Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521606/8/Br/Ps

Linz, 02.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die  Berufung des Herrn J K, geb., U, B, vertreten durch die Rechtsanwälte GmbH S, E, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 2. April 2007, VerkR20-975-1969, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht:

 

      Der Ausspruch der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wird       behoben; die Behörde erster Instanz hat dem Berufungswerber den Führerschein unverzüglich nach der Zustellung dieses Teilbescheides auszufolgen.

      In der Hauptsache ergeht nach Abschluss des in der Sache noch durchzuführenden Beweisverfahrens eine gesonderte Entscheidung.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4, § 59 Abs.1, § 64 Abs.2 AVG iVm § 24 Abs.1 Z1, § 25 Abs.3, § 7 Abs.3 Z15 u. § 30a Abs.2 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 153/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber die auf die o.a. Rechtsvorschriften gestützte Lenkberechtigung der Klassen B und F wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten ab Zustellung des Bescheides (ab 10.4.2007 bis einschließlich 10.7.2007) entzogen.

Einer dagegen erhobenen Berufung wurde unter Anwendung des § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Gemäß § 24 Abs.1 Z.1 Führerscheingesetz (FSG) ist die Lenkberechtigung zu entziehen, wenn ihr Besitzer nicht mehr verkehrszuverlässig ist.

Gemäß § 25 Abs. 3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrssicherheit (§7) eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z14 und 15.

 

Nach § 7 Abs.1 FSG gilt einer Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen Ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1)     die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder   durch   Trunkenheit   oder   einen   durch   Suchtmittel   oder   durch   Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2)   sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Dies ist gemäß § 7 Abs. 3 Z15 FSG insbesondere dann der Fall, wenn jemand wegen eines Deliktes gemäß § 30a Abs. 2 rechtskräftig bestraft wird, obwohl gegenüber ihm zuvor bereits einmal auf Grund eines zu berücksichtigenden Deliktes eine besondere Maßnahme gemäß § 30b Abs.1 angeordnet worden ist.

Gemäß § 30b Abs. 2 FSG ist unbeschadet einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung eine besondere Maßnahme gemäß Abs. 3 anzuordnen:

 

1)    wenn zwei oder mehrere der im § 30a Abs.2 genannten Delikte in Tateinheit (§ 30a Abs.3) begangen werden oder

2)    anlässlich einer zweiten zu berücksichtigenden Vormerkung (§ 30a Abs. 4) wegen eines der in § 30a Abs.2 genannten Delikte, sofern wegen des ersten Deliktes nicht bereits eine Maßnahme gemäß Z. 1 angeordnet wurde.

Gemäß § 30a Abs. 2 FSG sind folgende Delikte gemäß Abs. 1 vorzumerken:

1)    Übertretungen des § 14 Abs.8;

2)    Übertretungen des § 20 Abs.5;

3)    Übertretungen des § 21 Abs.3;

4)  Übertretungen des § 9 Abs.2 oder § 38 Abs.4 3. Satz StVO, wenn Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet werden;

5)  Übertretungen des § 18 Abs.1 StVO 1960, sofern die Übertretung mit technischen Messgeräten festgestellt wurde und der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 sek oder mehr, aber weniger als 0,4 sek betragen hat;

6)    Übertretungen des § 19 Abs. 7 i.V.m Abs. 4 StVO 1960, wenn der Vorrangverletzung die Nichtbeachtung eines Vorschriftszeichens gemäß § 52 lit. c Z. 24 StVO zu Grunde liegt und dadurch die Lenker anderer Fahrzeuge zum unvermitteltem Bremsen oder Ablenken ihrer Fahrzeuge genötigt werden;

7)    Übertretungen des § 38 Abs. 5 StVO 1960, wenn dadurch Lenker von Fahrzeugen, für die gem. § 38 Abs.4 StVO auf Grund grünen Lichts "freie Fahrt" gilt, zum unvermitteltem Bremsen oder Ablenken ihrer Fahrzeuge genötigt werden;

8)  Übertretungen des § 46 Abs.4 lit. d StVO 1960 unter Verwendung mehrspuriger Kraftfahrzeuge, wenn damit die Behinderung von Einsatzfahrzeugen, Fahrzeugen des Straßendienstes, der Straßenaufsicht oder des Pannendienstes verbunden ist;

9)    Übertretungen des § 52 lit. a Z.7e StVO 1960 in Tunnelanlagen;

