Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-530596/2/Re/Sta

Linz, 27.02.2007

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der G KEG, S, S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. J L, Dr. E W, Mag. C. O, Dr. H N, G, S, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 29. Dezember 2006, Zl. GeBA-9/03, betreffend die Nichterteilung einer beantragten Betriebsanlagen­änderungs­genehmigung gemäß § 81 Abs.1 GewO 1994, zu Recht erkannt:

 

Anlässlich der eingebrachten Berufung wird der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 29. Dezember 2006, GeBA-9/03, behoben und die Angelegenheit zur (ergänzenden) Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der Stadt Steyr zurückverwiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.2, 67a Abs.1 und 67d des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§§ 359a und 81 Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit dem bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom
29. Dezember 2006, GeBA-9/03, wurde der Antrag der G G-Betriebs-KEG, S, S, um Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagenänderungsgenehmigung zum Einbau einer Musikanlage abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, nach Einbau der gegenständlichen Musikanlage, welche geeignet sei, die Nachbarschaft durch unzumutbare Lärmemissionen nachteilig zu beeinflussen, habe die Anlageninhaberin über Einschreiten der Gewerbebehörde den Antrag auf Genehmigung gestellt. Im Verfahren wurde durch Probebeschallungen ein Leistungspegel ermittelt, welcher nachweislich die Nachbarn nicht nachteilig beeinträchtige. Dieser Pegel sei seitens der ausführenden Firma mittels Limiter eingestellt worden. Nach der Plombierung erfolgte auf Grund von Anzeigen der Bundespolizeidirektion ein weiteres behördliches Prüfungsverfahren. Befragungen von Polizeibeamten hätten ergeben, dass der Musiklärm bis zum Stadtplatz wahrnehmbar gewesen sei und eindeutig aus der gegenständlichen Anlage emittiert worden sei, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass die Musikanlage nicht entsprechend der eingestellten Maximalwerte betrieben worden sei. Laut daraufhin eingeholtem Gutachten des maschinenbautechnischen Amtssachverständigen liege der Verdacht nahe, dass die betreibende Gesellschaft bzw. die Betreiber der Anlage einen Weg gefunden hätten, nach Plombierung der Anlage die Funktion des Limiters zu umgehen und die Anlage so zu betreiben, dass sie geeignet sei, Nachbarn unzumutbar zu belästigen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Konsenswerberin, vertreten durch Rechtsanwälte L – W – O – N mit dem am 17. Jänner 2007 beim Magistrat der Stadt Steyr und somit innerhalb offener Frist eingebrachten Schriftsatz Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, in den Jahren 2004/2005 sei der Antrag auf Genehmigung gestellt worden, ab März 2006 seien Anzeigen wegen Lärmbelästigungen erstattet worden. Im bekämpften Bescheid werde nicht festgestellt, dass die Anzeigen ab März 2006 immer durch einen einzigen Anrainer erfolgten. Zwischen Antrag im Jahr 2004 und März 2006 sei keine Anzeige wegen Ruhestörung erfolgt, sondern erst ab März 2006 durch einen einzigen Anrainer. Es sei freiwillig eine Verplombung an der Musikanlage eingebaut worden, dies reiche offensichtlich dem Anrainer nicht. Es sei nicht an der Musikanlage manipuliert worden. Mit ihrer Verantwortung setzte sich die Erstbehörde nicht auseinander. Von der Manipulation werde nur im Konjunktiv gesprochen. Unangemeldete Untersuchungen der Musikanlage bzw. unangemeldete Schallmessungen seien nicht durchgeführt worden. Im Rahmen solcher hätte sich gezeigt, dass keine Lärmbelästigung durch die gegenständliche (verplombte) Musikanlage erfolgen könne und alle Voraussetzungen für eine gewerberechtliche Genehmigung der Anlage vorlägen.

 

Der Bürgermeister der Stadt als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994  iVm § 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu  GeBA-9/03.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

1.      das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

2.      die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

3.      die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

4.      die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

5.      eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs.  2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen, wenn der vorliegende Sachverhalt mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Dem Verfahrensakt ist zunächst zu entnehmen, dass dem gegenständlichen Lokal grundsätzlich gewerbebehördliche Genehmigungen aus den Jahren 1988 bzw. 1989 zu Grunde liegen. Im Jahre 2003 wurde von der Berufungswerberin gegenüber der Behörde mitgeteilt, dass dieses Objekt in der Betriebsart Cafe-Restaurant weiterbetrieben werde. Die ersten Anzeigen wegen Lärmbelästigung aus dem gegenständlichen Lokal im Standort S, S, stammen vom 5. Jänner 2004 sowie vom 6. Jänner 2004 und vom 19. März 2004.

