Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550328/5/Kü/Pe/Hu VwSen-550329/5/Kü/Pe/Hu

Linz, 12.04.2007

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Anträge der M Österreich GmbH, vertreten durch W T Rechtsanwälte GmbH, S, W, und der G Österreich GmbH, vertreten durch H S Rechtsanwälte GmbH, L H, W, vom 5.4.2007 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahrens der AKH Allgemeines Krankenhaus der Stadt Linz GmbH (im Folgenden: Auftraggeberin) betreffend das Vorhaben „Angio- und Kardiobedarf“, zu Recht erkannt:

 

 

Den Anträgen wird stattgegeben und das Vergabeverfahren der Auftraggeberin AKH Allgemeines Krankenhaus der Stadt Linz GmbH betreffend das Vorhaben „Angio- und Kardiobedarf“ bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis zum 5. Juni 2007 ausgesetzt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingaben vom 5.4.2007 beantragten die M Österreich GmbH und die G Österreich GmbH die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Aussetzung der Angebotsfrist und der Untersagung der Angebotsöffnung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren. Weiters wurde die Rückerstattung der Pauschalgebühren begehrt.

 

1.1. Die M Österreich GmbH führte begründend aus, dass sie sich am gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt und die Ausschreibungsunterlagen angefordert habe, welche mit 2.3.2007 übermittelt worden seien. Gemäß Ausschreibungsunterlage werde der Auftrag losweise nach dem Bestbieterprinzip vergeben. Die Auftraggeberin habe bei Erstellung des Leistungsverzeichnisses durchgängig den Weg der hersteller- bzw. produktbezogenen Leistungsbeschreibung gewählt. Aus den besonderen Geschäftsbedingungen folge, dass dies jene Produkte seien, die von der Auftraggeberin derzeit verwendet würden und nur ein Produkt, welches die im Leistungsverzeichnis genannten Mindestanforderungen bzw. Muss-Kriterien erfüllt, als gleichwertig gelte.

Weiters seien Preiserhöhungsanträge erstmals ein Jahr nach Zuschlagserteilung aufgrund eines begründeten schriftlichen Antrags möglich und sei die Preiserhöhung erst nach schriftlicher Zustimmung der Auftraggeberin wirksam. Als Ausschlussgründe seien in den besonderen Geschäftsbedingungen „Mangelnde Produktverarbeitung“, „Verursachung zusätzlicher Kosten im Prozess“, „umständliches Produkthandling und aufwändige Bedienbarkeit“, „nicht einwandfreie Produktfunktion“ sowie „Aufwendiges Handling der Verpackung“ angeführt. Weiters habe jede Schulung des Personals der Aufraggeberin kostenfrei, zeitnah und in dem Umfang, der den Anforderungen der Auftraggeberin entspreche, zu erfolgen.

Die M Österreich GmbH habe aufgrund ihres Interesses an einer vergaberechtskonformen Ausschreibung am 28.3.2007 ein Aufforderungsschreiben zur Berichtigung und Klarstellung der Ausschreibungsunterlagen an die Auftraggeberin übermittelt. Dieses Schreiben sei am 30.3.2007 beantwortet worden und sei mitgeteilt worden, dass ein gesondertes „Korrektur- und Informationsschreiben“ an alle Interessenten versendet würde. Diese Berichtigung sei bis zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erfolgt. Ebenso wenig sei die Angebotsfrist erstreckt worden, weshalb aufgrund der Rechtswidrigkeit eine Angebotslegung bisher unterblieben sei.

Die M Österreich GmbH gehöre weltweit zu den führenden Anbietern auf dem Gebiet der Medizintechnik und stelle der gegenständliche Auftrag ein wesentliches Referenzprojekt dar. Die M Österreich GmbH habe ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Anforderung der Ausschreibungsunterlagen und Aufforderung zur Berichtigung mit Schreiben vom 28.3.2007 bekundet. Die M Österreich GmbH möchte sämtliche Lose, ausgenommen die Lose 4a bis 4c, 5a bis 5c, 6a und 7a bis 7q, anbieten, jedoch sei eine Angebotslegung aufgrund der diskriminierenden und rechtswidrigen Ausschreibung sowie bisher unterblieben. Weiters ermögliche die Ausschreibung eine Beurteilung, welche Anforderungen die Auftraggeberin an Angebote stelle, sowie eine Angebotsausarbeitung, welche aus Sicht der M Österreich GmbH die Chancen auf die Zuschlagserteilung am ehesten sicherstelle, nicht.

