Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230420/8/Br

Linz, 01.06.1995

VwSen-230420/8/Br Linz, am 1. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau M W, R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 1. Februar 1995, Sich96-174-1994, wegen der Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953, nach der am 1. Juni 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe F o l g e gegeben, daß die Geldstrafe auf 700 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden ermäßigt wird und der Spruch in Abänderung zu lauten hat:

"Sie haben am 30. Mai 1994, nach 19.50 Uhr als Teilnehmerin......(folglich wie im Straferkenntnis)" Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrens-gesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

866/1992 - AVG, iVm 19 Abs.1 u. 2, 24, 51 Abs.1, 51e Abs.1 u. 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf 70 S. Für das Berufungsverfahren entfallen die Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem Straferkenntnis vom 1. Februar 1995, Sich96-174-1994 über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 14 iVm § 19 Versammlungsgesetz 1953 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch ausgeführt: "Sie haben am 30. Mai 1994 als Teilnehmer (gemeint Teilnehmerin) der Versammlung im Bereich des eingezäunten Baustellengeländes der Ö am S des projektierten L, Gemeinde S, diese Versammlung nicht sogleich verlassen, obwohl diese von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.

Krems am 30.5.1994 um 19.50 Uhr behördlich untersagt und aufgelöst worden ist." Für die erlittene Haft in der Dauer von einer Stunde und 6 Minuten wurden auf die Geldstrafe S 45,80 angerechnet.

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde in der Sache begründend aus:

"Sie haben gegen die Strafverfügung der BH. Kirchdorf v.

29.06.1994 Zahl w.o., innerhalb offener Frist Einspruch erhoben und diese damit begründet, daß Sie keine strafbare Handlung begangen hätten.

Hiezu wird festgestellt:

§ 1 VersG.:

Die positive österreichische Rechtsordnung enthält keine nähere Definition des Begriffes "Versammlung", sondern setzt diesen voraus. Unter einer Versammlung im weiteren Sinn versteht man sprachlich eine organisierte einmalige Vereinigung einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck an einem bestimmten Ort; sie unterscheidet sich von einer eventuellen Ansammlung durch ihre Organisation.

Eine solche Versammlung im Sinne des § 1 des Versammlungsgesetzes lag am 30.5.1994 vor. Hiefür spricht das am 26.5.1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf eingelangte Schreiben der A "Stop Pyhrn", in welcher zu einem "Aktionscamp" in der Zeit vom 28.5. bis 5.6.1994 aufgerufen wurde. Im gegenständlichen Fall waren alle Voraussetzungen für eine Versammlung, nämlich die Organisation einer Mehrheit von Personen (Demonstrationsteilnehmer) zu einem gemeinsamen Zweck (Protest gegen den Weiterbau der ) an einem bestimmten Ort (Südportal des projektierten L im Gemeindegebiet von S) erfüllt. Es kann somit keinesfalls von einer eher zufälligen "Ansammlung" oder gar einer geschlossenen Veranstaltung gesprochen werden, da hiefür typische und wesentliche Voraussetzungen (geschlossene Veranstaltung tritt nicht nach außen in Erscheinung, Zustimmung des Verfügungsberechtigten) fehlen.

Der mögliche Umstand, daß einzelne Versammlungsteilnehmer ev. auch persönlich geladen wurden vermag diesen Mangel nicht zu beheben.

Der geschilderte Sachverhalt erfüllt somit die Voraussetzungen des § 1 des Versammlungsgesetzes.

§ 14 VersG.:

(1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

§ 19 VersG.:

Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu ahnden.

Die gegenständliche Versammlung wurde am 30. Mai 1994 um 19.45 Uhr von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.

Krems als örtlich zuständige Behörde aufgelöst und wurden sämtliche auf dem Baustellengebiet befindlichen Versammlungsteilnehmer aufgefordert, das Gelände sogleich zu verlassen.

Da Sie dieser Aufforderung keine Folge geleistet haben, wurden Sie am selben Tag um 20.15 Uhr festgenommen und wurde gegen Sie Anzeige wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes erstattet. (Beweis: siehe Anzeige GP. Kirchdorf v.

30.5.1994, GZ P-3135-7/94).

Die Einvernahme des Gendarmeriebeamten BezInsp. M K hat ergeben, daß Sie sich zweifelsfrei nach Verkündung der behördlichen Auflösung der Versammlung weiterhin im Baustellenbereich (=Bereich der aufgelösten Versammlung) aufgehalten haben, sodaß Sie in weiterer Folge festgenommen werden mußten. Dieser Zeugenaussage wurde im Rahmen der freien Beweiswürdigung eine maßgebliche Beweiskraft beigemessen.

Anläßlich Ihrer Beschuldigten-Ersteinvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf am 30.5.1994 haben Sie sämtliche Angaben hinsichtlich des Tatvorwurfes des Verbleibes auf der Baustelle nach behördlicher Auflösung der Versammlung verweigert.

