Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230943/2/WEI/Ps

Linz, 29.03.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des M K, geb., P, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15. März 2006, Zl. Sich 96-899-2005, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Meldegesetz 1991 (BGBl Nr. 9/1992, zuletzt geändert mit BGBl Nr. 151/2004) zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.                   Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben sich am 22.08.2005 beim Meldeamt der Gemeinde K unter der Anschrift S, K mit Hauptwohnsitz polizeilich angemeldet, obwohl sie dort keine Unterkunft genommen haben. (Scheinanmeldung)

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3 Abs. 1 iVm § 22 Abs. 1 Z. 2 Meldegesetz 1991 idgF."

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die Strafbehörde über den Bw gemäß § 22 Abs 1 Z 2 Meldegesetz 1991 eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde gemäß § 64 VStG 10 % der Geldstrafe und damit 4 Euro festgesetzt.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 20. März 2006 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 3. April 2006 eingebrachte, handschriftliche Berufung vom 30. März 2006, mit der sinngemäß die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird. Ihr Inhalt lautet:

 

"Betreff: Einspruch des Straferkenntnis

                vom 15.3.06.

 

Erhebe Einspruch zu Aktenzeichen Sich 96-899-2005. Mit der Begründung, das ich tatsächlich bei meinen Eltern gewohnt und gemeldet war !!

Was ihre Zeugin vermutet interessiert mich nicht. Fakt ist ich war dort ordnungsgemäß wohnhaft und gemeldet. Das bezeugen meine Eltern.

 

                                                                                  Unterschrift unleserlich"

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Sachverhalt und Gang des Verfahrens:

 

2.1. Mit Anzeige der Polizeiinspektion (PI) Neuhofen an der Krems vom 28. September 2005 wurde dem Bw bereits wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet, er habe sich am 22. August 2005 beim Meldeamt der Gemeinde K, unter der Anschrift S mit Hauptwohnsitz polizeilich angemeldet, obwohl er dort keine Unterkunft genommen habe (Scheinanmeldung).

 

Diese Übertretung habe RI I P von der PI Neuhofen an der Krems im Zuge eines Erhebungsersuchens des Stadtpolizeikommandos Linz festgestellt. Die Erhebung bei den unter der Meldeadresse wohnhaften Eltern habe ergeben, dass der Bw dort nie aufhältig sei, da er die meiste Zeit bei seiner Freundin in L verbringe. Seit 26. September 2005 sei er in L, P, gemeldet und laut Eltern auch aufhältig. Der Bw habe trotz mehrmaliger Versuche "sowohl telefonisch als auch persönlich" nicht erreicht werden können.

 

2.2. Die belangte Behörde hat auf Grund dieser Anzeige die Strafverfügung vom 5. Oktober 2005 abgefertigt und dem Bw im Wege der Polizeiinspektion Leonding eigenhändig am 15. November 2005 zugestellt. Mit handschriftlicher Eingabe vom 20. November 2005, eingelangt am 24. November 2005, erhob der Bw rechtzeitig folgenden Einspruch:

 

"Betreff: Strafverfügung

 

Erhebe Einspruch gegen die Strafverfügung von 5.10.05 GZ Sich 96/899-2005

 

Ich habe zu diesem Zeitpunkt sehr wohl bei meinen Eltern gewohnt. Sämtliche meine Sachen waren genauso wie ich dort vorhanden.

Als Zeugen gebe ich meine Eltern F und G an!

 

                                                                                              Unterschrift unleserlich"

 

2.3. Die belangte Behörde vernahm daraufhin die Meldungslegerin zur angelasteten Scheinanmeldung als Zeugin. Der wesentliche Inhalt der Niederschrift vom 10. Jänner 2006 lautet wie folgt:

 

"Der Beschuldigte war ungefähr im Zeitraum vom 30.8.2005 bis 28.9.2005 in der S, K, nach mehrmaligen Kontrollen nicht an dieser Adresse anzutreffen. Die Kontrollen führte ich aufgrund eines Erhebungsersuchens der BPD Linz durch. Auch seine Eltern, die dort wohnhaft sind, bestätigten, dass der Beschuldigte sich die meiste Zeit bei seiner Freundin in L aufhält (genauere Adresse war nicht bekannt). Aufgrund dieser Tatsache wurde er auch von seinen Eltern öfters aufgefordert, sich umzumelden."

