Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521550/6/Bi/Se

Linz, 29.03.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau V I O, F/D., vertreten durch M & M Rechtsanwälte OEG, L, vom 20. Februar 2007 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 1. Februar 2007, VerkR1203/932/1990, wegen der Aufforderung, sich (amts)ärztlich untersuchen zu lassen, zu Recht erkannt:

 

 

      Die Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde die Berufungswerberin (Bw) gemäß §§ 24 Abs.4 und 8 Abs.2 FSG aufgefordert, sich binnen eines Monats, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, vom Amtsarzt der Erstinstanz ärztlich untersuchen zu lassen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 7. Februar 2007.

 

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz  AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die Behörde lasse völlig unerwähnt, worauf sie ihre Behauptung, sie (die Bw) habe ein Alkoholproblem und sei am 2. Jänner 2007 vermutlich aufgrund Alkoholkonsums verwirrt gewesen. Abgesehen davon, dass selbst ein einmaliger oder in großen Zeitabständen vorkommender Alkoholmissbrauch nicht ausreiche, den Verdacht einer Alkoholabhängigkeit zu begründen, fehle dem Bescheid die Begründung, dass seit Erteilung der Lenk­berechtigung eine dafür maßgebliche Erteilungsvoraussetzung weggefallen sei.

Richtig sei, dass sie am 2. Jänner 2007 nach einem dreistündigen Spaziergang mit ihrem Hund zwischen Goldwörther Badesee und Donau einen Schwächeanfall erlitten habe. Grund dafür sei ihre damalige physische und psychische Verfassung aufgrund des Todes ihres Vaters am 7. Oktober 2006 gewesen. Dieser sei im Juni 2006 aus Deutschland nach Neufelden übersiedelt und sie habe ihn nach der Diagnose Lungenkrebs im Endstadium bis zu seinem Tod gepflegt. Sie habe während der Pflege bis Jänner 2007 12 Therapiesitzungen bei der Psychothera­peutin Mag. E P in Anspruch genommen, um seinen Tod besser aufarbeiten zu können. Zur Weihnachtszeit habe sie sich in einer wohl für jeden nachvollziehbaren psychisch labilen Verfassung befunden, die zusammen mit der körperlichen Überanstrengung des langen Spaziergangs wohl am 2. Jänner 2007 zu einem Schwächeanfall geführt habe. Sie habe kein Alkoholproblem und der Grund für ihre Verfassung bei Erscheinen der Polizei bei ihr zu Hause sei nicht Alkohol­konsum gewesen.

Aufgrund der Therapiesitzungen und der Unterstützung ihrer acht Kinder und ihres Gatten habe sie nun den Tod ihres Vaters gut verarbeitet und sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen körperlich und psychisch geeignet. Sie habe bei Frau Dr. H T eine Blutuntersuchung durchführen lassen; die Werte dokumentierten ihren guten Gesundheitszustand und bestätigten wohl, dass sie kein Alkoholproblem habe. Sie sei auch nicht geistig verwirrt und voll zurechnungsfähig, was ihre Psycho­therapeutin bestätigt habe. Beantragt wird unter Vorlage der Laborwerte vom 13. Februar 2007, Dr. H T, Ärztin für Allgemeinmedizin in Feldkirchen/D., und der Bestätigung vom 13. Februar 2007 von Frau DSA Mag. E P, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin sowie Psychotherapeutin in Feldkirchen/D., Bescheidaufhebung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die gesundheitliche Eignung (zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Gruppe oder Klasse) noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzu­schränken oder zu entziehen. ... Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Bescheides nach § 24 Abs.4 FSG sind im Zeitpunkt seiner Erlassung (oder im Fall einer Berufungsentscheidung deren Erlassung) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung umfasst werden, nicht mehr besitzt und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne Untersuchung desjenigen nicht erstellt werden kann. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann; es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. VwGH 17.10.2006, 2003/11/0302, mit Hinweis auf Vorjudikatur 27.1.2005, 2004/11/0217; 30.9.2002, 2002/11/0120).

 

Gemäß § 14 Abs.1 FSG-Gesundheitsverordnung darf Personen, die ua von Alkohol abhängig sind oder den Konsum dieses Mittels nicht so weit einschrän­ken können, dass sie beim Lenken von Kraftfahrzeugen nicht beeinträchtigt sind, soweit nicht gemäß Abs.4 medizinische Gründe vorliegen, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht ua einer Alkoholab­hän­gig­keit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellung­nahme beizu­bringen.

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die ua alkoholabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärzt­lichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenk­be­rechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

 

Die Bw irrt, wenn sie meint, allein Alkoholabhängigkeit sei für die Frage der gesund­heitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen relevant, insofern, als bereits gehäufter Alkohol­miss­brauch im Sinne des § 14 Abs.5 FSG-GV eine Aufforder­ung gemäß § 24 Abs.4 FSG rechtfertigen kann. Richtig ist aber, dass gelegentlicher Alkoholkonsum keine Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG zu begründen vermag.

 

Die Erstinstanz gab in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesent­lichen die Ausführungen in der Anzeige wieder und übernahm diese, indem sie  davon ausging, dass "Sie ein Alkoholproblem haben". Solches ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung des Meldungslegers BI H (Ml), nämlich als Mitteilung des Gatten der Bw gegenüber dem Ml.