Der M Österreich GmbH drohe ein Gewinnentgang von mindestens 15 % des Auftragsvolumens (rd. 8 Mio. Euro; Gewinnentgang rd. 1,2 Mio. Euro) und entstehe ihr in dieser Höhe ein Vermögensschaden. Weiters drohe die Frustration der Kosten der Angebotslegung in Höhe von 6.720 Euro, der Kosten für die Rechtsvertretung in Höhe von 5.000 Euro, der Verlust eines maßgeblichen Referenzprojektes sowie bei Fortführung des Vergabeverfahrens und dessen Abschluss durch Zuschlagserteilung auch der Verlust der Möglichkeit, sich an einem neuerlichen Vergabeverfahren betreffend die ausgeschriebenen Produkte zu beteiligen.

Die M Österreich GmbH erachte sich durch die Ausschreibung sowie die Festlegungen in den Schreiben der Auftraggeberin vom 13.3.2007 und 30.3.2007 im Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens, im Recht auf Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, im Recht auf Durchführung eines transparenten und dem freien und lauteren Wettbewerbs entsprechenden Vergabeverfahrens, im Recht auf Durchführung eines Vergabeverfahrens auf Basis vergaberechtskonformer Ausschreibungsunterlagen, im Recht auf neutrale Beschreibung der Leistung sowie Unterlassen einer unzulässigen produkt- bzw. herstellerbezogenen Leistungsbeschreibung, im Recht auf Feststellung objektiv nachvollziehbarer, konkretisierter, transparenter und gewichteter Zuschlagskriterien, im Recht auf vergaberechtskonforme Festlegung der Ausscheidungsgründe, im Recht auf Vereinbarung von Festpreisen für die Höchstdauer von einem Jahr, im Recht darauf, dass die ausgeschriebenen Erzeugnisse – bei mangelnder Gleichwertigkeit der angebotenen Produkte – gemäß § 106 Abs.7 BVergG nur dann als angeboten gelten, wenn dies in einem Begleitschreiben zum Angebot ausdrücklich erklärt würde sowie im Recht auf Teilnahme an einem neuerlichen Vergabeverfahren infolge eines allenfalls gebotenen Widerrufs verletzt.

 

Die Bekanntmachung der gegenständlichen Ausschreibung sei nach dem 1.1.2007 erfolgt, weshalb der materielle Teil des BVergG 2006 sowie für den Rechtschutz das Oö. VergRSG 2006 anwendbar seien. Der gegenständliche Antrag sei gemäß § 4 Abs.3 Oö. VergRSG zulässig, da die Einbringung am 5.4.2007 erfolgte und somit bis spätestens sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist.

Weiters würden eine rechtswidrige sowie unzulässige Leistungsbeschreibung bzw. unzulässige technische Spezifikationen nach Leitprodukten, eine diskriminierende Leistungsbeschreibung, nicht hinreichend konkretisierte Kriterien für die Beurteilung der Gleichwertigkeit, eine unzulässige Verpflichtung zur Lieferung von Leitprodukten, eine widersprüchliche bzw. nicht ausreichend konkretisiere Leistungsbeschreibung, die Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung, rechtswidrige und unzulässige Zuschlagskriterien, mangelnde Trennung der Zuschlagskriterien von der Leistungsbeschreibung, unzulässiges Zuschlagskriterium „Qualität“, unzulässige Teilausschreibung, unzulässige Preisregelung, unzulässige Ausschlussgründe sowie unzulässige Festlegung betreffend Personalschulung geltend gemacht.

