Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720159/2/Ste/FJ

Linz, 26.03.2007

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des M I P, G, 40 L, vertreten durch Mag. H L, Rechtsanwalt, L, 40 L, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Februar 2007, 1054247/FRB, wegen Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

 

 

            Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG

 

                                                     Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Februar 2007, Zl. 1054247/FRB, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw), einem rumänischen Staatsangehörigen, nach den Bestimmungen des § 86 Abs. 1 iVm § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F. ein auf 5 (in Worten: fünf) Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Gleichzeitig wurde gem. § 86 Abs. 3 FPG 2005 von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat, beginnend mit der Rechtskraft dieses Bescheides, erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bw

a)    mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 10. August 2006 wegen versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je € 12,- (gesamt: € 720,-), im Nichteinbringungsfall zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren

b)    und mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 19. Dezember 2006 wegen Suchgifthandels und des Besitzes von Suchtgift zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt wurde.

 

Dem unter b) angeführten Urteil sei insbesondere ein langer Tatzeitraum, eine große Menge an in Verkehr gebrachtem Suchtgift und das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen zu entnehmen.

 

Nach ausführlicher Abwägung des mit einem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben sowie der Dauer des bisherigen Aufenthalts, dem Ausmaß der Integration und der Intensität der familiären und sonstigen Bindungen, kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass das Gefährdungspotenzial des nunmehrigen Bw sowie die von ihm ausgehende Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit, die Erlassung eines Aufenthaltsverbots für die Dauer von 5 Jahren rechtfertigen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 21. Februar 2007 zugestellt wurde, erhob dieser rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, eingebracht bei der Bundes­polizeidirektion Linz am 7. März 2007.

 

Darin führt der Bw aus, dass seine strafrechtlichen Verurteilungen alleine die von der belangten Behörde ergriffene Maßnahme nicht rechtfertigen könne. Auch das Strafgericht habe den ihm zukommenden Milderungsgründen Rechnung getragen und deswegen nur eine bedingte Freiheitsstrafe im Ausmaß eines Jahres verhängt. Weiters bringt der Bw vor, dass er bereits vor der Kenntnis des Umstandes, dass gegen ihn ermittelt worden sei, seine Handlungen in Zusammenhang mit Suchtmitteln freiwillig, ernsthaft und auf Dauer eingestellt habe. Seit seiner Verurteilung sei er bei einer Drogenberatungsstelle in Behandlung. Er gehe einer geregelten beruflichen Tätigkeit nach und sei durch den Umstand, dass seine engsten Verwandten in Österreich leben würden, in hohem Maße in Österreich sozial integriert. Seinen Kontakt zu den in das angeführte Strafverfahren involvierten Personen habe er abgebrochen. Ein Aufenthaltsverbot greife außerdem in unzulässigem Maße in sein Privat- und Familienleben im Sinne des § 66 FPG ein.

 

1.3. Mit Schreiben vom 8. März 2007 übermittelte die Bundespolizeidirektion Linz den Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat, hier einlangend am 13. März 2007 zur Berufungsentscheidung.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis er­hoben durch Einsichtnahme in die Berufung des Bw und in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Be­hörde.

 

Von der Durch­führung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abge­sehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem im Verfahren im Wesentlichen ausschließlich die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht er­warten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG).

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, da der Bw rumänischer Staatsangehöriger und da­her Angehöriger eines Mitgliedstaates des EWR ist.

 

Der Unabhängige Verwal­tungs­senat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mit­glieder zuständig (vgl. § 67a Abs. 1 AVG).

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist rumänischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit dem Jahr 2000 in Österreich auf. Erstmals wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land am 31. August 2000 eine aufenthaltsrechtliche Bewilligung erteilt.

