesem Punkt sind die Aussagen der vernommenen Zeugen mit der Verantwortung des Berufungswerbers nicht in Widerspruch. Der Zeuge B gibt selbst an, daß es einerseits sein könnte, daß er den H gegen die Glasscheibe gestoßen haben könnte und dadurch das Glas zerbrochen sei. Offenbar wurde im Rahmen des Beweisverfahrens auch, daß der Berufungswerber im Haus S als unerwünschte Person gilt. Die ablehnende, ja sogar als feindselig zu bezeichnende Haltung gegenüber H wird insbesondere in den Äußerungen der Zeugin H K, der Mutter der Freundin des Berufungswerbers, allzu deutlich. Im Rahmen des Beweisverfahrens trat auch zutage, daß man den Berufungswerber im Haus einfach nicht sehen will, sodaß auch die "heimlichen Treffen" mit der, bei der Mutter wohnhaften Freundin, G K, Anstoß erwecken. Auf den Vorfall vom 1. Jänner 1992 bezogen ist die Verantwortung des Berufungswerber durchaus glaubwürdig gewesen. Das ordnungsstörende Verhalten ist jedenfalls in überwiegender Weise nicht von ihm verursacht und noch weniger auf einem ihm subjektiv vorwerfbaren, schuldhaften Verhalten beruhend. Auch das Gerichtsverfahren wurde gegen H offenbar angesichts dieser Tatsache eingestellt. Abschließend ist festzuhalten, daß die Frage der Unterlassung von Zusammenkünften des Berufungswerbers mit seiner in diesem Haus wohnhaften Freundin jedenfalls nicht im Rahmen eines Verwaltungs(straf)verfahrens zu klären sind. 6. Rechtlich ist zu erwägen wie folgt:

6.1. Gemäß Art IX Abs.1 Z1 EGVG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen und bei Vorliegen erschwerender Umstände kann anstelle einer Geldstrafe eine Arreststrafe bis zu zwei Wochen verhängt werden, wer durch ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, die Ordnung an einem öffentlichen Ort stört.

6.1.1. Nunmehr ist dieses Tatbild in § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz geregelt. Demnach begeht diese Verwaltungsübertretung "wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört; es ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden." Diese Bestimmung wäre im Sinne des § 1 Abs.2 VStG als die für den Berufungswerber günstigere und daher die anzuwendende Gesetzesbestimmung gewesen (VwGH 19.10.1988, Zl. 88/03/0083 u.a.).

Gemäß § 85 SPG liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Im Falle der Tatidentität kommt also dieser Verwaltungsstraftatbestand nur subsidiär zur Anwendung. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens dem Berufungswerber zur Last gelegte Verhaltensweise mit der in einem erstatteten Anzeige wegen des Verdachtes der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung als Tateinheit zu erblicken gewesen wäre. Dies wäre gegenständlich wohl eher zu verneinen gewesen, zumal eine Tateinheit insbesondere dann nicht angenommen werden wird können, wenn sich ein ordnungsstörendes Verhalten über eine längere Zeitdauer erstreckt und gleichsam dann als Schlußpunkt noch und allenfalls nur in der subjektiven Tätersphäre gelegenen Konnex zum störenden Verhalten stehend, auch noch ein zu einer Anzeige wegen des Verdachtes der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung führendes Verhalten setzt. Es lägen demnach zwei völlig zu trennende Tathandlungen vor (siehe hiezu sinngemäß Foregger-Serini, Kurzkommentar zum StGB, 2. Auflage, Seite 68 ff. u. auch das Erk. des VwGH v. 21.3.1990, Zl. 90/02/0023 u. die darin zit. Judikatur). Die Subsidiaritätsklausel nach dem Sicherheitspolizeigesetz würde in einem derartigen Fall wohl nicht zum Tragen kommen. Das Tatbild der "Ordnungsstörung" ist durch zwei Elemente gekennzeichnet: Zum ersten muß der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zum zweiten muß durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Die Beurteilung, ob einem Verhalten die objektive Eignung der Ärgerniserregung zukommt, ist nicht dem Empfinden der durch das Verhalten besonders betroffenen Personen vorzunehmen, sondern unter der Vorstellung, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden; von einem Ärgernis wird man dann sprechen können, wenn eine Handlung bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schädlichen hervorzurufen geeignet ist (vgl. VwGH 9.7.1984, 84/10/0080, 30.9.1985, 85/10/0027 u.a.). Dafür, daß durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort (tatsächlich) gestört wird, ist es nicht erforderlich, daß das Verhalten zu Aufsehen, einem Zusammenlaufen von Menschen führt, es muß vielmehr nur unmittelbar oder mittelbar zur Folge haben, daß ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht; eine solche Störung (negative Veränderung der gewöhnlichen Verhältnisse) ist schon dann zu bejahen, wenn eine Person dazu bewogen wurde, sich anders zu verhalten, als wenn der Vorfall nicht stattgefunden hätte (VwGH 24.11.1986, 86/10/0131). Ähnlich VwGH 20.6.1988, 87/10/0179-0138, 26.2.1990, 89/10/0215). Nach der neuen - hier anzuwendenden - Rechtslage wurde jedoch die Strafbarkeit in zwei Punkten inhaltlich zurückgenommen. Es ist nunmehr einerseits mehr auf die Intention des Täters abzustellen, andererseits soll auch entscheidend sein, ob es eine Rechtfertigung für die Störung der Ordnung gibt (aus den Gesetzesmaterialien zum Sicherheitspolizeigesetz, Fuchs - Funk - Szymanski, Manz Taschenbuchausgabe, Seite 154 ff). Diese Rechtfertigung könnte etwa (auch) in einem ad hoc energisch vertretenen Rechtsstandpunkt erblickt werden. Schon aus dieser Sicht wäre der von der Erstbehörde ihrer Entscheidung zugrundegelegte Sachverhalt bei der Anwendung der für den Berufungswerber günstigeren Norm (dem SPG) nicht tatbestandsmäßig gewesen, obwohl sie aufgrund des ihr vorliegenden Beweisergebnisses durchaus zurecht davon ausgehen konnte, der Berufungswerber habe durch "seinen Hinauswurf" - im Ausdruck seiner Entrüstung darüber - den Lärm im Haus inszeniert gehabt. Für diese Sachverhaltsannahme hat aber das Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte (mehr) erbracht. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß jeweils, von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. B l e i e r

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