 

Mit Schreiben vom 16. Jänner 2006, zugestellt am 18. Jänner 2006, verständigte die belangte Behörde den Bw vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch Übermittlung einer Kopie der Zeugenaussage und teilt ihm eine Einschätzung seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse mit.

 

Bereits mit Schreiben vom 19. Jänner 2006, eingelangt am 20. Jänner 2006, nahm der Bw wie folgt Stellung:

 

"Betreff: Stellungnahme zu Sich 96-899-2005

 

Ich kann nur dazu sagen das ich in dem Zeitraum wo ich bei meinen Eltern angemeldet war, dort auch gewohnt habe. Ich habe mein ganzes persönliches Hab und Gut auch dort in der S aufbewahrt. Für das ich nicht zu hause bin wenn irgend eine "Beamtin" mich dort "besuchen" will – möchte muß ich mich nicht rechtfertigen! Auch wenn ich meine Freundin besuche muß ich mich vor niemandem rechtfertigen!

Fakt ist ich habe dort in der S gewohnt – gelebt und geschlafen! Das können meine Eltern bezeugen. Ordnungsgemäß habe ich mich umgemeldet wie ich meine neue Wohnung bezogen habe. Meine Eltern haben mich auch nicht aufgefordert irgendwo an oder umzumelden

 

Hochachtungsvoll

Unterschrift unleserlich"

 

2.4. Die belangte Behörde hat in der Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 15. März 2006 mit einem Tatvorwurf wie in der Anzeige der PI Neuhofen an der Krems erlassen. Begründend verwies die belangte Behörde auf die Anzeige und die Zeugenaussage der Meldungslegerin. Die belangte Behörde habe keine Veranlassung gehabt, an den unbedenklichen Aussagen der zur Wahrheit verpflichteten Meldungsleger zu zweifeln.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 22 Abs 1 Meldegesetz 1991 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro, zu bestrafen

 

  1. wer die ihn treffende Meldepflicht nach den §§ 3,4, 5 oder 6 nicht erfüllt oder

 

  1. eine Anmeldung vornimmt, obwohl keine Unterkunftnahme erfolgt ist oder

 

  1. ...

 

Gemäß § 2 Abs 1 Meldegesetz 1991 ist grundsätzlich zu melden, wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt oder eine solche Unterkunft aufgibt.

 

Nach § 3 Abs 1 Meldegesetz 1991 ist innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt.

 

Nach § 4 Abs 1 Meldegesetz 1991 ist innerhalb von drei Tagen davor oder danach bei der Meldebehörde abzumelden, wer seine Unterkunft in einer Wohnung aufgibt.

 

Gemäß § 7 Abs 1 Meldegesetz 1991 trifft die Meldepflicht den Unterkunftnehmer.

 

4.2. Aus den Begriffsbestimmungen des § 1 Meldegesetz 1991 ergibt sich:

 

Nach § 1 Abs 1 Meldegesetz 1991 sind Unterkünfte Räume, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden.

 

Gemäß § 1 Abs 6 Meldegesetz 1991 ist ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

 

Nach § 1 Abs 7 Meldegesetz 1991 ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

 

Nach § 1 Abs 8 Meldegesetz 1991 sind für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen folgende Kriterien maßgeblich:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

 

4.3. Die belangte Behörde kann sich zur Begründung der dem Bw angelasteten "Scheinanmeldung" im Sinne des § 22 Abs 1 Z 2 Meldegesetz 1991 nur auf die Angaben der Meldungslegerin berufen. Andere Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens liegen nicht vor, zumal die belangte Behörde es offenbar nicht für notwendig erachtet hat, die Eltern des Bw, die als seine angeblichen Unterkunftgeber unmittelbar Auskunft hätten geben können, als Zeugen zur Sache zu vernehmen. Da der Bw den Tatvorwurf konsequent bestritten und sich zum Beweis sogar ausdrücklich auf die Befragung seiner Eltern berufen hat, erscheint es von vornherein mit den Grundsätzen eines ordentlichen und fairen Ermittlungsverfahrens unvereinbar, dass sich die belangte Behörde mit der Meldungslegerin als einer bloß mittelbaren Zeugin begnügt hat. Die Feststellungen der belangten Behörde beruhen schon aus diesem Grund auf einem erheblich mangelhaften Ermittlungsverfahren.

