Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521563/2/Br/Ps

Linz, 17.03.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn D K, geb., S, S, vertreten durch Dr. R S, LL.M., Rechtsanwalt, M, L, gegen den Bescheid der Bezirks­hauptmannschaft Wels-Land vom 15. Februar 2007, Zl. VerkR21-956-2006 Be, VerkR21-957-2006 Be, zu Recht:

 

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG, § 7 Abs.1, 3 und 4 Führerscheingesetz – FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2004.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde erster Instanz hat über die Vorstellung des Berufungswerbers gegen den (Mandats-)Bescheid vom 20.10.2006, mit dem ihm die Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit ab 13.10.2007 für die Dauer von sechs Monaten entzogen und das Lenken eines Motorfahrrades und eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges für den gleichen Zeitraum verboten und die Vorlage einer verkehrspsychologischen und amtsärztlichen Untersuchung aufgetragen wurde, in dessen Abänderung ausgesprochen, dass die Lenkberechtigung für die Klasse "B" wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf die Dauer von 4 Monaten – gerechnet ab Zustellung des Bescheides per 13.10.2006 – bis einschließlich 13. Februar 2007 entzogen und das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für den gleichen Zeitraum verboten wurde.

Bezüglich des Spruchabschnittes im Mandatsbescheid "Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme und eines amtsärztlichen Gutachtens" erfolgte dessen Behebung.

 

1.1. Mit Hinweis auf §§ 7 Abs.1 und 3 Z4 und 32 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 i.d. geltenden Fassung begründete die Behörde erster Instanz deren Entscheidung mit folgenden Ausführungen:

"Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat Herrn K wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit mit Bescheid vom 10.10.2006 die Lenkberechtigung auf die Dauer von 6 Monaten, gerechnet ab 13.10.2006 entzogen und das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für den gleichen Zeitraum verboten und weiters die Vorlage eines verkehrspsychologischen und amtsärztlichen Gutachtens angeordnet, weil er nach einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang sein Fahrzeug nicht sofort am Tatort angehalten hat.

Dieser Sachverhalt ist auf Grund der Anzeige der Polizeiinspektion Gunskirchen vom 25.08.2006 sowie des gesamten Aktenverlaufes als erwiesen anzusehen.

Laut Mitteilung des Bezirksanwaltes beim Bezirksgericht Lambach vom 18.01.2007 wurde das gegen Herrn K eingeleitete Verfahren wegen Verdacht der fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt bzw. eingestellt.

Bezüglich der sofortigen Nichtanhaltung an der Unfallstelle kann zwar den vorliegenden Gutachten nicht voll gefolgt werden, jedoch infolge Eintreten einer gewissen Panik als mildernde Umstände gewertet werden.

Auf Grund der Vorstellung und dem Vorbringen der Partei sowie der vorliegenden Sachverständigengutachten konnte einer Herabsetzung der ausgesprochenen Entzugsdauer Rechnung getragen werden, dies insoferne, als der Partei kein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalles getroffen hat, vor allem diese im Ortsgebiet bei der Annäherung an dem Schutzweg keine überhöhte Geschwindigkeit innehatte.

Auf Grund der bisher vorgelegten Sachverständigengutachten konnte auch von der Einholung eines verkehrspsychologischen und amtsärztlichen Gutachtens abgesehen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

2. In der durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht eingebrachten Berufung wird Folgendes ausgeführt:

"In umseits bezeichneter Rechtssache erhebe ich gegen den Bescheid der Bezirkshaupt­mannschaft Wels-Land vom 15.2.2007, VerkR21-956-2006, VerkR21-957-2006, innerhalb offener Frist durch meinen bevollmächtigten Rechtsfreund nachstehende

 

Berufung:

 

Der angefochtene Bescheid wird in dem Umfang angefochten, als die Lenkerberechtigung für die Klasse „B" wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf die Dauer von vier Monaten, gerechnet vom 13.10.2006 bis einschließlich 13.2.2007, entzogen und das Len­ken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für den gleichen Zeit­raum verboten wird.

