Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590136/2/WEI/Ps

Linz, 05.04.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Dr. D K, A, A, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. Mai 2006, Zl. 0000129/2006, betreffend die Vorschreibung von Pflegegebühren in Höhe von 825 Euro nach dem Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 – Oö. KAG 1997 (WV LGBl Nr. 132/1997, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 122/2006) für den stationären Aufenthalt des mj. H K, geb., am 2. und 3. November 2005 im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Stadt Linz zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 56 Abs 8 Oö. KAG 1997.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem an den Berufungswerber (Bw) adressierten, oben bezeichneten Bescheid vom 4. Mai 2006 hat die belangte Behörde wie folgt abgesprochen:

 

"Spruch

I.

Ihrem Einspruch gegen die Pflegegebührenrechnung des Akh Allgemeines Krankenhaus der Stadt Linz GmbH vom 16.12.2005 in der Höhe von insgesamt € 825,00 wird keine Folge gegeben .

 

II.

 

Sie sind verpflichtet nach Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides, an die rechnungslegende Krankenanstalt (AKh Allgemeines Krankenhaus der Stadt Linz GmbH) Pflegegebühren in Höhe von € 825,00 zu bezahlen.

Nach Ablauf von sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides werden zusätzlich Verzugszinsen in der Höhe von 8,5 v.H. verrechnet.

 

Rechtsgrundlagen in der jeweils letztgültigen Fassung:

§§ 51, 55 und 56 OÖ. Krankenanstaltengesetz 1997"

 

1.2. Gegen diesen dem Bw am 18. Mai 2006 mit RSb zugestellten Bescheid richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 26. Mai 2006, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende im Wesentlichen unbestrittene Gang des Verfahrens und S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Mit Schreiben vom 2. Jänner 2006 übermittelte die Abteilung Rechnungswesen und Controlling des AKH Linz das Bezirksverwaltungsamt des Magistrats Linz den Verrechnungsakt zu Fall K H und ersuchte um bescheidmäßige Vorschreibung. Angeschlossen waren ein EDV-Rückstandsausweis für Fallzahl (Deb.Nr.:) vom 16. Dezember 2005 samt Zahlschein der PSK und der dagegen erhobene Einspruch des Bw vom 30. Dezember 2005. Aus dem EDV-Ausdruck geht folgende Leistung hervor:

 

Datum                    Leistungsbezeichnung      Code Anz.      Grundpreis       EUR

02.-03.11.2005      Bruttopflegegebühr                 BPG       2               412,50         825,00

 

Der Pflegegebührenrechnung Nr. lag ein stationärer Aufenthalt des H K, geb., Sohn des Bw, im Zeitraum vom 2. bis 3. November 2005 in der Abteilung NEU, Station NEUS2 zugrunde.

Auf einem weiteren EDV-Ausdruck vom 30.12.2005 des AKH Linz werden zur Fallzahl die Wiener GKK für Angestellte als Kostenträger und danach der Vermerk "Ablehnung wurde verbucht; Ablehnungsgrund: Anstaltspflege ohne Notwendigkeit ärztl. Behandlung" angeführt.

 

2.2. Gegen diese Pflegegebührenvorschreibung hat der Bw in offener Frist Einspruch mit folgender Begründung erhoben:

 

"Sie haben mir eine Behandlungsrechnung für meinen Sohn H K in Höhe von 825,- Euro zugesendet. Ich möchte Ihnen hiermit mitteilen, dass ich für diese Rechnung nicht zuständig bin und Einspruch erhebe.

 

Da offensichtlich medizinische Gründe für die Aufnahme meines Sohnes im AKH gesprochen haben, müsste dies entsprechend begründet über die Wiener Gebietskrankenkasse, bei der mein Sohn über mich mitversichert ist, abgerechnet werden. Auch möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass mein Sohn in einer sozialpädagogischen Einrichtung (T) wohnt und die Ausübung der Pflege und Erziehung von H beim Land Oberösterreich, Abteilung Jugenwohlfahrt, liegt."