Die von Ihnen beantragte Einvernahme von weiteren Zeugen erscheint im Hinblick auf den von Ihnen auch nicht bestrittenen maßgeblichen Sachverhalt, nämlich der Aufenthalt auf dem Baustellengelände, als nicht zielführend.

Diese Zeugenaussagen würden ohnedies nur bereits bekannte und unbestrittene Tatsachen bestätigten.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 VStG 1991 das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Bei der Strafbemessung wurde auf die Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse des Beschuldigten Rücksicht genommen.

Als erschwerend mußte der Umstand, daß Sie sich trotz Aufforderung, das Baustellengelände zu verlassen, dort weiter vorsätzlich aufgehalten haben. Mildernde Umstände konnten keine festgestellt werden.

Im Hinblick auf diese Tatumstände, die Milderungs- u.

Erschwernisgründe sowie die festgestellten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (da die Angaben hiezu verweigert wurden, mußten die Einkommensverhältnisse geschätzt werden, aufgrund der Berufungsangabe und der sonstigen bekannten Verhältnisse wurde von einem mindestens monatlichen Einkommen von S 5.000,-- ausgegangen) erscheint die Verhängung der angeführten Geldstrafe unter Hinweis auf den gesetzlichen Strafrahmen als angemessen." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin in der Sache aus:

"Berufung (Sich96-174-1994) Ich erhebe gegen das Straferkenntnis vom 1. 2. 1995 (eingelangt am 3.2. 1995) innerhalb der offenen Frist die Berufung.

Rechtfertigungsgründe:

1) Ich berufe mich auf:

a) das in der Bundesverfassung festgelegte Bekenntnis der Republik Österreich zum umfassenden Umweltschutz im vom Nationalrat am 27. November 1984 beschlossenen, im Bundesgesetzblatt unter der Nr. 491/1984 kundgemachten Bundesverfassungsgesetz:

§ l.(1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz.

(2) Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.

b) das erklärte Ziel der österreichischen Bundesregierung zur Regelung des Straßenverkehrs zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung und der Förderung des Schienenverkehrs, insbesondere des kombinierten Verkehrs im Rahmen des "Transitvertrages".

c) das vom Land Oberösterreich am 17.9. 1991 unterzeichnete "Klimabündnis der europäischen Städte mit indigenen(?) Völkern der Regenwälder".

§ 2. Der Zweck des Vereins ist die Förderung des Umweltschutzes...

Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch folgende Maßnahmen:

- Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen... mit dem Ziel einer Halbierung bis zum Jahre 2010.

2)Der Fertigbau der P (A ) ist mit obengenannten Punkten nicht vereinbar:

a) Die Existenz der neuen Straße würde langfristig zu einem insgesamt erhöhten Verkehrsaufkommen führen (Eine Studie zur Verkehrsentwicklung auf S Transitrouten ergab, daß durch den Vollausbau von Autobahnen fast 40 % an zusätzlichem Verkehr produziert wird).

Die in der Konkurrenz mit dem Straßenverkehr, der von Kostenwahrheit weit entfernt ist, ohnehin benachteiligte Bahn würde entgegen den Zielen des "Transitvertrages" in die Bedeutungslosigkeit absinken.

Die höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn erhöhen die Abgasbelastung, die Abgasmenge steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Hinzu kommt noch die induzierte Erhöhung der Verkehrsmenge. Der Lärmpegel steigt ebenfalls mit der Geschwindigkeit. In Tallagen wird das akustische Profil des gesamten Tales nachhaltig beeinflußt.

b) Laut der "Studie zu(r?) Sofortlösungen an der P" (Universität für Bodenkultur, ) und der "Oberösterreichischen Transitstudie" kann mit einer Vielzahl von kleineren Maßnahmen den AnrainerInnen an der B schneller und besser geholfen werden.

c) Der Verkehr ist für 72 % der Stickoxidemissionen, 58% der Kohlenmonoxid 87 % der Kohlenwasserstoff- und 25% der Kohlendioxid-Emissionen in Österreich verantwortlich.

Diese Gase sind die Ursache für das Absterben der Wälder, für die Bildung von photochemischen Atemgiften wie Ozon und tragen in hohem Maß zum Treibhauseffekt bei.

d) Die Fertigstellung der würde die Zerstörung einer ökologisch hochwertigen Flußstrecke und eines hochwertigen Naherholungsraumes mit sich bringen.

e) Die Autobahn ist mit der Errichtung eines "Nationalparks Kalkalpen" nicht vereinbar.

f) Für den betreffenden Abschnitt der wurde keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt, obwohl die Verordnung von Teilen des Bauabschnittes nach dem 1.1.1994 erfolgte und somit nach EWR-Recht eine UVP durchzuführen ist.

g) Für eine Autobahn werden einschließlich der Nebenanlagen rund 8 ha pro km benötigt.