 

Mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 10. August 2006, 17 U 242/06p, wurde der Bw für schuldig erkannt, am 11. Februar 2006 in 40 L, L, P versucht zu haben, dem Verfügungsberechtigten des Geschäftes P eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Armani Weste im Wert von € 99,90 mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

 

Er hat hiedurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB begangen und wurde gemäß § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je € 12,-- (insgesamt: € 720,-) und im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verurteilt. Unter Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB wurde die Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

 

Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 19. Dezember 2006, 23 Hv 138/06a, wurde der Bw für schuldig erkannt in L, E und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift

 

A)  in einer mehr als 1-fachen großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) in Verkehr gesetzt zu haben, in dem er

1)   im Zeitraum März bis Mitte April 2006 von C C R bei zwei Ankäufen je 5 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von € 100,- erwarb und davon insgesamt 9 Gramm nachgenannten Personen überließ, und zwar

a)   3 Gramm zum Gesamtpreis von € 300,-, sohin ohne Gewinnaufschlag, dem I-P B,

b)   5 Gramm zum Gesamtpreis von € 500,-, sohin ohne Gewinnaufschlag dem T E,

c)   1 Gramm zum Preis von € 100,-, sohin ohne Gewinnaufschlag dem A-C B;

2)   im Zeitraum Oktober/November 2005 bis Februar 2006 von A P O in mehreren Ankäufen zumindest 48 Gramm Kokain zum Grammpreis von € 100,- bzw. in einem Fall (siehe Pkt. A) 2) d)) zum Grammpreis von € 80,- erwarb und davon zumindest 36 Gramm nachgenannten Personen überließ, und zwar

a)   im Jänner 2006 10 Gramm zum Grammpreis von € 100,-, sohin ohne Gewinnaufschlag, dem T E;

b)   im Jänner/Februar 2006 9 Gramm zum Gesamtpreis von € 1000,- dem T E und 1 Gramm als "Vermittlungsgebühr" für sich behielt;

c)   im Februar 2006 5 Gramm zum Grammpreis von € 100,- sohin ohne Gewinnaufschlag , dem T E, wofür er von P O 1 Gramm als Provision erhielt;

d)   im Jänner 2006 zunächst 2 Gramm zum Grammpreis von € 100,- und zwei Tage später 10 Gramm zum Grammpreis von € 80,- sohin ohne Gewinnaufschlag, dem abgesondert verfolgten I-P B;

3)   im Zeitraum September 2005 bis April 2006 von H E in mehreren Ankäufen zumindest 32 Gramm Kokain zum Grammpreis von € 100,- erwarb und zumindest 24 Gramm nachgenannten Personen überließ, und zwar

a)   Mitte September 2005 ein Gramm zum Grammpreis von € 100,-, sohin ohne Gewinnaufschlag, dem T E;

b)   im Oktober 2005 4,5 Gramm zum Gesamtpreis von € 500,- dem T E und 0,5 Gramm als "Vermittlungsgebühr" für sich behielt;

c)   im November 2005 4,5 Gramm zum Gesamtpreis von € 500,- dem T E und 0,5 Gramm als "Vermittlungsgebühr" für sich behielt;

d)   im Jänner 2006 4,5 Gramm zum Gesamtpreis von € 500,- dem T E und 0,5 Gramm als "Vermittlungsgebühr" für sich behielt;

e)   im Februar 2006 in zwei Angriffen insgesamt 7 Gramm zum Gesamtpreis von € 700,-, sohin ohne Gewinnaufschlag, dem I-P B;

f)     im April 2006 in zwei Angriffen insgesamt 2 Gramm zum Grammpreis von € 100,-, sohin ohne Gewinnaufschlag, dem A-C B;

4)   im Zeitraum Sommer/Herbst 2005 bis Anfang Mai 2006 in zahlreichen weiteren Teilverkäufen zumindest 30 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von € 100,- sowie zumindest 30 Gramm Cannabiskraut zu einem Grammpreis von € 10,- gewinnbringend an T E und T S verkaufte;

5)   im Zeitraum Februar bis April 2006 in weiteren Teilverkäufen mindestens 4 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von € 100,- an A-C B verkaufte;

