Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521487/7/Kof/Be

Linz, 26.03.2007

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn T W, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. R S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 8.11.2006, VerkR21-125-2006, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 22.3.2007, einschließlich  Verkündung  des  Erkenntnisses,  zu  Recht  erkannt:

 

Der Berufung wird insofern stattgegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf 20 Monate – vom 15. November 2006 bis einschließlich  15. Juli 2008  –  herab- bzw. festgesetzt  wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche  Bescheid  bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z.1, 25 Abs.1 und 25 Abs.3 iVm. §§ 7 Abs.1 Z.1, 7 Abs.1 Z.2,

      7 Abs.3 Z.1, 7 Abs.3 Z.8 und 7 Abs.4 FSG,

       BGBl. I/120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I/153/2006

§ 64 Abs.2 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem nunmehrigen Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1 Z.1, 25 Abs.1, 25 Abs.3, 7 Abs.1, 7 Abs.3, 7 Abs.4 und 29 Abs.3 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 28 Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides – ohne Einrechnung von Haftzeiten – entzogen. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 20.11.2006 eingebracht.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Am 22.3.2007 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Bw, dessen Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen haben.

 

Aus dem Verfahrensakt sowie dieser mündlichen Verhandlung ergibt sich nachfolgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

 

Der Bw wurde mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 12.7.2006, 21 Hv 9/06y wegen

-          dem Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach dem § 205 Abs.1 StGB und

-          dem Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs.1 StGB

zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren – davon 8 Monate unbedingt und 16 Monate bedingt  auf eine Probezeit von 3 Jahren – verurteilt.

 

Grund  für  diese  Verurteilung  war,  dass  der  Bw  am  1.3.2006  in  E.

-          eine Person, die wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln unter Ausnützung dieses Zustandes dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, in dem er an der schwer alkoholisierten und schlaftrunkenen (Frau) A. B. einen Anal- und Vaginalverkehr durchführte und

-          eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, in dem er die übermüdete und alkoholisierte (Frau) M. M. zum Vaginal- und Analverkehr zwang, in dem er ihre Hände zur Seite drückte, als sie ihn von ihr wegtauchte.

 

Die dagegen eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 5.10.2006, 15 Os 94/06x-6, zurückgewiesen.

 

Das oben angeführte Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis ist dadurch in Rechtskraft erwachsen.

 

Der UVS ist an dieses  rechtskräftige Gerichtsurteil gebunden;

VwGH vom 6.4.2006, 2005/11/0214;  vom 20.2.2001, 98/11/0317 mit Vorjudikatur; vom 6.7.2004, 2002/11/0163 uva.

 

Der Bw lenkte am 10.11.2006 gegen 02.00 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw auf einer näher bezeichneten Straße mit öffentlichem Verkehr im Gemeindegebiet F.  An einer näher bezeichneten Straßenstelle kam er rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum.

Am Pkw des Bw entstand Totalschaden; auch zwei Bäume beschädigt.

Der Bw hat es unterlassen, diesen Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub der nächsten  Polizeidienststelle  oder  dem  Geschädigten  zu  melden.

Weiters befand sich der Bw bei diesem Verkehrsunfall in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholisierungsgrad zwischen 1,44  und 1,57 Promille).

 

Die belangte Behörde hat über den Bw mit Straferkenntnis vom 2.2.2007 wegen der Verwaltungsübertretungen nach  § 4 Abs.5  iVm.  § 99 Abs.3 lit.b  sowie § 5 Abs.1  iVm.  § 99 Abs.1a StVO  Geldstrafen  verhängt.

 

Dieses Straferkenntnis ist – durch die bei der mVh vom 22.3.2007 erfolgte Zurückziehung  der  Berufung  –  in  Rechtskraft  erwachsen.