Bodenverlust durch Überbauung wirkt Zielen einer notwendigen ökologischen Agrarpolitik massiv entgegen.

h) Die Relation der Summe der Beschäftigten im Autobahnbau zu sinnvolleren kleinräumigen Straßenbaumaßnahmen beträgt etwa 1:7. Das heißt um die gleiche Investitionssumme kann die 7fache Zahl an Menschen Arbeit finden, wenn das Geld nicht in Autobahnen, sondern in kleinräumige Straßenbaumaßnahmen investiert wird.

In der Landwirtschaft und in der nachgeordneten Verarbeitung gehen langfristig gesehen 4 mal so viele Arbeitsplätze verloren, wie durch den Autobahnbau gesichert werden. Die Landflucht würde weiterhin anhalten.

Meine Anwesenheit am Baustellengelände des projektierten L diente der Durchsetzung der unter Punkt 1) angeführten Ziele und der Vermeidung von zukünftigem Verkehr mit allen seinen negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.

3) zum Strafausmaß:

Ich halte das Strafausmaß aus folgenden Gründen für überhöht:

- Ich beziehe eine monatliche Studienbeihilfe in der Höhe von S 3.630,--.

- Ich absolviere mein Studium außerhalb meines Heimatortes (Kärnten), was mit zusätzlichen finanziellen Belastungen verbunden ist.

Aus den angeführten Gründen beantrage ich eine Aussetzung oder zumindest eine Herabsetzung der Strafe." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, vorgelegt am 21.

März 1995, Sich96-174-1994, sowie durch Vernehmung der am Einsatz beteiligten Gendarmeriebeamten der Gruppeninspektoren H. H und M. P als Zeugen, den von der Erstbehörde vorgelegten und verlesenen Aktenvermerk des Einsatzleiters vom 31. Mai 1994 und die Sichtung der vom Landesgendarmeriekommando erstellten Videodokumentation anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Die Baustelle der A wurde am Morgen des 30. Mai 1994 von etwa 30 Demonstranten "besetzt". Auch die Berufungswerberin war bereits am Morgen dieses Tages, nachdem sie bereits am Vortag aus Kärnten nach Oberösterreich angereist war, auf der Baustelle. Sie erhielt über ein sogenanntes "N" von dieser Veranstaltung Kenntnis.

Das erklärte Ziel dieser Veranstaltung war, gegen den Weiterbau dieser Transitverbindung einzutreten und es durch die Teilnahme an dieser Veranstaltung zu manifestieren. Die Einfahrt zur Baustelle war bereits zu diesem Zeitpunkt verbarrikadiert worden. Ebenfalls wurden von den Demonstranten im Baustellengelände auf eine Straße Steine gerollt, offenbar um diese Straße für Baufahrzeuge unbefahrbar zu machen.

Diese Veranstaltung wurde der Bezirkshauptmannschaft nicht als solche angezeigt. Zu diesem sogenannten "Actions-Camp" wurde zumindest auch durch Plakatierung aufgerufen. Im Baustellenbereich wurden von den "Actions-Camp-Teilnehmern" zahlreiche, teilweise mehrere Meter große Transparente an Baumaschinen angebracht, deren plakative Texte sich gegen den Bau der P richtete. Die Veranstaltungsteilnehmer waren zu einem guten Teil mit Proviant, Gepäck und Decken ausgerüstet. Im Verlaufe des späteren Nachmittages wurde seitens der Exekutive, welche in der Stärke von zwei Zügen vor Ort beordert worden war, versucht die Teilnehmer zu einem freiwilligen Verlassen der Baustelle zu bewegen. Dies verlief erfolglos bis schließlich um 19.45 Uhr vom Behördenvertreter vor Ort die Versammlung untersagt und um 19.50 Uhr nochmals mittels Megaphon die Aufforderung ausgesprochen wurde, daß die Teilnehmer die Baustelle zu verlassen hätten. Die Berufungswerberin und mit ihr vierzehn weitere Teilnehmer hatten sich bereits vor der Untersagung der Veranstaltung, nämlich zum Zeitpunkt als Einsatzkräfte überraschend in das Baustellengelände eingedrungen waren, mittels Sperrketten, Bügelschlösser und Handschellen an Baumaschinen [die Berufungswerberin mit einer/einem anderen Teilnehmer(in) an einer Baumaschine] angehängt gehabt. Damit waren diese Teilnehmer (so auch die Bw) hinsichtlich ihrer Befreiung auf fremde Hilfe angewiesen. Diese war später nur unter Einsatz von Spezialwerkzeugen und unter Aufwendung von höchstem Geschick und größter Sorgfaltsübung möglich. Etwa zehn Minuten nach der mittels Megaphon durchgesagten kundgemachten Untersagung der Versammlung begann die Exekutive mit der zwangsweisen Räumung der Baustelle. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch etwa fünfzehn an Baumaschinen und Geräten - teilweise die versperrten Bügel oder Fahrradabsperrvorrichtungen um den Hals gelegt fixierte Teilnehmer auf der Baustelle. Im Falle eines Ausoder Abrutschens oder eines Schwächeanfalles hätte dies wahrscheinlich zu einer Strangulierung eines oder einer Betroffenen führen können. Der Großteil der Teilnehmer kam der Aufforderung der Behörde bzw. der Exekutive nach und verließ freiwillig die Baustelle bzw. die "Veranstaltungsstätte". Die Berufungswerberin wurde schließlich nach der Befreiung ihrer Zwangslage um 20.15 Uhr festgenommen und nach ihrer Identifizierung und Vernehmung um 21.21 Uhr wieder entlassen.