 

Den Antrag auf Änderung der gewerblichen Betriebsanlage durch Einbau und Betrieb einer Musikanlage, welche bis max. 85 dB betrieben werden solle, stammt vom
29. März 2004. Gemeinsam vorgelegt wurde damals ein schalltechnischer Prüfbericht des DI Dr. U K, P, vom 23. März 2004. Laut nachgereichten technischen Unterlagen handelt es sich um eine Anlage, welche aus 4 Stück Lautsprecher JBL Control 28 WH, 3 Stück Lautsprecher JBL Control  25 WH, 1 Stück Lautsprecher JBL Control SB 210 Subwoofer, 1 Stück Crown  XLS Endstufe 2 x 400 W, 1 Stück Crown XLS 602 Endstufe für Subwoffer sowie 1 Stück PREFGER SBX-FC 30 Limiter besteht.

 

Noch vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens gingen bei der belangten Behörde weitere Anzeigen wegen Lärmbelästigungen, ausgehend von der gegenständlichen Anlage, ein, so am 30. Juli 2004, am 9. Oktober 2004, mehrere Anzeigen im Wege der Bundespolizeidirektion Steyr laut Vorlage vom 3. November 2004, weiters am
22. Juli 2005.

 

Am 24. November 2005 wurde von Beamten des Magistrates der Stadt Steyr eine Lärmmessung mit eingestellter Lautstärke von 80 dB durchgeführt und diese max. Lautstärke, bei deren Einhaltung laut Aktenvermerk vom 24. November 2005 mit unzumutbaren Lärmbelästigungen nicht mehr zu rechnen sei, plombiert.

 

Über Auftrag der Berufungswerberin wurde von DI Dr. U K, akkreditierte Prüfstelle in Perg, ein weiterer schalltechnischer Prüfbericht vom 28. November 2005 mit der Aufgabenstellung der Begrenzung der Musikanlage des Lokals auf max. zulässigen Innenpegel von Lp,A = 80,4 dB, erstellt. Die Durchführung erfolgte am
24. November 2005. In den zusammengefassten Prüfungsergebnissen wird vermerkt, dass ein elektronischer Schallpegelbegrenzer aktiv und durch die Prüfstelle verplombt war und Innenpegel von LAeq von 80,0 bzw. 79,1 sowie LA,1 von 83,3 bzw. 81,7 dB gemessen wurden.

 

Weitere Anzeigen stammen in der Folge vom 12. Dezember 2005 (Lärmbeschwerde vom 10. Dezember 2005), vom 14. März 2006 (Tatzeit: 13. März 2006) sowie auch vom 2. April 2006.

 

Im Rahmen eines durchgeführten Lokalaugenscheines mit gleichzeitig durchgeführter ergänzender Lärmmessung am 25. April 2006 wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass die derzeitige Einstellung der Musikanlage dem Gutachten des DI Dr. K vom 24. November 2005 entspreche und laut Aussage des Amtssachverständigen keine weiteren technischen Maßnahmen erforderlich seien, da bei den üblichen Einstellungen ein Schallpegel von max. LAeq 80 bis 81 dB im Bereich der Tanzfläche sowie der Theke gemessen worden seien und die Verplombungen zum Zeitpunkt der Messung in ordnungsgemäßem Zustand gewesen seien.

 

Eine weitere Lärmmessung nach Lärmbeschwerde wurde am 8. September 2006 durchgeführt und wurde auch hiebei eine dauerhafte Überschreitung des Schallpegels von 80 dB durch den Betrieb der Musikanlage nicht festgestellt.