 

2.3. Im Verwaltungsverfahren hat die belangte Behörde dem Bw mit Schreiben vom 10. März 2006 mitgeteilt, dass sein Sohn wegen "passagerer Bewusstseinsstörung nach Alkoholkonsum und fraglicher Tabletteneinnahme" stationär im AKH Linz zur Beobachtung aufgenommen worden sei. Über die Notwendigkeit einer solchen Aufnahme entscheide der Arzt. Im Fall des mj. H K könne sehr wohl von Anstaltsbedürftigkeit iSd § 46 Abs 3 OÖ. KAG ausgegangen werden. Dem Einwand, dass die Ausübung der Erziehung dem Land Oberösterreich, Abteilung Jugendwohlfahrt, eingeräumt worden ist, hielt die belangte Behörde entgegen, dass der Bw laut Auskunft des Bezirksgerichts Urfahr-Umgebung vom 10. März 2006 am 2. und 3. November 2005 gemeinsam mit der Kindesmutter unterhaltspflichtig iSd § 55 Abs 2 OÖ. KAG gewesen sei.

 

Zu diesem Schreiben äußerte sich der Bw mit Schreiben vom 24. März 2006. Er übermittelte die Stellungnahme der Abteilung Jugendwohlfahrt des Amtes der Oö. Landesregierung vom 16. Jänner 2006 zur Kenntnisnahme. Dieser schloss sich der Bw seinen Einspruch bekräftigend vollinhaltlich an.

 

2.4. Das in der gegenständlichen Angelegenheit der Behandlung (Rechnung Nr.) des mj. H K, geb., an das AKH Linz ergangene Schreiben der Abteilung Jugendwohlfahrt vom 16. Jänner 2006, Zl. JW-850149/9-Chr/Naw, lautet wie folgt:

 

"Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der mj. H K befindet sich seit 28.6.2005 im Rahmen einer Maßnahme der freiwilligen vollen Erziehung in Betreuung des öffentlichen Jugendwohlfahrtsträgers und ist im Rahmen dieser Maßnahme in der T untergebracht. Dem Land Oberösterreich, vertreten durch den öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger wurde seitens des Kindesvaters die Ausübung der Pflege und Erziehung sowie die dazugehörige gesetzliche Vertretung übertragen, welche im Rahmen einer Betreuungsvereinbarung wiederum an die T weitergegeben wurde. Der Kindesvater ist nach wie vor Träger der Obsorgerechte.

 

Der Minderjährige absolviert derzeit ein Arbeitstraining, bezieht jedoch kein Einkommen. Wöchentlich stehen dem Minderjährigen 9 Euro an Taschengeld für den eigenen Verbrauch zur Verfügung.

 

Am 2.11.2005 wurde der mj. H K durch die von der Notschlafstelle U gerufene Rettung ins Allgemeine öffentliche Krankenhaus der Stadt Linz gebracht. Gleichzeitig wurde der Leiter der T, Herr J L, seitens der Notschlafstelle U von dieser Maßnahme unterrichtet. Dieser setzte sich daraufhin unverzüglich – also noch am 2.11.2005 – mit dem Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Stadt Linz in Verbindung, wo er – nach mehrmaligen Versuchen – mit der den Minderjährigen behandelnden Ärztin Kontakt aufnehmen konnte. Bezüglich seines Ansinnens, nämlich den mj. H K aus dem Krankenhaus abzuholen, teilte die Ärztin mit, sei wolle ihn zur Beobachtung hier behalten.

Aufgrund dieser Aussage konnte Herr L selbstverständlich davon ausgehen, dass eine medizinisch indizierte Betreuung/Behandlung erforderlich ist, sohin die Voraussetzungen für die Kostentragung seitens des Sozialversicherungsträgers gegeben sind – letzteres vor allem auch deshalb, als seitens der behandelnden Ärztin keinerlei gegenteilige Information erteilt wurde. Ein fehlendes Behandlungserfordernis wird jedoch nunmehr durch die uns vorliegende Information der Nichtübernahme der Behandlungskosten seitens des Krankenversicherungsträgers offensichtlich.

 

Aus dem an den mj. H K adressierten Arztbrief ist ersichtlich, dass Alkoholintoxikation diagnostiziert wurde (Laborchemisch: 0,5 bis 1,5 Promille) sowie die Überprüfung auf Amphetamine. Opiate oder Cannabinoide des Harns negativ verlief. Am 3.11.2005 verließ der mj. H K nach 'komplikationslosen stationären Verlauf' das Allgemeine öffentliche Krankenhaus der Stadt Linz.