Als Berufungsgrund wird unrichtige Sachverhaltsfeststellung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Aufgrund des vorliegenden psychiatrischen Gutachtens Dris. H S vom 29.1.2007 hätte die Erstbehörde die Feststellung treffen müssen, dass der Berufungswer­ber beim Unfallereignis vom 18.7.2006 eine akute Belastungsreaktion (ICD 10 F43.0) er­litt.

Dies entspricht — in der Umgangssprache — einem psychischen Schock, was nach den Ausführungen des Sachverständigen bei Darstellung der auslösenden Situation und der unmittelbar anschließenden Symptomatik sehr gut nachvollziehbar ist. Der Sachverständige kommt zum Ergebnis, dass das unüberlegte „Weiterfahren" unmit­telbar nach dem Ereignis sich aus dieser „Schock-Reaktion" erklärt, innerhalb der der Betroffene rational nicht dispositionsfähig gewesen ist.

Damit kann die Weiterfahrt und das nicht sofortige Zurückkehren an den Unfallort dem Berufungswerber nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er in dieser Zeit nicht rational dispositionsfähig und somit in dieser kurzen Zeitspanne auch nicht schuldfähig war. Die Weiterfahrt war daher nicht der Versuch des Berufungswerbers, sich seiner Verant­wortung zu entziehen — wie sich nachträglich herausstellte, bestand nicht die geringste Alkoholbeeinträchtigung (0,00) — und hat auch der Bezirksanwalt das eingeleitete Strafver­fahren eingestellt, sodass auf Grundlage des vorliegenden psychiatrischen Gutachtens tatsächlich der Schluss zu ziehen ist, dass alleinig der „psychische Schock" Auslöser für die Weiterfahrt war, innerhalb welcher der Berufungswerber nicht dispositionsfähig und damit nicht schuldfähig war.

 

Gestellt wird daher der

 

Antrag

 

den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dieser im Umfang der An­fechtung, nämlich dass dem D K die Lenkerberechtigung für die Klasse „B" wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, das ist vom 13.10.2006 bis einschließlich 13.2.2007, entzogen und das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für den gleichen Zeitraum verboten wird, ersatzlos zu beheben.

 

L, 16.2.2007                                                                                    D K"

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67d Abs.1 2. Satz AVG). Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier mangels eines gesonderten Antrages und der Tatsache, dass die Berufungssache sich hier in der Lösung einer Rechtsfrage erschöpft und der Bescheid zu beheben ist, unterbleiben (§ 67d Abs.2 Z1 2. Halbsatz AVG).

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und der sich daraus ergebenden unstrittigen Faktenlage.

 

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

4.1. Der Berufungswerber lenkte am 18.7.2006 um 06.40 Uhr einen Pkw im Ortsgebiet von Offenhausen. Im Kreuzungsbereich Bräuhausstraße der L1249 betrat ein Fußgänger so unvermittelt den Schutzweg, dass dem Berufungswerber eine Kollisionsvermeidung unmöglich war. Der Berufungswerber hielt sein Fahrzeug nicht sofort an, sondern fuhr noch langsam etwa 200 m weiter und begab sich zu Fuß zur Unfallstelle zurück und verständigte währenddessen jedoch per Handy die Rettung.

Der Fußgänger wurde dadurch so schwer verletzt, dass er vier Tage später seinen schweren Verletzungen erlag.

Die Staatsanwaltschaft Wels – Bezirksanwalt beim Strafbezirksgericht Wels – stellte das Strafverfahren nach Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens von Dipl.-Ing. J. L ein (26 BAZ 394/06x (VT).

