Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240606/2/BP/Wb

Linz, 16.04.2007

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des Ing. A H, vertreten durch B Z, Rechtsanwälte in L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 9. März 2007, Zl. SanRB96-64-2005, wegen Übertretung des Lebensmittelgesetz 1975 zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.                  Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 51 und 44a Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 65 VStG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 9. März 2007, Zl. SanRB96-64-2005, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 3 Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV), BGBl. II Nr. 31/1998 idF BGBl II Nr. 319/2004 iVm §§ 21 u. 74 Abs. 1 und  4 Z. 1 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG) BGBl. Nr. 86/1975 idF BGBl. I Nr. 69/2003 eine Geldstrafe in Höhe von 50,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Stunden) verhängt.

 

Der – zwar nicht als solcher titulierte – Spruch dieses Straferkenntisses lautet:

 

"Am 09.08.2004 um 15.51 Uhr wurde in der Billa AG von einem Organ der Lebensmittelaufsicht folgende Probe gezogen, die durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH in Innsbruck untersucht wurde:

Zwei Packungen "Pizzakäse" (geraspelter Schnittkäse mit pasteuristierter Milch), "gekühlt mindestens haltbar bis 1.09.04", Bruttogewicht 205 bzw. 207 g, Los 159.

Nach der Lagerung, die durch die genannte Agentur der Deklaration entsprechend bei +7° C bis zum Ende der Mindesthaltbarkeitsfrist erfolgte, wies die Probe bei der Untersuchung eine erhöhte Anzahl an E.coli (>300.000 KBE/g) auf.

In Anlehnung an die Leitlinie für ausgelagerte Eigenkontrollen gemäß Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses vom 15.12.1999 (GZ.32.032/7-VI/B/1b/99), die einen Höchstwert an E.coli von 1.000 KBE/g in Schnittkäse aus wärmebehandelter Milch, vorschreibt, überschreitet der festgestellte Wert diese Vorgabe um ein Vielfaches.

 

Das Produkt wurde von der "Berglandmilch registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung", P. erzeugt, und durch Abgabe an das BILLA-Frischdienstlager in S am 3.8.2004 im Verkehr gebracht. Dies haben Sie als Geschäftsführer i.S.d. Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) bzw. als Obmann dieser Genossenschaft rechtlich zu verantworten:

 

Nach der Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) hat der […] Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens für die Lebensmittelsicherheit kritische Punkte im Prozeßablauf festzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, durchgeführt, eingehalten und überprüft werden, und zwar nach folgenden, bei der Ausgestaltung des HACCP-Systems (Hazard Analysis and Critical Control Points) verwendeten Grundsätzen: a) Analyse der potentiellen Risiken für Lebensmittel in den Prozessen eines Lebensmittelunternehmens; b) Identifizierung der Punkte in diesen Prozessen, an denen Risiken für Lebensmittel auftreten können; c) Festlegung, welche dieser Punkte Lebensmittelsicherheit kritisch sind – "kritische Punkte"; d) Feststellung und Durchführung wirksamer Prüf- und Überwachungsverfahren für diese kritische Punkte und e) Überprüfung der Gefährdungsanalyse für Lebensmittel, der kritischen Kontrollpunkte und der Prüf- und Überwachungsverfahren in regelmäßigen Abständen  und bei jeder Änderung der Prozesse in dem Lebensmittelunternehmen.

Im konkreten Fall sind – wie die Untersuchungsergebnisse zeigen – diese Schritte offensichtlich nicht durchgehend eingehalten worden, insbesondere wäre eine angemessene mikrobiologische Prozesskontrolle erforderlich gewesen, die Schwachstellen im Produktionsablauf erkennen und abstellen hilft, insbesondere eine entsprechende Endkontrolle. Die hygienisch nachteilige Beeinträchtigung des Lebensmittels wäre durch entsprechende Vorkehrungen in der Produktion zu vermeiden gewesen."

 

Unter Darstellung des Verfahrensganges sowie der im "Spruch" angeführten Rechtsbestimmungen führt die belangte Behörde unter anderem aus, dass die objektive Tatseite als gegebenen anzunehmen sei. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite geht die belangte Behörde von Fahrlässigkeit aus.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 19. März 2007 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende durch rechtsfreundliche Vertretung, rechtzeitig - am 29. März 2007 - eingebrachte Berufung.

 

Darin werden die Anträge gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der Berufung Folge geben und

a) das Straferkenntnis der BH Linz-Land ersatzlos aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bw einstellen, in eventu

b) das angefochtene Straferkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher die Einvernahme des Bw sowie der beantragten Zeugen Dipl.-Ing. L und Ing. H durchzuführen sei, und das Strafverfahren einstellen.

 

Als Gründe werden die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die Rechtswidrigkeit der Bestrafung wegen aufgehobener Rechtsvorschriften , der unklare Tatvorwurf und die unzureichende Begründung angeführt.

 

Insbesondere wird unter anderem ausgeführt, dass das angefochtene Straferkenntnis in verschiedener Hinsicht den Sprucherfordernissen gemäß § 44a VStG nicht entspreche und darüber hinaus die von der belangten Behörde herangezogene LMHV mit 20. Jänner 2006 außer Kraft getreten sei.

 

1.3. Mit Schreiben vom 2. April 2007 legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt vor.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

 

2.1 Gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG entfällt die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1. wörtlich wiedergegebenen Spruch des bekämpften Straferkenntnisses als entscheidungswesentlichem Sachverhalt aus.

 

2.3. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1 Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anders bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtliche verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Der Bw war zum möglichen Tatzeitpunkt, dass nach außen berufene Organ der gegenständlichen Genossenschaft und somit grundsätzlich verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher.

 

3.2. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2) zu enthalten.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (siehe VwGH 14.02.1985, 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

 

Eingangs ist festzustellen, dass die belangte Behörde keine Aussage darüber getroffen hat, ob die zum Zeitpunkt der Tatbegehung oder die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage günstiger für den Bw ist oder nicht. Dies könnte im gegenständlichen Fall durchaus entscheidend sein, da die zitierte Verordnung seit 20. Jänner 2006 außer Kraft war und als "Nachfolgenorm" die Verordnung (EG) Nr. 852/2004, ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 besteht.

 

Insbesondere finden sich im Spruch keine konkreten und individualisierenden Angaben über die Tatbegehung selbst, da hier bloß ein Verordnungstext zitiert und lapidar die Verletzung durch den Bw angenommen wurde. Dabei findet sich auch keine Differenzierung, welche der vom Verordnungstext angeführten Alternativen auf das Verhalten des Bw zutreffen.

Im Übrigen gibt auch die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses keinerlei näheren Aufschlüsse dazu.

Fraglich erscheint auch der mögliche Begehungsort im Zusammenhang mit der unkonkretisierten Tat.

 

Allein schon aus der Zusammenschau dieser Gründe kann von einer eindeutigen Identifizierbarkeit und Konkretisierbarkeit des tatbildmäßigen Verhaltens nicht mehr gesprochen werden, zumal der bekämpfte Bescheid auch keinerlei Begründung aufweist, mittels der eine solche möglich wäre.

 

3.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Bernhard Pree

 

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