 

Nunmehr sieht sich der mj. K H mit einer Forderung des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz in der Höhe von 825 Euro für diesen Aufenthalt (2./3.11.2005) konfrontiert.

 

Der mj. H K ist jedoch aufgrund seines Alters (geb.) und angesichts seiner derzeitigen Einkommenssituation nicht in der Lage derartige Rechtsgeschäfte zu tätigen. Diesbezüglich ist auf die einschlägige Bestimmung des ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuches) zu verweisen, wonach mj. Kinder nach erreichter Mündigkeit über Sachen, die ihnen zur freien Verfügung überlassen worden sind und über ihr Einkommen aus eigenem Erwerb soweit verfügen und sich verpflichten können, als dadurch nicht die Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse gefährdet wird.

 

Dem mj. H K hat demnach im Zeitpunkt der Behandlung die Geschäftsfähigkeit zum Abschluss eines derartigen Behandlungsvertrages gefehlt. Daraus folgt, dass der Behandlungsvertrag zwischen dem Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Stadt Linz und dem mj. H K nicht rechtswirksam zustande gekommen ist und die Forderung gegenüber dem Minderjährigen in Höhe von EUR 825 demnach jeglicher rechtlicher Grundlage entbehrt.

 

Die Zustimmung durch das Land Oberösterreich (öffentlicher Jugendwohlfahrtsträger) bzw. jene des Kindesvaters wurde weder eingeholt noch erteilt.

 

Die "Zustimmung" des Herrn L zum "Behandlungsvertrag", die er – wenn überhaupt – konkludent dadurch erteilte, indem er (entgegen seinem ursprünglichen Ansinnen) den Minderjährigen aufgrund der telefonischen Information durch die Ärztin nunmehr doch nicht im AKH abholte, erteilte er im guten Glauben darauf, dass die Kosten seitens des Sozialversicherungsträgers getragen werden. Grundsätzlich besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seinen Entschluss (nämlich einen Vertrag abzuschließen oder nicht) Einfluss haben könnten. Eine Pflicht ist jedoch dann zu bejahen, wenn der andere Teil (in diesem Fall Herr L) nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs Aufklärung erwarten durfte (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts).

 

Abschließend ist festzuhalten, dass Herr L – wie oben dargelegt – die Zustimmung lediglich zu einer (erforderlichen) Krankenbehandlung erteilt hat. Liegt eine erforderliche Krankenbehandlung vor – wovon aufgrund der Aussage der Ärztin auszugehen war -, so werden die Kosten seitens des Krankenversicherungsträgers getragen und ersuchen wir Sie, sich diesbezüglich an die Wiener Gebietskrankenkasse zu wenden.

 

Lag ein Behandlungserfordernis nicht vor, so mangelt es an der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für den Abschluss des Vertrages, was konkret bedeutet, dass ein solcher nicht zustande gekommen ist. Herr L hat zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt – dies dokumentiert sich ja auch in seinem der Ärztin gegenüber dargelegten Ansinnen den Minderjährigen unverzüglich aus dem AKH abzuholen – einen "Beherbergungsvertrag" abzuschließen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Für das Land Oberösterreich:

HR Dr. G H"

 

2.5. Im angefochtenen Bescheid geht die belangte Behörde vom bisher dargestellten Sachverhalt aus. Ergänzend wird festgehalten, dass der Chefarzt der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) am 2. Dezember 2005 die Übernahme der Kosten seitens des Sozialversicherungsträgers nach Einsicht in die Behandlungsunterlagen mit der Begründung "Rausch" abgelehnt habe.

 

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 55 Abs 1 und 2 Oö. KAG 1997 festgehalten, dass bei fehlender Hereinbringung der Pflegegebühren beim Patienten selbst oder den sonstigen in Abs 1 genannten Personen die für ihn unterhaltspflichtigen Personen zum Ersatz heranzuziehen sind.