An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, daß das Einschreiten der Exekutive, was die Befreiung der Teilnehmer aus deren prekären Lage anlangt, unter äußerster Schonung der Teilnehmer, mit großem technischen Einsatz, Geschick und in jeder Richtung hin in vorbildlicher Weise ablief. Eine Verbrennungs- bzw. Verletzungsgefahr war dabei für einen Teil der zu Befreienden (welche mittels Schneidbrenner von der Sperrvorrichtung zu trennen waren) im hohen Ausmaß gegeben. Was die angeblich bei der Berufungswerberin angewendete Armwinkelsperre anlangt, hat dies im Rahmen dieses Verfahrens keine Bedeutung.

4.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich insbesondere auf die Aussage der Gruppeninspektoren H. H und M. P, der Sichtung der vom Landesgendarmeriekommando angefertigten Videodokumentation, die Ausführungen der Behördenvertreterin, welche zur Ergänzung einen vom Einsatzleiter vor Ort am 31. Mai 1994 angefertigten Aktenvermerk vorlegte, welcher verlesen und zum Akt genommen wurde und insbesondere auf die Verantwortung der Berufungswerberin.

4.2.1. Der Aktenvermerk wird nachfolgend in seinem gesamten Umfang wiedergegeben:

"Am 28.05.1994 errichteten Aktionsgruppen (Arge-Bauern; Arge-Stop Transit; Netzwerk-Pyhrn; Plattform-ÖKO Region Pyhrn-Garstnertal; Global 2000; Österreichische Hochschüler schaft) auf den Gründen des Landwirtes A P, v W, Gemeinde R, ein Aktions-Camp mit mehreren Zelten.

In einer Aussendung haben diese Aktionsgruppen angekündigt, in der Woche von 28.05.1994 bis 05.06.1994 gegen die Transitpolitik der Regierung zu demonstrieren. Diese Aussendung wird als Versammlungsanzeige für das Aktions-Camp angesehen, soweit dieses Camp einen versammlungsrechtlichen Charakter überhaupt aufweist.

Am 30.05.1994 um 07.00 Uhr besetzten ca. 70 Männer und Frauen der genannten Aktionsgruppen überfallsartig die eingezäunte Baustelle der ÖSAG am Südportal des sogenannten Lainberg-Tunnels, ketteten sich an Baustellenfahrzeugen und Baugeräten an und verhinderten somit die weiteren Bauarbeiten. Sie waren über die Geleise der Pyhrnbahnstrecke in das Baustellengebiet eingedrungen.

Dieser Sachverhalt wurde um ca. 07.20 Uhr der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich berichtet und von dort aus dem Bundesministerium für Inneres gemeldet.

Dabei wurde von Bundesminister Dr. Löschnak und dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich die Weisung erteilt, die Baustelle so bald als möglich zu räumen.

Zunächst wurde mit den Teilnehmern der nicht angezeigten Versammlung Kontakt aufgenommen; es wurde versucht, sie unter Hinweis auf die nunmehr erreichte Publizität des von ihnen vertretenen Anliegens (Medienvertreter hatten bereits Berichte aufgenommen) zur freiwilligen Aufgabe der Besetzung zu bewegen. Sie erklärten jedoch dezidiert, ihre Aktion weiterhin fortsetzen zu wollen und kündigten somit eine längerfristige Besetzung der Baustelle an.

Die genannte Aktion war jedenfalls als Versammlung im Sinn des Versammlungsgesetzes zu werten, da die Teilnehmer in gemeinsamem Wirken (sie diskutierten und präsentierten Transparente) ihrer Meinung zum Weiterbau der A9 -Pyhrn autobahn und zur Transitbelastung Ausdruck verliehen.

Erklärtes Ziel der Aktivisten war es, einen Baustopp für die gegenständliche Baustelle zu erwirken.