10) Übertretungen der Vorordnungen der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über Beschränkungen für Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern beim Befahren von Autobahntunneln, BGBI. II Nr. 395/2001;

11)  Übertretungen des § 16 Abs.2 lit. e und f und § 19 Abs.1 1. Satz der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 19161, BGBI. Nr. 2/1961 i.d.F. BGBI. Nr. 123/1998;

12)  Übertretungen des § 102 Abs.1 KFG 1967, wenn ein Fahrzeug gelenkt wird, dessen technischer Zustand oder dessen nicht entsprechend gesicherte Ladung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt, sofern die technischen Mängel oder die nicht entsprechend gesicherte Ladung dem Lenker vor Fahrtantritt auffallen hätte müssen;

13)  Übertretungen des § 106 Abs. 1a und 1b KFG 1967.

 

Gemäß § 30a Abs.4 FSG treten die in den § 7 Abs. 3 Z.14 oder 15, § 25 Abs.3 2. Satz oder  § 30b genannten Rechtsfolgen nur dann ein, wenn die jeweiligen Rechtsfolgen auszulösenden Delikte innerhalb von zwei Jahren begangen wurden. Wurde eine Entziehung gemäß § 7 Abs. 3 Z. 14 oder 15 ausgesprochen, so sind die dieser Entziehung zu Grunde liegenden Vormerkungen künftig nicht mehr zu berücksichtigen. Wurde die Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer der in § 7 Abs.3 genannten bestimmten Tatsache ausgesprochen, so sind später eingetragene Vormerkungen auf Grund von Delikten, die vor dem Zeitpunkt der Entziehung der Lenkberechtigung begangen wurden, hinsichtlich der Rechtsfolgen des § 25 Abs.3 2. Satz, des § 30b oder hinsichtlich der sonstigen Entziehungsdauer nicht mehr zu berücksichtigen.

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

Im zentralen Führerscheinregister scheint auf, dass Sie mit Bescheid der BH Hallein vom 31.10.2006 wegen Übertretung nach § 102 Abs.1 KFG 1967 (technischer Zustand des Fahrzeuges, Beladung) rechtskräftig bestraft werden mussten.

Weiters scheint auf, dass Grund zweier rechtskräftiger Vormerkungen wegen Übertretungen nach § 102 Abs.1 KFG 1967 (19.08.2005 BH Lilienfeld und 26.08.2005 BH Melk) mit Bescheid der BH Urfahr-Umgebung vom 06.03.2006 eine besondere Maßnahme gemäß § 30b FSG - ein Vortrag oder Seminar über geeignete Ladungssicherungsmaßnahmen - angeordnet wurde.

Mit der nunmehrigen Eintragung durch die BH Hallein liegt somit eine neuerliche, dritte entsprechende Vormerkung auf.

Auf Grund dieses Sachverhaltes und dessen Wertung gelangt die Behörde zur Auffassung, dass Sie nicht mehr verkehrszuverlässig sind.

 

Es ist ihnen daher aus Gründen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung für die im Spruch angeführte Zeit zu entziehen.

Die Verpflichtung, den Führerschein unverzüglich abzuliefern ist in der im Spruch angeführten Gesetzesstelle festgelegt.

 

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid ist im Wesen des Führerscheinentzuges als Sofortmaßnahme begründet."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung, worin Folgendes ausge­führt wird:

" I. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 02.04.2004, VerkR20-975-1969, zugestellt am 10.04.2007, wurde mir die Lenkberechtigung für die Klassen B und F für die Dauer von 3 Monaten gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides entzogen.

 

II. Gegen den oben zitierten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung erhebe ich durch meine bevollmächtigten Vertreter innerhalb offener Frist

 

BERUFUNG

 

an die sachlich zuständige Oberbehörde und stelle den

 

ANTRAG,

 

die sachlich zuständige Oberbehörde möge den angefochtenen Bescheid vom 02.04.2007, VerkR20-975-1969 aufheben.