Der Berufungswerber verletzte weder eine Schutznorm der StVO noch nach dem KFG. Der kraftfahrtechnische Gutachter gelangte anlässlich des gerichtlichen Verfahrens in nachvollziehbarer Weise zur Auffassung, dass die Kollision für den Berufungswerber ab dem Zeitpunkt der Erkennbarkeit, dass der Fußgänger die Fahrbahn über den Schutzweg betreten werde, nicht mehr möglich war. Laut Sachverständigen wäre der Unfall nur durch eine Vollbremsung ab dem Zeitpunkt, wo sich der Berufungswerber noch zwei Meter von der Fahrbahn entfernt befunden hat, möglich gewesen.  Dies stellte der Sachverständige dem Gericht als Rechtsfrage zur Beurteilung, wenn er ausführte, "…. aus technischer Sicht wäre nur dann eine Unfallsverhinderung möglich gewesen, wenn man rechtlich verlangt, dass er bereits voll abbremsen muss, wenn der Fußgänger noch 2 m außerhalb der Fahrbahn auf dem Schutzweg sich zu dieser hin bewegt…."

Das Gericht folgte dem Sachverständigen offenbar in der Beurteilung der präsumtiven Rechtsfrage dahingehend, dass dem Berufungswerber hier keine objektive Sorgfaltswidrigkeit zur Last zu legen war, d.h. ihm offenkundig kein unfallverhinderndes Alternativerhalten zugemutet werde konnte.

Die Behörde erster Instanz wertete offenbar dennoch die vielleicht mit 10 bis 20 Sekunden anzunehmende Weiterfahrt als eine bestimmte Tatsache, deren Wertung die vorübergehende Verkehrsunzuverlässigkeit indizierte. Dies insbesondere mit dem Hinweis, dass der Berufungswerber durch das nicht sofortige Anhalten sich nicht um die verletzte Person gekümmert habe, was offenbar als besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern zur Wirkung und Wertung gelangte (Seite 3 des Mandatsbescheides).

 

4.2. Inwiefern die Behörde erster Instanz letztlich dem Gutachten von Dipl.-Ing. L ob des nicht sofortigen Anhaltens nicht zu folgen vermochte, erweist sich als nicht nachvollziehbar, weil der Sachverständige in Wahrheit dazu keinerlei Aussagen traf. Er stellte dem Gericht lediglich die Beurteilung der Rechtsfrage anheim, nämlich ob die Distanz eines Fußgängers zwei Meter von der Fahrbahn entfernt bereits eine (präventive) Vollbremsung erfordern würde. Nur durch einen solchen Bremsentschluss wäre laut Sachverständigen seitens des Berufungswerbers die Kollision mit dem Fußgänger noch verhinderbar gewesen. Tatsache ist jedoch, dass der Fußgänger für den Berufungswerber offenbar völlig unvermittelt in die Fahrlinie trat.

Das Gericht erblickte demnach im Fahrverhalten des Berufungswerbers kein schuldhaftes Verhalten.

Für eine andere als vom Gericht vorgenommenen Beurteilung des Unfallgeschehens besteht aus der Sicht der Berufungsbehörde keine sachliche Grundlage.

Die Qualifizierung der kurzen Weiterfahrt nach der Kollision mit dem Fußgänger auf dem Schutzweg wurde seitens der Behörde erster Instanz offenbar als rücksichtsloses und gefährliches Verhalten iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG qualifiziert.

Eine diesbezügliche objektive u. subjektive Schuld wird jedoch durch die Gutachten Dipl.-Ing. L v. 4.1.2007 (KFZ-Technik) und Dr. S v. 29.1.2007 (psychiatrisch) klar widerlegt.

 

"Psychiatrisches Gutachten

Betr.: K D, geb.

