Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110756/12/Kl/Pe

Linz, 13.03.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn H I G, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 15.11.2006, VerkGe96‑163‑1‑2006, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 8.3.2007 zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatvorwurf zu Faktum 1 zu lauten hat:

       „Sie haben als Unternehmer mit dem Sitz in D, am 30.8.2006 gegen 8.15 Uhr, auf der Innkreisautobahn A8, bei Strkm. 75,200, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchstzulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges ist: H I G, Lenker: E T, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Sammelgut) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland (grenzüberschreitender gewerblicher Güterkraftverkehr) ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt.“

       Weiters hat die verletzte Rechtsvorschrift im Sinn des § 44a Z2 VStG zum Faktum 1 zu lauten: „§ 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593/1995, idF BGBl. I Nr. 23/2006“.

       Im Übrigen wird das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II.     Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, ds insgesamt 581,20 Euro, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 15.11.2006, VerkGe96‑163‑1‑2006, wurden über den Berufungswerber in zwei Fällen Geldstrafen von je 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 67 Stunden, wegen jeweils einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG 1995 verhängt, weil er es als Unternehmer mit dem Sitz in, am 30.8.2006 gegen 8.15 Uhr, auf der Innkreisautobahn A8, bei Strkm. 75,200, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges ist: H I G, Lenker: E T, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Sammelgut) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland (grenzüberschreitender gewerblicher Güterkraftverkehr) durchgeführt hat, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche

1. Fahrerbescheinigung sowie

2. Gemeinschaftslizenz

mitgeführt wurde.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und auf das bisherige Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren hingewiesen. Weiters wird dargelegt, dass die Freie und Hansestadt Hamburg bei Lkw-Fahrern aus der Türkei gar nicht die rechtmäßige Beschäftigung in Deutschland prüft. Die Gemeinschaftslizenz hingegen war im Fahrzeug, allerdings hat sie der Fahrer E T nicht vorzeigen können, weil er sie trotz Hinweis auf die Ablegestelle seitens des Berufungswerbers nicht wiederfinden konnte. Es trifft daher den Berufungswerber keine Schuld.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat zunächst mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23.1.2007 den Tatvorwurf zu Faktum 1 dahin geändert, dass eine gewerbliche Güterbeförderung ohne Fahrerbescheinigung vorgeworfen wurde. Es wurde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt sodann dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt und mitgeteilt, dass eine Berufungsvorentscheidung nicht beabsichtigt ist.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8.3.2007, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und mit Ausnahme der belangen Behörde auch teilgenommen haben. Weiters wurde der Meldungsleger BI W M als Zeuge geladen und einvernommen. Der weiters als Zeuge geladene Lenker E T ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Eine Zustellung in die Türkei war nicht möglich, der Lenker fährt nicht mehr für das Unternehmen des Berufungswerbers.

 

4.1. Als erwiesen steht fest, dass der Lenker E T am 30.8.2006 einen gewerblichen Gütertransport von der Türkei über Österreich nach Deutschland für das Unternehmen des Berufungswerbers durchgeführt hat und anlässlich der Kontrolle trotz Aufforderung keine Gemeinschaftslizenz vorlegen konnte. Aufgrund des Verlangens des Kontrollorganes wurde aber eine ungültige Fahrerbescheinigung, nämlich für die Fa. B I L in, gültig bis zum 24.3.2006, vorgelegt. Eine gültige Fahrerbescheinigung konnte trotz Aufforderung nicht vorgelegt werden. Der Lenker gab auch zu verstehen, dass er wisse, dass dies nicht in Ordnung sei, dass er aber keine gültige Fahrerbescheinigung habe. Auch wies er dem Meldungsleger das Schreiben der Freie und Hansestadt Hamburg vom 21.5.2003, wonach er keine Fahrerbescheinigung brauche, vor. Weiters wurde eine CEMT-Genehmigung mit der Nr. 0930, welche allerdings für Österreich ungültig ist, vorgezeigt.