 

Darüber hinaus ist der belangten Behörde offenbar nicht aufgefallen, dass die Angaben der Meldungslegerin in der Anzeige teilweise in sich widersprüchlich erscheinen, zumal der Bw an der Meldeadresse "nie aufhältig" sei, weil er "die meiste Zeit bei seiner Freundin" in L verbringe. Wenn der Bw nämlich nur die meiste Zeit bei seiner Freundin verbringt, kann er sich durchaus auch manchmal an der Meldeadresse aufhalten. Daran vermögen die mehrmaligen vergeblichen Versuche der Meldungslegerin, den Bw persönlich oder telefonisch zu erreichen, nichts zu ändern. Mit diesen nicht näher konkretisierten Versuchen einer Kontaktaufnahme kann nämlich keineswegs belegt werden, dass der Bw von vornherein keine Unterkunft an der ab 22. August 2005 gemeldeten Adresse in K genommen hat.

 

Auch aus der Vernehmung der Meldungslegerin als Zeugin ist nichts zu gewinnen. Der mit ihr aufgenommenen Niederschrift ist nur zu entnehmen, dass sie bei den nicht näher beschriebenen, auf Grund eines Ersuchens der BPD Linz durchgeführten Kontrollen im Zeitraum vom 30. August bis 28. September 2005 den Bw unter der Meldeadresse nicht angetroffen habe. Abermals ist davon die Rede, die Eltern hätten bestätigt, dass sich der Bw die meiste Zeit bei seiner Freundin in L, deren Adresse nicht bekannt gewesen wäre, aufhielte.

 

Der erkennende Verwaltungssenat kann demnach schon nach der aktenkundigen Faktenlage die Ansicht der belangten Behörde nicht teilen, dass auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens der Tatvorwurf "Scheinanmeldung" hätte bewiesen werden können. Eine solche Beurteilung beruht offenbar auf voreiligen Schlüssen und Vermutungen zum Nachteil des Beschuldigten, die auch mit einer den Denkgesetzen entsprechenden Würdigung der Beweise nicht vereinbar ist.

 

4.4. Eine ganz andere Frage ist es, ob nicht eine andere Übertretung des Meldegesetzes als die gegenständlich angelastete nach § 22 Abs 1 Z 2 Meldegesetz 1991 in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Auch wenn dem Bw nach richtiger Ansicht bislang keine Scheinanmeldung bei seinen Eltern nachzuweisen ist, so hätte er dennoch im Hinblick auf seinen sehr häufigen Aufenthalt bei der L Freundin möglicherweise gemäß § 7 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 Meldegesetz 1991 die Unterkunftnahme in der Wohnung der Freundin zumindest als Nebenwohnsitz melden müssen. Denn nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl etwa VwGH 30.09.1991, Zl. 91/19/0195 = VwSlg 13.500 A/1991; VwGH 29.9.2000, Zl. 987/02/0449) ist eine Unterkunftnahme bereits anzunehmen, wenn Räume zur Befriedigung eines wenn auch nur vorübergehenden Wohnbedürfnisses tatsächlich benützt werden.

 

In diese Richtung wurden keinerlei Erhebungen vorgenommen. Die näheren Umstände des Wohnverhaltens des Bw wurden nicht aufgeklärt. Deshalb war im Berufungsverfahren der jedenfalls schon in tatsächlicher Hinsicht unzutreffende Tatvorwurf einer "Scheinanmeldung" iSd § 22 Abs 1 Z 2 Meldegesetz 1991 aufzuheben und das Strafverfahren insofern einzustellen. Der unabhängige Verwaltungssenat ist nämlich gemäß § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht befugt, dem Bw eine andere Verwaltungsübertretung als die dem Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz entsprechende, vorzuwerfen und die Tat auszutauschen.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen, zumal nach der Aktenlage die dem beschuldigten Bw zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden konnte. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

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