 

In ihrer weiteren rechtlichen Begründung spricht die belangte Behörde offenbar aktenwidrig davon, dass der mj. H K am 2. November 2005 "bewusstlos" in das AKH eingeliefert worden sei. Tatsächlich war bislang nur von einer Einlieferung "wegen passagerer Bewusstseinsstörung nach Alkoholkonsum und fraglicher Tabletteneinnahme" die Rede (vgl Schreiben der belangten Behörde vom 10.03.2006 und E-Mail vom 7.03.2006 der Abt. Rechnungswesen & Controlling des AKH).

 

Die belangte Behörde geht weiter davon aus, dass im Zeitpunkt der Erstbehandlung noch kein Vertragsverhältnis zustande gekommen war, weshalb die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag iSd § 1036 ABGB zur Anwendung kämen. Der behandelnde Arzt hätte eigenmächtig eingreifen müssen, um unmittelbar drohenden Schaden für die Gesundheit des Sohnes des Bw abzuwenden. In der Folge wäre nach Ansicht der belangten Behörde ein Behandlungsvertrag noch zustande gekommen, weil Herr L von der T keine Einwände gegen die Beobachtung des Minderjährigen in der Krankenanstalt geäußert habe und diesen nicht abholte. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine konkludente Willenserklärung abgegeben worden, den Behandlungsvertrag für die erforderliche Heilbehandlung abzuschließen.

 

Zum Einspruch des Bw stellt die belangte Behörde schließlich fest, dass die Einlieferung und der folgende stationäre Aufenthalt des mj. H K zu Recht erfolgt sei, zumal die Erstanamnese "passagere Bewusstseinstörungen nach Alkoholkonsum und fragliche Tabletteneinnahme" vorgelegen sei. Über die Notwendigkeit einer Anstaltspflege iSd § 46 Oö. KAG 1997 entscheide der Arzt.

 

2.6. Die Berufung verweist zunächst vollinhaltlich auf das oben zitierte Schreiben der Abteilung Jugendwohlfahrt des Amtes der Oö. Landesregierung vom 16. Jänner 2006. Dann führt der Bw aus, dass sein Sohn H in depressiven Phasen Zuflucht in Alkohol suche und zu unüberlegten Handlungen neige. Deswegen sei er seit über einem Jahr in stationärer und ambulanter Behandlung im W bei Herrn OA Dr. H und zudem seit Juni 2005 im Rahmen der freiwilligen vollen Erziehung in Betreuung des öffentlichen Wohlfahrtsträgers (Abt. Jugendwohlfahrt des Amtes der Oö. Landesregierung) in der T untergebracht. Dort werde er rund um die Uhr betreut. Deshalb habe sich der Leiter sofort mit der behandelnden Ärztin in Verbindung gesetzt und H unverzüglich vom AKH abholen wollen. Da ihm dies die Ärztin verwehrte, wäre er von einer erforderlichen Heilbehandlung ausgegangen, für deren Kostenersatz die WGKK, bei der H sozialversichert ist, heranzuziehen sei. Die Notwendigkeit der Heilbehandlung müsse vom AKH gegenüber der WGKK dargestellt werden, was offensichtlich nicht in ausreichender Form erfolgte.

 

Das wirkliche Problem sei nicht der "Rausch", sondern die psychischen Probleme dahinter. Deshalb gehe auch der Bw von einer notwendigen Heilbehandlung seines Sohnes aus. Weiters zeigt auch der Bw die Widersprüchlichkeit auf, dass der Chefarzt der WGKK mit "Rausch" argumentiert, während im angefochtenen Bescheid "Bewusstlosigkeit" angeführt wird. Bei der aus dem Arztbrief hervorgehenden Alkoholintoxikation zwischen 0,5 und 1,5 Promille sei für den Bw fraglich, ob innerhalb dieser Grenzen ein stationärer Spitalsaufenthalt erforderlich ist oder eine Bewusstlosigkeit ausgelöst werde. Jedenfalls wäre die Heilbehandlung gegenüber der WGKK darzustellen und abzurechnen gewesen.