Da die Versammlungsteilnehmer zu einer freiwilligen Aufgabe der Besetzung der Baustelle nicht bereit waren, wurde die gegenständliche Versammlung um 19.45 Uhr gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes untersagt und aufgelöst, wobei mittels Megaphon folgender Wortlaut an die Versammlungsteilnehmer verkündet wurde:

"Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems untersagt gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. diese Versammlung und löst sie nach dieser Gesetzesbestimmung auf.

Alle Anwesenden sind verpflichtet, den Versammlungsort zugleich zu verlassen und auseinanderzugehen. Im Fall des Ungehorsams müssen Zwangsmittel angewendet und die Räumung des Versammlungsortes verfügt werden. Überdies stellt die Weigerung, den Versammlungsort zugleich zu verlassen und auseinanderzugehen, eine Verwaltungsübertretung dar, welche gemäß § 19 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. mit Arrest bis zu 6 Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-bestraft werden kann." Zu begründen ist diese Versammlungsauflösung zunächst dadurch, daß die gegenständliche Versammlung nicht binnen 24 Stunden vor ihrer Abhaltung bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems angezeigt wurde und somit ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschriften vorliegt.

Darüberhinaus ist jedoch zu berücksichtigen, daß durch die gegenständliche, nicht angezeigte Versammlung die Bauarbeiten auf der genannten Baustelle behindert werden. Da sich die Versammlungsteilnehmer im unmittelbaren Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen befanden, mußte die ÖSAG eine totale Einstellung ihres Baustellenbetriebes verfügen, um ein gravierendes Verletzungsrisiko für die Versammlungsteilnehmer hintanzuhalten.

Die ÖSAG hat bereits mit Schreiben vom 14.09.1993 darauf hingewiesen, daß Baustellenbesetzungen einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Rechte darstellen und daraus große wirtschaftliche Nachteile entstehen werden.

Aus diesem Grund hat die ÖSAG auch das gesamte Baustellengelände mit einem Zaun abgesichert, welcher die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse der Republik Österreich deutlich ersichtlich zum Ausdruck bringt. Dadurch soll verhindert werden, daß sich unbeteiligte Personen in den Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen begeben können.

Zu berücksichtigen ist weiters der Zweck, den die Versammlungsteilnehmer mit ihrer Baustellenbesetzung verfolgen: offensichtlich soll auf das österreichweite Problem der Transitbelastung und das Problem der Belastung der Pyhrn Priel-Region durch den Weiterbau der A 9-Pyhrnautobahn hingewiesen werden. Dabei soll von den Versammlungsteilnehmern im gemeinsamen Wirken eine gemeinsame Meinung zur Transitbelastung und zur Frage der Notwendigkeit des Weiterbaus der A 9-Pyhrnautobahn zum Ausdruck gebracht werden, wobei der Öffentlichkeit mit drastischen Mitteln die Beeinträchtigung des Einzelnen durch das Transitverkehrsgeschehen vor Augen gehalten werden soll, indem der Grundeigentümer in seinem Verfügungsrecht beeinträchtigt werden soll.

Diese Interessen der Versammlungsteilnehmer sind den Interessen der Republik Österreich gegenüberzustellen, wobei zu berücksichtigen ist, daß durch die Einstellung der Bauarbeiten der Republik Österreich ein beträchtlicher finanzieller Schaden entsteht.

Weiters darf nicht vergessen werden, daß sich die Versammlungsteilnehmer im unmittelbaren Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen befinden und daher durch die von den Baumaschinen ausgehenden Gefahren in ihrer Sicherheit beeinträchtigt werden können.

Aus diesem Grunde mußte der Standpunkt vertreten werden, daß die von den Versammlungsteilnehmern beabsichtigte Meinungskundgabe ebenso zielführend auch durch andere Maßnahmen bzw. Demonstrationen erreicht werden kann, durch welche die Republik Österreich in ihrem Eigentums- und Verfügungsrecht nicht beeinträchtigt wird und die Versammlungsteilnehmer keinen Gefahren ausgesetzt werden.

Somit muß davon ausgegangen werden, daß die Interessen an der Aufrechterhaltung der Sicherheit und die Interessen des Schutzes der Rechte des Grundeigentümers Republik Österreich die Interessen an der Durchführung der von den Versammlungsteilnehmern abgehaltenen Versammlung bei weitem überwiegen, weshalb die Versammlung untersagt und aufgelöst werden mußte.

Um ca. 19.50 Uhr wurden die Versammlungsteilnehmer nochmals auf ihre Verpflichtung gemäß 14 Versammlungsgesetz hingewiesen; da jedoch nicht alle Versammlungsteilnehmer dieser Verpflichtung nachkamen, wurde anschließend das Versammlungsgelände durch die Einsatzeinheit und die Sondereinsatzgruppe des LGK geräumt.

Dabei mußten angekettete Versammlungsteilnehmer zunächst von den Baugeräten geschnitten werden. Von den zunächst noch vorhandene ca. 30 Besetzern wurden 14 Personen nach § 35 VStG festgenommen, nach dem Versammlungsgesetz angezeigt und der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vorgeführt.