 

Auf Grund trotzdem eingelangter weiterer Lärmbeschwerden durch Anrainer  vom 21. September 2006 sowie vom Oktober 2006 hat die belangte Behörde eine weitere Stellungnahme des Amtssachverständigendienstes eingeholt. In dieser Äußerung vom 23. Oktober 2006 stellt der technische Amtssachverständige fest, dass grundsätzlich durch die geplante Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage zufolge der vorgelegenen Gutachten, den durchgeführten Schallmessungen und Berechnungen nachteilige Auswirkungen auf Nachbarn nicht zu erwarten gewesen seien. Der geforderte Einbau eines Limiters wurde in Anwesenheit des Konsenswerbers geprüft, wobei keine unzumutbaren Lärmbelastungen festgestellt werden konnten. Auf Grund der weiteren Anzeigen erscheine in technischer Hinsicht der Verdacht nahe liegend, dass der Betreiber der Betriebsanlage einen Weg gefunden habe, die Plombierung und somit die Funktion des Limiters zu umgehen. Nur so ließen sich die Wahrnehmungen der Sicherheits­wachebeamten  erklären. Der Nachweis derartiger Manipulationen sei schwierig. Entsprechende Schalter oder zusätzliche Verstärker ließen sich leicht innerhalb der Betriebsanlage verbergen.

 

Den, diesen Äußerungen zu Grunde liegenden Polizeianzeigen zur Folge stellten die Polizeibeamten fest, dass der verursachte Lärm vermeidbar und störend und wegen seiner Dauer und Lautstärke für das menschliche Empfinden äußerst unangenehm gewesen sei bzw. sei der Lärm aus dem Lokal von zwei anzeigenden Polizeibeamten bereits vor dem Lokal wahrgenommen worden sei. Die Musikanlage sei erst nach Aufforderung zurückgedreht worden. Der durch die Musikanlage verursachte Lärm sei vermeidbar und störend und wegen seiner Dauer und Lautstärke für das menschliche Empfinden äußerst unangenehm gewesen.

 

Auf diesen Ermittlungsergebnissen aufbauend erließ in der Folge die belangte Behörde den nunmehr bekämpften Bescheid vom 29. Dezember 2006, GeBA-9/03 und weist hierin das Ansuchen um Genehmigung für den Einbau einer Musikanlage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der festgestellte Musiklärm sei aus der Betriebsanlage der Berufungswerberin und es liege der Verdacht nahe, dass diese bzw. der Betreiber der Anlage einen Weg gefunden haben müsse, nach der Plombierung der Anlage die Funktion des Limiters zu umgehen und so tatsächlich eine Anlage zu betreiben, die geeignet sei, die Nachbarn unzumutbar zu belästigen, da sie in der Nachtruhe gestört werden könnten.

 

Dieses dargestellte Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und die dazu abgegebene Begründung der belangten Behörde sind zusammenfassend nicht geeignet, den abweisenden Spruch des bekämpften Bescheides ausreichend und insbesondere zutreffend zu begründen. An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten, dass die Frage, ob eine Anlage geeignet ist, Nachbarn unzumutbar zu belästigen lediglich Grundlage für die Feststellung der Genehmigungspflicht für eine Anlage ist, nicht jedoch für die Beantwortung der Frage, ob eine Genehmigung für die Betriebsanlage im Grunde des § 77 GewO 1994 bzw. für die Änderung einer bestehenden Betriebsanlage nach
§ 81 GewO 1994 erteilt werden kann. Die Genehmigungspflicht ist immer schon dann gegeben, wenn solche Auswirkungen auf bestimmte Personen nicht von vornherein auszuschließen sind, was im gegenständlichen Fall bereits vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens zu Recht zu bejahen war. Ob diese genehmigungs­pflichtige Betriebsanlage in der Folge aber auch genehmigungsfähig ist, ist nach § 81 Abs.1 iVm § 77 Abs.1 GewO 1994 zu beurteilen.

 

Die Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung für die Neuerrichtung oder Änderung einer Anlage gegeben sind, ob somit grundsätzlich vorhandene Emissionen die bestehende Situation zum Nachteil der Nachbarn belästigend oder gesundheitsgefährdend auswirken, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens.

Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlagen als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartenden Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt – fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen – die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang in § 77 Abs.2 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen auszuüben vermögen (VwGH 25.9.1990, 90/04/0035; 24.11.1992, 92/04/0119).

 

Auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden (VwGH 25.9.1990, 90/04/0035). Das Gutachten eines Sachverständigen hat aus einem Befund und dem Urteil, dem Gutachten im engeren Sinn zu bestehen.  Hiebei hat der Befund alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, die für das Gutachten, das sich auf den Befund stützende Urteil, erforderlich sind. Dieses Urteil muss so begründet werden, dass es auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden kann (VwGH 24.11.1992, 92/04/0119).