 

Wenn aber keine erforderliche Heilbehandlung vorlag, so hätte ganz ausdrücklich die erforderliche Zustimmung gefehlt, weswegen ein "Behandlungsvertrag" mit dem minderjährigen Sohn des Bw nicht rechtsgültig zustande gekommen wäre. In diesem Fall ginge es nicht nur um die Frage der Übernahme der Kosten, sondern auch um das Recht, den Sohn der sozialpädagogischen Betreuung der T trotz deren Intervention zu entziehen. Es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Ärztin die erforderliche Zustimmung nicht habe einholen können. H wäre unverzüglich von der T abgeholt worden, wenn kein stationäres Behandlungserfordernis vorlag.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, dass der angefochtene Bescheid schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 51 Oö. KAG 1997 sind Pflegegebühren, soweit Abs 2 und § 52 (Kostenbeitrag und zusätzliche Beiträge) nichts anderes bestimmen, das tägliche Entgelt für alle Leistungen der Krankenanstalt in der allgemeinen Gebührenklasse. Mit den Pflegegebühren werden die Leistungen der Fondskrankenanstalten für jene stationäre Patienten abgegolten, die nicht über den Oö. Gesundheitsfonds durch LKF-Gebührenersätze abgerechnet werden. Nach Abs 2 sind bestimmte Kosten wie Kosten der Beförderung, Beistellung eines Zahnersatzes etc. in der Pflegegebühr nicht inbegriffen. Sondergebühren sind im § 53 Oö. KAG 1997 geregelt.

 

Gemäß § 55 Abs 1 Oö. KAG 1997 ist zur Bezahlung der in der Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise dazu verpflichtet ist oder dafür Ersatz zu leisten hat.

 

§ 55 Abs 2 Oö. KAG 1997 bestimmt, dass zum Ersatz die unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen sind, wenn die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst oder bei den sonstigen im Abs 1 genannten Personen hereingebracht werden können. Die Ausnahmen des § 47 Abs 3 Z 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 gelten sinngemäß.

 

4.2. § 46 Oö. KAG 1997 regelt die Aufnahme von Patienten in Krankenanstalten. Nach Abs 1 können Patienten nur durch die in der Anstaltsordnung bestimmten Organe auf Grund der Untersuchung durch den dazu bestimmten Anstaltsarzt aufgenommen werden. Gemäß § 46 Abs 2 leg.cit. ist bei der Aufnahme auf den Zweck der Krankenanstalt und auf den Umfang der Anstaltseinrichtungen Bedacht zu nehmen. Der Rechtsträger ist nicht verpflichtet, Anstaltseinrichtungen für die Durchführung operativer Eingriffe an Personen vorzusehen, die nicht anstaltsbedürftig sind.

 

Nach § 46 Abs 3 Oö. KAG 1997 sind grundsätzlich solche Personen anstaltsbedürftig im Sinn des Abs 2, deren auf Grund ärztlicher Untersuchung festgestellter geistiger oder körperlicher Zustand die Aufnahme in Krankenanstaltenpflege erfordert.

 

Ob der mj. Sohn des Bw bei der Aufnahme ins AKH Linz am 2. November 2005 als anstaltsbedürftig anzusehen war, erscheint nach der Aktenlage durchaus sehr zweifelhaft. Er wurde wegen "passagerer" – also vorübergehender – Bewusstseinsstörung nach Alkoholkonsum und fraglicher Tabletteneinnahme stationär zur Beobachtung aufgenommen. Nach Einsicht in die Behandlungsunterlagen lehnte der Chefarzt der WGGK die Übernahme der Kosten mit der Begründung "Rausch" ab. Im EDV-Ausdruck des AKH Linz vom 30. Dezember 2005 wurde vermerkt: "Ablehnungsgrund: Anstaltspflege ohne Notwendigkeit ärztl. Behandlung".

 

Diese chefärztliche Ablehnung ist schon ein starkes Indiz dafür, dass tatsächlich keine Anstaltsbedürftigkeit vorlag. Berücksichtigt man dann noch den in der Angelegenheit des mj. H K verfassten Arztbrief des AKH Linz, so geht daraus, wie im Schreiben der Abteilung Jugendwohlfahrt dargelegt, bloß die Diagnose "Alkoholintoxikation" mit der ungenauen laborchemischen Angabe von 0,5 bis 1,5 Promille hervor. Die Überprüfung des Harns auf Amphetamine, Opiate oder Cannabionoide war negativ, was bedeutet, dass der Minderjährige nicht unter Suchtgifteinfluss stand. Dementsprechend wurde er dann auch am nächsten Tag nach komplikationslosem stationären Verlauf entlassen (vgl Schreiben der Abt. Jugendwohlfahrt vom 16.01.2006). Somit trifft es offenbar zu, dass ein ganz gewöhnlicher Rausch vorlag, der im Normalfall keine besondere ärztliche Behandlung erfordert hätte. Dies kann für den oben angeführten geringen Promillebereich schon nach allgemeiner Lebenserfahrung angenommen werden.

