Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162010/11/Zo/Da

Linz, 05.04.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn N G, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R R, S, vom 7.2.2007 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 8.1.2007, Zl. VerkR96-3835-2006, wegen zwei Übertretungen der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 22.3.2007 zu Recht erkannt:

 

I.                     Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                   Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1 und 51e VStG

zu II.:    §§ 64 ff VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat dem Berufungswerber vorgeworfen, dass er am 21.7.2006 gegen 15.45 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X in Schardenberg auf der L506 in Richtung Schardenberg gelenkt habe, wobei er

1. ca. auf Höhe km 9,3 trotz Gegenverkehr ein mehrspuriges Fahrzeug überholte und dadurch den überholten PKW-Lenker zum Ausweichen und Abbremsen nötigte sowie

2. an dieser Stelle überholte, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Der Berufungswerber habe dadurch zu 1. eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 und zu 2. eine solche nach § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 begangen, weshalb über ihn zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 36 Stunden) gem. § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verhängt wurden. Weiters wurde er Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 30 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass diese Vorwürfe nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden könnten. Die Zeugin habe überzogen reagiert und die Verkehrssituation völlig falsch eingeschätzt. In ihrer ersten Aussage habe sie auch angegeben, dass sie vermute, dass der entgegenkommende PKW abbremsen habe müssen. Eine derartige Vermutung sei keinesfalls geeignet, ihm eine Verwaltungsübertretung anzulasten. Die Zeugin habe in der Anzeige selbst nicht angeben können, inwieweit ein allfälliger Gegenverkehr auf das Überholmanöver reagieren habe müssen. Es sei daher fraglich, ob es sich tatsächlich um eine gefährliche Situation gehandelt habe oder die Zeugin lediglich über ein ängstliches Lenkerverhalten verfüge.

 

Durch sein Überholmanöver sei die Anzeigerin weder zum Ausweichen noch zum Abbremsen genötigt worden. Ob sie Derartiges empfunden habe, sei irrelevant, die Verkehrssituation habe ein derartiges Fahrverhalten jedenfalls nicht erfordert. Er habe vor dem Überholvorgang ausreichend Sicht auf einen allfälligen Gegenverkehr gehabt und einen ausreichenden Geschwindigkeitsüberschuss eingehalten. Das Überholmanöver sei daher leicht möglich gewesen. Die Anzeigerin habe völlig überzogen bzw. unbegründet auf das Überholmanöver reagiert und unabhängig von den möglichen Gründen für die Anzeigeerstattung würden keinerlei objektive und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er eine Verwaltungsübertretung begangen hätte. Auch die im Verfahren von ihm namhaft gemachten und von der Behörde einvernommenen Zeugen hätten bestätigt, dass das Überholmanöver ohne jede Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durchgeführt worden sei.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Schärding hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle, an welcher der Berufungswerber und sein Vertreter sowie ein Vertreter der Erstinstanz teilgenommen haben. Weiters wurden die Zeugen G G und J M unter Erinnerung an die Wahrheitspflicht zum Sachverhalt befragt. Die Anzeigerin S H wurde ebenfalls zur Verhandlung geladen, sie ist jedoch nicht zum Ort des Lokalaugenscheines sondern an den Sitz des UVS gekommen. Mit Zustimmung beider Parteienvertreter wurde deren Aussage vor der Polizeiinspektion Passau verlesen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Anzeigerin lenkte ihren PKW auf der L506 in Fahrtrichtung Schardenberg. Sie hielt nach ihren eigenen Angaben eine Geschwindigkeit zwischen 60 – 70 km/h ein. Der Berufungswerber fuhr bereits einige Zeit hinter der Anzeigerin nach und überholte diese unmittelbar nach einer Linkskurve in etwa bei km 9,3. Er schloss den Überholvorgang nach seinen Angaben (bzw. den Angaben der Zeugen G G und J M) kurz vor km 9,0 ab. Er wurde von der Anzeigerin angehupt und es kam zu gegenseitigen Beschimpfungen bzw. Beleidigungen in Form von entsprechenden Handzeichen.