 

 Er stellt sich heute am 29.1.07 vor, mit der Bitte um ein Privatgutachten über Empfehlung Dr. P. Es geht um einen Unfall am 18.7.06, bei dem er einen Fußgänger kollidiert hat. der 2 Tage später im Krankenhaus verstorben ist. Es konnte dann allerdings nachträglich festgestellt werden, dass das Verschulden an dem Unfall letztlich den Fußgänger trifft. Es sei ihm — auch laut eines technischen Gutachtens - nicht mehr möglich gewesen, rechtzeitig zu bremsen. Er kann, sich an den Unfall im Detail erinnern. Er sei noch 200 Meter weitergefahren, hat dann angehalten, hat telefonisch die Rettung verständigt, ist dann noch etwa 15 Minuten in seinem PKW sitzen geblieben. Er war zu dieser Zeit irgendwie fertig, hat nicht gewusst, was er tun soll. Er war sicher, dass (vom Unfallhergang her) der Fußgänger getötet wurde - durch seine Schuld, nachdem sich der Fußgänger auf dem Zebrastreifen befunden hat. Er ist dann zur Unfallstelle zurückgegangen. Die Rettung war mit dem Schwerstverletzten noch beschäftigt. Er wurde dann mit dem Hubschrauber abtransportiert, woraus auch für ihn klar war, dass er sich noch am Leben befand. Er wurde von der Polizei zum Posten in einer nahe gelegenen benachbarten Ortschaft gebracht. Es wurde ein Alko-Test vorgenommen mit negativem Ergebnis, man hat ihn dann befragt, ob er zu einer Aussage fähig ist und er hat auch ausgesagt. Ist dann noch "herumgegangen11 ca. 2 Stunden, hat dann zu Hause die Mutter telefonisch verständigt, die ihn abgeholt hat (sein PKW war beschädigt bzgl. der Windschutzscheibe). Die folgenden beiden Tage hat er "auf der Couch verbracht". Er hat die Ferialarbeit für 2 Tage ausgesetzt (er studiert in L Wirtschaftsinformatik, hat damals einen Ferialjob gehabt als Kommissionierer bei einer Tabakfirma), 2-3 Wochen sei er recht inaktiv gewesen und habe ihn nichts gefreut. Einschlafen war erschwert, allmählich hat sich sein Zustand normalisiert. Eine unbestimmte Zeit lang sind ihm die Probleme durch den Kopf gegangen - auch bildhaft. Im Studium hat er keinen Leistungsabfall bemerkt.

 

Angaben zur Lebenssituation:

Er lebt im elterlichen Haushalt, hat 2 jüngere Geschwister, studiert wie bereits erwähnt in L. Bei der gegenständlichen Problematik hat er von Seiten der Eltern Unterstützung erfahren. Der Führerschein ist zurzeit noch entzogen.

 

Aktueller psychischer Befund:

Bewußtseinsklar,    in   allen   Qualitäten   korrekt   orientiert,   gut   kontakt-   und dialogfähig. Denkablauf kohärent, geordnet, flüssig, guter sprachlicher Ausdruck. Sicherlich bestehen keinerlei kognitive Beeinträchtigungen. Das Intelligenzniveau ist mit überdurchschnittlich gut anzusetzen.

 

Emotionales Verhalten: Er wirkt durchgehend bedrückt und nach wie vor betroffen von der Problematik. Die Erinnerung an das Unfallereignis ist auch einigermaßen bildhaft. In relativen Widerspruch dazu meint er, er habe das Ganze psychisch mehr oder weniger überstanden, allerdings war es schon so, dass ihn die Unfallszene noch über Wochen (auch mit bildhaften Assoziationen) verfolgt hat.

 

Selbstbeurteilung seiner Persönlichkeit: Er meint, er sei im Allgemeinen psychisch recht stabil und neige im Allgemeinen nicht zu emotionalen Reaktionen.

 

Testpsychologisch kam als projektives Verfahren der Rorschach-Test zur Anwendung (Verfahren zur Erfassung unbewusster Anteile, die Auskunft zu Persönlichkeitsstruktur und Persönlichkeitsdynamik geben).