Die Anzeige gibt die Schilderung von D W wieder, die die Begegnung mit der Bw am 2. Jänner 2007, 17.30 Uhr, insofern beschreibt, als sie im Gebiet zwischen Badesee und Donau die Bw am Boden liegend angetroffen habe, wobei diese einerseits "unverständliche Laute" von sich gegeben, anderer­seits aber verneint habe, Hilfe zu benötigen – von Alkoholgeruch oder sonstigen mit Alkohol eindeutig in Verbindung zu bringenden Symptomen ist darin keine Rede; eine von W. unterschriebene Niederschrift wurde aber nicht aufgenommen.

W. verständigte daraufhin den ASB, aber die Bw war am genannten Ort nicht mehr zu finden. Deshalb wurde um 18.05 Uhr die PI Ottensheim verständigt, worauf der Ml die Bw, nachdem ihre Identität geklärt worden war, daheim aufsuchte. Die Bw gab an, sie habe ihren Gatten angerufen, der sie und den Hund heimgebracht habe. Sie habe keinen Grund dafür nennen können, warum sie in der Wiese gelegen sei, allerdings habe ihr Gatte angegeben, die Bw habe Alkoholprobleme. Diesen Eindruck bestätigte der Ml, der auch von verschmutzter Kleidung bei der Bw berichtete, aber keinen Grund für die Erforderlichkeit ärztlicher Hilfe oder eine Gesund­heits­­gefährdung sah und die Vermutung äußerte, die Bw dürfte aufgrund Alkoholkonsums etwas verwirrt gewesen sein.

 

Aus der Sicht des UVS ist die in der Berufung geschilderte Situation der Bw, die zusätzlich zur Versorgung eines Haushalts der geschilderten Größenordnung auch noch die verständliche psychische Belastung der Pflege ihres Vaters bis zu dessen Tod zu bewältigen hatte, durchaus nachvollziehbar. Dass eine derartige Ausnahme­situation vorübergehend der Unterstützung durch eine Psychotherapeutin bedarf, wobei auch nicht zu erwarten ist, dass diese Ausnahmesituation mit dem Tod des Vaters endet, ist ebenso verständlich. Der in der Berufung geltend gemachte Schwächeanfall mag möglicherweise durch Alkoholkonsum begünstigt oder auch hervorgerufen worden sein, wobei auch die Weihnachtszeit für die Bw zusätzlich psychisch belastend gewesen sein könnte. Festzuhalten ist, dass die Bw beim dargelegten Vorfall kein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Sonstige Vorkommnisse, die im Sinne des § 14 Abs.5 FSG-GV auf "gehäuften Alkoholmiss­brauch" bei der Bw hindeuten, wurden aber nicht behauptet.

 

Die Bw wurde zu Handen ihres Rechtsvertreters mit Schreiben vom 28. Februar 2007 (Zustellung laut Rückschein am 2. März 2007) aufgefordert, binnen einer Woche ab Zustellung des Schreibens eine Blutabnahme durchführen zu lassen und die Leberwerte für GOT, GGT, GPT und CD-Tect vorzulegen. Das Schreiben wurde bei einem Telefongespräch mit dem Rechtsvertreter insofern präzisiert, als die ehestmögliche Blutabnahme erforderlich sei, um den derzeitigen Status der Bw feststellen zu können; die Vorlage der durch ein Labor ermittelter Leberwerte wurde zur Klärung der unterschiedlichen Referenzbereiche bei verschiedenen Labors erforderlich, zumal die von Dr. Tröbinger genannten Werte kein Labor erkennen lassen, daher keine Referenzbereiche ersichtlich sind, und außerdem weder GPT noch CD-Tect beinhalten.

Beim Telefonat am 12. März 2007 teilte der Rechtsvertreter mit, die Bw habe bei ihrer Ärztin nicht sofort einen Termin bekommen, zumal diese nur einmal pro Woche Blut abnehme; eine schnelle Vorlage wurde aber zugesagt.

 

Auf nochmalige Nachfrage am 23. März 2007 wurden – unverständlich wegen des Faxdatums 21. März 2007, aber wohl dem Rechtsvertreter zuzurechnen – mit Schriftsatz vom 27. März 2007 die angeforderten Leber­labor­werte insofern vorgelegt, als Frau Dr. Tröbinger bestätigte, dass die Blutabnahme am 13. März 2007 bei der Bw normgerechte Werte für MCV (89.1 gegenüber 90.1 am 13.2.2007; Norm 80-110), GOT (18.3 gegenüber 31.7 am 13.2.2007; Norm -35), GGT (17.3 gegenüber 17.1 am 13.2.2007; Norm -38) und weiters Werte für GPT (10 bei Sollwert -34) und CDT (1.48 bei Sollwert -2.5) ergeben haben.       

Die Leberlaborwerte sind damit zweifellos normgerecht und bieten keinen Anhalts­punkt für einen tatsächlichen vermehrten Alkoholkonsum der Bw in einem Ausmaß, der die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung iSd § 24 Abs.4 FSG unter dem Blickwinkel der oben zitierten VwGH-Judikatur recht­fertigen würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

kein Anhaltspunkt für § 14 FSG-GV –> Aufhebung

 

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