 

Fraglich ist im Wesentlichen, ob während des Überholvorganges Gegenverkehr aufgetaucht ist und wo sich dieser befunden hat, als der Berufungswerber sein Überholmanöver abschloss. Dazu führten der Berufungswerber und die Zeugen G G und J M im Wesentlichen übereinstimmend an, dass der Berufungswerber seinen Überholvorgang eben kurz vor km 9,0 abgeschlossen hat und sich der Gegenverkehr zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt befunden habe. Das entgegenkommende Fahrzeug habe weder die Lichthupe betätigt noch sonst auf das Überholmanöver in irgendeiner Form reagiert. Der Zeuge M führte auch aus, dass er kein Abbremsen des überholten Fahrzeuges wahrgenommen hat. Die Anzeigerin selbst, welche am Lokalaugenschein nicht anwesend war, hat weder bei der Anzeigeerstattung noch bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Polizeiinspektion Passau, bei welcher ihr ein Lichtbild der Örtlichkeit zur Verfügung stand, konkret angegeben, wo genau der Berufungswerber seinen Überholvorgang abgeschlossen haben soll, wo sich zu diesem Zeitpunkt der Gegenverkehr befunden hat und wie groß der Abstand zwischen dem Überholer und dem Gegenverkehr zum Zeitpunkt des Wiedereinordnens gewesen ist.

 

Dazu ist in freier Beweiswürdigung Folgendes festzuhalten:

 

Die Schilderung des Überholmanövers durch den Berufungswerber und die Zeugen vor Ort sind grundsätzlich nachvollziehbar. Der Berufungswerber hat für die Dauer des Überholvorganges eine realistische Fahrtstrecke angegeben. Innerhalb dieser Fahrtstrecke kann der Überholvorgang auf einer Freilandstraße jedenfalls aus technischer Sicht durchgeführt werden. Zur Frage, wie weit sich der Gegenverkehr noch von ihm entfernt befunden hat, als er sich wieder auf den rechten Fahrstreifen einordnete, liegen letztlich nur die Aussagen des Berufungswerbers sowie seines Beifahrers und eines Arbeitskollegen einerseits bzw. die Angaben der Anzeigerin andererseits vor. Es ist durchaus naheliegend, dass der Vorfall nicht so harmlos war, wie ihn der Berufungswerber und die von ihm namhaft gemachten Zeugen schilderten, weil in diesem Fall die Anzeigeerstattung durch eine Privatperson nicht erklärbar wäre. Andererseits hat die Anzeigerin aber nie konkret angegeben, wo der Überholvorgang abgeschlossen wurde und wo sich zu diesem Zeitpunkt das entgegenkommende Fahrzeug befunden hat. Dementsprechend fehlen konkrete nachprüfbare Angaben, welche für eine strafrechtliche Verurteilung notwendig wären. Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass das gegenständliche Überholmanöver doch "ein wenig" gefährlich gewesen ist, reicht eben auf Grund der Unschuldsvermutung nicht für eine Bestrafung des Berufungswerbers.

 

Insgesamt ist festzuhalten, dass die von der Anzeigerin angegebene eigene Fahrgeschwindigkeit von 60 – 70 km/h an jener Stelle auch dem zuständigen Mitglied des UVS eher langsam erscheint und die Straße in diesem Bereich auf eine Fahrtstrecke von annähernd 700 m einsehbar ist, sodass der Überholentschluss des Berufungswerbers an jener Stelle grundsätzlich nachvollziehbar ist. Bezüglich einer eventuellen Gefährdung durch einen entgegenkommenden PKW fehlen eben konkrete und nachprüfbare Angaben der Anzeigerin. Es können damit die dem Berufungswerber vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht mit ausreichender Sicherheit als erwiesen angesehen werden, weshalb der Berufung stattzugeben und das Verfahren gem. § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen war.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Z ö b l

 

 

 

 

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