 

Die belangte Behörde hat sich mit den dargestellten Fakten, die im aktenkundigen Schreiben der Abteilung Jugendwohlfahrt vom 16. Jänner 2006 deutlich angesprochen werden, nicht ausreichend auseinandergesetzt. Sie hat lediglich in aktenwidriger Weise die bewusstlose (anstatt bewusstseinsgestörte) Einlieferung des mj. H und darüber hinaus begründungslos und abstrakt behauptet, dass der behandelnde Arzt eigenmächtig hätte eingreifen müssen, um einen unmittelbar drohenden positiven Schaden für die Gesundheit abzuwenden (vgl angefochtenen Bescheid, Seite 7). In gewissem Widerspruch dazu ist im vorletzten Absatz auf der gleichen Seite wieder von der Erstanamnese "passagere Bewusstseinstörungen nach Alkoholkonsum und fragliche Tabletteneinnahme" die Rede. Der abschließende Hinweis, dass über die Notwendigkeit einer Anstaltspflege iSd § 46 Oö. KAG 1997 der Arzt entscheidet, geht schon aus dem Gesetzestext hervor und ist keine fallbezogene Begründung dafür, dass Anstaltsbedürftigkeit tatsächlich vorlag. Es kann damit wohl nicht gemeint sein, dass der Anstaltsarzt – egal ob er richtig oder falsch liegt – immer endgültig darüber entscheide. Vielmehr sind ärztliche Entscheidungen anhand der Krankengeschichte zu belegen und damit auch einer Überprüfung zugänglich.

 

Beweisergebnisse für besondere Umstände oder Komplikationen beim Zustand des Minderjährigen, die seine Aufnahme zur stationären Beobachtung insofern plausibel erscheinen lassen, als nur damit allfällige Gefahren für seine Gesundheit rasch und zuverlässig hätten abgewendet werden können, sind von der belangten Behörde nicht erhoben und auch sonst nicht aktenkundig geworden. Deshalb muss der unabhängige Verwaltungssenat davon ausgehen, dass der medizinische Zustand des mj. H K keineswegs so ernst war, als dass er nicht – wie vom Leiter der T der aufnehmenden Ärztin angeboten – hätte unverzüglich abgeholt werden können. In der Einrichtung der T hätte man den mj. H wohl ebenso beobachten und gegebenenfalls eine ärztliche Behandlung durch den zuständigen ärztlichen Bereitschaftsdienst im Sanitätsbezirk veranlassen können.

 

4.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht weiter mit den Verfahrensparteien davon aus, dass eine rechtswirksam zustande gekommene Verpflichtung aus einem Behandlungsvertrag zwischen dem Patienten und dem Krankenanstaltenträger die Grundvoraussetzung für die Vorschreibung von Pflege-(Sonder-)gebühren bildet.

 

Im vorliegenden Fall scheint auch unbestritten zu sein, dass der 15jährige Sohn des Bw und damit mündige Minderjährige im Zeitpunkt der Aufnahme in das AKH Linz nicht über die Geschäftsfähigkeit zum Abschluss eines solchen Vertrages verfügte, zumal er kein ausreichendes Einkommen aus eigenem Erwerb hatte und die Kosten aus dem Behandlungsvertrag die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet hätte (vgl dazu §§ 151 Abs 2, 152 ABGB). Es wäre daher von vornherein die Zustimmung bzw Genehmigung des gesetzlichen Vertreters einzuholen gewesen.

 

Die Obsorge und gesetzliche Vertretung kommt gemäß § 144 ABGB grundsätzlich den Eltern des Kindes zu, soweit sie nicht gemäß §§ 176f ABGB durch gerichtliche Verfügung eingeschränkt oder entzogen wurde, was gegenständlich nicht der Fall ist. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats kann die unmittelbar auf dem Gesetz beruhende Vertretungsbefugnis der Eltern nur durch Gesetz oder gerichtliche Verfügung auf Dritte übertragen werden. Allerdings können die gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen die Ausübung der Pflege und Erziehung an Dritte übertragen.

 

Im vorliegenden Fall liegt eine freiwillige Maßnahme (§ 38 Oö. JWG 1991) der öffentlichen Jugendwohlfahrt durch Erziehungshilfe in Form der vollen Erziehung iSd § 37 Abs 1 Oö. Jugendwohlfahrtsgesetz 1991 (Oö. JWG 1991) vor, bei der der Minderjährige in Einrichtungen gemäß § 19 Abs 1 Z 1 leg.cit untergebracht wird und der Jugendwohlfahrtsträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut wird. Öffentlicher Jugendwohlfahrtsträger ist gemäß § 4 Abs 1 leg.cit. das Land Oberösterreich, wobei die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt nach Maßgabe des Landesgesetzes von der Landesregierung und den Bezirksverwaltungsbehörden besorgt werden.

 

Gemäß § 40 Abs 2 Oö. JWG 1991 obliegt die Durchführung der vollen Erziehung in Form einer Unterbringung in einem Heim, einer Wohngemeinschaft oder sonstigen Einrichtung iSd § 30 (dh.: die zur Übernahme von Minderjährigen in die volle Erziehung oder sonst auf Dauer in Pflege und Erziehung bestimmt sind) der Landesregierung, wenn es sich um eine(n) Minderjährige(n) handelt, der (die)

1.         auf Grund seines (ihres) Sozialverhaltens einer besonders intensiven sozialpädagogischen Betreuung bedarf und

2.         das elfte Lebensjahr vollendet hat; in begründeten Einzelfällen ist aber das Alter des(r) betreuungsbedürftigen Minderjährigen nicht zu berücksichtigen.

Nach dem letzten Satz des § 40 Abs 2 leg.cit. obliegt die Ausübung der Obsorgerechte (§ 144 ABGB) der Landesregierung hinsichtlich Pflege und Erziehung.

 

4.4. Gegenständlich ist der mj. H K im Rahmen der mit dem Bw und Kindesvater vereinbarten Maßnahme der öffentlichen Jugendwohlfahrt zur vollen Erziehung in einer Wohngemeinschaft, der T, untergebracht worden. Die Ausübung der Pflege und Erziehung und der dazugehörigen Obsorge wurden dem Land Oberösterreich übertragen. Dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger, vertreten durch die Landesregierung, obliegt die Ausübung der Obsorgerechte in diesem Umfang (vgl § 40 Abs 2 letzter Satz Oö. JWG 1991). Deshalb kommt der Landesregierung auf Grund der zitierten Bestimmung des Oö. JWG 1991 auch im (beschränkten) Umfang der Maßnahme der vollen Erziehung die gesetzliche Vertretung des Minderjährigen zu. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats kann entgegen der sinngemäßen Darstellung im Schreiben der Abteilung Jugendwohlfahrt des Amtes der Oö. Landesregierung vom 16. Jänner 2006 die Landesregierung mangels einer geeigneten Rechtsgrundlage die Ausübung der Obsorgerechte iSd § 40 Abs 2 letzter Satz Oö. JWG 1991 nicht an Dritte weitergeben, sondern hat sie durch ihre Organe verantwortlich auszuüben. Lediglich die Ausübung der Erziehung und Pflege kann Dritten überlassen werden.

 

Die medizinische Versorgung des mj. H ist im Rahmen der Maßnahme der vollen Erziehung zu gewährleisten. Im vorliegenden Fall hätte daher der Rechtsträger des AKH Linz die Einwilligung der Landesregierung (Abteilung Jugendwohlfahrt) oder des Kindesvaters für die Rechtswirksamkeit des Behandlungsvertrags einholen müssen. Der Kindesvater ist bei einer Maßnahme der freiwilligen Erziehungshilfe nach wie vor Träger der Obsorgerechte und könnte beispielsweise gemäß § 43 Abs 4 Oö. JWG 1991 die getroffene Vereinbarung über die Erziehungshilfe einseitig lösen. Die Frage, ob der Herr L als Leiter der T überhaupt eine Einwilligung in die Behandlung des mj. Sohnes des Bw für die Oö. Landesregierung erteilen konnte, ist nach den obigen Ausführungen zweifelhaft und nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats eher zu verneinen.

 

Dies kann aber ohnehin dahingestellt bleiben, weil Herr L auch nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats jedenfalls keine Einwilligung in eine medizinisch nicht erforderliche stationäre Unterbringung des mj. H K erteilen wollte und auch nach den Umständen nicht schlüssig erteilt hat. Nach § 863 Abs 1 ABGB kann der Wille auch stillschweigend durch solche Handlungen erklärt werden, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. Aus dem Schweigen (Nichterheben von Einwänden) des Herrn L auf die telefonische Mitteilung der Ärztin, den mj. H zur Beobachtung in der Krankenanstalt behalten zu wollen, ist entgegen der Meinung der belangten Behörde eine konkludente Willenserklärung, einen entsprechenden Behandlungsvertrag abschließen zu wollen, nicht zu erkennen. Das Nichterheben von Einwänden erklärt sich allein daraus, dass Herr L auf das fachkundige Urteil der Anstaltsärztin vertrauen und dementsprechend von einer erforderlichen Krankenbehandlung im Wege stationärer Aufnahme ausgehen konnte. Daraus kann aber sicher keine Einwilligung in die stationäre Aufnahme abgeleitet werden, zumal doch Herr L seinen mj. Schützling abholen wollte und nur durch die Absage der Ärztin davon abgehalten wurde.

 

An die Schlüssigkeit eines Verhaltens in Bezug auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt das Gesetz einen strengen Maßstab an, wenn es im § 863 Abs 1 ABGB verlangt, dass kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, verbleiben darf. Bloßes Schweigen hat grundsätzlich keinen Erklärungswert, insbesondere auch nicht die Bedeutung der Zustimmung zu einem Vertragsangebot (vgl näher m Nachw Rummel in Rummel2 Rz 15 zu § 863 ABGB). Die Rechtsansicht der belangten Behörde zum Zustandekommen eines Behandlungsvertrages erscheint schon aus diesem Grund unhaltbar.

 

4.5. Schließlich ist auch der von der belangten Behörde zur Begründung der Pflegegebühren herangezogene Rechtsgrund der Geschäftsführung ohne Auftrag iSd § 1036 ABGB unzutreffend.

 

Nach § 1035 ABGB ist eine Einmengung in fremde Geschäfte idR unzulässig. Ausnahmen ergeben sich für die Geschäftsführung im Notfall nach § 1036 ABGB und zum Nutzen eines anderen nach § 1037 ABGB. Im Fall der nützlichen Geschäftsführung müsste das eigenmächtige Geschäft "zum klaren und überwiegenden Vorteil" geführt haben, wovon gegenständlich keine Rede sein kann. Die von der belangten Behörde angezogene Geschäftsführung im Notfall setzt die Geschäftsbesorgung "zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens" voraus. Schon die Frage eines Notfalles kann im vorliegenden Fall auf Grund der Ausführungen unter Punkt 4.2. wohl nicht bejaht werden. Darüber hinaus ist § 1036 ABGB nach h. Judikatur nur dann anwendbar, wenn es dem Geschäftsführer nicht möglich war, die Zustimmung des Geschäftsherrn rechtzeitig einzuholen (vgl EvBl 1982/83; SZ 54/176; SZ 57/167= JBl 1985, 421). Diese Voraussetzung eines Notfalls liegt entgegen der Behauptung der belangten Behörde nicht vor, ist doch nach der Aktenlage überhaupt kein Grund ersichtlich, wieso seitens des AKH Linz nicht einmal versucht wurde, den Kindesvater oder einen Vertreter der Jugendwohlfahrt zu erreichen und die Zustimmung zur stationären Aufnahme einzuholen.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung aus all den angeführten Gründen Folge zu geben und der angefochtene Bescheid, mit dem ohne geeignete Rechtsgrundlage Pflegegebühren für den stationären Aufenthalt des mj. H K vom 2. auf 3. November 2005 vorgeschrieben wurden, ersatzlos aufzuheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Eingabengebühren in Höhe von 13 Euro für die Berufung angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Dr. W e i ß

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 31. Jänner 2011, Zl.: 2007/11/0078-6

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