Die Auflösung der Besetzung war um 21.15 Uhr beendet. Die der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vorgeführten Personen wurden wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes (bzw.

zusätzlich zum Teil wegen Übertretung des Eisenbahngesetzes) als Beschuldigte einvernommen und anschließend auf freien Fuß gesetzt.

K, am 31.5.1994 (e.h. gezeichnet vom Behördenvertreter)" 4.2.2. An der Richtigkeit der zuletzt wiedergegebenen Darstellung des Verlaufes der Versammlung bestehen keine wie immer gearteten Zweifel. Betreffend das Verhalten der Berufungswerberin steht laut dem h. durchgeführten Ermittlungsverfahren wohl fest, daß ihr ein Verlassen der Veranstaltungsstätte nach Auflösung der Veranstaltung an sich objektiv nicht mehr möglich gewesen ist. Es ist davon auszugehen, daß die Berufungswerberin sich ihres Schlüssels für die Sperrvorrichtung entweder entledigte oder gegenüber den Exekutivbeamten verborgen hielt, um dadurch den unvermeidbaren Verbleib dem Manifestationsziel noch weiteren Nachdruck zu verleihen. Die Teilnehmer waren, was aus der Mitnahme von Liegematten, Rucksäcken und Proviant zu schließen ist, auf einen längeren Aufenthalt auf der Baustelle offenkundig auch eingerichtet. Auch die Berufungswerberin ließ mit ihrer Verantwortung erkennen, daß man offenbar auf eine längere Präsenz auf der Baustelle eingerichtet war. Sie führte etwa aus, daß man gerade eine Pause eingelegt hatte und jausnete, als plötzlich die Sicherheitsbeamten die Baustelle stürmten. Dabei habe sie sich gerade noch mit einem anderen Teilnehmer/Teilnehmerin mit den Handschellen, welche sie auf der Baustelle zur Verfügung gestellt bekam, an einer Maschine anhängen können.

Der in der Verantwortung inhaltlich zum Ausdruck gebrachten Ansicht, daß diese Veranstaltung objektiv nicht den Charakter einer Versammlung gehabt und nur "individuell geladene Gäste" Zutritt gehabt hätten, vermochte nicht gefolgt werden. Wie aus anderen in dieser Sache bereits abgeführten Berufungsverfahren hervorkam, konnte man auch vom Gleiskörper der Pyhrnbahn auf die Baustelle gelangen. Es kann somit auch dahingestellt bleiben, ob ein Verbarrikadieren einer vorher besetzten Baustelle, wobei diese Barrikade auch problemlos überwindbar war, als Schutz nach § 2 VersammlungsG zu beurteilen ist (Ausschluß anderer als geladener Gäste). Dies würde wohl zu verneinen sein.

Inhaltlich deutet das Berufungsvorbringen jedoch darauf hin, daß die Berufungswerberin die mit dem Straßenverkehr in Verbindung gebrachte Erhöhung der schädlichen Einträge in die Atmoshpäre ein elementares Anliegen ist. Ihr Vorbringen läßt auf profunde Auseinandersetzung mit der weltweiten Klimaproblematik schließen. Sie legt somit glaubhaft und überzeugend dar, daß sie mit ihrer Teilnahme an dieser Veranstaltung für ein großes und globales Ziel eintreten wollte und aus dieser Motivation die Verletzung der hier gegenständlichen Rechtsvorschrift in Kauf genommen hat.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Als Vorfrage war zunächst zu klären, ob einerseits eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz vorlag und ob diese zu untersagen war und nach den gegebenen Umständen aufgelöst werden durfte bzw. mußte (VfGH 23.9.1983, Zl.

23/09/1983).

5.1.2. Eine Versammlung ist unter anderem dann den Vorschriften des VersG 1953 zuwider veranstaltet, wenn sie nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde, obgleich hiezu die Verpflichtung bestand. Wie der VfGH schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Zusammenkunft mehrerer Personen dann als Versammlung iS des VersG 1953 zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen (VfGH Slg.Nr. 9783/1983). Durch das Anbringen zahlreicher Transparente deren eindeutiger Inhalt sich gegen den Bau eines Teilstückes der Pyhrnautobahn richtete und der von den Teilnehmern geflogene Aktionismus (Anketten an Baufahrzeugen, Erklettern von Betonsilos udgl.) läßt an einer Assoziation der Zusammengekommenen keinen Zweifel aufkommen (VfGH 23.9.1983, B 671/80). Die Versammlung war demnach nicht bloß auf geladene Gäste beschränkt und damit nicht von der Anzeigepflicht nach § 2 Versammlungsgesetz ausgenommen. Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn die Teilnehmer persönlich und individuell vom Veranstalter der Versammlung zum Erscheinen geladen werden und wenn der Veranstalter Vorkehrungen trifft, durch die die Nichtzulassung Ungeladener gesichert ist (vgl. VfSlg.