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bringt die M Österreich GmbH vor, dass besondere öffentliche Interessen, die einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen würden, nicht ersichtlich seien. Eine Gefährdung von Leib und Leben sei durch einen allenfalls für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens verzögerten Abschluss des Lieferauftrages nicht gegeben. Die fehlende Dringlichkeit eines raschen Abschlusses des gegenständliche Vergabeverfahrens sei dadurch dokumentiert, dass die Auftraggeberin kein beschleunigtes Verfahren wegen Dringlichkeit gewählt habe.

 

1.2. Die G Österreich GmbH führte im Wesentlichen begründend aus wie die M Österreich GmbH. Die G Österreich GmbH habe am 30.3.2007 ein Schreiben der Auftraggeberin erhalten, in welchem versucht würde, einige der unklaren Punkte aufzuklären. Die Bedenken seien nicht ausgeräumt worden, weshalb die G Österreich GmbH die Ausschreibungsunterlagen für vergabewidrig halte.

Der Antrag sei rechtzeitig innerhalb der Fristen gemäß Oö. VergRSG eingebracht. Die Angebotsfrist ende am 12.4.2007 und sei die Einbringung mit 5.4.2007 rechtzeitig bis spätestens sieben Tage vor Ende der Angebotsfrist erfolgt. Aufgrund der bisherigen Beteiligung der G Österreich GmbH am gegenständlichen Vergabeverfahren seien Kosten (insbesondere Durchsicht und Erörterung der Ausschreibungsunterlagen und Korrespondenz mit der Auftraggeberin) in der Höhe von jeweils zumindest 7.000 Euro sowie für die rechtsfreundliche Beratung bzw. Vertretung in der Höhe von rund 4.000 Euro angefallen und drohe der G Österreich GmbH ein Schaden in dieser Höhe zu entstehen. Der unternehmerische Gewinn sei aufgrund der vergabewidrigen Ausschreibungsunterlagen nicht seriös zu beziffern.

Die G Österreich GmbH habe ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren sowie durch Engagement im bisherigen Verfahren dargelegt und erachte sie sich in ihren Rechten auf Durchführung eines Vergabeverfahrens nach den Bestimmungen des BVergG 2006, auf Festlegung vergabekonformer Zuschlagskriterien, auf Vergleichbarkeit der Angebote, auf Bekanntmachung des Vergabeverfahrens, auf Abgabe von Teilangeboten bei einem Teilvergabevorbehalt oder von Angeboten ohne Übernahme unkalkulierbarer Risken und auf Grundlage einer eindeutigen und vollständigen Leistungsbeschreibung verletzt. Weiters würde Rechtswidrigkeit der festgelegten Zuschlagskriterien, die Nichtberücksichtigung von Produkten mit Qualitätsnoten und eine unzulässige hersteller- bzw. produktbezogene Leistungsbeschreibung geltend gemacht.

Weiters sei in den Ausschreibungsunterlagen angeführt, dass der Bieter Zahlungskonditionen angeben dürfe, jedoch seien in den Ausschreibungsunterlagen diese fix vorgegeben und dürfen in den Ausschreibungsunterlagen vom Bieter keine Änderungen vorgenommen werden. Die Auftraggeberin behalte sich in Punkt 3.5. der besonderen Geschäftsbedingungen vor, bei unvollständigen oder unwirtschaftlichen Losangeboten innerhalb eines Loses je Materialposition den Zuschlag zu erteilen, weshalb eine kalkulierte Angebotslegung ausgeschlossen sei. Weiters verlange die Auftraggeberin die Abgabe eines Gesamtpreises und die Abgabe von Einzelpreisen, wobei unklar sei, wie der Preis abzugeben sei und die Gesamtangebote mit den Teilangeboten verglichen werden sollen. Auf Seite 5 der Ausschreibungsunterlagen sei festgelegt, dass bei angebotenen Produkten, die zu den in den Ausschreibungsunterlagen angeführten Leitprodukten nicht gleichwertig seien, die Leitprodukte (für die eigenen Produkte) zum angebotenen Preis zu liefern seien und kein Recht auf eine Zusatzvergütung bestehe. Dies widerspreche § 106 Abs.7 BVergG.