Bei der Kontrolle wurde dem Lenker durch Vorweisen von Musterbeispielen bzw. Formularen zu verstehen gegeben, welche Art der Dokumente vorzulegen sind, sodass keine Zweifel bei dem Lenker bestanden. Auch wurde dem Lenker bei der Kontrolle genügend Zeit eingeräumt, um die entsprechenden Dokumente im Fahrzeug zu suchen und auch um mit seiner Firma Kontakt aufzunehmen und allenfalls den Aufbewahrungsort der Papiere zu erfragen. Im konkreten Fall hatte der Lenker auch bei seiner Firma angerufen und weil eine Gemeinschaftslizenz und Fahrerbescheinigung nicht vorgelegt werden konnte, wurde jeweils eine vorläufige Sicherheit von je 100 Euro eingehoben bzw. bezahlt. Auch machte der Lenker den Eindruck, dass er genau wusste, welche Papiere vorzuweisen sind und um was es bei der Kontrolle ging. Es handelte sich um einen älteren erfahrenen Lenker.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Urkunden sowie auf die glaubwürdigen Aussagen des Kontrollorganes. Im Übrigen wurde vom Berufungswerber im Verfahren zugestanden, dass eine Fahrerbescheinigung nicht vorlag.

 

4.3. Die Aufnahme von weiteren Beweisen durch Befragung von Zeugen im Hinblick darauf, dass die Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug war bzw. in der Türkei einem neuen Fahrer durch das türkische Unternehmen übergeben wurde, war im Hinblick auf die Sorgfaltspflichten des Berufungswerbers nicht mehr erforderlich, zumal eine Relevanz nicht gegeben ist. Auch verantwortete sich der Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung damit, dass er selbst die Papiere in die Mappe und den Aktenkoffer gebe und ins Fahrzeug gebe. Darüber hinaus wird die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nicht geltend gemacht und nachgewiesen. Auch wird nicht einmal eine Kontrolle des türkischen Unternehmers behauptet. Auch ist der Lenker nach Angaben des Berufungswerbers schon länger im Unternehmen des Berufungswerbers beschäftigt.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 GütbefG 1995, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr.23/2006, ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 sind.

 

Gemäß § 9 Abs.1 GütbefG hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs.1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 und Abs.4 GütbefG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von mindestens 1.453 Euro bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

3.    Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung    durchführt,

8.    nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92    erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt         werden.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, diese Verordnung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 (kurz: EU-VO genannt) unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 EU-VO wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

5.2. Im Grunde der Sachverhaltsfeststellungen ist erwiesen, dass der Berufungswerber zwar grundsätzlich über eine Gemeinschaftslizenz verfügt, allerdings zum Tatzeitpunkt die Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug nicht vorhanden war und nicht vom Lenker über Aufforderung vorgewiesen werden konnte. Im Gegensatz zu den Berufungsausführungen hat sich ein Anhaltspunkt dafür, dass die Gemeinschaftslizenz bzw. die beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz zwar im Fahrzeug befunden hat, allerdings vom Lenker nicht gefunden und vorgewiesen werden konnte, nicht ergeben. Vielmehr machte der Lenker einen sehr erfahrenen Eindruck und hatte der Lenker aufgrund der unzweifelhaften Aussagen des Meldungslegers genug Zeit, das Dokument im Fahrzeug zu suchen. Auch hatte der Lenker Gelegenheit, bei der Firma des Berufungswerbers nachzufragen und nützte er auch diese Gelegenheit. Es hätte ihm daher der Aufbewahrungsort der Gemeinschaftslizenz bekannt gegeben werden können. Darüber hinaus führte der Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung selbst an, dass die Fahrzeugdokumente, wozu auch die Fahrerbescheinigung, Gemeinschaftslizenz und CEMT-Genehmigung gehören, in einer blauen Mappe, welche sich in einem Aktenkoffer befindet, gesammelt sind. Es wäre daher für den Berufungswerber leicht gewesen, bei Anruf des Lenkers ihm den Aufbewahrungsort der Gemeinschaftslizenz mitzuteilen. Nach dem weiteren Beweisergebnis aber konnte trotz Telefonates die Gemeinschaftslizenz nicht gefunden werden und leistete daher der Lenker auch eine vorläufige Sicherheit. Auch gab der Lenker seine – zwar ungültige – CEMT-Genehmigung her, die er ebenfalls in dieser Mappe gefunden hat, und bedeutete, dass er eben nichts anderes mithätte.