7762/1976; VfGH 23.9.1983 B 671/80). Der Aufruf (auch) per Plakat zum "Actions-Camp" läßt keinen Anhaltspunkt dafür zu, daß es sich hier um eine individuelle Einladung jedes einzelnen Teilnehmers und um eine geschlossene Veranstaltung gehandelt hätte. Geschlossene Veranstaltungen können wohl auch nur auf hiefür geeigneten Veranstaltungsstätten abgeführt werden und nicht auf Baustellen, wobei die Frage der Inanspruchnahme dieser Baustelle für diesen Zweck ein hier nicht zu erörterndes Rechtsproblem darstellt. Ebenfalls kann die auf einen anderen Zweck gerichtete Verbarrikadierung der Baustelleneinfahrt nicht als Besorgung der Vermeidung des Zutrittes Ungeladener erachtet werden.

Außerdem war die Baustelle auch über die Eisenbahnanlage zugänglich. Auf diesem Wege gelangte etwa der Teilnehmer H welcher über die Medien von der Veranstaltung erfahren hatte - nach seinen eigenen Angaben auf die Baustelle. Diese Veranstaltung wäre daher der Behörde anzuzeigen gewesen.

Die Behörde darf - wie schon aus dem Wortlaut des § 13 Abs.

1 VersG hervorgeht - eine gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltete Versammlung nur "nach Umständen" auflösen (mit Hinweis auf VfSlg. 7762/1976 und VfGH 23.9.1983, B 671/80). Für eine behördliche Versammlungsauflösung muß also ein zureichender Grund vorliegen. Das im jeweiligen Fall - hier als Vorfrage vom unabhängigen Verwaltungssenat selbständig zu beurteilen rechtmäßige Verhalten der Behörde ist wohl vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit zu beurteilen.

Der staatsvertragliche (materielle) Gesetzesvorbehalt, wie er im Art. 11 Abs. 2 MRK umschrieben wird, gilt auch im innerstaatlichen Bereich und leitet die Vollzugsorgane an, wenn sie einen zureichenden Grund für eine Versammlungsauflösung annehmen dürfen (vgl. hiezu das die Ermächtigung der Behörde, einen Verein aufzulösen, betreffende Erk. VfSlg. 8090/1977).

Die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in der zitierten Konventionsnorm aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre. Nach der sich aus Art. 11 Abs.2 MRK ergebenden Richtlinie ist dies u.a. die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung, des Schutzes der Gesundheit sowie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (VfGH Slg. 6883/1972, sowie VfGH 23. 6. 1977, B 209/76). Im gegenständlichen Fall war der Eingriff der Behörde zwecks Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, ferner zum Schutz des Eigentums der Baustellenbetreiber, insbesondere aber zum gesundheitlichen Schutz der sich an Baumaschinen festgeketteten Teilnehmer selbst, berechtigt, ja gefordert.

Wie oben bereits dargelegt galt es, durch die von mehreren Demonstrationsteilnehmern mittels einer ihren Hals eng umschließende Bügel vorgenommenen Fixierung, eine nicht unerhebliche Gefahr von diesen Personen selbst abzuwenden.

Ob solche Umstände vorlagen, hatte das Behördenorgan nach dem Bild zu beurteilen, das sich ihm an Ort und Stelle bot.

Dies mußte der Veranstalter, der hier auch seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist, gegen sich gelten lassen; er hatte demnach auch in Kauf zu nehmen, daß kein eigentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt werden konnte und daß es der Behörde in der Regel auch nicht mehr möglich gewesen sein wird, allenfalls erforderliche, den ungehinderten Ablauf der Versammlung sichernde Vorkehrungen zu treffen. Hier wurde obendrein ohnedies erst eingegriffen als der Zweck der Demonstration/Manifestation weitestgehend erreicht gewesen schien.

Zum Zeitpunkt der Auflösung konnte das einschreitende Organ des Bezirkshauptmannes nach dem sich ihm bietenden Gesamtbild mit gutem Grund den Eindruck gewinnen, daß sich bei dem genommenen Verlauf der Versammlung strafgesetzwidrige Vorgänge, Beschädigungen von Baumaschinen ereignen würden, insbesondere aber die akute Selbstgefährdung von Teilnehmern gegeben war (VfGH 10.6.1985, B 567/84). Die Beurteilung des Handelns der Behörde hatte hier aus einer ex-ante Sicht zu erfolgen.

5.2. Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit schon fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs.1 VStG erster Satz). Das VStG gibt bezüglich der Schuldform Vorsatz und Fahrlässigkeit keine Definition. Wenngleich das VStG (abgesehen vom § 19) nicht auf das StGB verweist, wird dennoch den Begriffsbestimmungen dieses Gesetzes Bedeutung zukommen.