B)  erworben, besessen und teils anderen überlassen zu haben, indem er

1)   im Zeitraum Frühjahr bis Herbst 2005 ca. 60 Gramm Cannabiskraut zu einem Grammpreis von € 10,- in mehreren Ankäufen von J H erwarb und großteils bis zum Eigenkonsum bzw. gemeinsamen Konsum mit T E, T S, E G und anderen besaß;

2)   im Zeitraum Juli bis Herbst 2005 in vier Ankäufen je ein Gramm Kokain zu einem Grammpreis von € 140,- teils über Vermittlung des T E von K H erwarb und bis zum Eigenkonsum besaß;

3)   im Zeitraum Februar bis April 2006 ca. 20 Gramm Cannabiskraut zu einem Grammpreis von € 10,- in mehreren Ankäufen von D R-M erwarb und großteils bis zum Eigenkonsum bzw. gemeinsamen Konsum mit T E, T S, E G und anderen besaß;

4)   von A P O Kokain (siehe Punkt A)2)) erwarb und bis zum Eigenkonsum besaß, nämlich

a)   im Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 in mehreren Teilankäufen insgesamt 6 Gramm zum Grammpreis von € 100,-;

b)   im Jänner/Februar 2006 ein Gramm als "Vermittlungsgebühr" im Zusammenhang mit dem vermittelten Suchtgiftgeschäft zwischen P O und E (siehe zu Punkt A) 2) b));

c)   im Februar 2006 ein Gramm als "Provision" im Zusammenhang mit dem vermittelten Suchtgiftgeschäft zwischen P O und E (siehe zu Punkt A) 2) c));

d)   im Zeitraum Jänner bis Ende Februar 2006 in mehreren Teilankäufen insgesamt 4 Gramm Kokain zum Grammpreis von € 100,-;

5)   von H E Kokain (siehe Punkt A) 3)) erwarb und bis zum Eigenkonsum besaß, nämlich

a)   im Zeitraum September bis Dezember 2005 in mehreren Teilankäufen insgesamt 5 Gramm zum Grammpreis von € 100,-;

b)   im Zeitraum Jänner bis April 2006 in zwei Teilankäufen insgesamt 2 Gramm zum Grammpreis von € 100,-;

c)   im September 2005 einer geringe Menge kostenlos zum Konsum;

6)   im Frühjahr 2006 einer geringe Menge Cannabiskraut zum gemeinsamen Konsum mit M R R und "L" zur Verfügung stellte;

7)   im Zeitraum Herbst 2005 bis Mai 2006 wiederholt unbekannte Mengen Cannabiskraut und Kokain zum gemeinsamen Konsum mit S E Y zur Verfügung stellte;

8)   im Zeitraum Sommer bis Ende Dezember 2005 wiederholt insgesamt unbekannte Mengen Kokain und Cannabiskraut unentgeltlich G B überließ.

 

Er hat hiedurch das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 4. Fall SMG (zu Punkt A), die Vergehen nach § 27 Abs. 1 1., 2. und 6. Fall SMG (zu Punkt B) begangen.

 

Er wurde hiefür unter Anwendung des § 28 StGB nach § 28 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, wobei ihm unter Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

 

Eine Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 1 1. Fall SMG wurde verneint, weil in Summe der Bw nur aus 26,5 Gramm Kokain und 30 Gramm Marihuana Vorteile gezogen hat. Dies entspricht bei dem vom Gericht festgestellten Reinheitsgehalt einer Reinsubstanzmenge von 5,3 Gramm Kokain und 1,5 Gramm Marihuana.

 

Der Bw arbeitet seit Februar 2006 im Krankenhaus der Elisabethinen.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich – im Wesentlichen auch vom Bw unbestritten – auf Grund der vorliegenden Dokumente, insbesondere auch der Entscheidungen der Gerichte, die nach mündlichen Verhandlungen ergingen.

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. § 86 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 -FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006, enthält Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung ua. für EWR-Bürger. Nach Abs. 1 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

3.2.1. Zu prüfen ist daher zunächst, ob das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Diese unbestimmten Gesetzesbegriffe sind vor dem Hintergrund der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. Nr. L 56 vom 4. April 1964, S. 850, sowie dem dazu ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Rs. 30/77, auszulegen.