 

Der UVS ist (auch) an dieses rechtskräftige Straferkenntnis gebunden;   

VwGH vom 20.9.2001, 2001/11/0237; vom 23.4.2002, 2002/11/0063; vom 8.8.2002, 2001/11/0210; vom 26.11.2002, 2002/11/0083; vom 6.7.2004, 2004/11/0046 uva.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs. 3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von KFZ sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von KFZ gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z.8 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 leg.cit zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß § 201 StGB und/oder § 205 StGB begangen hat.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von KFZ die Verkehrssicherheit insbesondere durch Trunkenheit gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs. 3 Z1 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 leg.cit. zu gelten, wenn jemand ein KFZ gelenkt und hiebei eine Übertretung gemäß (§ 5 i.V.m.) § 99 Abs. 1 bis 1b StVO  begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnisse v. 30.5.2001, 2001/11/0081; vom 23.4.2002, 2000/11/0182;

vom 11.4.2002, 99/11/0328; vom 28.9.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.2.2003, 2003/11/0017; vom 4.10.2000, 2000/11/0176

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern;

VfGH v. 14.3.2003, G203/02; v. 11.10.2003, B1031/02; v. 26.2.1999, B 544/97

VwGH vom 18.3.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108; vom 23.4.2002,

            2000/11/0184; vom 22.2.2000, 99/11/0341; vom 6.4.2006, 2005/11/0214 uva.

 

Das vom Bw am 10.11.2006 begangene Alkoholdelikt iVm. dem Verschulden eines Verkehrsunfalls einschl. Fahrerflucht ist im erstinstanzlichen Entziehungsbescheid nicht berücksichtigt.

 

Die Berufungsbehörde hat – auch in Angelegenheiten betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung – nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung geltenden Sachlage zu entscheiden, sodass zwischen der Entscheidung I. Instanz und der Entscheidung II. Instanz eingetretene Änderungen des Sachverhaltes zu berücksichtigen sind.  VwGH v. 28.11.1983, 82/11/0270 (verstärkter Senat);

vom 17.11.1992, 92/11/0069 und vom 30.5.2001, 2001/11/0113.

 

Grundsätzlich ist bereits (allein) bei Begehung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs.2 StGB eine Entziehungsdauer von 20 Monaten gerechtfertigt;

VwGH vom 28.6.2001, 2001/11/0153 und vom 28.6.2001, 2001/11/0173

 

Im vorliegenden Fall ist – betreffend die Festsetzung der Entziehungsdauer – zu werten

-          zum Nachteil des Bw, das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen bzw. der Umstand, dass der Bw zwei Frauen zum Vaginal- und Analverkehr zwang.

-          zu Gunsten des Bw der bislang ordentliche Lebenswandel; das zur Wahrheitsfindung beitragende teilweise Geständnis; der Umstand, dass die Vergewaltigung zum Nachteil der M. M. – was die Gewaltanwendung betrifft – nur ganz knapp über der tatbestandlichen Erheblichkeitsschwelle gelegen hat;

die Tatsache, dass der Bw bei Begehung dieses Verbrechens keinen  Pkw verwendet hat.

 

Die frühere – jahrzehntelange – Rechtsprechung des VwGH, wonach Haftzeiten in die Entziehungsdauer nicht einzurechnen sind, ist mittlerweile überholt.

In den letzten Jahren hat der VwGH wiederholt im Ergebnis ausgesprochen, dass  Haftzeiten  in  die  Entziehungsdauer  miteinzubeziehen  sind;

Erkenntnisse vom 29.4.2003, 2002/11/0161; vom 21.2.2006, 2003/11/0025;

                      vom 21.2.2006, 2004/11/0129 und vom 21.3.2006, 2005/11/0196.

 

Begeht jemand in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholisierungsgrad zwischen 1,2 und 1,59 Promille bzw. 0,60 und 0,79 mg/l) einen Verkehrsunfall mit Sachschaden sowie Fahrerflucht, ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Entziehungsdauer von 10 Monaten gerechtfertigt; VwGH vom 8.8.2002, 2001/11/0210 mit zahlreichen Judikaturhinweisen.

 

Unter Berücksichtigung aller oa. Kriterien ist insgesamt gesehen eine Entziehungsdauer  von  20 Monaten  gerechtfertigt.

Die Entziehungsdauer beginnt mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides
(= 15. November 2006) und  endet  daher  mit  Ablauf  des  15. Juli 2008.

 

Die Behörde kann iSd § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird;    siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungs-verfahren, 2. Auflage, E24 zu § 64 AVG (Seite 1222f) zitierten VwGH-Entscheidungen.

 

Es war daher der Berufung insofern stattzugeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf 20 Monate – vom 15. November 2006 bis einschließlich
15. Juli 2008 – herab- bzw. festgesetzt wird.

Im Übrigen war die Berufung als unbegründet abzuweisen und der erstinstanzliche Bescheid  zu  bestätigen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Kofler

 

 

 

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