Hinsichtlich der Fahrlässigkeit definiert § 6 StGB, wobei zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit unterschieden wird, daß bewußt fahrlässig derjenige handelt, der zwar daran denkt, daß sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen könne, dieses jedoch nicht herbeiführen will, wenngleich er es für möglich hält. Im Falle der unbewußten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, daß er einen tatbildmäßigen Erfolg verwirklichen könnte.

Hier ist jedoch von der Schuldform des Vorsatzes auszugehen.

Vorsätzlich handelt, wer zumindest in Kauf nimmt (Eventualvorsatz), daß er mit seinem Handeln ein gesetzliches Tatbild (hier Verweilen auf dem Versammlungsort nach deren Auflösung) verwirklicht.

Wenn sich nun die Berufungswerberin noch vor dem ausgesprochenen Verbot der Veranstaltung sich des Schlüssels für die an ihrem Körper selbst angebrachte Sperrvorrichtung begeben gehabt haben sollte (was nicht endgültig geklärt werden konnte) oder sie diesen nicht freiwillig aushändigte und sie aus diesem Grunde der Aufforderung der Behörde nicht mehr Folge leisten konnte, ist ihr trotzdem vorsätzliche Begehungsweise vorzuwerfen. Sie hatte sich selbst in eine Lage gebracht, nach welcher sie nach Auflösung der Veranstaltung nicht mehr ihr rechtmäßiges Verhalten disponieren konnte. Eine selbstverschuldete Zwangslage ist kein Schuldausschließungsgrund (VwGH 8.9.1969, 1708/68, 22.4.1976. 1705/75, 15.4.1983, 82/04/0169 u. v. 25.11.1986, 86/04/0116, Hauer-Leukauf, Handbuch des öst.

Verwaltungsverfahrens, S. 737, RZ 5). Als Teilnehmer(in) an einer Demonstration an deren Zuspitzung sie durch ihr Anketten selbst beteiligt war, mußte sie auch mit einer Auflösung derselben rechnen. Durch die Begebung des Schlüssels hat sie zumindest in Kauf genommen, daß sie einer zu erwartenden Aufforderung die Baustelle zu verlassen nicht mehr befolgen werde könne.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Mit der hier von der Berufungswerberin geübten Verhaltensweise wurde gesetzlich geschützten Interessen wohl in massiver Weise zuwidergehandelt. Es wurden durch die Unterbrechungen der Bauarbeiten und Blockierung der Baumaschinen, neben dem Anspruch des Gemeinwesens auf Ruhe und Ordnung auch private und wirtschaftliche Interessen empfindlich beeinträchtigt. Diese Interessensschädigung mußte mit einem großen Einsatz der Exekutive entgegengetreten werden, welcher letztlich wiederum vom Steuerzahler finanziert werden mußte. Daran ändert auf der objektiven Tatebene auch nichts die Tatsache, daß die Berufungswerberin aus Überzeugung für höchste - globale Werte einzutreten versuchte und dies mit ihrer nachdrücklichen Form des Verbleibens an der Baustelle zu unterstreichen suchte. Auf der subjektiven Ebene ist dies aber sehr wohl ein Schuldmilderungs- jedoch keinesfalls ein Schuldausschließungsgrund. Auch höchste Ziele, welche aus persönlicher Überzeugung globale Dimension haben mögen und wohl auch haben, müssen hinter (der rechtsstaatliche Bau wurde im Verfahren bewilligt) Staatszielen, selbst wenn diese mit einem bestimmten Ideal nicht zuträglich scheinen mögen, zurücktreten. Dies rechtfertigt nicht einen Gesetzesbruch. Jede andere Sicht würde mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht vereinbar sein.

Unter weiterer Berücksichtigung der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Berufungswerberin, welche von der Erstbehörde unzutreffend nicht als strafmildernd gewertet wurde und dem Umstand, daß die Erstbehörde auch von einem überhöhten Einkommen ausgegangen ist, war die Strafe entsprechend zu ermäßigen.

Als weiterer Milderungsgrund kommt nun noch die im Rahmen des Berufungsverfahrens zum Ausdruck gebrachte Einsichtigkeit hinzu. Unzutreffend wurde schließlich noch als straferschwerend gewertet, daß die Baustelle trotz Aufforderung nicht verlassen worden sei. Dies kommt einer unzulässigen Doppelverwertung gleich, weil dies das tatbestandsmäßige Verhalten beinhaltet und damit das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, somit das von der Strafe umfaßte Verhalten eben ist. Sohin scheint auch dieses Strafausmaß neben dem Zweck der Generalprävention auch aus dem Gesichtspunkt der Spezialprävention angemessen und geeeignet die Berufungswerberin künftighin von derartigen Übertretungen abzuhalten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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