Der Ausschluss der Auftragsweitergabe an Subunternehmer sei unzulässig und sei beim Muss-Kriterium „extended“ ausschließlich ein Bieter in der Lage dieses zu erreichen, was von vornherein alle anderen Bieter ausschließen würde. Dieses Parameter als Mindestanforderung und unvollständige Angaben seien unzulässig.

Auch könne die Bewertungssystematik für implantierte Herzschrittmacher nicht nachvollzogen werden, Laut § 79 Abs.3 BVergG seien die Ausschreibungsunterlagen so auszuarbeiten, dass die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt sei. Die gegenständliche Leistungsbeschreibung entspreche diesen Anforderungen nicht. Zu Punkt III Unterpunkt 1 würden "bedarfsgerechte Teilmengen" verlangt. Dieser unbestimmte Begriff führe zur Unkalkulierbarkeit des Angebotspreises und damit zu unvergleichbaren Angeboten.

 

Der Antrag auf einstweilige Verfügung wurde damit begründet, dass sich das Interesse der Antragstellerin darauf gründe, dass diese ohne eine einstweilige Verfügung Angebote auf Grundlage einer Ausschreibung legen müsste, die einen fairen Ablauf des Vergabeverfahrens unter Beachtung der vergaberechtlichen Grundsätze in keiner Weise sicherstelle. Im gegenständlichen Fall überwiege darüber hinaus das Interesse der Antragstellerin auf Beseitigung der im gegenständlichen Verfahren von der Auftraggeberin zu verantwortenden Vergabeverstöße bei weitem gegenüber allfälligen nachteiligen Folgen einer derartigen Maßnahme für die Auftraggeberin.

 

Gemäß § 11 Oö. VergRSG seien keine besonderen Interessen der Auftraggeberin ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen würden. Den Kosten der Antragstellerin würden keine (Mehr)Kosten der Auftraggeberin gegenüberstehen, die aus einer maximal zweimonatigen Unterbrechung des Verfahrens entstehen könnten. Jeder umsichtige Auftraggeber müsse bei der Planung der Ausschreibung bereits ausreichende Zeitpolster vor allfällige Verzögerungen durch Kontrollverfahren einkalkulieren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass nach Sichtweise des VfGH auch die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter im öffentlichen Interesse gelegen sei. Die vorliegenden Rechtsverstöße würden aber gerade dazu führen, dass eine Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ausgeschlossen sei. Besondere öffentliche Interessen, die für eine Fortführung des Vergabeverfahrens sprechen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die AKH A K der S L GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. In ihrer Stellungnahme vom 11.4.2007 führt die Auftraggeberin aus, dass sie Schwerpunktkrankenhaus und kardiologisches Zentrum sei. Es müsse nicht ausführlich begründet werden, dass es sich bei den ausgeschriebenen Produkten um lebenserhaltende Implantate handeln würde, deren Qualität und Verfügbarkeit keine Kompromisse zulasse. Eine einstweilige Verfügung würde nicht nur die gesetzeskonforme Beschaffung der ausschreibungsgegenständlichen Produkte verhindern, sondern auch die zugegeben mühevolle Arbeit jener Bewerber/Interessenten (36  behobene Ausschreibungsunterlagen) ad absurdum führen, die sehr wohl ein Angebot zu dieser Ausschreibung legen könnten.