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sprach in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 1977, Rs. 30/77, aus, dass der Artikel 3 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 dahingehend auszulegen ist, dass er von den nationalen Behörden eine spezifische Prüfung unter dem Blickwinkel der dem Schutz der öffentlichen Ordnung innewohnenden Interessen verlangt, die nicht notwendigerweise mit den Beurteilungen übereinstimmen muss, auf denen die strafrechtliche Verurteilung beruht. Somit darf eine frühere strafrechtliche Verurteilung nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrundeliegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt.

 

Weiters führte der EuGH in seiner Entscheidung aus, wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw grundsätzlich ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Im konkreten Fall ist dieses Grundinteresse der Gesellschaft darin zu sehen, den illegalen Handel mit Suchtgiften und die damit in Zusammenhang stehende Folge- und Beschaffungskriminalität zu verhindern. Dieses Grundinteresse ist auch dadurch bestätigt, dass die österreichische Rechtsordnung – insbesondere auch im Suchtmittelgesetz – für die einschlägigen Delikte hohe Strafen vorsieht, womit deren hoher Unrechtsgehalt dokumentiert wird. Es handelt sich auch nicht um ein bloßes sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um ein Grundinteresse, stellt doch gerade die Suchtgiftkriminalität im weitesten Sinn eine große Gefahr für das Zusammenleben der Menschen in der Gesellschaft dar. Abgesehen von den Folgen für die Gesundheit der Suchtgiftkonsumentinnen und -konsumenten und die damit im Zusammenhang stehenden Kosten für Krankenfürsorge-, Entwöhnungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, ist dazu vor allem auf die Folge- und Beschaffungskriminalität zu verweisen, die dadurch entsteht, dass die suchtgiftabhängigen Personen meist erhebliche Geldsummen für den Suchtgiftankauf brauchen und sich diese illegal besorgen (vgl. etwa VwGH vom 27. Juni 2001, 2001/18/0102).

 

So muss hier auch auf das Urteil des Bezirksgerichts Linz verwiesen werden – ohne in diesem konkreten Fall (einzelnes Vermögensdelikt) von Beschaffungskriminalität sprechen zu wollen – doch steht durch dieses fest, dass der Bw in jenem Zeitraum in dem er in hohem Ausmaß SMG-relevante Handlungen vornahm, auch eine strafbare Handlung gegen das Vermögen und Eigentum anderer Personen beging. Damit setzte er ein Verhalten, das dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Vermögensdelikten zuwiderlief.

 

3.2.2. Vom Bw ist durch sein bisheriges persönliches Verhalten eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für dieses Grundinteresse der Gesellschaft ausgegangen. Er hat seine strafrechtlichen relevanten Aktivitäten über einen langen Zeitraum (jedenfalls vom Frühjahr 2005 an bis zu seiner Verhaftung am 1. Juni 2006), vorsätzlich und mit großer Intensität (Menge des Suchtgifts) betrieben. Er hat dabei Suchtmittel in zahlreichen über einen langen Zeitraum verteilten Handlungen an eine größere Anzahl von Abnehmerinnen und Abnehmern weitergegeben oder verkauft und dadurch in Verkehr gebracht.

 

Zudem beschränkten sich seine Handlungen nicht auf diese eine Deliktsart, sondern richtete sich eine auch gegen fremdes Vermögen. Wodurch wie oben dargelegt zusätzliche öffentliche Interessen beeinträchtigt wurden.

 

Es muss in Zusammenhang mit seinen Handlungen, die zu seiner Verurteilung durch das Landesgericht Linz führten insbesondere auch berücksichtigt werden, dass sich diese auf eine "große Menge" Suchtgift iSd § 28 Abs. 6 SMG bezogen. Nach § 28 Abs. 6 SMG ist eine "große Menge" eine solche, die geeignet ist, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Der Bw hat durch dieses Fehlverhalten gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, verstoßen (vgl. VwGH vom 27. Juni 2006, 2006/18/0165).