 

III. Meinen Antrag begründe ich im Einzelnen wie folgt:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung argumentiert den angefochtenen Bescheid damit, dass ich nicht mehr verkehrszuverlässig sei und stützt sich in diesem Zusammenhang auf § 7 Abs. 3 Zif. 15 FSG. Danach ist von einer Verkehrsunzuverlässigkeit insbesondere dann auszugehen, wenn jemand wegen eines Deliktes gemäß § 30a Abs.2 FSG rechtskräftig bestraft wird, obwohl gegenüber ihm zuvor bereits einmal aufgrund eines zu berücksichtigenden Deliktes eine besondere Maßnahme gemäß § 30b Abs.1 angeordnet worden ist. Richtig ist, dass aufgrund rechtskräftiger Vormerkungen der BH Urfahr-Umgebung mit Bescheid vom 06.03.2006 eine besondere Maßnahme gemäß § 30b FSG angeordnet wurde. Es sollte sich hier um eine Nachschulung im Hinblick auf die ordnungsgemäße Sicherung beim Transport von überbreiten Gegenständen handeln. Für die Nachschulung wurde von der BH Urfahr-Umgebung zunächst eine 6-monatige Frist eingeräumt, weder die Landesregierung noch die Bezirkshauptmannschaft Linz konnten Auskunft darüber geben, wo diese Nachschulung absolviert werden sollte. Letztlich wurde von mir am 12. bzw. 13.09.2006 eine 2-stündige entsprechende Schulung absolviert.

 

Die hier zu Last liegende Verwaltungsübertretung wurde jedoch vor der Nachschulung, nämlich am 28.06.2006 begangen.

 

Seit der Nachschulung bzw. seit dem 28.06.2006 habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen. Seit dem 28.06.2006 legte ich berufsbedingt 40.000 km mit Sondertransportern zurück.

 

Da die Übertretung noch vor der Absolvierung der besonderen Maßnahme gemäß § 30 b Abs.1 FSG geschehen ist, ist nicht davon auszugehen, dass ich gemäß § 7 Abs.3 Zif.15 verkehrsunzuverlässig bin. Der Zweck des § 7 Abs.3 Zif.15 FSG kann nur darin liegen, dass derjenige verkehrsunzuverlässig ist, der nach absolvierter besonderer Maßnahme wiederum eine Verwaltungsübertretung, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, begeht.

 

Der Wortlaut des § 7 Abs, 3 Zif, 15 FSG ist somit dahingehend zu interpretieren, dass eine Verkehrsunzuverlässigkeit nur dann gegeben ist, wenn jemand wegen eines Deliktes gemäß § 30 Abs. 2 rechtskräftig bestraft wird, obwohl gegenüber ihm zuvor bereits einmal aufgrund eines zu berücksichtigenden Deliktes eine besondere Maßnahme gemäß § 30 b Abs. 1 FSG angeordnet und vollzogen worden ist. Verkehrsunzuverlässig kann also nur jemand sein, der sich trotz Schulung erneut strafbar macht.

 

Im gegebenen Fall war dies somit nicht der Fall.

 

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass ich meinen Lebensunterhalt seit 15 Jahren als Selbständiger damit verdiene, dass ich Sondertransporte mittels eines Traktors als Zugmaschine durchführe und auf diese Art und Weise Silos quer durch Österreich bringe. Dazu ist auszuführen, dass die Verfehlung im Juni 2006 stattfand, der nunmehrige Entzug der Lenkerberechtigung 10 Monate später und in der wichtigsten Geschäftszeit des Jahres. Im Winter werden keine Sondertransporte durchgeführt, sodass mich die Entziehung gerade zum jetzigen Zeitpunkt doppelt trifft. Die angeordnete Strafe würde für mich - insbesondere in der nunmehrigen Hauptgeschäftszeit - eine unzumutbare Härte darstellen.

 

L, am 24.04.2007                                                                                J K"

 

2.1. Anlässlich des dem Berufungswerber eröffneten Parteiengehörs wurde die Berufung vorerst dahingehend präzisiert, dass diese sich dezidiert auch gegen die ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtet. Diesbezüglich wurde eine Zwischenerledigung beantragt, ein ergänzender Schriftsatz dazu noch angekündigt und zur Erledigung der Hauptsache weitere Beweisanträge gestellt.

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 2. Mai 2007 verweist der Berufungswerber im Ergebnis nochmals auf eine seiner Ansicht nicht gegebene Gefahr in Verzug. Dies unter Hinweis auf die Kenntnis des Sachverhaltes der Behörde erster Instanz schon seit dem 31.10.2006 und des Zuwartens mit dem Ausspruch des Entzuges erst am 2.4.2007, worin der Berufungswerber eine "gewisse Willkür" zu erblicken vermeint. Er kündigt die Vorlage weiterer Beweismittel an, beantragt abschließend die Beischaffung der Vorakten zum Beweis dafür, dass den Tatvorwürfen einer nicht ausreichenden Ladungssicherung eine zusätzliche Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht zu Grunde gelegen ist. Ebenfalls wird diesbezüglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte für diese Teilerledigung  gemäß § 67d Abs.2 Z3 AVG unterbleiben.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat angesichts des Berufungsvorbringens vorerst unverzüglich von den Bezirkshauptmannschaften Melk, Lilienfeld und Hallein die zu den Vormerkungen führenden Strafbescheide eingeholt.