Bei voller Verwertbarkeit, des Verfahrens (R=19) zeichnet der Depressions-Index und Coping-Defizit-Index signifikant erhöht (DEPI=6; CDI=5), Fassbar sind Hinweise auf eine affektive Störung, die die Charakteristika einer Depression aufweisen sowie auf einen Zustand milder aber chronischer Überforderung bei der

Activierung psychologischer Ressourcen im Umgang mit Anforderungen interner und   externer   Lebensereignisse.   Die   Wahrscheinlichkeit   für   wiederkehrende Episoden von Ängstlichkeit, Anspannung, Nervosität und Irritierbarkeit ist sehr hoch. Das Denken ist logisch und kohärent die Realitätsprüfung gelingt gut. (Interpretation Fr. Mag. G)

(Anmerkung dazu: In diesem Test spiegelt sich die psychische Betroffenheit des Untersuchten, die zumindest teilweise noch anhaltend besteht - eine darüber hinausgehende Psychopathologie ist in Übereinstimmung mit dem klinischen Befund auch diesem Testergebnis nicht zu entnehmen. Es zeigt sich lediglich, dass die psychische Verarbeitung der Ereignisse letztlich noch nicht so weit gelungen ist, wie der Untersuchte meint.)

 

Zusammenfassende Beurteilung:

Der Untersuchte ist sicherlich überdurchschnittlich gut intellektuell begabt und es gibt keinerlei Zeichen einer psychischen Erkrankung oder behandlungsbedürftigen psychischen Problematik. Bei dem Unfallereignis vom 18.7.06 erlitt der Untersuchte ohne Frage eine akute Belastungsreaktion (ICD 10 - F43.0). Dies entspricht - in der Umgangssprache - einem psychischen Schock: was bei Darstellung der auslösenden Situation und der unmittelbar anschließenden Symptomatik   sehr   gut   nachvollziehbar   ist.   Er   sei   etwa   über   1/4  Stunde aktionsunfähig gewesen und ratlos. Das Ereignis war für ihn insofern auch besonders belastend, als er sich schuldig gefühlt hat — was erst später durch ein technisches Gutachten widerlegt werden konnte. Es habe sich eine Periode relativer Inaktivität und Freudlosigkeit angeschlossen. Letztlich sind geringe Restsymptome (die er offenbar bewusst nicht so sehr wahrnimmt) noch immer vorhanden und sprechen dafür, dass er von dem Ereignis emotional in besonderem Maße betroffen war.

Die Schlussfolgerungen ergeben sich, aus dem Explorationsbefund und aus dem testpsychologischen Ergebnis.

Das unüberlegte "Weiterfahren" unmittelbar nach dem Ereignis erklärt sich aus dieser "Schockreaktion", innerhalb der der Betroffene rational nicht dispositionsfähig gewesen ist."

 

4.2.1. Dieser Beurteilung vermag sich die Berufungsbehörde vollinhaltlich anzuschließen. Dieses schon objektiv nicht schwerwiegende Fehlverhalten der noch kurzzeitigen Weiterfahrt ist dem Berufungswerber demnach subjektiv weder als Schuld noch als schädliche Sinneshaltung gegenüber Schutzzielen in der sozialen Gemeinschaft im Allgemeinen, noch zu den Werten im Straßenverkehr im Besonderen vorwerfbar.

Der Gutachter spricht von einer schockbedingten Reaktion, der eine vorübergehende rationale Dispositionsunfähigkeit zu Grunde lag.

Versetzt man sich in die Situation eines derart Betroffenen, könnte ein solcher Zustand offenkundig bei jedem Menschen, dem ein derart tragisches Ereignis widerfährt, eintreten. Zu bedenken gilt es, dass letztlich die Begrifflichkeit des sofortigen Anhaltens auch nicht wörtlich ausgelegt werden kann, weil es zumindest des Anhalteweges bedarf, wobei dem Betroffenen eine diesbezügliche Disposition zugebilligt werden muss.

Im gegenständlichen Fall wurde dieser im Sinne des § 4 Abs.1 lit.a bzw. § 4 Abs.2 StVO 1960 stringent auszulegende räumliche und zeitliche Rahmen objektiv besehen wohl überzogen, wobei die Gründe vom psychiatrischen Gutachter sehr gut nachvollziehbar erscheinen. Von einem derart beschriebenen situationsbedingten Schockzustand könnte bei lebensnaher Betrachtung wohl jeder andere Mensch genauso betroffen worden sein.