 

Dabei hat sich die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr beim Bw dadurch manifestiert, dass er sein Fehlverhalten über einen längeren Zeitraum hinweg begangen hat. Angesichts des Fehlverhaltens bedeutet ein weiterer inländischer Aufenthalt des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung der besonders gefährliche Suchtgiftkriminalität berührt (in diesem Sinn auch VwGH vom 27. Juni 2006, 2006/18/0165).

 

3.2.3. Es besteht die begründete Annahme, dass der Bw diese Handlungen auch fortgeführt hätte, wäre er nicht verhaftet worden. Die Verantwortung des Bw, seine Handlungen in Zusammenhang mit Suchtgift bereits eingestellt zu haben, bevor er von den Ermittlungen gegen seine Person erfahren hätte bzw. bevor er verhaftet worden sei, geht ins Leere. Dagegen spricht jedenfalls das rechtskräftige Urteil des Landesgerichts Linz, in dem festgestellt worden ist, dass der Bw noch im Mai 2006 Suchtmittel anderen Personen zur Verfügung stellte und auch verkaufte; die Verhaftung des Bw erfolgte am 1. Juni 2006. Die Gefahr für das Grundinteresse der Gesellschaft war daher jedenfalls bis zu seiner Verhaftung unmittelbar gegenwärtig. Auch unter Berücksichtigung des von Anfang seiner Verhaftung an reumütigen Geständnisses und des Versprechens, sich in Therapie zu begeben, stellte der Bw im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbots durch die belangte Behörde und stellt er wohl auch aktuell eine gegenwärtige Gefahr dar. Er kennt seit langer Zeit Möglichkeiten und Wege sich Suchtgift zum Weiterverkauf, zur Weitergabe oder zum Eigenkonsum zu beschaffen. Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie für die Person des Bw von einer grundsätzlich negativen Prognose im Hinblick auf das zu schützende Grundinteresse der Gesellschaft ausgeht (vgl. in diesem Sinn auch VwGH vom 7. April 2005, 2005/18/0101).

 

Der seit dem Fehlverhalten in den Jahren 2005/2006 verstrichene Zeitraum ist jedenfalls zu kurz, um die vom Bw ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als weggefallen oder als entscheidend gemindert anzusehen (vgl. dazu VwGH vom 27. Juni 2006, 2006/18/0165, zu einem zwischen Verhaftung und Erlassung des Bescheides liegenden Zeitraum von 2 Jahren; vgl. auch VwGH vom 30. November 2004, 2002/18/0036). In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass sich der Bw in der Zeit von 1. Juni 2006 bis 13. Juni 2006 in Untersuchungshaft befand und seine Verurteilungen erst am 10. August 2006 bzw. am 19. Dezember 2006 erfolgten.

 

3.2.4. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass das Aufenthaltsverbot alleine aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung des Bw erfolgte, wie dies der Bw in seiner Berufung zumindest andeutet. Der Bw hat in den Jahren 2005 und 2006 wiederholt zahlreiche Handlungen, die gegen das SMG verstoßen haben, gesetzt und zudem auch zumindest den Versuch unternommen, eine Tat gegen fremdes Vermögen zu begehen. Beachtet man weiters, dass seine in Zusammenhang mit Suchtgift gesetzten Handlungen eine "große Menge" betrafen, er dieses an mehrere Personen weitergab, verkaufte oder gemeinsam mit diesen konsumierte und zum Teil auch Gewinn aus diesen Handlungen zog, kommt man eindeutig zu dem Schluss, dass es der Schutz der öffentlichen Ordnung innewohnenden Interessen rechtfertigte, dass gegen den Bw ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

 

3.3. Damit sind aber in der Person des Bw alle Tatbestandselemente konkret und auf den speziellen Fall abgestellt erfüllt. Es liegt damit wie gezeigt – außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt – eine tatsächliche und hinreichend schwere (erhebliche) Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. in diesem Sinn die zitierte Entscheidung des EuGH, sowie etwa VwGH vom 30. November 2004, 2002/18/0036).