Den Berufungswerbervertretern wurde diesbezüglich im Rahmen einer Niederschrift noch am 30.4.2007 Akteneinsicht gewährt.

 

4. Folgender Sachverhalt kann vorläufig als erwiesen festgestellt gelten:

Die Bezirkshauptmannschaften Melk, Lilienfeld und Hallein haben mit den Strafverfügungen v. 12.12.2005, 19.10.2005 u. 4.9.2006 (Aktenzahlen: MES2-S-0522422, LFS-S-056911 u. 30206/369-14414-2006) über den Berufungswerber jeweils wegen mehrerer Übertretungen des Kraftfahrgesetzes (begangen am 19.8.2005 um 13.30 Uhr, am 26.8.2005 um 09.15 Uhr und am 28.6.2006 um 14.10 Uhr) Geldstrafen in Höhe von jeweils 320 Euro, 240 Euro u. 450 Euro verhängt.

In den diesen Bestrafungen zu Grunde liegenden und in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen fand sich jeweils auch ein nicht näher präzisierter Hinweis auf "die Verkehrssicherheit gefährdende Umstände." In allen Fällen führte die in Rechtskraft erwachsene Bestrafung zur Eintragung einer Vormerkung in das Führerscheinregister. In zwei dieser Strafverfügungen fand sich auch der Hinweis auf die Rechtsfolge des Eintrages einer Vormerkung im Führerscheinregister (§ 30a Abs.1 letzter Satz).

Über Mitteilung durch die Bezirkshauptmannschaft Hallein an die Behörde erster Instanz hinsichtlich der dritten rechtskräftigen Bestrafung vom 31.10.2006 bzw. durch Abfrage des Führerscheinregisters per 7.11.2006 erließ die Behörde erster Instanz am 2.4.2007 den hier angefochtenen Entzugsbescheid, worin trotz dieser unerklärlich langen Zeitspanne ab Kenntnis dieses Sachverhaltes wegen "Gefahr in Verzug" die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

Die Behörde erster Instanz hat dadurch Fakten geschaffen, welche einerseits ein Rechtsmittel potenziell wirkungslos machen und andererseits den betroffenen Bürger mit einer im Ergebnis in Grundrechte eingreifende Situation konfrontiert, indem ihm jegliche mit einem solchen Rechtsentzug einhergehenden notwendigen Disposition im Ergebnis verunmöglicht wird.

Wenn wohl der Berufungswerber argumentiert, dass er die nach dem zweiten Vormerkdelikt ihm am 6.2.2006 vorgeschriebene begleitende Maßnahme (Seminar über Ladungssicherung) erst nach der zum gegenständlichen Entzug führenden dritten Übertretung absolviert habe, ist das wohl logisch, ließe aber rechtlich für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung des Entzuges an sich für ihn nichts gewinnen.

Keineswegs geklärt kann aus der Aktenlage jedenfalls gelten, ob allen drei ohne ordentliches Ermittlungsverfahren in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen tatsächlich eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zu Grunde lag, sodass diese die Eintragung im Führerscheinregister zu rechtfertigen vermochten. Ob die in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche auch die nicht umschriebenen ergänzenden Sachverhaltsvoraussetzungen der Gefährdung umfassten, muss vorerst ebenfalls auf sich bewenden, mag aber durchaus zweifelhaft erscheinen. Zumindest erhielt der Berufungswerber im Falle des Schuldspruches durch die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld offenbar keinen Hinweis auf eine damit verbundene Vormerkung im Sinne des § 30a Abs.2 FSG.

Als sachlich nicht nachvollziehbar erweist sich insbesondere auch, warum hier die Behörde erster Instanz nicht sogleich nach Kenntnis des der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhaltes – also anfangs November 2006 – den Entzug aussprach, sondern dies erst zu einem Zeitpunkt tat, als dieser für den Berufungswerber glaubhaft eine schwer zumutbare Härte darstellte. Insbesondere konnte er durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, weil vermeintlich nunmehr "plötzliche Gefahr in Verzug", keinerlei Vorbereitungen für diese ihn überraschend treffende Maßnahme ergreifen. 