Dass dadurch wohl keine über das an sich so tragisch verlaufene Unfallereignis hinaus erkennbaren nachteiligen Auswirkungen hinsichtlich der genannten Schutzvorschriften eingetreten sind, hat auf sich bewenden zu bleiben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dies wohl ebenfalls verneint werden können.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Nach § 7 Abs.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

     ...

     Abs.3 leg.cit: "Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand,

     ...

    Z3: als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;

     ..."

     Z5: "Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend."

            Da letztlich keines der o.a. Verhaltensmuster dem Berufungswerber zugerechnet werden kann, vermag aus unfallursächlichen Verlauf – trotz der tragischen Unfallfolgen – keine in der Person des Berufungswerbers gelegene die Verkehrszuverlässigkeit ausschließende Wertungstatsache erblickt werden.

 

§ 7 Abs.3 Z3 FSG erfordert zwar nicht, dass die Übertretung von Verkehrsvorschriften unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen wurde, es genügt vielmehr ein Verhalten, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Diese Vorschrift enthält eine beispielsweise Aufzählung derartiger Verhaltensweisen.

Hier hat sich im Nachhinein durch die Gutachten ergeben, dass dem Berufungswerber überhaupt kein Fehlverhalten zur Last fällt. Mit Blick darauf wurde das Strafverfahren am 18. Jänner 2007 wg. des ursprünglichen Verdachtes nach § 80 StGB (Fahrlässige Tötung) gemäß § 90 Abs. StPO zurückgelegt.

Mit Ausnahme des noch als Wertungstatsache verbleibenden Faktums des nicht sofortigen Anhaltens kann dem Berufungswerber aber auch keinerlei schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden.

Wenn nun der psychiatrische Gutachter nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass die kurze Weiterfahrt im Schock – in enger Auslegung der einschlägigen Bestimmung der StVO als Verwaltungsübertretung zu qualifizieren – außerhalb der vom Berufungswerber gelegenen Dispositionsfähigkeit lag, vermag ex post betrachtet auch darin keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 u. 3 u. 4 FSG erblickt werden, die im Rahmen deren Wertung je eine rechtliche und sachliche Grundlage für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers nach dieser Gesetzesstelle hätte bieten können (VwGH 8.8.2002, 2002/11/0089).

 

5.2. Abschließend gilt es zu bemerken, dass im Sinne der Judikatur selbst tatsächliche gesetzte Fehlverhalten nicht immer zu einer Wertung der Verkehrszuverlässigkeit führen, wenn es sich dabei "nach Lage der Dinge um ein einmaliges Fehlverhalten, welches für die Beurteilung der Sinnesart des Betroffenen nicht signifikant ist" handelt (vgl. damals noch zur Rechtslage nach dem KFG, VwGH 20.1.1998, 97/11/0217).

Umso mehr kann daher hier im Lichte der gutachterlich nachgewiesen integeren Persönlichkeit des Berufungswerbers keine Rede von einer Verkehrszuverlässigkeit aus Anlass dieses so bedauerlich verlaufenen Unfallausganges sein. Selbst bei so schwerwiegenden Unfallfolgen darf sich die Persönlichkeitsbeurteilung nicht an den – hier so tragisch verlaufenen – Unfallfolgen orientieren (VwGH 15.3.1994, 93/11/0265, sowie VwGH 11.7.2000, 2000/11/0092 u. VwGH 6.4.2006, 2005/11/0214 mwN).

 

5.3. Der Bescheid war daher ersatzlos zu beheben, wobei zu bemerken ist, dass dem Berufungswerber aus diesem Unfallereignis zu keinem Zeitpunkt die Verkehrszuverlässigkeit abzusprechen war.

 

5.3.1. Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungs­gerichts­hof und/oder an den Verfassungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

Beschlagwortung:

Unfallschock, psychischer Schock, Wertung

 

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