 

3.4. Als für die Erlassung maßgeblicher Sachverhalt im Sinn des § 86 Abs. 1 letzter Satz FPG sind die Drogendelikte des Bw im Zeitraum Frühjahr 2005 bis zu seiner Festnahme am 1. Juni 2006 anzusehen. Er hatte seinen Hauptwohnsitz seit 17. Juli 2000 in Österreich und somit noch keine zehn Jahre vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts. Damit kommt ihm das weitere Privileg des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG nicht zu.

 

3.5. Gemäß § 66 FPG darf eine Ausweisung, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, vorgenommen werden, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1, 3 und 4 darf jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände bedacht zu nehmen:

1.    die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.    die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

 

Diese Bestimmung ist auch auf Aufenthaltsverbote anzuwenden; so jedenfalls § 60 Abs. 6 FPG. Zwar wurde diese Verweisung nicht in § 86 FPG vorgenommen, doch ergibt sich aus der Systematik des FPG, dass diese, die Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einschränkende Vorschrift jedenfalls auch auf Aufenthaltsverbote gem. § 86 FPG und somit auf EWR-Bürger anzuwenden sein wird.

 

Die belangte Behörde hat zutreffend angenommen, dass mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw in dessen Privat- bzw. Familienleben eingegriffen wird. Ebenso zutreffend ist sie auch zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Maßnahme dringend geboten sei, hat doch der Bw durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere der Verhinderung strafbarer Handlungen, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und dem Schutz der Gesundheit schwer beeinträchtigt. Die von der belangten Behörde vorgenommene Abwägung erscheint in diesem Zusammenhang als unbedenklich, weil vor allem die beeinträchtigten – oben angeführten – öffentlichen Interessen, die für einen Verbleib des Bw in Österreich sprechenden persönlichen Interessen bei weitem überwiegen. In diesem Zusammenhang war auch darauf bedacht zu nehmen, dass der Bw, der am 10. August 1977 geboren wurde, voll handlungsfähig ist und daher anzunehmen ist, dass er sich bei seiner Rückkehr in seinem Heimatland zurechtfinden wird. Er reiste im Alter von 23 Jahren aus Rumänien aus und es ist daher, entgegen der Darstellung des Bw, davon auszugehen, dass soziale Kontakte in seinem Heimatland weiterhin bestehen.

 

Von einer sozialen Integration des Bw in Österreich kann nur schwer gesprochen werden, hält man sich dessen Fehlverhalten vor Augen. Jedenfalls hat diese unter den von ihm begangenen Taten massiv gelitten. Wie die belangte Behörde ausführte, konnte auch der Umstand, dass auch die Mutter und die Schwester in Österreich leben den Bw nicht von seinen Straftaten abhalten. Es war ihnen trotz des langen Tatzeitraums nicht möglich, positiv auf dessen Verhalten Einfluss zu nehmen. Weiters hält sich gegenwärtige Partnerin des Bw in Österreich auf. Darüber hinaus bestehen keine sozialen Bindung zu Österreich und brachte der Bw dahingehend auch nichts vor.

 

In einer Zusammenschau zeichnet sich das Ergebnis ab, dass die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen als die Auswirkung dieser Maßnahme auf die persönliche Lebenssituation des Bw.

 

3.6. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots war und ist daher rechtmäßig.

 

Im Übrigen wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheids verwiesen, die in deutlicher und nachvollziehbarer Weise je Gründe nennt, die im konkreten Fall insgesamt gegen den Bw auch in seiner konkreten familiären Situation sprechen.

 

Es war daher der angefochtene Bescheid als rechtmäßig zu bestätigen und die Berufung abzuweisen.

 

4. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein ent­sprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

                                                            Wolfgang Steiner

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 14.06.2007, Zl.: 2007/18/0301-4

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