Mit Blick auf diese große Zeitspanne seit dem letzten Ereignis kann in der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durchaus ein unvertretbarer Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot erblickt werden. Am Sachlichkeitsgebot als Bestandteil verfassungsrechtlich geschützter Garantien gilt es letztlich jegliches staatliche Handeln zu messen.

 

Ist es doch unbestreitbar inkonsequent fünf Monate in Kenntnis der Fakten offenbar keinen akuten Handlungsbedarf erblicken zu wollen, dann aber den Akt in Bearbeitung zu nehmen und ohne jede Dispositionsmöglichkeit für den Normunterworfenen den Entzug unter Aberkennung der aufschiebenden Wirkung – wegen "Gefahr in Verzug" – auszusprechen.

Daher ist zumindest in diesem Punkt den Ausführungen des Berufungswerbers zu folgen.

Im Sinne einer öffentlich bekannten bürgernahen und insbesondere dem Sachlichkeitsgebot Rechnung tragenden Gesetzesvollziehung, sowie in Vermeidung eines potenziellen rechtsstaatlichen Defizits und auch einer möglichen Schadensminimierung für den Rechtsmittelwerber, ist das hier noch zu ergänzende Ermittlungsverfahren fortzusetzen. Da diesbezüglich die zu den Eintragungen der Vormerkung führenden Verfahrensakte anzufordern sind, schiene es unvertretbar den Entzug bis dahin aufrecht zu belassen. Zu bemerken ist abermals, dass in einer Strafverfügung ein Hinweis im Sinne des § 30a Abs.1 letzter Satz nicht ergangen ist.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

Der Spruch hat nach § 59 Abs.1 AVG die in Verhandlung stehende Angelegenheit (Prozessgegenstand), das ist die Hauptfrage, sowie alle diese betreffenden Parteianträge in der Regel zur Gänze zu erledigen; nur wenn der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Personen zulässt, kann – wenn dies zweckmäßig erscheint – über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden (Teilbescheid). Der Spruch ist möglichst gedrängt und deutlich (vgl. VwGH 26.1.1984, 82/08/0031; 27.2.1991, 90/01/0226) zu fassen und hat die angewendeten Gesetzesbestimmungen anzuführen.

Der Spruch hat sich auf den Sachverhalt zu beziehen, der im Zeitpunkt der Erlassung bestand (vgl. VwSlgNF 8941 A, 10.285 A).

Da hier – wie oben bereits festgestellt – durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ein schwerwiegender und möglicherweise rechtlich auch nicht gedeckter Eingriff in die Rechtssphäre des Berufungswerbers droht, war hier mit einem Zwischenbescheid vorzugehen und vorerst die jedenfalls rechtswidrige Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und damit "potenzielles Unrecht" aus dem Rechtsbestand zu beseitigen.

Die Behörde kann iSd § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann (aber auch nur dann) ausschließen, wenn die Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird, weil in diesem Fall die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug geboten ist. Davon kann bei sachbezogener Betrachtung des Sachverhaltes hier aber wohl kaum die Rede sein (VwGH 2.7.1986, 85/11/0167 mit Hinweis auf VwGH 28.11.1983, 82/11/0270, VwSlg 11237 A/1983). Dabei ist darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung gegeben waren (vgl. VwGH 29.9.2005, 2005/11/0123). Fehlt es aber – so wie im vorliegenden Fall – an einer schlüssigen Begründung für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit, kommt auch ein Vorgehen nach § 64 Abs.2 AVG nicht in Betracht.

Dies kann in konsequenter Weise im Rahmen der vollen Tatsachenkognition im Berufungsverfahren für die Berufungsbehörde nur zur Neudisposition über den Ausspruch des Entzuges führen.

Im Sinne Intention Gesetzgebers (lt. BGBl. I Nr. 15/2005) und der Judikatur sollte mit dem Vormerksystem ein Instrument gegen unbelehrbare Wiederholungstäter und Risikolenker ein bewusstseinsbildend und sanktionierend wirkendes System geschaffen werden (s. Pürstl-Grundtner, FSG3, S 231, Erläuterungen zum Vormerksystem).

Die Aberkennung der Verkehrszuverlässigkeit muss vor diesem Hintergrund wohl anders als bei den sonstigen im § 7 FSG normierten Tatbeständen – etwa Alkodelikte – beurteilt werden. Bei Letzteren lässt die aus der Einzeltat rückschließbare Wertehaltung auf eine in engstem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat stehenden "vorübergehende" Verkehrsunzuverlässigkeit schließen. Hier liegen die dem Sanktionsregime unterworfenen Taten – zumindest soweit vorläufig aus der Aktenlage beurteilbar – auf zwei Jahre verteilt einer Beurteilung zu Grunde. Die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit lässt sich daraus aber typischerweise weder alleine am letzten Ereignis und noch weniger erst ab dem Zeitpunkt der Erlassung eines Entzugsbescheides (quasi im beliebigem Dispositionszeitrahmen gelegen) knüpfen. Eine abschließende Beurteilung der Rechtmäßigkeit aller hier vorliegenden Eintragungen in das FS-Register ist aus der Sicht der Berufungsbehörde gegenwärtig ebenfalls noch nicht gesichert.

Für die Eintragung einer Vormerkung bedarf es im Sinne des § 30a Abs.2 Z12 FSG nicht bloß der Übertretung des § 102 Abs.1 KFG 1967, sondern zusätzlich einer dadurch bedingten "Gefährdung der Verkehrssicherheit" (vgl. Pürstl-Grundtner, FSG3, S 237, Rz 31). In aller Regel bedarf es für eine derartige Feststellung sachverständiger Schlussfolgerungen. Jedenfalls reicht der bloße textliche Hinweis in einer Strafverfügung ohne Kenntnis der Anzeige hierfür nicht aus. Auch in diesem Punkt sieht sich die zur vollen Tatsachenkognition verpflichtete Berufungsbehörde unter Bedachtnahme auf die Relation zu den Eingriffsfolgen zu einer inhaltlichen Überprüfung veranlasst.

Die Zeitdauer einer solchen nun von der Berufungsbehörde durchzuführenden Nachprüfung kann in zumutbarer Weise nicht auf die Gefahr eines für den Berufungswerber "kalt bleibenden Entzuges" gehen. Dies insbesondere mit Blick darauf, dass die Behörde erster Instanz trotz Kenntnis dieser Vormerkungen fünf Monate offenbar keinen Handlungsbedarf erblickte. Daher kann es als nicht vertretbar erachtet werden, wenn nun durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Ergebnis vollendete Tatsachen geschaffen werden sollten.

Dem Regime des Vormerksystems kann schon wesentypisch keine in einem Einzelereignis gründende "plötzliche Verkehrsunzuverlässigkeit" zugesonnen werden.

Von Gefahr in Verzug kann auch deshalb nicht die Rede sein, weil nicht der Zeitpunkt des Entzugsausspruches den Beurteilungshorizont für die Annahme einer Gefahr in Verzug bildet.   

Vor diesem Hintergrund würde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ein Rechtsmittel in rechtsstaatlich bedenklicher Weise zu einem inhaltsleeren und letztlich wirkungslosen Instrument reduzieren. 

Unter zusätzlicher Berücksichtigung der weitgehend formalisierten Abläufe von Mandatsverfahren liegt hier dem darauf gestützten Entzug der Lenkberechtigung, letztlich auch zu keinem Vorereignis, ein ordentliches Ermittlungsverfahren zu Grunde.

Der als Tribunal im Sinne der EMRK als Berufungsbehörde tätig werdende unabhängige Verwaltungssenat darf nicht zuletzt durch eine vielleicht "routinemäßig" ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in seiner Rechtsschutzfunktion im Administrativverfahren wirkungslos gestellt werden.

Da solche Fakten in der Vollzugspraxis wohl nicht mit grund- und verfassungsrechtlichen Intentionen in Einklang stehen, bleibt hier der Berufungsbehörde nur die Möglichkeit, vorerst durch Aufhebung der aufschiebenden Wirkung vorzugehen.

Im Rahmen eines anlässlich der Berufung erstmals durchzuführenden "ordentlichen Ermittlungsverfahrens" wird über das gesetzlich definierte Sanktionsregime – hier bezeichnet als Feststellung der Verkehrsunzuverlässigkeit (zutreffender wäre wohl der Ausspruch eines Fahrverbotes) – abschließend zu befinden sein.

In einem allenfalls zu bestätigenden Entzug wird der bis zur Zustellung dieses Bescheides wirksam gewordene Entzug einzurechnen sein.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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