Als Beurteilungsmaßstab stellt § 77 leg.cit. allein auf die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse, und zwar auf ihre möglichen Änderungen, die durch die konkrete Betriebsanlage oder den jeweiligen neu hinzukommenden Betriebsanlagenteil verursacht werden, ab. Um dem Gesetzesauftrag des § 77 Abs.2 entsprechen zu können, bedarf es präziser Feststellungen über die Immissionssituation vor Inbetriebnahme des zu genehmigenden Projektes, welche der auf Grund des zu genehmigenden Betriebes zu erwartenden Immissionen gegenüber zu stellen sind.

 

Da im gegenständlichen Falle die Anlage – wenn auch ohne Genehmigung – bereits in Betrieb ist, wäre es zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit erforderlich, diejenigen Immissionen zu beurteilen, welche bei ordnungsgemäßem Betrieb der Anlage auf Nachbarn einwirken. Die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Lärmbelästigung ist auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen.

 

Im gegenständlichen Falle liegen der Beurteilung einerseits die Aussagen von einschreitenden Polizeibeamten, wonach der Lärm eindeutig aus dem gegenständlichen Lokal gekommen ist und bereits vor dem Lokal hörbar war, andererseits die Vermutung des Amtssachverständigen, dass der Betreiber einen Weg gefunden haben müsse, die Plombierung der Anlage bzw. die Funktion des Limiters zu umgehen, zu Grunde. Tatsächliche Erhebungsergebnisse, wonach durch den Betrieb der Anlage bei Anrainern auf Grund von technischen Messergebnissen sowie ärztlichen gutachtlichen Feststellungen unzumutbare, gesundheitsgefährdende  Lärmimmissionen auftreten, liegen dem bekämpften Bescheid nicht zu Grunde.

 

Festzustellen ist insbesondere, dass die angeführten Aussagen von Polizeibeamten lediglich einen subjektiven Eindruck derselben im Straßenbereich vor der gastgewerblichen Anlage darstellen, somit weder einer Sachverständigenaussage gleichgehalten werden können und sich auch nicht auf die Immissionssituation bei Anrainern beziehen. Die Polizisten stellen darüber hinaus lediglich fest, dass der Musiklärm aus der Betriebsanlage des Konsenswerbers stammt, nicht jedoch, ob es sich um die verfahrensgegenständliche Musikanlage handelt. Nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass vom Anlageninhaber auch eine andere oder zusätzliche Musikanlage in Betrieb genommen worden ist. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass Vermutungen bzw. allenfalls auch Befürchtungen, der Anlageninhaber könnte einen genehmigten Anlagenteil nicht konsensgemäß betreiben bzw. vorgeschriebene Auflagen nicht einhalten, für sich alleine die Abweisung eines Genehmigungsantrages nicht begründen können.

 

Insbesondere zur Führung des ergänzend Sachverständigenbeweises erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat die Durchführung einer weiteren Verhandlung unter Beiziehung der einschlägigen Sachverständigen und unter Zuziehung der Verfahrensparteien für unvermeidlich im Sinne des § 66 Abs.2 AVG, weshalb aus den angeführten Sach- und Rechtsgründen wie im Spruch zu entscheiden war.

 

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird es jedenfalls als zweckmäßig erachtet, eine oder mehrere unangekündigte Lärmmessungen beim nächstgelegenen und der Lautstärke der Musikanlage am meisten ausgesetzten Anrainer bei Betrieb der Anlage durchzuführen. Lärmtechnisch wäre der Nachweis zu führen, ob die beim Anrainer gemessene Immission mit der im Lokal durch Plombierung begrenzten Lautstärke im Lokal übereinstimmen kann. Die beim Anrainer auftretende Immission wird auch medizinisch zu beurteilen sein.

 

Der Berufungswerber und Anlagenbetreiber wiederum wird auch an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein derzeitiger Betrieb der Anlage illegal ist und er jederzeit mit Strafverfahren bzw. auch Zwangsmaßnahmen nach
§ 360 GewO 1994 rechnen muss. Es wird seine Aufgabe sein, der Behörde gegenüber anzugeben, mit welcher max. Lautstärke in seinen Betriebsräumlichkeiten er die Musikanlage zu betreiben beabsichtigt. Mit denselben oben genannten verwaltungsstrafrechtlichen Konsequenzen bzw. Zwangsmaßnahmen wird er auch zu rechnen haben, wenn er die Anlage – falls sie unter Vorschreibung von Auflagen genehmigt wird – projektswidrig oder unter Nichteinhalten von Auflagen betreibt.

 

Auf Grund dieser dargestellten Rechtslage war somit insgesamt wie im Spruch zu erkennen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Reichenberger

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum