Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230441/7/Br

Linz, 27.06.1995

VwSen-230441/7/Br Linz, am 27. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der J A, F, vertreten durch Herrn P A, Ehegatte der Berufungswerberin, gleiche Adresse, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 2. Mai 1995, Zl.: St.-12.561/94-B, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe F o l g e gegeben, daß unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 666/1993 VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem im oben bezeichneten Straferkenntnis wider die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 82 Abs. 1 Z4 iVm § 15 Abs.1 Z2 FrG eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie sich als Fremde im Sinne des § 1 Abs.1 des Fremdengesetzes seit 6. Jänner 1994 bis dato nicht rechtmäßig im Bundesgebiet Österreich aufhalte, da ihr weder eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes noch von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt worden sei und ihr auch nicht eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukomme.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß der Nichtbesitz eines Sichtvermerkes zum Tatzeitpunkt feststehe. Sie halte sich seit 6.12.1993 ohne Unterbrechung im Bundesgebiet auf, obwohl sie sich bloß 30 Tage sichtvermerksfrei im Bundesgebiet aufhalten hätte dürfen.

Somit sei ihr Aufenthalt seit 6. Jänner 1994 rechtswidrig.

Das gezeigte Bemühen um eine Aufenthaltsberechtigung und Integration könnten keinen Ersatz für die Aufenthaltsberechtigung darstellen. Strafmildernd sei die Unbescholtenheit zu werten gewesen.

2. In der fristgerecht erhobenen Berufung rügt die Berufungswerberin, daß auf ihre Argumente, insbesondere welche sie unter Hinweis auf das Ehegesetz und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch gemacht habe, überhaupt nicht eingegangen worden sei. Darin erblicke sie eine Verfassungs- und Menschenrechtswidrigkeit. Sie beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Obwohl mit der Berufung im Ergebnis nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung des im wesentlichen unbestritten gebliebenen Sachverhaltes behauptet wurde, die bisherigen Aktivitäten zur Erlangung der Aufenthaltsbewilligung jedoch nicht vollständig nachvollziehbar gewesen sind, wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl.

St.-12.561/94-B. Beigeschafft wurde der Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 21. 2.1995, Zl.

01-11/1-AEG/3861-EA, mit welchem die Erteilung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz versagt wurde, sowie die diesem Bescheid vorangegangene bezughabende Stellungnahme der Berufungswerberin an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz vom 11. Februar 1995. Ferner wurde Kontakt mit dem BMfI aufgenommen und der Stand des Berufungsverfahrens (Berufung gegen die versagte Bewilligung), sowie von der Arbeiterkammer f. das Beschäftigungsverhältnis der Berufungswerberin in Erfahrung gebracht.

5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Die Berufungswerberin ist tschechische Staatsangehörige. Sie ist seit Mitte 1993 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und bei ihrem Ehemann in L wohnhaft. Sie steht seit 16. Mai 1994 bei der Arbeiterkammer in L in einem Beschäftigungsverhältnis. Sie hat bereits im September 1993 bei der österreichischen Botschaft in P um eine Aufenthaltsbewilligung angesucht gehabt. Dieser Antrag wurde vom Magistrat Linz mit Bescheid vom 1. Februar 1994 abgewiesen, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung die Ehe noch kein volles Jahr aufrecht bestand. Ein neuerlicher gleichartiger Antrag wurde schließlich Mitte Juli 1994 bei der österreichischen Botschaft in Prag gestellt.

Mit dem zit. Bescheid wurde neuerlich die Erteilung der Bewilligung unter Bezugnahme auf § 5 Abs.1 Aufenthaltsgesetz verweigert, weil der Lebensunterhalt der Berufungswerberin und die für einen Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert erachtet wurde. Ebenfalls wurde begründend bemerkt, daß wohl der Antrag auf Erteilung der Bewilligung vom Ausland aus gestellt wurde und am 14.8.1994 beim Amt der O.ö. Landesregierung eingelangt sei, die Berufungswerberin sich aber bereits seit 6.12.1993 laufend in Österreich aufgehalten habe.

Diesen Bescheid hat die Berufungswerberin angefochten. In dieser unter der AZ. 114562/2/-III/11 beim BMfI anhängigen Sache ist eine Entscheidung noch nicht ergangen, zumal der Akt aus unerklärlichen Gründen gegenwärtig nicht auffindbar ist. Auf Grund der von h. durchgeführten Erhebung, steht die Berufungswerberin auch gegenwärtig in einem Arbeitsverhältnis bei der Arbeiterkammer. Es ist somit davon auszugehen, daß sie über eine angemessene Unterkunft (bei ihrem Gatten) und über ein für die Sicherung ihres Lebensunterhaltes ausreichendes Einkommen verfügt.

5.2. Dieser Beweis ergibt sich aus der klaren und schlüssigen Aktenlage iVm den ergänzenden Erhebungsergebnissen und dem Vorbringen der Berufungswerberin in ihren Eingaben. Der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat die Berufungswerberin bzw. ihr als ihr Vertreter ausgewiesene Ehegatte unentschuldigt keine Folge geleistet.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Beim gegenständlichen Deliktstypus handelt es sich um ein sogenanntes Dauerdelikt, bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert ist (VwGH 8.4.1987, 87/01/0007, vgl. VwSlg 3156/A/1953).

6.2. Zur Frage der Rechtswidrigkeit:

6.2.1. Für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet bedarf es entweder einer Bewilligung im Sinne des § 1 Aufenthaltsgesetz oder eines von der Sicherheitsbehörde erteilten Sichtvermerkes (§ 15 Abs.1 Z2 FrG (Fremdengesetz). In diesem Punkt ist den Ausführungen der Erstbehörde beizutreten. Die Berufungswerberin hat wohl bereits vor ihrer ständigen Unterkunftnahme in Österreich um die Erteilung der Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet angesucht. Die Berechtigung zum Aufenthalt über das Ausmaß von 30 Tagen hinaus bedarf es jedoch des Vorliegens der entsprechenden Bewilligung (VwGH 28. 1.1991, 90/19/0114 u.a). Im Sinne des Legalitätsgrundsatzes könnte selbst eine zwischenzeitig erteilte Berechtigung zum Aufenthalt nicht gleichsam rückwirkend den zwischenzeitig, ohne Bewilligung gepflogenen Aufenthalt, (ex tunc) sanieren und diesen Aufenthalt nicht der Rechtswidrigkeit entledigen. Aus dieser Sicht würde der Aufenthalt selbst dann nicht legal sein, wenn die Nichterteilung der Bewilligung - was hier nicht zu beurteilen ist und somit dahingestellt bleiben kann - auf die Stufe der Gesetzeslosigkeit zu qualifizieren wäre oder wenn etwa - selbst durch unbegründete Säumigkeit der Behörde - die Bewilligung überdurchschnittlich lange auf sich warten läßt. Umgekehrt entfaltet, im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, etwa auch ein im nachhinein von Amts wegen aufzuhebender Bescheid (strenge Akzessorietät) Bindungswirkungen (E.Steininger in Triffterer StGB-Kommentar, Wien 1993, § 1 RZ 136, sowie Zehetner/Weiss, Seite 45 ff, in der jur. Schriftenreihe "Verwaltungsakzessorietät der Neutralitätsgefährdung, Band 45"). Dies gilt analog zum gerichtlichen Strafverfahren auch für das Verwaltungsstrafverfahren. Umso mehr muß dies zutreffen, wenn, so wie hier, eine Bewilligung - aus welchen Gründen immer -(noch) nicht einmal erteilt worden ist.

6.3. Zur Frage der Schuld:

6.3.1. Der § 5 Abs.1 VStG normiert, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt.

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn - so wie hier - zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (den sog. Ungehorsamsdelikten) und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

6.3.2. Dazu ist zu bedenken, daß es letztlich (für die Frage, inwieweit der Berufungswerberin ein rechtmäßiges Verhalten zugemutet werden kann) auch nicht gleichgültig sein kann, daß die Berufungswerberin in Österreich eine familiäre und eine soziale Bindung hat und es ihr bei lebensnaher Betrachtung wohl kaum zuzumuten wäre ihren Ehemann zu verlassen und im Herkunftsland die Entscheidung über den Antrag abzuwarten. Wenngleich die rechtlichen Ausführungen der Berufungswerberin unter Hinweis auf das Ehegesetz nicht stichhaltig sind, so kommt den sozialen Bindungen der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang aber im Rahmen der Verschuldensprüfung rechtliche Bedeutung zu.

Auch wenn die Dauer eines Administrativverfahrens formal zu Lasten des Antragstellers wirkt, so kann in dieser Situation nur schwer ein Schuldvorwurf erblickt werden, wenn die Berufungswerberin das Verfahren bei ihrem Ehemann im Bundesgebiet abwartet. Ohne einer diesbezüglichen Beurteilungs- oder Entscheidungskompetenz des Verwaltungssenates vertritt dieser auf Grund des Beweisergebnisses die Ansicht, daß die Berufungswerberin jedenfalls nicht grundlos, vielmehr durchaus im guten Glauben davon ausgehen darf, daß sie die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung erfülle. Ein Gesetz, das eine Bedachtnahme auf diese Frage unter keinen Umständen zuläßt, würde über das Ziel schießen und den verfassungsmäßigen Rahmen sprengen (vgl. auch VfGH 23.6.1992, G330 bis G333/91, Slg.Nr. 13.120 sinngem.). Auch im Verwaltungsstrafrecht ist nur ein schuldhaftes Verhalten strafbar (VwGH 13.5.1987, 85/18/0067; SCHULDAUSSCHLIESZUNGSGRÜNDE (vgl. Leukauf Steininger 4 StGB RN 6) bewirken, daß die tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Handlungen im konkreten Fall im Rahmen des Strafverfahrens nicht vorwerfbar sind; es mangelt an der (strafbegründenden) Schuld.

Die Folgen der Übertretung sind, jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, durchaus als unbedeutend zu bezeichnen. Es wäre daher bei einer derartigen Fallkonstellation wohl sinnvoller ein Strafverfahren wegen bewilligungslosen Aufenthaltes im Bundesgebiet erst nach rechtskräftigen Abschluß des diesbezüglichen Administrativverfahrens einzuleiten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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