 

Bei den ausgeschriebenen Materialien handle es sich um innovative, technisch hochwertige und „heikle“ Implantate, die aufgrund ihrer Komplexität bisher jeweils im Verhandlungsverfahren mit einem Unternehmen angeschafft worden seien. Der Grund für die Wahl des offenen Verfahrens zeige den eindeutigen Willen der Auftraggeberin, dieses Produktportfolio dem ganzen Markt zugänglich zu machen. Diese Signalwirkung erschrecke anscheinend manche Interessenten, vor allem jene, die die Auftraggeberin im Zuge eines Verhandlungsverfahrens mit einem Unternehmen ohne Einschaltung des UVS beliefert hätten. Aufgrund der Tatsache, dass 36 Interessenten die Ausschreibungsunterlage behoben hätten, sei davon ausgehen, dass das gegenständliche Produktportfolio  von mehreren sich im Wettbewerb befindlichen Unternehmen angeboten werden könne. Wenn ihre Informationen aus der Markterhebung richtig seien, sei das gegenständliche Vergabeverfahren aufgrund seiner Sortimentsbreite und dem Auftragswert österreichweit das erste offene Verfahren im Oberschwellenbereich und stelle einen Präzedenzfall dar. Dies zeige wiederum den unbedingten Willen der Auftraggeberin, dieses diffizile Produktportfolio einem uneingeschränkten Wettbewerb auszusetzen.

 

Ein wirtschaftlicher Nachteil sei jedenfalls für die Auftraggeberin durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegeben, weil sie davon ausgehe, dass das Preisniveau – unter Beibehaltung des unbedingt erforderlichen medizinischen Standards – aufgrund des initialisierten Wettbewerbs durch die Durchführung eines offenen Verfahrens spürbar im Sinne der Steuerzahler gesenkt würde. Den Interessen der Antragstellerinnen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung würden daher jedenfalls gleichwertige Interessen in der Auftraggeberin und ihrer Patienten entgegen stehen. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung würde nicht nur in die wirtschaftlichen Interessen der Auftraggeberin, sondern auch in die Interessen der Öffentlichkeit bzw. durchgängige Versorgung der Patienten an der dringlichen Verfügbarkeit mit funktionsfähigen medizinischen Implantaten zu angemessenen Preisen eingreifen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die AKH A K der S L GmbH steht zu 100 % im Eigentum der Stadt Linz und ist daher öffentliche Auftraggeberin im Sinn des Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Die gegenständlichen Anträge sind rechtzeitig und zulässig. Auf Grund der Höhe des Auftragwertes des ausgeschriebenen Lieferauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabgängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 Oö. VergRSG ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein „besonderes“ öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 im Hinblick auf das Postulat des effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel ein öffentliches Interesse in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben oder Eigentum nicht aktuell ist bzw. kein solcher Mangel an den ausgeschriebenen Produkten bestehen würde, dass eine Beeinträchtigung der medizinischen Versorgung der Patienten des AKH der Stadt Linz gegeben sein könnte. Die Auftraggeberin selbst führt aus, dass die Produkte bislang jeweils im Verhandlungsverfahren mit einem Unternehmen bezogen wurden und nunmehr aus wirtschaftlichen Interessen ein offenes Verfahren zur Erzielung marktkonformer Preise gewählt wurde. Dies zeigt aber auch, dass ein Versorgungsengpass mit den gegenständlichen Produkten während des laufenden Nachprüfungsverfahrens nicht zu erwarten ist und wurde dies von der Auftraggeberin definitiv auch nicht behauptet. Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren trifft den Auftraggeber die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeberin hat außer dem wirtschaftlichen Standpunkt keine konkreten, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohenden Nachteile dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen der vorläufigen Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens nicht überwiegen und daher den Anträgen stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

Die Antragstellerinnen haben denkmöglich ausgeführt, dass ihnen durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Angebotsöffnung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen den Auftraggeber eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrens­verzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw. diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da – wie bereits erwähnt – kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

Die in den Vorbringen der Antragstellerinnen behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

Mit der vom Unabhängigen Verwaltungssenat ausgesprochenen vorläufigen Maßnahme ist gewährleistet, dass während des laufenden Nachprüfungsverfahrens von der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren keine weiteren Handlungen gesetzt werden, was insbesondere die Öffnung der eingelangten Angebote betrifft.

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG.

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort vollstreckbar.

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von jeweils 13 Euro angefallen. Entsprechende Zahlscheine liegen bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. K l e m p t

 

 

 

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