 

Die Gemeinschaftslizenz ist vom Unternehmer zu besorgen und es ist die beglaubigte Abschrift im Fahrzeug mitzuführen und auf Verlangen vorzuzeigen. Es hat daher der Güterbeförderungsunternehmer Sorge zu tragen, dass sich die Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug befindet und er hat Vorsorge zu treffen, dass der Fahrer Kenntnis erlangt und sie vorweisen kann. Dieser Sorgfaltspflicht ist der Berufungswerber erwiesenermaßen nicht nachgekommen.  Es ist daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

Der Berufungswerber hat die Übertretung aber auch subjektiv zu verantworten. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung gehört zu den Ungehorsamsdelikten und war daher Fahrlässigkeit zu vermuten. Ein Entlastungsnachweis ist dem Berufungswerber nicht gelungen. Im Zuge des gesamten Verfahrens hat sich der Berufungswerber nur dahingehend geäußert, dass der Lenker die Gemeinschaftslizenz nicht vorgezeigt hat und er dafür keine Verantwortung zu tragen hat. Wenn der Berufungswerber dann ein türkisches Unternehmen geltend macht, welches für die Gemeinschaftslizenz Sorge trägt bzw. neuen Fahrern hierüber Anordnungen gibt, so ist damit eine lückenlose Kontrolle, wie sie nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefordert ist, nicht gegeben. Es genügt nämlich nach der ständigen Judikatur nicht, dass eine Person namhaft gemacht wird bzw. der Berufungswerber eine geeignete Person einsetzt, auf die die Durchführung und Einhaltung der gesetzlichen Anordnungen übertragen wird. Es befreit dies nämlich den Unternehmer nur dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der Entlastungsbeweis kann nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden ist. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Sorge getroffen worden ist. Die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ reichen hingegen nicht aus. Indem der Berufungswerber aber lediglich eine von ihm beauftragte Person, die in der Türkei wohnhaft ist, geltend macht, nicht aber dass er diese Person ständig überwacht, ist eine lückenlose Kontrolle nicht nachgewiesen. Es war daher auch vom Verschulden des Berufungswerbers auszugehen. Es war daher das Straferkenntnis zum Faktum 2 hinsichtlich der Schuld zu bestätigen.

 

5.3. Aufgrund des Beweisverfahrens steht fest, dass der Lenker eine gültige Fahrerbescheinigung nicht vorlegen konnte und es bestritt auch der Berufungswerber nicht, dass für den angetroffenen Lenker E T eine gültige Fahrerbescheinigung nicht vorlag. Indem keine Fahrerbescheinigung vorlag, wurde ein gewerblicher Gütertransport über die Grenze ohne die Fahrerbescheinigung vorgenommen und daher der Tatbestand gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 GütbefG erfüllt. Dies war auch im Sinne einer Spruchberichtigung auszusprechen. Auch in subjektiver Hinsicht ist auf die Bestimmung des § 5 Abs.1 VStG hinzuweisen und ist hinsichtlich des Nichtvorhandenseins einer Fahrerbescheinigung ein Entlastungsnachweis durch den Berufungswerber nicht erfolgt.

 

Wenn hingegen der Berufungswerber vorbringt, dass ihm die Beschaffung einer Fahrerbescheinigung gar nicht möglich sei, weil die deutschen Behörden die Ausstellung einer Fahrerbescheinigung verweigern, so sind ihm folgende Erwägungen entgegenzuhalten:

Das Schreiben der Freie und Hansestadt Hamburg vom 21.5.2003 geht vom Vorliegen einer CEMT-Genehmigung oder einer bilateralen Genehmigung aus und führt aus, dass unter Einsatz dieser Genehmigungen eine EU-Fahrerbescheinigung nicht auszustellen ist. Erwiesenermaßen wurde aber keine gültige CEMT-Genehmigung („A“ war gestrichen und ist daher die Genehmigung ungültig) verwendet, sodass jedenfalls auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft eine Gemeinschaftslizenz erforderlich ist. Eine solche ist ja für das Unternehmen des Berufungswerbers auch vorhanden. Es sind daher die Bestimmungen über die Gemeinschaftslizenz und daher die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 anzuwenden. Dieser EU-VO ist jedenfalls zu entnehmen, dass bei Verwendung von Fahrern, die Staatsangehörige von Drittstaaten sind, zusätzlich zur Gemeinschaftslizenz eine Fahrerbescheinigung vom Unternehmen zu erwirken ist und dem Fahrer zur Verfügung zu stellen ist, welcher diese Fahrerbescheinigung dann auch mitzuführen und vorzuweisen hat (vgl. Erwägung 3 der Verordnung [EG] Nr. 484/2002). Zweck der Fahrerbescheinigung ist, dass nachgeprüft werden kann, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt sind bzw. rechtmäßig dem für die Beförderung verantwortlichen Verkehrsunternehmer zur Verfügung gestellt werden (Erwägung 2 der Verordnung [EG] Nr. 484/2002). Dem Erwägungsgrund 4 der zitierten Verordnung ist aber auch eindeutig zu entnehmen, dass die Verordnung nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft über die Freizügigkeit, den Wohnsitz und den Zugang einer Tätigkeit als Beschäftigter berührt.

Im Sinne des letztgenannten Erwägungsgrundes ist daher die Bestimmung des Art.3 Abs.3 der EU-VO weder in dem Sinne zu lesen, dass Staatsangehörige eines Drittlandes nur rechtmäßig beschäftigt in Deutschland sein müssen, noch dass überhaupt eine Beschäftigungsbewilligung bzw. Arbeitserlaubnis oder dgl. Voraussetzung für eine Fahrerbescheinigung ist. Es ist nämlich der zitierten Bestimmung einerseits auch eine zweite Alternative zu entnehmen, nämlich dass Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig „gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung … festgelegt wurden“. Diesfalls werden die ausländischen Fahrer nicht „rechtmäßig beschäftigt“ sondern „rechtmäßig eingesetzt“, nämlich unter dem Aspekt, dass alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften für das „Zurverfügungstellen“ erfüllt sind. Wird demnach von einem Güterbeförderungsunternehmen mit dem Sitz in Deutschland ein Vertrag mit einem türkischen Unternehmen geschlossen, wonach dieses türkische Unternehmen die Leistung der Fahrer anbietet und das deutsche Unternehmen diese Leistung in Anspruch nimmt, so ist die zweite Alternative von Art.3 Abs.3 der EU-VO heranzuziehen, nämlich dass „Fahrer rechtmäßig eingesetzt werden, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind“. Diese dürfen aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates, also konkret Deutschland, genügen. Dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass jedenfalls eine Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis und dgl. vorliegen muss, vielmehr ist ein Entsprechen nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates auch darin zu erblicken, dass z.B. andere Vorschriften erfüllt sind, die den geordneten Arbeitsmarkt regeln, wie z.B. auch das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Türkei samt Zusatzprotokoll. Nach der Auffassung des Oö. Verwaltungssenates wäre es daher im Sinne der bereits ergangenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (vgl. C-317/01 und C-369/01) durchaus möglich, dass ein türkischer Lenker, der bei einem türkischen Unternehmen beschäftigt ist, die Leistung aber für ein deutsches Güterbeförderungsunternehmen für in Deutschland zugelassene Lkw erbringt, und unter den gegebenen Voraussetzungen keine Arbeitserlaubnis braucht, dann ebenfalls eine Bescheinigung nach den deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erhalten muss, dass er „rechtmäßig eingesetzt wird“. Die entsprechende Bestimmung des Art.3 Abs.3 EU-VO lässt eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation zu, dass auch neben den Vorschriften über die Arbeitserlaubnis sowie über die Arbeitnehmerüberlassung auch weitere Vorschriften darunter zu subsumieren sind. Neben einer rechtmäßigen Beschäftigung durch einen deutschen Arbeitgeber und einer rechtmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Recht, wäre daher jede weitere dem Gesetz entsprechende Erwerbstätigkeit eines Fahrers, der Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, mit Fahrerbescheinigung zu bescheinigen. Die Fahrerbescheinigung ersetzt aber keine Arbeitsbewilligung und ist auch mit einer solchen nicht gleichzuhalten.

Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers stellt daher die Fahrerbescheinigung keine unzulässige Einführung einer neuen innerstaatlichen Beschränkung dar, sondern ist die Fahrerbescheinigung lediglich ein Nachweispapier zur Kontrolle, wie ein Führerschein, Zulassungsschein usw. Dies bedeutet, dass die die Fahrerbescheinigung ausstellenden Behörden, das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen Arbeitsverhältnisses oder aber auch bei Vorhandensein der Voraussetzungen nach dem Assoziationsabkommen (und damit Bewilligungsfreiheit) die Erfüllung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedsstaates über Beschäftigung und Berufsausbildung zu überprüfen und festzustellen haben, wobei diese nur eine deklarative Wirkung, niemals eine konstitutive Wirkung hat. Dies bedeutet aber auch, dass über das Recht zur Erwerbstätigkeit nicht abgesprochen wird, dh eine ausgestellte Fahrerbescheinigung nicht eine Arbeitserlaubnis ersetzt und umgekehrt auch die Nichtausstellung einer Fahrerbescheinigung nicht eine bestehende Arbeitserlaubnis entzieht.

Jedenfalls dürfen aber Lenker, die Drittstaatsangehörige sind, solange nicht vom Unternehmen eines Mitgliedstaates eingesetzt werden, solange eine Fahrerbescheinigung nicht von der Behörde ausgestellt wurde.

Nicht hingegen wird die Rechtsauffassung im Beschluss des Verwaltungsgerichtes Hamburg vom 15.8.2003 geteilt, nämlich dass die genannte EU-VO überhaupt nicht für einen Güterkraftverkehr zwischen Deutschland und der Türkei zur Anwendung kommt. Dies widerspricht ausdrücklich der Bestimmung des Art.2 zweiter Gedankenstrich zweiter Untergedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 881/92. Die Regelung des Art.1 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 betrifft hingegen nur die im Mitgliedstaat, in dem die Be- oder Entladung stattfindet, zurückgelegten Wegstrecken, also für Wegstrecken, die auf dem Bundesgebiet Deutschland zurückgelegt wurden. Für die Durchfahrt durch Österreich ist diese Regelung nicht anwendbar, weil in Österreich weder eine Be- noch eine Entladung erfolgt.

 

Darüber hinaus wird aber auf die Bestimmung des Art.9 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 484/2002 hingewiesen, wonach Mitgliedstaaten garantieren, dass jeder Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde, durch die ihm eine Fahrerbescheinigung verweigert wird, Rechtsmittel einlegen kann. Es ist daher zumutbar, dass der Berufungswerber einen Rechtszug in Anspruch nimmt und ausschöpft.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat auf den besonderen Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretungen hingewiesen, insbesondere auch auf die mangelnde Kontrollmöglichkeit bei grenzüberschreitenden Transporten. Sie hat mangels Angaben durch den Berufungswerber persönliche Verhältnisse von netto 1.500 Euro monatlich, kein Vermögen und keine Sorgepflichten zugrunde gelegt. Diese persönlichen Verhältnisse wurden vom Berufungswerber auch in der Berufung nicht geändert und kamen keine geänderten Umstände hervor. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass in beiden Fällen die Mindeststrafe verhängt wurde. Diese ist angesichts des Unrechts- und Schuldgehaltes der Tat gerechtfertigt und war daher in beiden Fällen zu bestätigen.

 

Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist. Allein die Unbescholtenheit des Berufungswerbers macht noch nicht ein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe aus.

Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Berufungswerbers sowohl zu Faktum 1 als auch zu Faktum 2 nicht erheblich hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher auch die verhängte Geldstrafe je Delikt und die jeweils verhängte Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Gemeinschaftslizenz, Fahrerbescheinigung, Assoziationsabkommen, Tatvorwurf

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde eingestellt.

VwGH vom 27.06.2007, Zl.: 2007/03/0086-6

 

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